1.Eine Nichtausübung kann gegeben sein, wenn ein Vertragsarzt nur noch einzelne Maßnahmen der Versorgung ausübt oder er nur noch in geringem Umfang Verrichtungen vornimmt; dann ist zu prüfen, ob er die Gesamtheit seiner Pflichten noch im Wesentlichen erfüllt (Anschl. an BSG Urteil vom 19.12.1984, 6 RKa 34/83). Anhaltspunkte hierfür geben unter anderem, jedoch nicht ausschließlich - die tatsächlichen Behandlungsfallzahlen (BSG v. 19.07.2023, B 6 KA 5/22 R).
2. Behandelt der BAG-Partner in der Praxis bei Nichtabwesenheit der weiteren Partner nur wenige Dutzend Patienten je Quartal, wird dennoch eine Nichtausübung zu verneinen sein, wenn jener die Bereitschaftsdiensteinsätze der weiteren Partner übernimmt. Nehmen diese hingegen die Einsätze selbst wahr, werden mithin Einsätze von Ärzten anderer Praxen übernommen, wird eine Nichtausübung zu bejahen sein.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.02.2024, Az.: S 20 KR 481/19 wird zurückgewiesen.
I. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1).
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit der Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Der 1954 geb., mithin heute 70jährige Kläger nimmt seit 2008 als zugelassener Allgemeinarzt an der vertragsärztlichen Versorgung (hausärztliche Versorgung) teil. Er gehört der hausärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) Prof. Dr. S. und Kollegen in M an, die über fünf Versorgungsaufträge (vier zugelassene Ärzte und ein ganztags angestellter Arzt) verfügt. Diese BAG versorgt eine Patientenzahl, die sich im Vergleich zur Fachgruppe als weit unterdurchschnittlich darstellt (ca. 30 % der Fachgruppe).
Der Zulassungsausschuss hatte den Kläger bereits im Februar 2017 zur Überprüfung der Vertragsarztzulassung angeschrieben und auf dessen fast ausschließliche Tätigkeit im ärztlichen Bereitschaftsdienst hingewiesen. Im 3. Quartal 2016 habe der Kläger nur einen einzigen Fall in der Praxis und 298 Besuche im Bereitschaftsdienst abgerechnet.
Der Kläger antwortete darauf, dass er am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehme. Zusätzlich helfe er in der Praxis bei kleinen Beratungen, am Tresen, bei Blutabnahme und Rezeptausstellungen. Dies spiegele sich in der Berechnung nicht wieder, weil die Quartalspauschale zumeist von einem anderen Arzt bereits in Ansatz gebracht worden sei und er sozusagen die zweite und dritte Behandlung im Quartal übernehme. Insgesamt halte er 25 Stunden Sprechzeiten für gesetzlich versicherte Patienten ab.
Der Zulassungsausschuss gab dem Kläger bis April 2018 Gelegenheit zur Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die alleinige Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst sei nicht ausreichend.
Erneute Ladung vor den Zulassungsausschuss erging am 13.05.2019.
Ausweislich des Tagesordnungsprotokolls stellte der Zulassungsausschuss fest, dass sich das Abrechnungsverhalten des Klägers als unverändert darstelle. Der Kläger führte aus, dass er eine Steigerung der Fallzahlen versucht habe; es gebe jedoch nicht genügend Patienten in der BAG. Er wollte mehr Sprechstunden abhalten; das habe aber nicht geklappt. Neue Patienten gebe es nicht, er könne diese nicht den Kollegen abnehmen. Patienten zählten nur beim ersten Besuch in der Praxis. Er nehme dann Blut ab und werde auch anderweitig beschäftigt, was er aber nicht abrechnen könne. Der Seniorpartner der BAG Prof. S. erklärte ausweislich der Sitzungsniederschrift, er habe seinen eigenen Sitz gerettet und Patienten in der Praxis an sich genommen, zumal Dr. K durch die Krebserkrankung seiner Frau belastet sei und andere Dinge im Kopf gehabt habe. Dieser habe dann aber Geld verdienen müssen, was einfach und schnell im ÄBD gelinge. Beide dächten an den Ausstieg aus der vertragsärztlichen Versorgung. Er (Dr. S.) habe durch die Rettung seiner Zulassung es möglich gemacht, diese an einen Nachfolger weiterzugeben.
