S 221 BA 18/23

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 221 BA 18/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Eine satzungsgemäße Bindung des Vorstands an Beschlüsse und Vorgaben (Leitlinien) der Bundesversammlung sowie die Befugnis der Bundesversammlung zur Wahl und Abwahl der Vorstandsmitglieder begründet eine Weisungsabhängigkeit der Vorstandsmitglieder innerhalb der organschaftlichen Struktur. Dass keine Einzelweisungen erteilt werden, ist unerheblich. 2. Durch die Aufgabenverteilung auf einzelne Organe ergibt sich eine Eingliederung in die Organisationsstruktur des Vereins. Sofern ein Vorstandsmitglied keinen entscheidenden Einfluss auf die interne Willensbildung des Vorstands hat, sondern jederzeit nach dem Mehrheitsprinzip überstimmt werden kann, ist kein wesentliches Indiz für eine selbständige Tätigkeit gegeben. 3. Eine ehrenamtliche Tätigkeit liegt trotz entsprechender Regelung in der Satzung nicht vor, wenn die geleistete „Aufwandsentschädigung“ tatsächlich eine Vergütung darstellt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine monatliche Pauschale regelmäßig und unabhängig vom tatsächlich entstehenden Aufwand gezahlt wird und die Höhe der Zuwendungen eindeutig für eine entgeltliche Erwerbstätigkeit und Erwerbsabsicht spricht

Sozialgericht Berlin

 

 

S 221 BA 18/23

 

verkündet am
14. Februar 2025

 

 

 

 

 

 

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

1.      B., e.V.,


 

 

2.      …,
 

 

- Kläger -

Proz.-Bev.:

zu 1-2:   … Rechtsanwälte,  

gegen

         Deutsche Rentenversicherung Bund,  

Ruhrstr. 2, 10709 Berlin,
 

- Beklagte -

 

 

hat die 221. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 14. Februar 2025 durch die Richterin am Sozialgericht …sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn … und Herrn … für Recht erkannt:

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

 

 

Tatbestand

 

Streitig ist eine Entscheidung der Beklagten in einem Statusfeststellungsverfahren.

Die Klägerin zu 1. ist eine berufsständische Körperschaft des Privatrechts, organisiert als eingetragener Verein. Ihre Mitglieder sind die Zahnärztekammern der Bundesländer.

Ziele und Aufgaben der Klägerin zu 1. sind in § 2 ihrer Satzung definiert. Danach ist ihr oberstes Ziel, die freie Berufsausübung der Zahnärzte in Deutschland zu schützen. Dazu vertritt sie gesundheitspolitische und berufliche Belange der im Geltungsbereich des Zahnheilkundegesetzes tätigen Zahnärzte auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Dabei fühlt sie sich dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie fördert eine fortschrittliche, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Zahnheilkunde, welche die Gesundheit des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Sie koordinierte länderübergreifende Aufgaben ihrer Mitglieder und unterstützt diese in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Selbstverwaltungskörperschaften. Die Mitglieder unterstützen die Bundeszahnärztekammer bei der Umsetzung ihrer Beschlüsse (§ 2 Nr. 1 der Satzung).

Ihre Aufgaben sind laut § 2 Nr. 2 der Satzung:

  1.  Bildung und Fortentwicklung einer einheitlichen Berufsauffassung,
  2. Erarbeitung von Empfehlungen Koordinierung und Weiterentwicklung im Bereich der zahnärztlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung,
  3. Eintreten für geeignete Rahmenbedingungen für die Erbringung zahnmedizinischer Leistungen,
  4. Mitwirkung an der öffentlichen Gesundheitspflege,
  5. Unterstützung von Forschungsvorhaben und Institutionen auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde,
  6. Erarbeitung von Empfehlungen Koordinierung und Weiterentwicklung im Bereich der Aus- und Fortbildung des zahnmedizinischen Assistenzpersonals,
  7. Ausrichtung des deutschen Zahnärztetages.

Die Organe der Klägerin zu 1. sind die Bundesversammlung als oberstes Beschlussorgan und der Vorstand.

Die Bundesversammlung, bestehend aus den Delegierten der Mitglieder, tagt mindestens einmal jährlich und hat laut § 5 der Satzung folgende Aufgaben:

  1. Beschlussfassung über die Satzung und Geschäftsordnung,
  2. Beschlussfassung über die Musterberufs- und Musterweiterbildungsordnung,
  3. Wahl und Abwahl von Präsident und Vizepräsidenten sowie die Ernennung von Ehrenpräsidenten,
  4. Wahl und Abwahl des Vorsitzenden der Bundesversammlung und seiner Stellvertreter,
  5. Entlastung des Vorstandes und der Geschäftsführung,
  6. Genehmigung des Haushaltsplans, des Aktionshaushaltes und der Beiträge,
  7. Feststellung des Jahresabschlusses,
  8. Beschlussfassung über Anträge,
  9. Wahl und Abwahl des Rechnungsprüfungsausschusses,
  10. Wahl und Abwahl des Finanzausschusses,
  11. Beschlussfassung über die Reisekostenordnung,
  12. Beschlussfassung einer Aufwandsentschädigungsordnung,
  13. Beschlussfassung über die Anlagerichtlinien zur Verwendung des Vermögens,
  14. Beschlussfassung über den Ausschluss von Mitgliedern und ihren erneuten Beitritt,
  15. Beschlussfassung über die Auflösung des Vereins.

§ 6 der Satzung trifft Regelungen zum Vorstand. Dieser besteht aus den Präsidenten der Landeskammern, dem Präsidenten, der Vizepräsidentin und dem Vizepräsidenten, wobei letztere drei den Geschäftsführenden Vorstand bilden und Vorstand im Sinne von § 26 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind. Der Geschäftsführende Vorstand bereitet die Sitzungen des Vorstands vor, entscheidet über die laufenden Geschäfte der Verwaltung und überwacht die Verwaltung.

Nach § 6 Nr. 2 der Satzung zählt zu den Aufgaben des Vorstands, soweit nicht die Bundesversammlung zuständig ist, insbesondere:

  1. die Beschlussfassung in allen Angelegenheiten der Bundeszahnärztekammer, insbesondere über die Verwendung der Haushaltsmittel,
  2. die Vorlage eines Haushalts-, Aktionshaushalts- und Stellenplanentwurfs,
  3. die Beschlussfassung über die von Fall zu Fall erforderlichen außerordentlichen Beiträge und die Verwendung der Mittel des von der Bundesversammlung verabschiedeten Aktionshaushalts,
  4. die Entscheidung über die Anstellungsverträge mit Geschäftsführern und leitenden Angestellten (Justitiar, Abteilungsleiter),
  5. die Entscheidung über Verträge mit Beratern und Beauftragten,
  6. die Aufstellung der Tagesordnung für die Bundesversammlung.

Jedes Vorstandsmitglied hat eine Stimmenzahl, die sich an der Zahl der Zahnärzte seiner Kammer orientiert. Bei der Stimmabgabe im Vorstand wird die Stimme der Präsidenten den auf ihre jeweilige Kammer entfallenden Stimmen angerechnet, soweit diese mehr als eine Stimme hat. Ist dies nicht der Fall, zählt die Stimme der Präsidenten zusätzlich (§ 6 Nr. 1 der Satzung). Für Wahlen und Beschlüsse ist grundsätzlich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausschlaggebend; für bestimmte Entscheidungen wie etwa Entscheidungen, die die Satzung betreffen oder über den Ausschluss eines Mitglieds ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich (siehe § 7 der Satzung).

Der Vorstand bestellt einen Hauptgeschäftsführer, welcher die laufenden Geschäfte nach Dienstanweisung des Vorstands, Organisationsplan, sowie Stellenbeschreibung und auf Grundlage einer vom Vorstand erlassenen Geschäftsordnung führt und zu diesem Zweck Personal- und Sachmittel beschafft, den Haushaltsplan vollzieht und das Vereinsvermögen verwaltet (§ 8 Nr. 1 der Satzung). Zur Erledigung der laufenden Geschäfte im Rahmen des Haushaltes kann der Präsident der Geschäftsführung Vollmacht erteilen (§ 8 Nr. 2 der Satzung).

§ 3 der Satzung bestimmt unter anderem, dass alle Vereinsämter ehrenamtlich ausgeübt werden (§ 3 Nr. 3 der Satzung) und dass der Präsident während seiner Amtszeit Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB sowie Anspruch auf Vergütung als Ersatz für die aufgewendete Zeit in Form einer monatlichen Pauschale hat. Darüber hinaus hat er Anspruch auf Sitzungsgeld (§ 3 Nr. 5 der Satzung).

Die Aufwandsentschädigungsordnung der Klägerin zu 1. regelt die Entschädigung für den Präsidenten, die Vizepräsidenten und den Vorsitzenden der Bundesversammlung und sieht neben einer Fahrtkostenentschädigung, Mehraufwand für Verpflegung, Kosten für Unterbringung, Nebenkosten und Sitzungskosten für den Präsidenten eine monatlich pauschale Aufwandsentschädigung von 11.850,- Euro als Ersatz für den entstehenden Verdienstausfall vor (§ 6 Aufwandsentschädigungsordnung).

Der Kläger zu 2. ist seit 2021 gewählter Präsident der Klägerin zu 1.. In dieser Funktion nimmt er an den Vorstandssitzungen (etwa 6 Mal im Jahr) und den Sitzungen des Geschäftsführenden Vorstands (ebenfalls etwa 6 Mal im Jahr) sowie an sonstigen Verbandsveranstaltungen teil. Er vertritt und repräsentiert die Klägerin zu 1. auf Veranstaltungen und referiert auf Empfängen, Mitgliederversammlungen, berufspolitischen Treffen etc.. In der Geschäftsstelle der Klägerin zu 1. steht dem Kläger zu 2. ein Arbeitsplatz zur Verfügung und er unterhält ein weiteres Büro in seiner Wohnung. Es bestehen keinerlei Präsenzpflichten für den Kläger zu 2.. Ein Arbeits- oder Dienstvertrag zwischen den Klägern existiert nicht.

Der Kläger zu 2. ist von seiner Tätigkeit als Professor und Oberarzt an der Ludwig-Maximilians-Universität München für die Tätigkeit bei der Klägerin zu 1. freigestellt. Er hält neben der Tätigkeit für die Klägerin zu 1. freiberuflich Vorträge.

Am 19. November 2021 beantragte der Kläger zu 2. bei der Beklagten die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 3. Juni 2022 fest, dass der Kläger zu 2. seit dem 4. Juni 2021 als Präsident der Klägerin zu 1. eine abhängige Beschäftigung ausübt. Die Organstellung in einer juristischen Person schließe ein Beschäftigungsverhältnis zur juristischen Person nicht aus. Entscheidend sei, ob die Organstellung über Repräsentationsaufgaben hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen beinhalte. Dies sei vorliegend der Fall, weil der Vorstand die Verwaltung überwache und dieser gegenüber sogar weisungsbefugt sei. Aus einer Weisungsfreiheit hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit könne nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden, da der Kläger zu 2. ansonsten in eine nicht von ihm vorgegebene Ordnung des Vereins eingegliedert sei und nur im Rahmen der Satzung und der Beschlüsse der Mitgliederversammlung handeln dürfe, so dass er selbst bei Überlassung großer Freiheiten der Überwachung durch die Mitgliederversammlung unterliege. Dies gelte auch dann, wenn von dieser Überwachungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht werde. Auch bei weitgehender Gestaltungsfreiheit bleibe seine Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in die vorgegebene Ordnung des Vereins eingliedere. Die Weisungsgebundenheit verfeinere sich wie bei Diensten höherer Art üblich zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Der Kläger zu 2. trage auch kein unternehmerisches Risiko, da er für die geleistete Arbeit eine Gegenleistung erhalte und kein eigenes Kapital einsetze. Die gezahlte Pauschale orientiere sich nicht am tatsächlichen Aufwand oder am tatsächlich entgangenen Verdienst und sei somit keine echte Aufwandsentschädigung.

Hiergegen erhoben die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. jeweils Widerspruch und führten aus, eine Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers liege definitionsgemäß nicht vor, da kein Arbeitsvertrag vorhanden sei, die Stellung vielmehr auf einer Wahl beruhe. Auch sei keine Leistung im Rahmen einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation geschuldet. Die Beschlüsse der Bundesversammlung seien nicht im Rechtssinne bindend, sondern gäben lediglich die berufspolitische Ausrichtung der Klägerin zu 1. vor. Eine Nichtumsetzung der Beschlüsse der Bundesversammlung bliebe ohne Konsequenzen, es drohe lediglich die Abwahl. Verwaltungsaufgaben würden durch den Geschäftsführenden Vorstand nicht wahrgenommen. Ferner bestehe hinsichtlich der Arbeitszeiten und des Arbeitsortes völlige Freiheit. Es bestehe satzungsgemäß keine Berichtspflicht und auch keine Pflicht, bestimmte Hard- oder Software zu nutzen. Die finanziellen Zuwendungen dienten mit Blick auf den Umfang der organschaftlichen Tätigkeit dem Ausgleich von Verdienstausfällen.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Bescheiden vom 2. Januar 2023 unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung in den angegriffenen Bescheiden zurück. Zum Widerspruchsvorbringen führte sie zusätzlich aus, die bloße Behauptung es werden keine Verwaltungsaufgaben wahrgenommen, sei nicht nachgewiesen. Dass der Kläger zu 2. nicht durch Satzung in seiner Tätigkeitsfreiheit Beschränkungen unterworfen sei, sei kaum vorstellbar. Als Präsident der Klägerin zu 1. sei er nicht allein auf die Übernahme repräsentativer Aufgaben beschränkt, sondern übe seine Tätigkeit satzungsgemäß aus und erhalte hierfür eine Vergütung. Danach sei er an die Vereinssatzung gebunden und gegenüber weiteren Organen des Vereins verantwortlich. Eine selbstständige Tätigkeit sei nur bei einem maßgeblichen Einfluss auf die Vereinsführung - wie bei einem Alleingesellschafter einer GmbH - denkbar. Der Kläger zu 2. habe aber trotz der ihm eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten in dem zeitlich und örtlich beschränkten Umfang zur Verfügung zu stehen, wie es die vertragsgemäße Erfüllung der ihm übertragenen Aufgabe erfordert. Die freie Entscheidung über den zeitlichen Rahmen seiner Tätigkeit erfahre durch die Notwendigkeiten aus dem Geschäftsalltag eine Begrenzung. Auch der Hinweis auf die fehlende Weisungsgebundenheit verfange nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe speziell bei Vereinsvorständen ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung erkannt, wenn die Ordnung des Betriebes bzw. die Unternehmenspolitik des Vereins durch den Verwaltungsrat bestimmt werde und dieser zu einer Reihe von Geschäften des Vereins seine Zustimmung erteilen müsse sowie wenn der Verwaltungsrat die vorstehende Bestellung, Abberufung und auch deren Anstellungsbedingungen regele. In diesem Fall unterliege das einzelne Vorstandsmitglied entsprechend interner Kompetenzzuweisung einer umfassenden Beaufsichtigung durch den Verwaltungsrat des Vereins, der die Vereinspolitik und damit die Ordnung des Betriebes bestimme. Diese Ausführungen seien auf die hiesige Fallkonstellation übertragbar. Die Ordnung des Betriebes und die Unternehmenspolitik der Klägerin zu 1. werden maßgeblich durch die Bindung an die Satzung bestimmt. Der Kläger zu 2. habe keinen maßgeblichen Einfluss. Er könne die Vereinspolitik nicht für sich alleine dominieren und allein Entscheidungen durchsetzen.

Hiergegen haben die Kläger am 6. Februar 2023 Klage erhoben. Sie wiederholen ihr Widerspruchsvorbringen und tragen ergänzend vor, die Klägerin zu 1. verfüge über kein Organ, welches die Vorstandstätigkeit überwache. Die Satzung sehe keinerlei Recht vor, Weisungen gegenüber den geschäftsführenden Vorstandsmitgliedern zu erteilen. Der geschäftsführende Vorstand sei auch nicht etwa an Weisungen eines möglichen Verwaltungsrates gebunden. Ein solches Organ bestehe bei der Klägerin zu 1. nicht. Es sei zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BSG bei ehrenamtlich Tätigen Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung der Person und nicht für jedermann frei zugänglich sind, regelmäßig nicht zur persönlichen Abhängigkeit und damit nicht zu einer abhängigen Beschäftigung führen. Eine solche ehrenamtliche Tätigkeit sei auch nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, sondern erhalte ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und die Unentgeltlichkeit. Dass das Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum des Ehrenamtes auch Verwaltungsaufgaben umfasse, führe demnach nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Dass die Tätigkeit des Klägers zu 2. eine ehrenamtliche sei, sei in der Satzung festgelegt. Es handele sich um eine Tätigkeit, die nicht jedermann frei zugänglich sei, sondern nur den wählbaren Delegierten der Bundesversammlung. Die Verwaltungsaufgaben würden durch den Geschäftsführer wahrgenommen. Der Umstand, dass dem Geschäftsführenden Vorstand die Überwachung der Verwaltung satzungsgemäß zugedacht sei, bedeute nicht, dass der Vorstand selbst Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Dienstvorgesetzter der Verwaltungsmitarbeiter sei der Geschäftsführer. An Dienstbesprechungen der Verwaltung nähmen die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder nicht teil. Somit sei der Kläger zu 2. gerade nicht in die Geschäftsabläufe der Verwaltung eingebunden. Ihm obliege nur die Überwachung der Verwaltung. Die Aufgaben im Zusammenhang mit den Sitzungen der Organe erschöpften sich in vorbereitenden Handlungen und seien durch die wenigen Sitzungen im Jahr begrenzt. Gegenüber den Repräsentationsaufgaben träten diese Handlungen deutlich in den Hintergrund. Hauptaufgabe sei die Repräsentation und die Pflege der Kontakte zu Politik und anderen Verbänden. Die finanziellen Zuwendungen stünden der Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements nicht entgegen. Ferner liege keine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Vorstands vor. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz stehe dem nicht entgegen. Dieser stelle keine Vergütung im Sinne einer tätigkeitsbezogenen Bezahlung dar. Eine Erwerbsabsicht stehe nicht im Vordergrund, da der Kläger seinen Lebensunterhalt aktuell aus seinen Vortragstätigkeiten bestreite. Somit bestehe auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit; der Kläger zu 2. werde auch für andere Auftraggeber tätig. Dass der Kläger zu 2. kein Unternehmerrisiko trage, sei unerheblich, da auch die Klägerin zu 1. selbst keinem Unternehmerrisiko unterliege. Es sei schließlich absolut unüblich, dass eine Vorstandstätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde.

 

Die Klägerin und der Kläger beantragen,

 

den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Januar 2023 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2. in seiner Tätigkeit als Präsident der Klägerin zu 1. ab dem 4. Juni 2021 nicht abhängig beschäftigt ist.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung verweist sie auf die angegriffenen Bescheide.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die der Kammer jeweils vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

1.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) zulässig, aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger zu 2. seit dem 4. Juni 2021 als Präsident der Klägerin zu 1. eine abhängige Beschäftigung ausübt.

 

Rechtsgrundlage für die angegriffenen Bescheide ist § 7a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 16. Juli 2021 (BGBl. I 2970). Danach können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch bei der Beklagten eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt.

 

Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ist Grundvoraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Beschäftigung nach dieser Norm ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (st. RSpr., z.B. BSG, Urteil vom 11. November 2015, - B 12 KR 13/14 R, juris m.w.N.).

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R, juris, m.w.N.).

Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich auch für Tätigkeiten, die mit der Organstellung innerhalb einer juristischen Person verbunden sind; auch Vorstandsmitglieder können abhängig Beschäftigte sein (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2023 – B 12 R 11/21 R –, juris, m.w.N.). Die Einordnung einer Tätigkeit als Organ einer juristischen Person erfolgt nicht schematisch danach, ob nur Repräsentations- oder auch Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Vielmehr ist auch insoweit anhand der Umstände des Einzelfalls zu überprüfen, ob die Tätigkeit weisungsgebunden ausgeübt wird und/oder der Organträger in die Strukturen der Körperschaft in prägender Weise eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 25/19 R, juris).

Allerdings kann eine organschaftliche Stellung als ehrenamtliche Tätigkeit einzuordnen sein, die nicht zu einer abhängigen Beschäftigung führt: Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person und auch nicht für jedermann frei zugänglich sind, führen regelmäßig nicht zu der in § 7 Abs. 1 SGB IV umschriebenen persönlichen Abhängigkeit. Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist dabei nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt; sie erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit. Die Unentgeltlichkeit, die für diverse Ehrenämter auch von Gesetzes wegen angeordnet ist, ist Ausdruck dafür, dass bei der im Rahmen ideeller Zwecke "geleisteten Arbeit" keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund steht. Sofern finanzielle Zuwendungen erfolgen, schließen diese die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements nicht prinzipiell aus. Sie sind unschädlich, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdecken. Die Beurteilung der Erwerbsmäßigkeit erfolgt dabei nicht aus der subjektiven Sicht des Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement ist objektiv abzugrenzen (BSG, Urteil vom 16. August 2017 - B 12 KR 14/16 juris). Bei dieser erforderlichen objektiven Abgrenzung ist den jeweiligen bereichsspezifischen Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung Rechnung zu tragen (BSG Urteil vom 12. Dezember 2023, a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Kammer nach Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger zu 2. eine abhängige Beschäftigung für die Klägerin zu 1. ausübt. Denn er ist im Rahmen der gegebenen organschaftlichen Struktur weisungsabhängig und in funktionsgerecht dienender Teilhabe in die Klägerin zu 1. eingegliedert (dazu a.). Er übt seine Tätigkeit ohne eigenes wirtschaftliches Risiko gegen Vergütung aus; eine die abhängige Beschäftigung ausschließende ehrenamtliche Tätigkeit liegt nicht vor (dazu b.).

a.

Entgegen der klägerischen Auffassung hatte die Kammer keine Zweifel an der Weisungsgebundenheit des Klägers zu 2. Außerdem ist er nach Auffassung der Kammer ungeachtet eines fehlenden Arbeits- oder Dienstvertrages, der für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung keine Bedeutung hat (vgl. hierzu BSG Urteil vom 23. Februar 2021, a.a.O.), bei seiner Tätigkeit als Präsident der Klägerin zu 1. in deren Betrieb in funktionsgerecht dienender Teilhabe eingegliedert.

Der Kläger zu 2. unterliegt satzungsgemäß den Vorgaben der Bundesversammlung. Denn diese gibt die Leitlinien des Vereins vor, nach welchen der Vorstand seine Tätigkeit ausrichtet, und sie entscheidet letztlich über das Schicksal der Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands, weil in ihrer Hand deren Wahl und Abwahl liegt. Somit kann der Kläger zu 2. gerade nicht nach eigenem Gutdünken handeln, sondern ist bei seiner Tätigkeit an die fremdbestimmten Ziele und Leitlinien des Vereins gebunden. Bei einem Handeln gegen diese Bestimmungen kann die Bundesversammlung ihn abwählen.

Die Bindung an die Beschlüsse der Bundesversammlung ergibt sich auch aus der gesetzlichen Konzeption des Vereins. Nach § 27 Abs. 3 BGB finden auf die Geschäftsführung des Vorstands die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 BGB entsprechende Anwendung. Aus § 665 BGB, wonach der Beauftragte nur unter bestimmten Umständen von den Weisungen des Auftraggebers abweichen darf, ergibt sich, dass ein Beauftragter grundsätzlich an die Weisungen des Auftraggebers gebunden ist. Entsprechendes gilt für den Vereinsvorstand im Hinblick auf Weisungen der Bundesversammlung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2023 – L 4 BA 24/20 –, juris).

Dass die Bundesversammlung, wie die Kläger vortragen, tatsächlich keine Einzelweisungen an den Vorstand bzw. Geschäftsführenden Vorstand erteilt und auch von der Möglichkeit seiner Abwahl keinen Gebrauch macht bzw. machen würde, ist nicht erheblich. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich. Eine "Schönwetter-​Selbständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 27. April 2021, a.a.O.). Daher kann aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-​, Aufsichts- oder Überwachungsrechts nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, juris m.w.N.).

Auch die von den Klägern immer wieder hervorgehobene Freiheit hinsichtlich Ort, Zeit und Gestaltung der Tätigkeit des Klägers zu 2. steht einer Weisungsgebundenheit nicht entgegen. Denn die dem Kläger zu 2. eingeräumten Freiheiten sind für höhere Dienste typisch und nicht Ausdruck von Weisungsfreiheit (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2023, a.a.O., m.w.N.).

Entgegen des klägerischen Vortrags umfassen die Aufgaben des Klägers zu 2. ferner nicht nur rein repräsentative, sondern auch solche, die die interne Geschäftsführung betreffen. Die satzungsgemäßen Aufgaben des Vorstands wie etwa die die Vorlage eines Haushalts-, Aktionshaushalts- und Stellenplanentwurfs, die Beschlussfassung über die von Fall zu Fall erforderlichen außerordentlichen Beiträge und die Verwendung der Mittel des von der Bundesversammlung verabschiedeten Aktionshaushalts oder die Entscheidung über die Anstellungsverträge mit Geschäftsführern und leitenden Angestellten sind reine Verwaltungsaufgaben. Dass der Kläger zu 2. hier eine vorwiegend überwachende Position einnimmt und die Umsetzung an den Geschäftsführer delegiert, ist unerheblich, zumal er in der mündlichen Verhandlung bejaht hat, die dem Vorstand satzungsgemäß übertragenen Aufgaben in ihrem Kernbereich wahrzunehmen.

Nach den oben ausgeführten Grundsätzen erfolgt die Einordnung der Tätigkeit des Klägers zu 2. ohnehin nicht nach schematischer Abgrenzung von Repräsentations- und Verwaltungsaufgaben, sondern einer Einzelfallprüfung, die die Kammer hier vorgenommen hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger zu 2. nicht nur weisungsgebunden ist, sondern sich auch in die Organisationsstruktur der Klägerin zu 1. einfügt, um den Zweck des Vereins zu fördern.

Die Eingliederung in die Organisationsstruktur des Vereins folgt im Grundsatz bereits aus der Aufgabenverteilung auf einzelne Organe. Dadurch wird eine Art "Gewaltenteilung" hergestellt. Die Bundesversammlung hat das "Gesetzgebungsrecht" hinsichtlich der Satzung und ist insoweit "oberstes Willensbildungs- und Entscheidungsorgan" (vgl. BSG Urteil vom 12. Dezember 2023, a.a.O). Für den Kläger zu 2. als Teil des Vorstands sowie des Geschäftsführenden Vorstands folgt daraus seine Unzuständigkeit und Bindung bei Strukturfragen, die der Bundesversammlung vorbehalten sind, wie etwa eine Satzungsänderung oder aber die Wahl und Abwahl des Geschäftsführenden Vorstands selbst. Somit ist der Kläger zu 2. funktionell in die Klägerin zu 1. eingegliedert.

Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Leitungsbefugnis nur dem gesamten Organ zusteht und nicht dessen Mitgliedern. Für die Abgrenzung zur Selbstständigkeit ist bei Leitungstätigkeiten juristischer Personen insbesondere von Bedeutung, ob ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens besteht. Ansonsten wird ein Vorstandsmitglied - vergleichbar einem GmbH-​Geschäftsführer ohne umfassende Sperrminorität nicht im "eigenen" Unternehmen, sondern fremdbestimmt tätig (BSG Urteil vom 12. Dezember 2023, a.a.O.).

Der Kläger zu 2. hat keinen entscheidenden Einfluss auf die interne Willensbildung des Vorstands, weil alle Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden und er jederzeit überstimmt werden kann. Dies gilt ebenso für die Stimmenverteilung im Geschäftsführenden Vorstand. Aber nur ein Einfluss, der jeden missliebigen Beschluss des Vorstands verhindern kann, wäre ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Insoweit unterscheidet sich die Stellung des Klägers zu 2. von derjenigen eines GmbH-​Geschäftsführers mit Sperrminorität, der in der Lage ist, ihm nicht genehme Weisungen an sich zu verhindern.

 

b.

Zur Überzeugung der Kammer geht der Kläger zu 2. ferner keiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Klägerin zu 1. nach, sondern übt eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt aus. Eine im Wesentlichen unentgeltliche Tätigkeit ohne Erwerbsabsicht zu ideellen Zwecken lag nicht vor.

 

Das Versicherungsverhältnis als solches erfordert grundsätzlich, dass aus der Beschäftigung Erwerbseinkommen erzielt wird, aus dem sozial angemessene Beiträge zur Finanzierung des jeweiligen Systems geleistet werden können. Demgegenüber ist die Unentgeltlichkeit des Ehrenamts Ausdruck dafür, dass keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund steht, weil es seiner Art oder den Umständen nach mit keiner berechtigten Vergütungserwartung verbunden ist. Finanzielle Zuwendungen in Form von Aufwendungsersatz für konkrete oder pauschal berechnete Aufwände einschließlich eines Ausgleichs für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall und einer gewissen Anerkennung der ehrenamtlichen Tätigkeit hindern die Sozialversicherungsfreiheit nicht. Die Erwerbsmäßigkeit beurteilt sich dabei nicht aus der subjektiven Sicht des Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement ist objektiv abzugrenzen. Die unentgeltliche Verrichtung von Tätigkeiten zur Verfolgung eines ideellen Zwecks muss objektiv erkennbar vorliegen; die gewährte Aufwandsentschädigung darf sich nicht als verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit darstellen (BSG Urteil vom 12. Dezember 2023, a.a.O., m.w.N.).

 

Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerseite mit ihrem Vortrag, es liege eine ehrenamtliche Tätigkeit vor, nicht überzeugen.

 

Zwar ist in § 3 Nr. 3 der Satzung der Klägerin zu 1. normiert, dass alle Vereinsämter ehrenamtlich ausgeübt werden. Auch die gesetzliche Regelung im BGB bestimmt, dass die Mitglieder des Vorstands eines eingetragenen Vereins unentgeltlich tätig sind (§ 27 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die nach dem Wortlaut der Satzung und Aufwandsentschädigungsordnung der Klägerin zu 1. an den Kläger zu 2. geleistete „Aufwandsentschädigung“ ist aber tatsächlich eine „Vergütung“.

 

Zunächst ergibt sich im vorliegenden Fall nicht mit der nach dem beitragsrechtlichen Grundsatz der Vorhersehbarkeit erforderlichen Klarheit, dass tatsächlich nur eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird. Es handelt sich um eine monatliche Pauschale, die regelmäßig gezahlt wird, unabhängig vom tatsächlich entstehenden Aufwand. Hinzu kommt, dass die Höhe der Zuwendungen eindeutig für eine entgeltliche Erwerbstätigkeit und Erwerbsabsicht des Klägers zu 2. sprechen. Selbst wenn der Kläger zu 2. Vortragstätigkeiten neben seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1. ausübt und dies möglicherweise - wie er vorträgt - seinen Hauptverdienst darstellt, besteht objektiv ein derart starker wirtschaftlicher Anreiz für die Ausübung seiner Vorstandstätigkeit bei der Klägerin zu 1., dass eine Erwerbsabsicht nicht abgesprochen werden kann. Eine Tätigkeit nur aus ideellen Zwecken ist bei einem monatlichen Verdienst von 11.850,00 Euro nicht begründbar. Dass die finanziellen Zuwendungen eine Entschädigung für Verdienstausfall darstellen sollten, spricht ebenfalls nicht gegen eine Erwerbsabsicht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2023, a.a.O.). Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der „Aufwandsentschädigung“ daher um eine arbeitnehmertypische Vergütung der Vorstandstätigkeit. Der Kläger zu 2. übt eine entgeltliche Tätigkeit zu Erwerbszwecken aus. In der Gesamtschau ist auch keinerlei Unternehmerrisiko des Klägers zu 2., oder weitere Umstände, die maßgeblich für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnten, erkennbar.

 

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

 

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

3.

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, einer Zulassung der Berufung bedurfte es nicht, §§ 143, 144 SGG.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved