1. Mit der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten tritt die prozessuale Wirkung der Einverständniserklärung gemäß § 124 Abs. 2 SGG ein. Ein Widerruf ist nur bis zu diesem Zeitpunkt möglich, sofern keine wesentliche Änderung der Prozesslage vorliegt.
2. In einer Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer Eingliederungsleistung als Zuschuss ist als Minus eine Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 131 Abs. 3 SGG enthalten.
3. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit einer Weiterbildungsmaßnahme handelt es sich um eine Prognoseentscheidung des Beklagten. Die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme ist insoweit notwendig, wenn ein der beruflichen Stellung entsprechender Arbeitsplatz ohne die Bildungsmaßnahme nicht in (nach den Umständen des Einzelfalles) absehbarer und angemessener Zeit vermittelt werden kann.
4. Maßgeblich für eine Prognoseentscheidung ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (hier: Erlass des Widerspruchsbescheids), was durch den vorausschauenden Charakter der Prognoseentscheidung begründet ist.
5. Zur Überprüfbarkeit der vorzunehmenden Prognoseentscheidung durch die Gerichte: Die gerichtliche Prüfung kann sich grundsätzlich nur auf die Feststellung beschränken, ob zum Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung und mit den damals vorhandenen oder greifbaren Erkenntnissen eine zutreffende Prognose getroffen wurde.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. April 2024 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist ein Bildungsgutschein für eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme (Microsoft Office Expert mit Collaboration Tools) streitig.
Die 1990 geborene Klägerin, die türkische Staatsangehörige ist und neben Deutsch Türkisch als Muttersprache angegeben hat, bezieht vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts/Bürgergeld nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten. Sie wohnt bei ihren Eltern und zahlt dort keine Miete. Mit Bescheid vom 12.01.2024 bewilligte der Beklagte der Klägerin zuletzt Leistungen für den Zeitraum März bis August 2024 i.H.v. 563,00 EUR p.m.
Die Klägerin absolvierte im Zeitraum September 2009 bis Juli 2012 eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. In den daran anschließenden Jahren 2012 bis 2019 ging die Klägerin zwölf verschiedenen Tätigkeiten jeweils für drei bis sechs Monate (zum Teil im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung) nach, u.a. als Teamassistentin, Sachbearbeiterin und Bürokraft; auf den Lebenslauf der Klägerin wird an dieser Stelle verwiesen (Bl. 18 der Akte des erstinstanzlichen Verfahrens). Seit Ende 2019 ist die Klägerin arbeitslos. Die Klägerin nahm an folgenden Qualifizierungsmaßnahmen teil:
* 24.02.- 06.03.2020 ein Training als Kommunikationsassistentin MS Office (WBS Training)
* 27.04.-15.07.2020 bei der Sprachschule eine Weiterbildung im Bereich Fremdsprachen Business English
* 27.07. - 28.08.2020 Sprachkurs "English for Business Matters B1 (WBS Training AG and Rosetta Stone(r) Advantage for Higher Education, language level corresponding to B1 of the Common EURpean Framework of Reference for Languages).
Am 25.06.2021 schlossen die Parteien eine Eingliederungsvereinbarung, die nach Angaben der Beteiligten zwar regelmäßig überprüft, aber unverändert weitergeführt wurde, da sich inhaltlich an dem Eingliederungsziel nichts geändert habe.
Mit E-Mails vom 21.05.2022 und 14.06.2022 beantragte die Klägerin beim Beklagten einen Bildungsgutschein für einen MS Office Expert Kurs, den sie nach langer Arbeitslosigkeit brauche. Die geschätzten Gesamtkosten würden 1.800,- EUR betragen; der Kurs dauere 20 Tage und werde als Präsenzveranstaltung durchgeführt.
Mit Bescheid vom 15.06.2022 lehnte der Beklagte die Ausstellung des Bildungsgutscheins ab, weil selbst bei den hier vorliegenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 81 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) im Rahmen einer Ermessensentscheidung eine erneute Förderung in Form eines Bildungsgutscheins im Falle der Klägerin nicht in Betracht käme. Die Klägerin habe bereits an drei Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen. Keine dieser Maßnahmen hätte jedoch zu einem Erfolg bzw. zu einer Arbeitsaufnahme geführt. Daher sei nicht zu erwarten, dass ein erneuter MS Office-Qualifizierungskurs erfolgversprechend für eine Arbeitsaufnahme sei. Vielmehr stehe der erfolgreichen Integration mangelnde Berufserfahrung zugrunde. Der Klägerin sei daher angeboten worden, an einem Vermittlungsprojekt teilzunehmen, den Arbeitgeberservice einzuschalten oder an einer Arbeitsgelegenheit teilzunehmen um Berufserfahrung zu sammeln. Dies habe die Klägerin jedoch vehement abgelehnt und vielmehr auf die Ausstellung eines Bildungsgutscheins bestanden. Arbeitslosigkeit alleine begründe jedoch nicht die Notwendigkeit einer Weiterbildung. Das angestrebte Bildungsziel müsse auch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine berufliche Eingliederung erwarten lassen oder die Eingliederungschancen wesentlich verbessern. Dies sei im Falle der Klägerin nicht gegeben. Der fehlenden Integration lägen stattdessen die fehlende Berufserfahrung sowie das persönliche Verhalten der Klägerin zugrunde. Im Bescheid wurde auch auf vorangegangenen Schriftwechsel verwiesen, insbesondere das Schreiben des Beklagten vom 24.08.2021, in dem der Klägerin die Problematik bereits aufgezeigt worden war.