Mit Beschluss vom 13.05.2019 entzog der Zulassungsausschuss M Stadt und Land dem Kläger wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit die Zulassung.
Dagegen rief der Kläger den Berufungsausschuss Ärzte Bayern an.
Mit Beschluss vom 08.10.2019, ausgefertigt als Bescheid am 25.11.2019, bestätigte der Berufungsausschuss die Entscheidung des Zulassungsausschusses und entzog dem Kläger die vertragsärztliche Zulassung am Vertragsarztsitz R Straße , M, vollständig. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger eine weit unterdurchschnittliche Fallzahl gegenüber der Fachgruppe der Hausärzte in M. Er biete selbst keine Sprechstunden an. Die Prüfung, ob eine vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt werde, dürfe nicht an den ärztlichen Bereitschaftsdienst anknüpfen, da dieser nur ein Annex der vertragsärztlichen Tätigkeit sei. Vielmehr müsse dieser an die Tätigkeit in der Praxis anknüpfen. Auf die Rechtsprechung sei zu verweisen. Aus Sicht des Berufungsausschusses sei der Kläger für die vertragsärztliche Tätigkeit am Vertragsarztsitz, mithin in der Praxis, zugelassen. Dort habe er diese auszuüben. Man könne auch nicht von einer Verschiebung der Aufgabenverteilung innerhalb der BAG ausgehen, da diese insgesamt zu wenig Leistungen erbringe und selbst ca. 70 % unter dem durchschnittlichen Leistungsvolumen der Hausärzte liege. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz müsse alle anderen Tätigkeiten überwiegen. Zudem stelle sich die Frage, ob der Kläger überhaupt ein ausreichendes Spektrum an ärztlichen Leistungen erbringe.
Zuvor hatte sich Dr. S als rechtlicher Vertreter des Klägers bestellt und Vertagung beantragt, weil er anderweitige Verpflichtungen habe. Dies lehnte der Beklagte ab. Am Morgen des Terminstags teilte der Kläger mit, aufgrund einer akuten Erkrankung (Gastritis) nicht teilnehmen zu können und beantragte die Verschiebung des Termins. Ein Attest wurde weder vorgelegt noch angefordert. Der Beklagte äußerte sich zum Antrag (Ablehnung, Stattgabe) nicht und führte die Sitzung mit Beschlussfassung durch. Er verweist auf den Hinweis, dass auch in Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.
Die Patientenzahlen des Klägers stellen sich wie folgt dar:
Quartale in |
Praxis |
ÄBD |
2016 |
|
|
1 |
281 |
0 |
2 |
198 |
0 |
3 |
1 |
298 |
4 |
0 |
431 |
2017 |
|
|
1 |
3 |
430 |
2 |
36 |
365 |
3 |
68 |
438 |
4 |
35 |
380 |
2018 |
|
|
1 |
55 |
446 |
2 |
70 |
319 |
3 |
17 |
400 |
4 |
16 |
408 |
2019 |
|
|
1 |
9 |
340 |
2 |
4 |
370 |
3 |
53 |
396 |
4 |
119 |
349 |
1/20 |
9 |
502 |
2 |
3 |
490 |
3 |
2 |
397 |
4 |
5 |
368 |
1/21 |
1 |
397 |
2 |
3 |
335 |
3 |
6 |
325 |
4 |
10 |
273 |
1/22 |
5 |
240 |
2 |
3 |
225 |
3 |
2 |
286 |
4 |
2 |
278 |
1/23 |
3 |
259 |
2 |
1 |
148 |
3 |
1 |
319 |
Die gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses gerichtete Klage hat das Sozialgericht München mit Urteil vom 22.02.2024 abgewiesen. Das Gericht ist im Wesentlichen der Argumentation des Beklagten gefolgt. Der Kläger hatte ergänzend darauf hingewiesen, dass er auf die Einnahmen zur Finanzierung seiner Familie angewiesen sei, zumal er als ehemaliger Flüchtling keine ausreichende Altersversorgung aufbauen habe können.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und danach Akteneinsicht genommen. Es wurde sodann durch Prof. Dr. S früheres Begründungsvorbringen wiederholt. Dieser frug an, ob er als Bevollmächtigter auftreten dürfe, was unter Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen verneint wurde.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger zum drastischen Abfall der Patientenzahlen im 3. Quartal 2016, dass der Partner Prof. Dr. S erklärt habe, der Kläger werde jetzt Bereitschaftsdient machen; die Patienten würden durch andere Partner übernommen werden. Ferner erklärte der Kläger, dass die anderen Partner der BAG ihre Bereitschaftsdienstverpflichtungen selbst erfüllten. Er bekomme die Aufträge von dritten Ärzten oder der KVB.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.02.2024, AZ S 20 K4 481/19, sowie den Bescheid des Berufungsausschusses Ärzte Bayern vom 25.11.2019 aufgrund des Beschlusses vom 08.10.2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die weiteren Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich auch nicht geäußert.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Zulassungsausschusses sowie des Beklagten, der Verfahrensakte des Sozialgerichts München sowie der Akte des Senats Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Nach Satz 2 kann der Zulassungsausschuss in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschließen (Satz 2 eingefügt zum 01.01.2007 durch G v. 22.12.2006, BGBl I 3439, nachfolgend geändert durch Gesetz vom 06.05.2019, BGBl. I 646, m. W. z. 11.05.2019; ergänzend § 27 Ärzte-ZV).
Der Bescheid des Beklagten, der aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu ergehen hat, ist nicht unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör zustande gekommen. Der Kläger hatte am Morgen des Terminstages, ohne ein ärztliches Attest vorzulegen, einen Terminverlegungsantrag aufgrund einer vermeintlichen Erkrankung gestellt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, weil ein sachlicher Grund für eine Vertagung nicht glaubhaft gemacht wurde. Der klägerische Vortrag einer vermeintlichen Gastritis erfolgte unsubstanziert. Eine Gastritis legt als solches keine Reise- und / oder Verhandlungsunfähigkeit nahe. Zudem konnte vom Kläger, der selbst Arzt und Angehöriger einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis ist, auch im Hinblick auf den ersten substanzlosen Vertagungsantrag, ein substanziertere Darlegung erwartet werden. Solange der Beklagte nicht absetzt, muss der Kläger mit der Durchführung der Verhandlung rechnen. Nach § 42 Satz 1 SGB X kann, davon abgesehen, die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der Fehler ist dann unbeachtlich, wenn, wie hier, eine gebundene Entscheidung vorliegt (vgl. Ladurner, Ärzte-ZV, 2017, § 37 Ärzte-ZV RdNr. 6).
Zur Beurteilung der Frage, ob die vertragsärztliche Tätigkeit noch ausgeübt wird, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - hier der 08.10.2019 - abzustellen (stRspr, z.B. BSG, Urteil vom 17.10.2012, B 6 KA 49/11 R, juris; BVerfG, Beschluss vom 26.09.2016, 1 BvR 1326/15, juris). Der Beklagte muss, von diesem Zeitpunkt ausgehend, eine Prognoseentscheidung dahingehend treffen, ob aufgrund aller bekannten tatsächlichen Umstände auch in Zukunft von einer Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit auszugehen ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.2021, L 5 KA 4289/18, juris; Hessisches LSG, Urteil v. 30.11.2016, L 4 KA 29/16, juris).
Eine Nichtausübung im Sinne des Satzes 1 kann gegeben sein, wenn ein Vertragsarzt nur noch einzelne Maßnahmen der Versorgung ausübt oder er nur noch in geringem Umfang Verrichtungen vornimmt; dann ist zu prüfen, ob er die Gesamtheit seiner Pflichten noch im Wesentlichen erfüllt (BSG Urteil vom 19.12.1984, 6 RKa 34/83, juris). Anhaltspunkte hierfür geben - unter anderem, jedoch nicht ausschließlich -. die tatsächlichen Behandlungsfallzahlen (BSG v. 19.07.2023, B 6 KA 5/22 R, unter Bezugnahme auf Labormediziner, die keine Sprechstunden abhielten). Nach Wortlaut und systematischer Stellung der Norm greift der Tatbestand der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung immer dann, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird, ganz unabhängig davon ein, ob der Vertragsarztsitz in einem Gebiet gelegen ist, für den der Landesausschuss Über- oder Unterversorgung festgestellt hat. Es ist ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers und des Gemeinsamen Bundesausschusses als Normgeber der Bedarfsplanungs-Richtlinie, Abweichungen zwischen "Ist" und "Soll" in der Bedarfsplanung zu verhindern, damit das tatsächliche "Ist" der Bedarfsplanung möglichst zuverlässigen Aufschluss über die tatsächliche Versorgungssituation gibt. Vertragsarztsitze, auf denen tatsächlich keine Versorgung der Patienten stattfindet, die aber in ihrem jeweiligen Planungsbereich störende Auswirkungen auf die Beurteilung der Zulassungsaussichten eines anderen Arztes haben, sind in diesem Sinne unerwünscht und möglichst zu vermeiden (BSG v. 19.07.2023 a. a. O.).
Gleichwohl stellt die Unterschreitung einer Schwelle von 10 % des Fachgruppendurchschnitts in Ansehung der eigenen Behandlungsfallzahl keine exakte Grenzziehung dar (BSG v. 19.07.2023 a. a. O.; eine Nichtausübung bei einer Fallmenge pro Quartal unter 10 v. H. des Fachgruppendurchschnitts annehmend: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 20.10.2010, L 5 KA 2155/09, juris; Hessisches LSG Urteil vom 30.11.2016, L 4 KA 29/16, juris).
Auch der Senat hatte zuletzt mit Urteil vom 22.01.2020 (L 12 KA 6/19, juris) ausgeführt, dass eine die vollständige Zulassungsentziehung erfordernde Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht nur vorliegt, wenn vom Vertragsarzt in zahlreichen Quartalen überhaupt keine Behandlungsfälle abgerechnet werden, sondern auch dann, wenn die Anzahl der Behandlungsfälle weit unterhalb von 10 % des Fachgruppendurchschnitts liegt. Als maßgebend dafür war die Abrechnung der erbrachten Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung angesehen worden. Diese 10 %-Schwelle wollte der Senat aber nicht als starre Grenze verstanden wissen, zumal im entschiedenen Fall im Durchschnitt weniger als 2 Behandlungsfälle / Quartal zur Abrechnung gelangt waren.
Zu beachten ist, dass die vollständige Entziehung der Zulassung regelmäßig einen ganz erheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 GG bedeutet, der zumindest bei älteren Vertragsärzten faktisch an eine Wahlbeschränkung heranreichen dürfte. Mit Blick auf diesen Grundrechtseingriff der vollständigen Entziehung müssen die Voraussetzungen an die Nichtausübung in Gestalt der Behandlung einer zu geringen Fallzahl tendenziell streng interpretiert werden.
Der Senat meint deshalb - für in Einzelpraxis zugelassene Ärzte - schärfend, dass bei Nichtvorliegen besonderer Umstände eine vollständige Entziehung geboten sein wird, wenn über viele Quartale eine Fallzahl von (weit) unterhalb von 10 % des Fachgruppendurchschnitts abgerechnet wird, wenn auch eine rege Teilnahme am ÄBD erfolgt. In diesen Fällen wird grundsätzlich die vollständige Entziehung der Zulassung geboten sein, ohne dass nur eine hälftige Zulassungsentziehung als milderes Mittel geboten ist. Denn wer Patienten in einer Zahl von weit unter 10% des Durchschnitts der Fachgruppe behandelt, übt die vertragsärztliche Tätigkeit faktisch überhaupt nicht aus. Daran ändert nichts, dass bei hälftiger Reduktion des Fachgruppendurchschnitts sich rechnerisch häufig eine Patientenzahl von dann über 10 % ergeben wird (zum Ganzen: Urteil des Senats vom 31.01.2024, L 12 KA 8/23).
Indes sind hier die Besonderheiten der Arbeitsteilung in einer Berufsausübungsgemeinschaft zu beachten. Das BSG hat u. a. mit Urteil vom 27.06.2018, B 6 KA 46/17 R, darauf hingewiesen, dass die BAG nach der Rechtsprechung des Senats durch die gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte gleicher oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Datenverarbeitung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung geprägt ist (vgl BSG SozR 4-5532 Allg Nr 2 RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 20; BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14; s schon BSG Urteil vom 19.8.1992 - 6 RKa 35/90 - MedR 1993, 279 = USK 92205 S 1052). Die Genehmigung der gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit bewirkt, dass die Partner ihre Leistungen unter einer gemeinsamen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen KÄV abrechnen können; die BAG tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber (vgl BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21). Sie stellt rechtlich gesehen eine Praxis dar (vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 20; BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R - USK 2010-148 S 1307; s auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 57 RdNr 15). Für die Rechtslage vor Einführung der lebenslangen Arztnummer hatte das BSG entschieden, dass das Gebot der persönlichen Leistungserbringung in der Weise modifiziert ist, dass bei den abgerechneten Leistungen - jedenfalls bei gleicher Qualifikation der Mitglieder - grundsätzlich nicht gekennzeichnet werden muss, welcher der BAG angehörende Arzt welche Leistung erbracht hat (vgl BSGE 91, 164 RdNr 19 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 18). Auch nach Einführung der lebenslangen Arztnummer, die eine Zuordnung jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme zu einem bestimmten Arzt ermöglicht, wird die BAG weiterhin als Einheit betrachtet. Die Behandlung eines Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der BAG stellt sich als ein einziger Behandlungsfall dar (vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 20; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14). Auch die für Vertrags(zahn)ärzte geltenden Vertretungsregelungen beziehen sich auf die Praxis als Gesamtheit; der Vertretungsfall tritt nicht ein, solange auch nur ein Arzt der BAG weiterhin tätig ist. In einer BAG werden die Behandlungsverträge nicht zwischen Patient und behandelndem Arzt, sondern zwischen ihm und der BAG geschlossen (vgl BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSGE 91, 164 RdNr 22 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 21). Schließlich ist auch die Genehmigung zur Anstellung eines Arztes der BAG und nicht einem einzelnen Mitglied zu erteilen (BSGE 121, 154 = SozR 4-2500 § 103 Nr 19).
Die Anknüpfung an die BAG als Ganzes steht nicht im Widerspruch dazu, dass Träger der vertragsärztlichen Zulassung nach § 95 Abs. 2 und 3 SGB V der einzelne Arzt und nicht die BAG ist. Die dargestellte Rechtsauffassung hat nicht zur Folge, dass die KÄV auf Dauer hinnehmen müsste, dass ein in einer BAG tätiger Arzt seiner Versorgungsverpflichtung tatsächlich nicht nachkommt.
Denn soweit ein Vertragsarzt seinen Versorgungsauftrag tatsächlich nicht oder jedenfalls über einen längeren Zeitraum nicht annähernd im Umfang seiner Zulassung wahrnimmt, besteht die Möglichkeit der Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung, § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V. Dies gilt auch für die Mitglieder einer BAG. Zwar ist für sie typisch, dass ihre Mitglieder vorübergehend oder auch dauerhaft nicht in gleichem zeitlichen Umfang in der gemeinsamen Praxis tätig sind. Die vertragsärztliche Tätigkeit in einer BAG wird häufig gerade gewählt, weil innerhalb der Kooperation flexibel auf wechselnde Lebenssituationen reagiert werden kann. Um aber einen Missbrauch dieser Gestaltungsmöglichkeiten zu verhindern, indem etwa eine BAG reine "Zählmitglieder" aufnimmt, muss ein Vertragsarzt kontinuierlich in nennenswertem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Seit der Einführung der lebenslangen Arztnummer kann dies ohne Weiteres von der KÄV nachvollzogen werden.
Für den nicht in BAG tätigen zugelassenen Arzt versteht sich von selbst, dass er die vertragsärztliche Tätigkeit zuvorderst in der Praxis seines Vertragsarztsitzes wahrzunehmen hat; der ärztliche Bereitschaftsdienst kann hier nur als Abrundung für die Beurteilung gelten, ob eine Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorliegt.
Für die BAG muss jedoch gelten, dass die auferlegten Bereitschaftsdienstverpflichtungen arbeitsteilig unter den BAG-Partnern auf einen der Partner verlagert werden dürfen. Nimmt dieser Partner nur untergeordnet vertragsärztliche Sprechstunden wahr - eine gänzliche vertragsärztliche Sprechstundenfreiheit wäre nicht zu akzeptieren - und übernimmt er gleichzeitig die Bereitschaftsdienstverpflichtungen vieler anderer Ärzte der BAG, nimmt er nach Auffassung des Senats kontinuierlich an der vertragsärztlichen Versorgung - arbeitsteilig innerhalb der Versorgungsaufträge der BAG - wahr.
Der Kläger hat auf nachdrückliche und klare Nachfrage des Senats ausdrücklich eine solche Verschiebung der Aufgabenverteilung innerhalb der BAG verneint und erklärt, dass die anderen Partner der BAG die auf sie entfallende Bereitschaftsdienstverpflichtung selbst und nicht durch ihn erfüllten. Der Kläger übernimmt nach seinen Angaben Verpflichtungen anderer Vertragsärzte, entweder direkt von diesen oder im Online-Pool.
Die klägerische Argumentation, er übernehme arbeitsteilig in der BAG nur die Zweit- oder Drittbehandlungen, weshalb er keine Fälle abrechnen kann, ist unbehelflich. Denn der Vortrag des Klägers hierzu ist äußerst vage geblieben; Nachweise hat er nicht erbracht, so dass der Senat hierauf nicht eingehen muss. Festzuhalten ist daran, dass sich die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an der Abrechnung von Leistungen mit der eigenen lebenslangen Abrechnungsnummer messen lassen muss. Davon abgesehen erweckt diese vermeintliche Arbeitsteilung erhebliche Zweifel an der Stellung des Klägers als Selbständiger und legt eine Scheinselbständigkeit nahe.
Angesichts der bis zum 08.10.2019 abgerechneten geringen Fallzahlen von unter 20 Behandlungsfällen seit dem 3. Quartal 2018 im Rahmen der Sprechstunde kommt auch nicht eine nur hälftige Zulassungsentziehung in Betracht. Auf die im Zusammenhang mit anstehenden Zulassungsentscheidungen sich plötzlich zeigenden höheren Fallzahlen (z. B. Quartale 3 u 4/ 2019), die später wieder zurückgeführt werden, kann der Senat nicht abstellen. Vielmehr ist dem Kläger die vertragsärztliche Zulassung zur Gänze zu entziehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe dafür, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.