S 8 BA 19/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 8 BA 19/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 36/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialverischerungsbeiträgen in Höhe von EUR 30.339,30 im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1. und 2. bezüglich deren Tätigkeit für den Kläger im Zeitraum 2012 - 2015. 

Der Kläger ist ein Verein; Zweck: XXXXXX (§ 2 der Satzung des Klägers, vor Bl. 150 der Beklagtenakte). Der Kläger hat 142 Mitglieder und in Deutschland ca. 10 Mitarbeiter. Weitere Mitarbeiter gibt es in Ägypten, wo der Kläger ein Krankenhaus betreibt. Daneben hat der Kläger noch weitere Arbeitszweige und Tätigkeitsbereiche, die sozialdiakonischer Natur sind. 

Nach §§ 11, 14 der Satzung des Klägers obliegt die Führung der laufenden Geschäfte sowie die Verwaltung des Vermögens des Klägers dem (geschäftsführenden) Vorstand. 

Die Beigeladenen zu 1. und 2. waren in unterschiedlichen Zeiträumen für den Kläger als Verwaltungsleiter tätig.

Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. dauerte vom 01.09.2012 – 30.06.2013. Es wurde ein Vertrag vom 14.08.2012 geschlossen (Bl. 73 Beklagtenakte). Dort ist u.a. vereinbart, dass der Beigeladene zu 1. „Geschäftsführung auf Zeit“ für den Kläger übernimmt. Bei einem zeitlichen Umfang von ca. zwei Tagen pro Woche war eine Vergütung von EUR 2.100,00 pauschal vorgesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag verwiesen.

Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. begann 01.07.2013 und dauerte über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Es wurde ein Vertrag vom 10.06.2014 geschlossen, der den zuvor geschlossenen Vertrag vom 13.06.2013 ersetzte (Bl. 131/290 Beklagtenakte). Dort wurde vereinbart, dass der Beigeladene zu 2. die „kaufmännische Verwaltung“ des Klägers übernehmen sollte. Bei einem zeitlichen Umfang von ca. zwei Tagen pro Woche war eine Vergütung von EUR 2.400,00 pauschal vorgesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag verwiesen.

Intern wurden die Beigeladenen zu 1. und 2. beim Kläger mit der Bezeichnung „Verwaltungsleiter“ geführt. Deren Aufgabe bestand in der Führung der Buchhaltung und Verwaltung des Zahlungsverkehrs sowie dier Vorbereitung von Arbeitsverträgen. Bei Urlaubs- oder Krankheitsvertretung konnte es auch dazu kommen, dass die Verwaltungsleiter einzelne Aufgaben der Personalführung, wie z. B. das Genehmigen von Urlaubsanträgen wahrgenommen haben. Der Kläger setzte hierfür externe Personen ein, weil der beim Kläger anfallende Tätigkeitsumfang nicht für eine volle Stelle ausreichte. Mittlerweile hat der Kläger bei im Wesentlichen unveränderter Tätigkeit einen angestellten Verwaltungsleiter, dessen Arbeitskraft er sich mit einer anderen Organisation teilt. 

Nach außen hin traten die Beigeladenen zu 1. und 2. teilweise als „Geschäftsführer“ auf (vgl. Bl. 75, 45 Beklagtenakte). 

Die Beklagte führte eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch – Viertes Buch – (SGB IV) für den Zeitraum 2012-2015 durch. Mit Bescheid vom 07.06.2015 stellte sie fest, dass die Beigeladenen zu 1. und 2. ihre Tätigkeiten für den Kläger als abhängige, versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben und setzte Beitragsnachforderungen in Höhe von EUR 30.339,30 fest. Ein hiergegen aus den Gründen des Klageantrags gerichteter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2018 zurückgewiesen. 

Hiergegen richtet sich die vorliegende, bei Gericht am 15.05.2018 eingegangene Klage, mit der der Kläger sich weiter gegen die Beitragsnachforderung wendet. Zur Begründung macht er geltend, dass beide Beigeladenen in ihrer Tätigkeit frei und nicht weisungsgebunden gewesen seien. Insbesondere haben sie ihre Arbeitszeit selbst eintelen können. Beide Beigeladenen verstanden sich als selbständige Berater und wurden im Rahmen einer eigenen, gewerblichen Tätigkeit für den Kläger tätig. Zwischen allen Beteiligten habe jederzeit Einigkeit bestanden, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen. 

Der Kläger beantragt (in sachdienlicher Auslegung), 
den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbeschiedes vom 18.04.2018 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. und 2. nicht im Zeitraum 2012 – 2015 bei dem Kläger sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. 

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. 

Sie verteidigt ihre Entschiedungen und verweist darauf, dass die Beigeladenen zu 1. und 2. Aufgaben der allgemeinen Verwaltung wahrgenommen habe. Hierbei seien sie in die betriebliche Organisation des Klägers eingegliedert gewesen und nach nach Weisung des Vorstandes tätig geworden: Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Fremdgeschäftsführern einer GmbH sei sinngemäß anzuwenden.
Mit Beschluss vom 21.01.2019 hat das Gericht die notwendigen Beiladungen nach § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgenommen. 

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt von Gerichts- und Beklagtenakte. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, in der die Beigeladenen zu 1. und 2. wie der Kläger umfangreiche Angaben zur streitgegenständlichen Tätigkeit gemacht haben. Auf das Protokoll wird insoweit verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Bescheide der Beklagten ist § 28p Abs. 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen.

Die Beklagte hat vorliegend zu Recht festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. für den Kläger um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt.

Eine (abhängige) Beschäftigung besteht nach § 7 SGB IV im Falle nichtselbständiger Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach dem Gesetz eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist hierzu die persönliche Abhängigkeit des Auftragnehmers erforderlich. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. statt vieler nur BSG v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R). Zur Abgrenzung sind dabei regelmäßig die von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen heranzuziehen (BSG v. 29.06.2016, B 12 R 5/14 R).

Obliegt (wie hier) die Führung der laufenden Geschäfte eines Vereins dem Vorstand, ergibt sich für die Tätigkeit eines Geschäftsführers schon hieraus, dass dieser bei der Ausübung seiner Tätigkeit an Weisungen des Vorstandes gebunden ist. Ob im konkreten Fall dem Geschäftsführer freie Hand gelassen wurde, wie in der Berufungsbegründung vorgetragen, spielt keine Rolle (LSG Baden-Württemberg v. 21.10.2020, L 11 BA 1596/19). Die Kammer hält in seinem solchen Fall die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Fremdgesellschafter-Geschäftsführern bei einer GmbH (vgl. statt vieler nur BSG v. 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R) für entsprechend anwendbar. Die Situation ist nämlich vergleichbar: So wie ein Fremdgeschäftsführer nach Weisungen der Gesellschafterversammlung tätig wird, so wird im Falle des Vereins der Geschäftsführer nach Weisungen des Vorstandes tätig. Die Rechtsmacht, die bei einer GmbH gegenüber dem Fremdgeschäftsführer der Gesellschafterversammlung zukommt, hat im Falle eines Vereins der Vorstand. 

Die Eingliederung des Geschäftsführers in die betriebliche Organisation des Vereins ergibt sich bereits aus dessen Geschäftsführerstellung. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „Anhaltspunkte“ für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (vgl auch BT-Drucks 14/1855 S. 6). So hat das BSG bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG zu Chefärzten ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog Diensten höherer Art – heute würde man von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen – aufs Stärkste eingeschränkt sein kann. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird LSG Baden-Württemberg aaO mwN). So ist es im vorliegenden Fall. Auch wenn die Beigeladenen zu 1. und 2. Freiheiten bei der konkreten Ausgestaltung ihrer Tätigkeit und der Arbeitszeit gehabt haben mögen, mussten sie sich für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben in vom Kläger vorgegebene Gefüge einordnen. Anders wäre die Durchführung einer laufenden Verwaltungstätigkeit nicht möglich gewesen. Die Tatsache, dass die beiden Beigeladenen zu 1. und 2. (wenn auch nur gelegentlich) den Missionsleiter, der Personalverantwortung hatte, vertreten haben, spricht dafür, dass diese Eingliederung bestanden hat. 

Dieses Ergebnis wird schließlich dadurch bestätigt, dass die von den Beigeladenen zu 1. und 2. ausgeübte Tätigkeit heute bei unverändertem Aufgabenspektrum von einem Angestellten ausgeführt wird. 

Entschiedende Anhaltspunkte für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sieht die Kammer nicht. Zwar können beide Beigeladenen auf eine Vita selbständiger Tätigkeit mit unterschiedlichen Auftraggebern zurückblicken und unterhielten auch eigene Betriebsräume. Angesichts des Vorstehenden vermag dies die Kammer aber zu keinem anderen Ergebnis zu führen (vgl. insoweit auch erneut LSG Baden-Württemberg aaO, dem dortigen Fall war Auftragnehmerin eine Rechtsanwältin). 

Die Versicherungspflicht folgt aus der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. und 2. In diesem Zusammenhang folgt die Kammer der Darstellung der angegriffenen Bescheide und sieht von einer weiteren Darstellung der Entschiedungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG).

Bedenken im Hinblick auf die Höhe der nachgeforderten Beiträge sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 

Die Kostenentschiedung folgt aus §§ 197a SGG i.V.m. 154 Abs. 1 VwGO.
 

Rechtskraft
Aus
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