Dagegen legte die Klägerin am 24.06.2022 Widerspruch ein. Sie habe ursprünglich eine Weiterbildung beantragt. Nachdem ihre Sachbearbeiterin dies abgelehnt habe, habe sie stattdessen zur Auffrischung den MS Office-Kurs machen wollen. Die Ablehnung habe einen diskriminierenden und rassistischen Hintergrund. Die geschätzten Gesamtkosten würden 1.899,- EUR betragen. Die Einrichtung nehme auch Bildungsgutscheine der Jobcenter an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2022 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Bei der Vermittlung in Arbeit bzw. Förderung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme seien, so die Begründung des Widerspruchbescheids, die Grundsätze der Zumutbarkeit nach § 10 SGB II zu beachten. Die Klägerin könne sich daher nicht auf ihre bisherige berufliche Ausbildung bzw. Tätigkeit berufen. Sie sei seit Ende 2019 arbeitslos. Nach den Ausführungen der zuständigen Arbeitsvermittlungsstelle des Jobcenters München habe sie in dem von ihr angestrebten Berufsbereich keine entsprechende Berufserfahrung. Daher sei davon auszugehen, dass die Förderung der angestrebten Maßnahme nicht zu einer beruflichen Wiedereingliederung führen würde. Die Einwände der Klägerin, dass sie wegen ihrer Nationalität benachteiligt werde, seien aus den Aktenunterlagen nicht ersichtlich. Die subjektive Einschätzung der Widerspruchsführerin sei dabei unerheblich. Damit könne die angestrebte Maßnahme nicht durch Übernahme der entstehenden Kosten gefördert werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.12.2022 Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben. Zu Begründung der Klage hat die Klägerin vor allem darauf hingewiesen, dass sie nach ihrer Ausbildung in meist kurzen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet habe. Sie habe einen klassischen Zeitarbeits-Lebenslauf. Deshalb könne niemand behaupten, dass die Klägerin keine Berufserfahrung habe. Zudem hat die Klägerin im Einzelnen das Verfahren beim Beklagte bzgl. ihrer Weiterbildung etc. geschildert. Sie hat hervorgehoben, dass der Beklagte nicht entscheiden dürfe, in welchem Beruf sie arbeite. Hinsichtlich der telefonischen Einladungen hat die Klägerin festgestellt, nicht zum Flirten beim Beklagten zu sein. Der Beklagte "blocke" immer alles hinsichtlich des Bildungsgutscheins (MS Office-Expert) ab. Sie wisse, dass sich die Jobcenter derzeit mit "den Ukrainern" beschäftigen würden, was zu verstehen sei. Dies sei dann aber wiederum Diskriminierung und rassistisch gegenüber den türkischen und anderen Ausländern.
Am 03.04.2023 ist vom Amtsgericht München vorläufig eine Betreuerin für die Klägerin bestellt worden. Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Betreuerin am 31.05.2023 mit, dass sie nicht in das gerichtliche Verfahren mit eintreten werde, da die Klägerin eine Betreuung ablehne und gegen die Bestellung der Betreuung Beschwerde eingelegt habe. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 28.12.2023 (Az. 702 XVII 631/23) ist das Verfahren wegen Anordnung einer Betreuung eingestellt und eine dauerhafte Betreuung nicht angeordnet worden. In einem Attest vom 06.04.2023 hatte Prof. Dr. H (Internist) bestätigt, dass er nach mehrfachen Gesprächen mit der Klägerin nicht den Eindruck habe, dass diese an einer psychiatrischen Störung im Sinne einer Psychose leide. Er habe die Klägerin allerdings auch nicht dahingehend exploriert.
Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (vom 06.02.2024; S 13 AS 146/24 ER) hat die Klägerin am 15.02.2024 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 18.04.2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei nicht begründet.
Streitgegenstand sei der Bescheid vom 15.06.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2022, mit dem der Beklagte es abgelehnt habe, der Klägerin einen Bildungsgutschein für einen MS Office Expert Kurs zu gewähren.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen zur Teilnahme an weiteren Weiterbildungsmaßnahmen in Form eines MS Office Expert Kurses gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 ff. SGB III. Danach könne die Agentur für Arbeit Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt des SGB III (§§ 81 ff. SGB III) erbringen. Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlendem Berufsabschluss die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Die Leistungen würden nicht für eine bestimmte Maßnahme bewilligt, sondern als Bildungsgutschein, § 81 Abs. 4 SGB III.
Hinsichtlich der formellen Voraussetzungen des Bescheids bestünden keine Bedenken und der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 SGB III lägen nicht vor. Es fehle vorliegend nach Auffassung des Gerichts bereits an der Notwendigkeit der Weiterbildungsmaßnahme für die berufliche Eingliederung aufgrund der bestehenden Arbeitslosigkeit (§ 81 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. SGB III). Notwendigkeit sei gegeben, wenn die Erwartung bestehe, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sein würden als vorher (positive Beschäftigungsprognose). Die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme sei insoweit notwendig, wenn ein der beruflichen Stellung entsprechender Arbeitsplatz ohne die Bildungsmaßnahme nicht in nach den Umständen des Einzelfalles absehbarer und angemessener Zeit vermittelt werden könne (vgl. u.a. BSG, Urteil v. 03.07.2003, B 7 AL 66/02 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.03.2012, L 12 AL 1707/11). Bei der Prognoseentscheidung habe der Leistungsträger alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei sei insbesondere auf die Dauer der bisherigen Arbeitslosigkeit, die Qualifikation des Antragstellers, persönliche Vermittlungshemmnisse und die Gefragtheit seines Berufs abzustellen (vgl. u.a. BSG, Urteil v. 07.04.1987, 11b RAr 5/86).
Für den Fall der Klägerin hat das SG diesbezüglich Folgendes festgestellt:
"Aus der zu treffenden Prognoseentscheidung ergibt sich keine Notwendigkeit für die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme in Form eines MS Office Expert Kurses. Die Klägerin hat bereits zwei MS-Office Kurse seit dem Jahr 2020 belegt. Diese haben in keiner Form zu der Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten der Klägerin geführt. Die Klägerin ist ausschließlich an der Durchführung eines weiteren MS-Office Kurses interessiert. Sie hat jegliche anderweitigen Vorschläge des Beklagten wie die Einschaltung des Arbeitgeberservice, Teilnahme an einem Vermittlungsprojekt, Übernahme ihrer Betreuung durch Kollegen aus dem beschäftigungsorientierten Fallmanagement oder Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit verweigert. Es war weiterhin zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt auf Stellenangebote beworben hat und dass mithin auch keine Bewerbung wegen fehlender MS Office Kenntnisse erfolglos war. Es ist nach Auffassung des Gerichts nicht ersichtlich, in welcher Form die Durchführung eines weiteren MS Office-Expert-Kurses zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung hilfreich oder gar notwendig wäre. Die Durchführung eines MS Office Kurses ist nicht geeignet und erforderlich, um die Klägerin beruflich einzugliedern."
Selbst wenn man aber eine Notwendigkeit der Durchführung eines MS Office Expert Kurses im Falle der Klägerin bejahen würde, bestünde lediglich ein Anspruch dieser auf fehlerfreie Ermessensausübung des Beklagten. Die Klägerin hätte nur dann Anspruch auf Bewilligung der konkret begehrten Leistung, so das SG, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen würde. Eine solche sei hier aber nicht gegeben, sondern es bestehe lediglich ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung durch den Beklagten gemäß § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Die gerichtliche Prüfung beschränke sich darauf, ob der Beklagte bei seiner Entscheidung das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das Gericht dürfe bei der rechtlichen Kontrolle nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen (allg. Meinung; vgl. etwa Bay. LSG, Urteil v. 24.11.2010, L 16 AS 426/09). Das Gericht überprüfe also, ob die Behörde überhaupt von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht (Ermessensnichtgebrauch) oder ob sie ihr Ermessen zu eng eingeschätzt habe (Ermessensunterschreitung), ob sie sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten habe (Ermessensüberschreitung) oder ob sie von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht habe.
Der Beklagte habe sein Ermessen vorliegend pflichtgemäß ausgeübt; ein Ermessensfehler sei nicht gegeben. Das SG hat hierzu ausgeführt:
"Der Beklagte hat im Bescheid vom 15.06.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2022 zu erkennen gegeben, dass er sich darüber bewusst ist, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Der Beklagte hat dabei in sehr ausführlicher Weise alle relevanten Erwägungen in die Ermessensausübung eingestellt und begründet. Er hat sich insbesondere mit den bereits bewilligten Weiterbildungsmaßnahmen ausführlich auseinandergesetzt und die bisherige berufliche Tätigkeit einbezogen. Auch hat er das Verhalten der Klägerin im Umgang mit dem Beklagten und die aus seiner Sicht bestehenden Chancen einer Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt berücksichtigt. Der Beklagte hat weiterhin ausführlich dargelegt, welche Alternativen zu einem Bildungsgutschein aus seiner Sicht erfolgversprechender wären und der Klägerin vorgeschlagen wurden."
Am 03.05.2024 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil beim SG München eingelegt, das die Berufung an das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) weitergeleitet hat.
Mit Beschluss vom 06.05.2024 hat das SG das Urteilsdatum gemäß § 138 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf 17.04.2024 berichtigt.
Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass der Beklagte nicht im Namen der Agentur für Arbeit sprechen solle. Sie bestehe darauf, dass sie die gewollte Schulung absolvieren müsse. Sie halte nach so langer Arbeitslosigkeit den Kurs für sehr sinnvoll. Es handele sich um eine gute Aufbaukursschulung, dies sei ein guter Einstieg ins Berufsleben mit einer Berufsausbildung Kauffrau für Bürokommunikation. Nach dieser Schulung werden sie bessere Eingliederungschancen haben, so die Klägerin. Gleichzeitig sei auch eine Motivation sowie eine berufliche Qualifizierung gegeben. Sie hätte auch gerne einen Kombi-Paket-Bildungsgutschein genehmigt bekommen. Über die Zeitarbeit habe sie immer kurze Einsätze gehabt, sodass die verschiedenen Weiterbildungen sinnvoll gewesen seien, die sie bereits absolviert habe. Abschließend hat die Klägerin (erneut) darauf hingewiesen, kein gerichtliches Meditaionsverfahren zu wollen.
Zudem hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass einige getroffene Feststellungen zu ihren bereits absolvierten MS-Schulungen im angefochtenen Bescheid bzw. Urteil unzutreffend seien. So habe sie ab 27.07.2020 keine MS Office Schulung gehabt, sie habe nicht zwei MS Office Kurse seit 2020 belegt.
Es sei auch nicht richtig, dass sich die Klägerin anderweitigen Vorschlägen des Beklagten (siehe oben) verweigert habe. Es sei unzutreffend, dass sie sich nicht beworben habe. Sie habe immer noch zu Hause einen Nachweis, wo sie sich beworben habe. Auch habe sie Kontakt mit Zeitarbeitsfirmen gehabt.
Eine mangelnde Berufserfahrung könne nicht zugrunde liegen, denn mit ihrer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung und den Einsätzen über die Zeitarbeit habe sie genug bewiesen, sich ins Berufsleben integrieren zu können. Wegen ihres Verhaltens sei die Eingliederung nicht gescheitert. Die Klägerin hat Schicksal, Rassismus und Diskriminierung genannt. Mobbing, Verleumdung und Lügen könne sie nicht dulden.
In weiteren Zuschriften an den Senat hat die Klägerin um eine Beschleunigung des Verfahrens gebeten.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22.05.2024 die Zurückweisung der Berufung beantragt und sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung berufen. Im Schriftsatz vom 01.08.2024 hat er u.a. mitgeteilt, die Klägerin verweigere seit Jahren jegliche Zusammenarbeit, zu Terminen erscheine sie nicht mehr, da sie der Auffassung sei, das müsse sie aufgrund der geführten Klage/Berufung nicht mehr.
Im Schreiben vom 08.08.2024 hat die Klägerin u.a. Folgendes ausgeführt:
An der Eingliederungsvereinbarung seit 29.06.2021 habe sich kürzlich nur die Verlängerung der Bewilligung von Leistungen bis voraussichtlich 08/2025 geändert. Dass sie ihren Pflichten seitdem nicht nachgehe, stimme nicht, ebenfalls nicht, dass sie eine Zusammenarbeit verweigert habe. Als sie 2019/2020 arbeitslos geworden sei, habe leider die Corona-Krise begonnen. Seitdem habe es lange keine persönlichen Gespräche vor Ort gegeben, sondern nur telefonischen oder schriftlichen Kontakt. Dass man mal krank werde, sei doch selbstverständlich als lebendiger Mensch. Das habe sie mitgeteilt und somit auch im Krankenstand Kontakt zum Beklagten gehalten. Sie habe aber auch nach langer Zeit dort Termine wahrgenommen. Sie könne sich noch erinnern, dass dort "bewaffnete Securities zu den normalen Securities" gewesen seien. In dem persönlichen Gespräch vor Ort habe man gewollt, dass sie sich einen anderen Beruf auswählen solle, aber keine Ausbildung oder Weiterbildung, weil sie angeblich zu alt und dafür nicht fähig sei. Sie sei öfter von derselben Person telefonisch angerufen und eingeladen worden, man habe sie ständig kennenlernen wollen. Sie sei aber nicht zum Flirten da. Das sei auch der Grund, weshalb sie nicht mehr telefonisch erreichbar sein habe wollen. Sie habe auch eine Bewerbungsmatrix erstellt für eine Übersicht der gesendeten Bewerbungen und könne Nachweise vorlegen. Seit sie geklagt habe, habe sie sich nicht beworben. Sie brauche kein Bewerbungscoaching. Dass sie keine Arbeit gefunden habe, habe nicht an ihrer Bewerbung gelegen, sondern an der starken Konkurrenz. Auch habe sie telefonische sowie schriftliche Kontakte zu Zeitarbeitsfirmen. Besonders bei Zeitarbeitsfirmen habe es erst Recht nicht an ihrer Leistung gelegen, sonst hätte sie nicht mit diesen zusammenarbeiten können. Aber über die Bewerbungscoachings habe sie in der Vergangenheit fast nie Erfolg gehabt. Sie habe in Deutschland in ihrer Schulzeit und Ausbildung gelernt, dass Kläger und Beklagte während eines Gerichtsverfahrens nicht miteinander Kontakt haben müssten und sollten. Wenn man sich verstehen würde, gäbe es kein Gerichtsverfahren.
Die Klägerin hat sodann am 19.08.2024 beim BayLSG eine Reihe von Ausdrucken von E-Mails eingereicht, um ihre Eigenbemühungen bzw. die Tatsache nachzuweisen, ihre Pflichten erfüllt zu haben.
Mit Schreiben vom 06.09.2024 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Sanktionsbescheid des Beklagten vom 27.08.2024 nicht Gegenstand des Verfahrens sei.
Im Schriftsatz vom 11.09.2024 hat der Beklagte unter Beifügung von Anlagen mitgeteilt, die eingereichten Stellungnahmen änderten nichts an der bislang dort vertretenen Meinung. Die Klägerin verweigere jede Zusammenarbeit, dies sei mittlerweile mit Bescheid vom 27.08.2024 auch sanktioniert worden. Auch die von der Klägerin eingereichte Übersicht vermöge wenig zu überzeugen, da sie weder einen Abdruck der Bewerbung selbst noch irgendeinen Kommunikationsnachweis enthalte. Die von der Klägerin angesprochenen E-Mails seien zumindest nicht an den Beklagten übersandt worden. Darüber hinaus habe die Klägerin offenbar bereits in der Vergangenheit "Pro-Forma-Bewerbungen" versandt, ohne Interesse an einer Stelle zu haben.
Am 17.09.2024 hat ein Erörterungstermin des Senats stattgefunden. In dem Termin hat die Klägerin erneut hervorgehoben, dass sie durchaus Berufserfahrung habe; sie hat auf ihre Zeitarbeitstätigkeiten sowie auf ihre Ausbildung verwiesen. Die Vertreterin des Beklagten hat entgegnet, dass diese Tätigkeiten bereits geraume Zeit zurückliegen würden und dass hier der Arbeitgeber (Zeitarbeitsfirma) sehr oft gewechselt habe. Es sei auch auf zahlreichen anderen Wegen möglich, die begehrte Qualifizierung zu erhalten, z.B. im Wege einer Berufszusage. Zur Jobsuche bestünden seitens der Klägerin keinerlei Nachweise. Zudem hat die Beklagtenvertreterin darauf hingewiesen, dass es im Bürobereich derzeit eine Vielzahl von offenen Stellen gebe; hierfür werde die begehrte Fortbildung nicht benötigt. Die Vertreterin des Beklagten hat auch auf den 2019 von der Klägerin absolvierten MS-Office Aufbaukurs verwiesen.
Im Erörterungstermin haben die Beteiligten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 124 Abs. 2 SGG zugestimmt. Nach einem Wortwechsel mit der Vertreterin des Beklagten zur Frage des künftigen Kontakts hat die Klägerin sodann erklärt, ihr Einverständnis zurückzunehmen. Sie wolle nun doch eine mündliche Verhandlung. Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass das Einverständnis zum schriftlichen Verfahren grundsätzlich nicht widerruflich ist.
Mit Schreiben vom 18.09.2024 hat sich die Klägerin noch zu dem Erörterungstermin geäußert, zu dem sie nur erschienen sei, weil sie den Begriff Erörterungstermin verwechselt habe; sie wollen nämlich kein Mediationsverfahren. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Schriftsatz des Beklagten, der im Erörterungstermin übergeben worden sei, für den Fall nicht Gegenstand des Verfahrens sei, dass auch der Sanktionsbescheid des Beklagten vom 27.08.2024 nicht Gegenstand sei. Weiter hat die Klägerin erneut auf ihre Eigenbemühungen verwiesen. "Zu keiner mündlichen Verhandlung" wolle sie "dritte Personen des Jobcenters" sehen. Niemand habe zu bestimmen oder zu beurteilen, wie sie sich im Leben verhalte, so die Klägerin weiter. Die Mitarbeiter des Beklagten sollten sich selbst eine Verhaltenstherapie geben. Die Klägerin habe ihre Pflichten erfüllt. Sie sei nicht dafür verantwortlich, was der Beklagte mit den bei ihm abgegebenen Unterlagen mache. Abschließend hat sich die Klägerin noch zu der früheren Betreuung geäußert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.04.2024 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.06.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2022 zu verpflichten, einen Bildungsgutschein für den MS-Office-Expert-Kurs zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG im vorliegenden Klageverfahren beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG. Dieses Einverständnis haben die Beteiligten im Erörterungstermin am 17.09.2024 ausdrücklich erklärt (vgl. Sitzungsniederschrift). Zwar hat die Klägerin im weiteren Verlauf erklärt, nun doch eine mündliche Verhandlung zu wünschen. Mit der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten ist jedoch bereits die prozessuale Wirkung der Erklärung eingetreten (z.B. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 124 Rn. 3d). Der Widerruf einer Einverständniserklärung gemäß § 124 Abs. 2 SGG ist nur bis zu diesem Zeitpunkt möglich (a.a.O., m.w.N.), soweit keine wesentliche Änderung der Prozesslage vorliegt (Keller, a.a.O., Rn. 3e. Letzteres ist hier nicht der Fall. Insbesondere enthält das Schreiben der Klägerin vom 18.09.2024 in keiner Hinsicht neue wesentliche Gesichtspunkte. Die Klägerin äußert sich dort inhaltlich im Rahmen ihres bisherigen Vortrags.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der angefochtenen Entscheidung des SG der Bescheid des Beklagten vom 15.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2022, mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Ausstellung eines Bildungsgutscheins für den MS-Office-Expert-Kurs abgelehnt hat.
Mit ihrer Anfechtungs- und Leistungsklage begehrt die Klägerin einen Bildungsgutschein für den MS-Office-Expert-Kurs, somit eine Leistung zur Eingliederung als Zuschuss. Hierin enthalten ist als Minus eine Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 131 Abs. 3 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2011 - B 2 U 12/10 R).
Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klagen der Klägerin sind nicht begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf den begehrten Bildungsgutschein noch hat sie einen Anspruch auf Neuverbescheidung, weil die Ablehnung der Gewährung des Bildungsgutscheins durch den Beklagten ermessensfehlerhaft erfolgt wäre.
Zuständig für die aktive Arbeitsförderung der im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Klägerin ist der Beklagte (und nicht die Agentur für Arbeit, vgl. zur Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit beider Träger das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 13.06.2019 - L 1 AL 2/18). Er hatte eine eigenständige Ermessensentscheidung über eine mögliche Förderung des Klägers nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II zu treffen.
Nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 1 SGB III ist für Leistungsbezieher nach dem SGB II (grundsätzlich ebenso wie für solche nach dem SGB III) bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten eine Förderung möglich, wenn die Weiterbildung für die berufliche Eingliederung, wegen drohender Arbeitslosigkeit oder wegen fehlenden Berufsabschlusses notwendig ist, vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch den zuständigen Träger erfolgt ist und die Maßnahme wie der Maßnahmeträger für die Förderung zugelassen sind (§ 81 Abs. 1 SGB III). Eine Weiterbildung wird bei Arbeitslosen auch dann als notwendig anerkannt, wenn durch den Erwerb erweiterter beruflicher Kompetenzen die individuelle Beschäftigungsfähigkeit verbessert wird und sie nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist (§ 81 Abs. 1a SGB III). Die Leistungen werden grundsätzlich nicht für eine bestimmte Maßnahme bewilligt, sondern als Bildungsgutschein, § 81 Abs. 4 SGB III. Der Arbeitnehmer erhält auf diese Weise i.d.R. ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Maßnahmen und Trägern.
Gemäß § 14 Abs. 4 SGB II erbringen die Leistungsträger alle im Einzelfall für die Eingliederung in Arbeit erforderlichen Leistungen unter Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt, dass Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden können, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Die Eingliederungsleistungen müssen also erforderlich i.S.d. Zielvorgaben der §§ 1 und 3 SGB II sein. Diese Regelungen sind zwar nicht anspruchsbegründend, stecken aber als programmatische Kernaussagen und Grundsätze den Leistungsrahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R, mit Verweis auf BT-Drs. 15/1516 S. 50, 51; vgl. das Senatsurteil vom 05.12.2022 - L 15 AS 478/21).
Nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 1 SGB III "können" Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden. Die Entscheidung über das "Ob" (Entschließungsermessen) und das "Wie" (Auswahlermessen) steht damit im Ermessen des Leistungsträgers, hier des Beklagten.
A. Die Klägerin hat schon deshalb keinen Anspruch auf Gewährung des Bildungsgutscheins für die beantragte Maßnahme, da das Auswahlermessen des Beklagten nicht auf Null reduziert ist. Die demnach zu fordernde Ermessensreduzierung auf "Null" liegt nicht vor, weshalb der Klägerin kein Primäranspruch zur Seite steht. Eine solche Ermessensreduzierung wäre dann gegeben, wenn es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens rechtsfehlerfrei zuließen (BSG, Urteil vom 04.02.1988 - 11 RAr 26/87). Dementsprechend müsste die angestrebte Weiterbildung im Wege des MS-Office-Expert-Kurs die einzige Maßnahme gewesen sein, mit der eine dauerhafte berufliche Eingliederung der Klägerin zu erreichen war (vgl. z.B. LSG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2010 - L 5 AL 830/10 B ER, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.10.2011 - L 14 AL 174/11 B ER, LSG Hamburg, Urteil vom 21.1.2015 - L 2 AL 37/12 - und LSG NRW, Beschluss vom 05.07.2010 - L 6 AS 842/10 B).
Das ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Da der Behörde ein Auswahlermessen unter verschiedenen geeigneten Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung steht, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass der Beklagte sein Ermessen nur hätte dahingehend ausüben können, der Klägerin die begehrte Maßnahme zu finanzieren und jede andere Entscheidung rechtsfehlerhaft gewesen wäre (siehe auch im Folgenden).
B. Die Klägerin hat jedoch auch keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 15.06.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2022 und auf Neuverbescheidung.
Denn die Tatbestandsvoraussetzungen von § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 1 SGB III sind bereits nicht erfüllt. Die von der Klägerin begehrte Weiterbildung zu ihrer beruflichen Eingliederung i.S.d. § 81 Abs. 1 SGB III ist bereits nicht notwendig.
Arbeitslosigkeit alleine begründet, worauf bereits der Beklagte zutreffend in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat, nicht die Notwendigkeit einer Weiterbildung. Im Sinne der genannten Vorschrift ist eine Maßnahme dann notwendig, wenn sie geeignet ist, eines der in § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III definierten Ziele zu erreichen. Es muss die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sind als vorher. Die Maßnahme muss zudem auch erforderlich sein. Das ist nur dann der Fall, wenn es kein anders, in gleicher Weise geeignetes, aber weniger aufwändiges Mittel gibt, um den Arbeitslosen zu vermitteln (siehe bereits oben). Denn es ist § 4 Abs. 2 SGB III zu berücksichtigen, wonach die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung hat (vgl. zum Vermittlungsvorrang z.B. Beschluss des LSG Hessen vom 05.12.2012 - L 7 AS 46/12 B ER).
Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit einer Weiterbildungsmaßnahme handelt es sich um eine Prognoseentscheidung des Beklagten. Die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme ist insoweit notwendig, wenn ein der beruflichen Stellung entsprechender Arbeitsplatz ohne die Bildungsmaßnahme nicht in nach den Umständen des Einzelfalles absehbarer und angemessener Zeit vermittelt werden kann (vgl. Reichel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 81 SGB III, Stand: 27.07.2023, Rn. 50 f.). Die Teilnahme muss also erwarten lassen, dass dem Antragsteller infolge der Maßnahme ein angemessener Dauerarbeitsplatz verschafft werden kann (a.a.O.).
Maßgeblicher Zeitpunkt für eine Prognoseentscheidung wie die vorliegende ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, also des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Dies ist durch den vorausschauenden Charakter der Prognoseentscheidung begründet. Die vorzunehmende Prognoseentscheidung ist durch die Gerichte dahingehend voll überprüfbar, ob die objektiven Bedingungen, ausgehend vom Zeitpunkt der Prognoseentscheidung, berücksichtigt und gewürdigt wurden und ob die getroffene Prognose mit diesen Voraussetzungen in Einklang steht. Die gerichtliche Prüfung kann sich dabei grundsätzlich nur auf die Feststellung beschränken, ob zum Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung und mit den damals vorhandenen oder greifbaren Erkenntnissen eine zutreffende Prognose getroffen wurde (vgl. z.B. Herbst in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 33 SGB XII, Stand: 10.02.2021,
Geht man von diesen genannten und den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (Urteil des BSG vom 03. 08.2016 - B 6 KA 20/15 R) aus, ist festzustellen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des vorliegenden Widerspruchsbescheids die vom Beklagten getroffene Prognose hinsichtlich der Vermittlung eines der beruflichen Stellung entsprechender Arbeitsplatz nicht zu beanstanden ist. Es ist entsprechend der zutreffenden Entscheidung des SG keineswegs so, dass ein der beruflichen Stellung entsprechender Arbeitsplatz ohne die Bildungsmaßnahme nicht in nach den Umständen des Einzelfalles absehbarer und angemessener Zeit vermittelt werden könnte. Es ergibt sich keine Notwendigkeit für die Teilnahme an der gewünschten Bildungsmaßnahme. Etwas anderes hat auch die Klägerin, unter anderem in dem oben genannten Erörterungstermin, nicht darlegen können. Bei ihrem Vortrag, sie brauche unbedingt einen Bildungsgutschein für die begehrte Maßnahme, ist es bei der bloßen Behauptung geblieben.
Die fehlende Notwendigkeit ist vor allem dadurch belegt, dass die Klägerin nach eigenen Angaben bereits in der Vergangenheit MS Office Kurse besucht hat (2019 und 2020), woraus offensichtlich keine Verbesserung der Einstellungsmöglichkeiten resultierte. Keine dieser - und auch der anderen Qualifizierungen (s. auch oben) - führte also bisher zum Erfolg.
Zudem sind die weiteren Aspekte, die insbesondere der Beklagte im angefochtenen Ablehnungsbescheid und auch das SG in den Urteilsgründen zutreffend dargelegt hat, zu beachten. Dies ist der zunächst die fehlende Berufserfahrung der Klägerin hinsichtlich "regulärer" Beschäftigungsverhältnisse; die Klägerin hat lediglich bei zahlreichen Zeitarbeitsfirmen gearbeitet. Schließlich stehen nach der fachkundigen Darlegung des Beklagten eine Reihe von Alternativen für die Qualifizierung der Klägerin etc. zur Verfügung, bei denen aus naheliegenden Gründen davon auszugehen ist, dass sie zielführender sind für die Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt als die isolierte Schulung im IT-Bereich, die von der Klägerin begehrt wird. Zu nennen sind hierbei die Teilnahme an einem Vermittlungsprojekt, Einschaltung des Arbeitgeberservice, Betreuung durch das beschäftigungsorientierte Fall Management (bFM) und die Zuweisung einer AGH-Stelle (Arbeitsgelegenheit gemäß § 16d SGB II).
Schließlich muss der Senat nicht entscheiden, ob bei der Klägerin hinsichtlich der Mitwirkung bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt von einer "Totalverweigerung" auszugehen ist, wie dies der Beklagte so sieht. Allerdings ergeben die vorliegenden Unterlagen und die Angaben der Beteiligten für das Berufungsgericht ein deutliches Bild, demzufolge die Klägerin auch deshalb nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Bildungsgutscheins der gewünschten Art belegen kann, weil durchaus von erheblichen Mitwirkungsdefiziten auszugehen ist. Dies beruht insbesondere auf der Haltung der Klägerin, mit dem Beklagten nicht mehr "zusammenzuarbeiten" und sich insbesondere dort nicht mehr zu melden (d.h. dort vorstellig zu werden), jedoch auch auf den weiteren Unterlagen und Hinweisen (wie z.B. ein vom Beklagten vorgestellter Vorgang aus dem Jahr 2018). Soweit die Klägerin ein Zusammenwirken mit dem Beklagten ablehnt, hat sie keine Gründe nennen können, weshalb ihr dies nicht zuzumuten wäre. Für die zum Teil kaum nachvollziehbaren Begründungen (kein Kontakt zum Leistungsträger wegen Gerichtsverfahren, sie sei "nicht zum Flirten da", sie fühle sich von Security-Mitarbeitern eingeschüchtert etc.), fehlt es an jeglichen Belegen. Entsprechendes gilt für ihre aktiven Bewerbungsbemühungen etc. Wie der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen hat, liegen Bewerbungsunterlagen nicht vor. Den wenigen E-Mail-Kontakten kommt ebenfalls kein höherer Erklärungs- oder Beweiswert zu.
Im Übrigen bestehen für einen diskriminierenden und rassistischen Hintergrund der Ablehnung des klägerischen Begehrens, wie die Klägerin meint, für den Senat nicht die geringsten Anhaltspunkte.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht im Hinblick auf § 81 Absatz 3a SGB III in der ab 01.07.2023 geltenden Fassung, weil es sich bei dem begehrten Schulungsinhalt um "Grundkompetenzen" handeln würde. Es kann an dieser Stelle offenbleiben, ob es auf diesen Rechtsstand überhaupt ankommt. Denn die Voraussetzungen für eine Förderung nach dieser Vorschrift sind ebenfalls nicht gegeben, weil zunächst die allgemeinen und speziellen Fördervoraussetzungen von § 81 Abs. 1 SGB II erfüllt sein müssen (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand Januar 2024, § 81 SGB III Rn. 273h). Die neue Regelung verlangt lediglich nicht mehr, dass die Grundkompetenzmaßnahme vorbereitend oder begleitend zu einer beruflichen Weiterbildung mit qualifiziertem Abschluss durchgeführt werden (vgl. Hengelhaupt, a.a.O. Rn. 273b). Die Voraussetzungen von § 81 Abs. 1 SGB III sind jedoch bei der Klägerin, wie oben dargelegt, nicht erfüllt. Zudem hat sie auch nicht nachweisen können, ein arbeitsmarktrelevantes Defizit in der Informations-und Kommunikationstechnologie zu haben (vgl. Hengelhaupt, a.a.O. Rn. 273j, m.w.N.). Beide Voraussetzungen von § 81 Abs. 3a SGB III sind also nicht erfüllt.
Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass die Tatbestandsmerkmale des § 81 Abs. 1 SGB III erfüllt wären - wie nicht - und damit die Voraussetzungen für eine von der Beklagten zu treffende Ermessensentscheidung über die Weiterbildung vorgelegen hätten, hätte die Klägerin jedenfalls keinen Anspruch auf eine Aufhebung der Ablehnungsentscheidung und auf Verpflichtung zur Neuverbescheidung - und erst recht keinen Anspruch auf die Leistung selbst (siehe oben) -, weil der Beklagte das ihm nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 81 Abs.1 SGB III zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat. Ermessensfehler sind dabei nicht festzustellen. Wie das SG zu Recht hervorgehoben hat, sind vom Beklagten in sehr ausführlicher Weise alle relevanten Erwägungen in die Ermessensausübung eingestellt worden und ist eine ausführliche Begründung erfolgt. Der Beklagte hat auf bereits bewilligte Maßnahmen und bisherige berufliche Tätigkeiten verwiesen und sich mit den hieraus ergebenden Folgen für die Beschäftigungssituation etc. der Klägerin auseinandergesetzt. Zudem hat er entsprechend der zutreffenden Darlegungen des SG das Verhalten der Klägerin im Umgang mit dem Beklagten und die aus seiner Sicht bestehenden Chancen einer Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt berücksichtigt. Der Beklagte hat schließlich ausführlich berücksichtigt, welche Alternativen zu einem Bildungsgutschein aus seiner Sicht erfolgversprechender wären und der Klägerin vorgeschlagen wurden.
Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Beklagte irrtümlich davon ausgegangen ist, dass die Klägerin 2020 zwei MS-Office-Kurse absolviert hat. Tatsächlich hat die Klägerin 2020 nur an einem solchen Kurs teilgenommen. Sie hat jedoch insgesamt an zwei MS Office-Kursen teilgenommen, wobei der erste Kurs bereits 2019 stattgefunden hat. Zwar hat das Gericht grundsätzlich zu prüfen, ob die Verwaltungsbehörde vom richtigen Sachverhalt ausgegangen ist (sowie, ob alle wesentlichen Umstände ermittelt worden sind), und hat einen belastenden Verwaltungsakt aufzuheben, wenn dies nicht der Fall ist und die Verwaltung hierdurch möglicherweise in ihrer Ermessensausübung beeinflusst worden ist (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Ders./Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rn. 28b). Hiervon ist vorliegend jedoch nicht auszugehen, da es keinen größeren Unterschied macht, ob die Klägerin 2019 und 2020 jeweils einen oder 2020 zwei solcher Kurse besucht hat.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG.