S 12 AY 706/25 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AY 706/25 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Der Betrag von 3,50 € deckt im Jahr 2025 offenkundig nicht das tägliche Existenzminimum eines volljährigen alleinstehenden Menschen in der Bundesrepublik Deutschland.

Menschen auf der Flucht können nach § 6 Abs. 1 AsylbLG sonstige Leistungen von den Trägern der Asylbewerberleistungsverwaltung beanspruchen, solange sie auf die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über ihren Asylantrag warten müssen und im Einzelfall ob des Endes ihrer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung in der obligatorischen Anschlussversicherung den Mindestbeitragspflichten zur gesetzlichen Krankenversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V bzw. der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 3 SGB XI unterliegen.

An zwar nicht rechtsverbindlich erklärte, aber im Wege unvollständiger Initiativ-Auskünfte gleichwohl insinuierte Zusagen ist eine Behörde nach Treu und Glauben gebunden, wenn sie sich durch ihre betrügerische Vorgehensweise gezielt von Amts wegen bereichern, das Vermögen Dritter schädigen und den Getäuschten in wirtschaftliche Not bringen will.

Die Bindung an Recht und Gesetz steht ebenso wenig zur freien Disposition der in Baden-Württemberg vor ihrer Verfolgung im Heimatland Zuflucht suchenden Menschen wie den für ihre Aufnahme zuständigen Behörden einschließlich des ihnen übergeordneten Ministeriums für Justiz und Migration.

Tenor:

1.         Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller rückwirkend ab dem 19.03.2025 und bis 31.05.2025 zusätzliche Geldleistungen zu gewähren in Höhe der monatlichen Beitragspflichten des Antragstellers aus dessen sog. obligatorischer Anschlussversicherung

a)         in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V

und

b)        in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 3 SGB XI.

 

2.         Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche sozialgerichtliche Eilverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. (XXXXXX XX, XXXXX Göttingen) bewilligt.

 

3.       Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

 

Gründe:

 

Gründe

 

I.

 

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für seine Versicherungsbeiträge zur sog. Anschlussversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung.

 

Der 2003 geborene Antragsteller ist ein kurdischer Mensch türkischer Staatsangehörigkeit. Er reiste am 21.10.2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und suchte hier am 10.11.2023 förmlich um Schutz vor Verfolgung im Heimatland. Hierüber ist nach (knapp) 18 Monaten noch nicht entschieden worden.

 

Bereits am 05.12.2023 war der Antragsteller dem Antragsgegner als untere Aufnahmebehörde für Menschen in Asylverfahren örtlich zugewiesen worden. Seither bringt der Antragsgegner den Antragsteller in einer Gemeinschaftsunterkunft unter. Zudem gewährt der Antragsgegner dem Antragsteller seither und bis zuletzt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 3, 3a AsylbLG.

 

Allen unteren Aufnahmebehörden des Bundeslandes ließ das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg am 28.08.2024 folgendes Rundschreiben zusenden:

 

„Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit Wirkung zum 01.08.2013 wurde mit § 188 Abs. 4 SGB V die obligatorische Anschlussversicherung bei der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Auch für Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten und sich im Grundleistungsbezug befinden, schließt sich nach Ende einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei erneutem Bezug von Grundleistungen nach dem AsylbLG die obligatorische Anschlussversicherung gem. § 188 Abs. 4 SGB V an.

 

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.03.2022 (Az.: B 1 KR 30/20 R), stellen die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG jedoch keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V dar. Eine Kündigung der obligatorischen Anschlussversicherung durch den Asylbewerberleistungsberechtigten ist daher nicht möglich.

 

Im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG können die hierbei anfallenden Versicherungsbeiträge aus Sicht des Ministeriums der Justiz und für Migration nicht übernommen werden. Einzig in Betracht käme § 6 AsylbLG, wonach sonstige Leistungen (nur) dann gewährt werden können, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich sind. § 6 AsylbLG stellt damit für den AsylbLG-Grundleistungsbezug eine Öffnungsklausel dar, nach dem z.B. auch medizinische Leistungen gewährt werden können, die über den in § 4 AsylbLG geregelten Leistungsumfang hinausgehen. Die Übernahme der Versicherungsbeiträge ist jedoch weder zur Sicherung des Lebensunterhalts noch der Gesundheit unerlässlich. Vielmehr werden alle zur Existenzsicherung und auch zur Sicherung der Gesundheit erforderlichen Leistungen nach §§ 4 und 6 AsylbLG erbracht. Die Übernahme von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (hier zur OAV), welche den Zugang zu einem im Vergleich zu den Leistungen nach §§ 4 und 6 AsylbLG weitergehenden Anspruch auf Versorgung im Krankheitsfall aufrechterhält, kann demnach nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sein.

 

In der Folge handelt es sich auch nicht um erstattungsfähige Ausgaben gemäß § 15 Flüchtlingsaufnahmegesetz Baden-Württemberg (FlüAG). Eine Erstattung im Rahmen der nachlaufenden Spitzabrechnung von Aufwendungen für die vorläufige Unterbringung ist damit grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt überdies auch für die Erstattung der Netto-Ist-Aufwendungen auf Basis der Empfehlung der Gemeinsamen Finanzkommission vom 16.12.2019 (LT-Drs. 16/7481) für Leistungen nach dem AsylbLG für Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher nach dem AsylbLG, die m Rechtssinne nicht mehr vorläufig untergebracht sind. Den unteren Aufnahmebehörden, die auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts vom 10.03.2022 die Beträge der obligatorischen Anschlussversicherung bislang übernommen haben, werden die Beträge bis einschließlich des Abrechnungsjahrs 2024 im Rahmen der nachlaufenden Spitzabrechnung sowie im Rahmen der Erstattung der Netto-Ist-Aufwendungen auf Basis der Empfehlung der Gemeinsamen Finanzkommission vom 16.12.2019 (LT-Drs. 16/7481) erstattet. Ab dem Abrechnungsjahr 2025 sind die vorgenannten Beiträge nicht mehr erstattungsfähig.

 

Da die Beiträge darüber hinaus nicht übernommen werden können, entstehen regelmäßig Zahlungsrückstände bei den Betroffenen. Für den einzelnen Leistungsberechtigten stellt dies eine sehr unbefriedigende Rechtssituation dar und stellt auch die Leistungsbehörden vor Herausforderungen. In der letzten Sitzung der Arbeitsgemeinschaft für Migration und Flüchtlingsfragen der Länder (ArgeFlü) wurde diese Problematik nach einer Anmeldung durch Baden-Württemberg behandelt. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mitgeteilt, dass die Thematik dort bekannt sei und man hierzu im Austausch mit dem Bundesministerium für Gesundheit wegen der Anpassung der Regelungen im SGB V sei. Das Ministerium der Justiz und für Migration hat sich entsprechend auch an das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration (SM) Baden-Württemberg gewandt und gebeten, sich dieses

Themas anzunehmen. Eine Lösung kann nur über den Bundesgesetzgeber erfolgen.

 

Hierfür sollte – statt einer Erweiterung des Leistungsumfangs des AsylbLG – eine Klarstellung im SGB V (dort in § 188 Abs. 4) erfolgen, dass auch Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt i.V.m. den sonstigen Leistungen (§§ 4 und 6 AsylbLG) als ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V gelten.

 

Das Justizministerium wird Sie über weitere Entwicklungen auf dem Laufenden halten.“

 

Durch Bescheid vom 22.10.2024 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 3, 3a AsylbLG ab November 2024 bis Mai 2025.

 

Vom 28.10.2024 bis 06.12.2024 war der Antragsteller beschäftigt. Wegen seiner diesbezüglichen Sozialversicherungspflicht wählte er für seine Pflichtmitgliedschaften in der gesetzlichen Krankenkasse und in der sozialen Pflegekasse die „DAK-Gesundheit“ (DAK). Zu deren Gunsten führte die Arbeitgeberin des Antragstellers die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge bis zum Ende seiner befristeten Beschäftigung ab.

 

(Auch) Anlässlich des vorübergehenden Erwerbseinkommens erließ der Antragsgegner am 03.02.2025 einen Änderungsbescheid. Hierin führte er wörtlich aus:

 

„unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse haben wir den Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG für die nachfolgend aufgeführte Person berechnet:

 

XXXXXX, XXXXXX, geb. XX.XX.2003

 

Leistungen § 3 AsylbLG vom 01.11.2024 bis 30.11.2024  

Leistungen § 3 AsylbLG vom 01.12.2024 bis 31.12.2024  

Leistungen § 3 AsylbLG vom 01.01.2025 bis 31.03.2025 (Rückforderung 50,00 €)

Leistungen § 3 AsylbLG vom 01.04.2025 bis 30.04.2025 (Rückforderung 32,56 €)

Leistungen § 3 AsylbLG ab 01.05.2025 monatlich

230,44 €

0,00 €

347,00 €

364,44 €

397,00 €

 

Die Hilfe ist vorläufig befristet bis 31.05.2025, längstens jedoch bis zum Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen nach dem AsylbLG.

 

Grund der Änderungen:

Sie waren vom 28.10.2024 bis 06.12.2024 bei „XXXXXX GmbH' in einem Beschäftigungsverhältnis angestellt und haben Einkommen erzielt. Aufgrund der Rückforderung (Bescheid vom 03.02.2025) werden jeweils 50,00 € von Ihren Leistungen in den Monaten Januar 2025 bis März 2025 einbehalten und im April 2025 32,56 €.

 

Die zustehende Hilfe wird hinsichtlich der Regelsätze und der davon abhängigen Beträge (z. B. Mehrbedarf) sowie der Zusammensetzung des notwendigen Bedarfs auf Grundlage des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes, welches die ab 1. Januar 2025 geltenden Leistungssätze des AsylbLG beinhaltet, ab diesem Zeitraum neu berechnet. (…) Sollten über den angegebenen Bewilligungszeitraum hinaus noch Leistungen nach dem AsylbLG erforderlich sein, so sind die Notwendigkeit der Hilfe und eventuelle Änderungen rechtzeitig zu belegen.

 

Dieser Begründung fügte der Antragsgegner „Allgemeine Hinweise“ an. Hier hob er einen Hinweis besonders hervor durch die fett und größer gedruckte Überschrift „Wichtiger Hinweis“. Hierunter formulierte der Antragsgegner wie folgt:

 

„Aufgrund Ihrer Erwerbstätigkeit empfehlen wir Ihnen dringend bei der Krankenkasse die obligatorische/freiwillige Anschlussversicherung zu beantragen. Bitte legen Sie uns zu gegebener Zeit den Beitragsbescheid Ihrer Krankenkasse in Kopie vor.“

 

Beim Antragsteller weckte diese dringende Empfehlung wohl das Vertrauen, der Antragsgegner werde im Falle der Beantragung einer Anschlussversicherung die von der DAK ihm gegenüber festgesetzten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung nach einer rechtzeitigen Vorlage entsprechender Belege als leistungserhöhende Bedarfe zu seinen Gunsten berücksichtigen und ihm dementsprechend höhere Geldleistungen nach dem AsylbLG im Wege eines diesbezüglichen Änderungsbescheides gewähren.

 

Wohl aufgrund des vom Antragsgegner am 03.02.2025 so herbeigeführten Vertrauens entschied sich der Antragsteller für die ihm vom Antragsgegner dringend empfohlene Anschlussversicherung bei seiner Krankenkasse (DAK). Diese (für den Antragsteller „freiwillige“ und für die DAK gemäß § 188 Abs. 4 SGB Vobligatorische“) „Anschlussversicherung“ in der Krankenversicherung musste die DAK (gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI auch in der sozialen Pflegeversicherung) ab dem 07.12.2024 durchführen.

 

Deshalb setzte die DAK zulasten des Antragstellers mit Bescheid vom 24.02.2025 (u.a.) ab 01.01.2025 die Beiträge

- für die Krankenversicherung auf monatlich: 209,72 €;

- für die Pflegeversicherung auf monatlich: 44,94 €;

- bzw. auf insgesamt monatlich: 254,66 €

nach der sogenannten Mindestbeitragsbemessungsgrundlage so hoch fest, als wenn der Antragsteller über beitragspflichtige Monatseinnahmen von 1.248,33 € verfügte.

 

Nach der Kenntnisnahme dieses Beitragsbescheides der DAK vom 24.02.2025 lehnte der Antragsgegner entgegen der diesbezüglich herbeigeführten Vertrauens des Antragstellers eine Änderung seines Änderungsbescheides vom 03.02.2025 durch den im Eilverfahren S 12 AY 706/25 ER nunmehr streitbefangenen Ablehnungsbescheid vom 04.03.2025 ab. Dass er dem Antragsteller die seinerseits erwarteten höheren Leistungen unter Berücksichtigung der Beitragspflichten aus der Anschlussversicherung nicht bewillige, begründete der Antragsgegner durch einen Verweis auf die „Sicht des Ministeriums der Justiz und für Migration Baden-Württemberg auf Grund eines Urteils des Bundessozialgerichts vom 10. März 2022 (B 1 KR 30/20 R)“.

 

Gegen diesen Ablehnungsbescheid widersprach der Antragsteller am 18.03.2025.

 

Zudem hat er am 19.03.2025 beim Sozialgericht Karlsruhe einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz angebracht und hierfür Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Durch diesen lässt er zuvörderst darauf hinweisen, dass ihm der Antragsgegner durch Bescheid vom 03.02.2025 noch ausdrücklich dringend empfohlen habe, aufgrund seiner Erwerbstätigkeit bei der Krankenkasse die obligatorische/freiwillige Anschlussversicherung zu beantragen und dem Antragsgegner zu gegebener Zeit den Beitragsbescheid der Krankenkasse vorzulegen. Schon deshalb könne er den Erlass einer einstweiligen Anordnung beanspruchen, zumal ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben seien:

 

Ein Anordnungsanspruch bestehe gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG. Nach dieser Vorschrift könne der Antragsgegner Beitragspflichten zur Kranken- und Pflegeversicherung bei der Bemessung der Geldleistungen nach dem AsylbLG berücksichtigen. In seinem Einzelfall einer obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V seien die Beitragszahlungen unerlässlich zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Die §§ 3, 3a AsylbLG berücksichtigten seine aus der Anschlussversicherung folgenden Bedarfe für Kranken- und Versicherungsschutz nämlich nicht. Die Regelbedarfssätze seien dementsprechend dermaßen niedrig bemessen, dass die monatlich geschuldeten Beiträge nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze allein mithilfe der Geldleistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG nicht zu finanzieren seien. Das rheinland-pfälzische Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration habe daher am 23.02.2023 verfügt, dass etwaige Versicherungsbeträge für eine obligatorische Anschlussversicherung stets als asylbewerberleistungserhöhend gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG anzuerkennen seien.

 

Dass der Antragsgegner die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung des Antragstellers ebenso übernehmen müsse wie Asylbewerberleistungsbehörden in Rheinland-Pfalz, folge aus der Alleinzuständigkeit des Antragsgegners für die Gewährleistung des gesamten Existenzminimums durch Leistungen nach dem AsylbLG. Wenn er diese Gewährleistungspflicht im Falle der obligatorischen Anschlussversicherung verletzte, gehe dies zu Lasten der Versicherungsgemeinschaften in den gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegekassen. Diese erhielten dann keine Beiträge für die obligatorische Absicherung eines Asylbewerbers. Dass laufende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht gemäß § 6 AsylbLG zu berücksichtigen wären, führe das vom Antragsgegner im Ablehnungsbescheid zitierte Urteil gerade nicht aus.

 

Ein Anordnungsgrund bestehe, weil die DAK zur Durchführung der obligatorischen Anschlussversicherung auch im Falle von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG verpflichtet sei. Eben dies sei der (vom Antragsgegner im angefochtenen Ablehnungsbescheid in Bezug genommenen) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 188 Abs. 4 SGB V zu entnehmen. Infolgedessen seien Anschlussversicherte Beitragsforderungen ausgesetzt, ohne die geschuldeten Versicherungsbeiträge allein mithilfe der monatlichen Grundleistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG erbringen zu können. Deshalb häufe er, der Antragsteller, gegenüber der DAK Beitragsschulden an.

 

Der Antragsteller beantragt wörtlich:

 

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 18.03.2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04.03.2025 (Az.: 2846.455392) auch die Beiträge zur sog. obligatorischen Anschlussversicherung ab Eingang dieses Antrages bei Gericht zu gewähren.

 

Der Antragsgegner beantragt,

 

den Antrag abzulehnen.

 

Er führt im Wesentlichen aus, es bedürfe keiner vorläufigen Regelung, da kein Anordnungsgrund gegeben sei, weil dem Antragsteller zuzumuten sei, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, denn wegen der sich anhäufenden Krankenkassenbeiträge scheide aufgrund des laufenden Bezugs der Leistungen nach dem AsylbLG eine Pfändung aus. Zugleich sei der Lebensunterhalt des Antragstellers gesichert durch die ihm laufend gewährten Leistungen nach dem AsylbLG. Auch im Falle einer Erkrankung sei der Antragsteller abgesichert, da er bei der DAK obligatorisch krankenversichert sei und diese ihre Leistungen selbst dann erbringen müsse, wenn er seine Beitragspflichten nicht erfüllen (könne) und sich deswegen Beitragsschulden anhäufen. Es bestehe auch kein Anordnungsanspruch, da die hier begehrte Übernahme von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung aus einer obligatorischen Anschlussversicherung nicht unerlässlich im Sinne des § 6 AsylbLG sei, da die zur Existenzsicherung und zur Gesundheit des Antragstellers erforderlichen Leistungen anderweitig erbracht würden.

 

Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und den der Prozessakte Bezug genommen.

 

 

II.

 

 

1. Der zulässige Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist begründet.

 

Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.

 

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

 

Ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Denn in der Hauptsache wäre das auf die Bewilligung weiterer Asylbewerberleistungen gerichtete Begehren des Antragstellers statthafter Weise im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1, 4 SGG zu verfolgen.

 

Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist auch begründet.

 

Voraussetzung für den Erlass der vom Antragsteller begehrten Regelungsanordnung ist die Glaubhaftmachung (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Die Glaubhaftmachung verlangt, dass das Vorliegen der behaupteten Tatsachen überwiegend wahrscheinlich ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 128 Rn. 3d). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 27 ff.).

 

Während der Anordnungsgrund die Frage der Eilbedürftigkeit betrifft, ist Gegenstand des Anordnungsanspruchs grundsätzlich die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 27 ff.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 27 mwN).

 

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

 

Zunächst hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er vom Antragsgegner zusätzliche Geldleistungen in Höhe seiner monatlichen Beitragspflichten aus der sog. obligatorischen Anschlussversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V und in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 3 SGB XI ab dem 01.01.2025 bis zum 31.05.2025 beanspruchen kann. Insoweit kann sich der Antragsteller auf zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen stützen: Erstens kann er die höheren Leistungen wohl gemäß § 34 SGB X i.V.m. § 242 BGB analog i.V.m. § 263 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Abs. 5 StGB beanspruchen (siehe hierzu sogleich unter a). Zweitens stehen dem Antragsteller die streitbefangenen Leistungen wohl auch gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG zu (b).

 

a) Der Antragsgegner muss dem Antragsteller wohl zusätzliche Geldleistungen in gesetzlicher Höhe (von derzeit 254,66 € monatlich) gemäß § 34 Abs.1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 242 BGB analog i.V.m. § 263 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2 Ziff. 1 bis 4, Abs. 5 StGB gewähren, weil er beim Antragsteller wohl am 03.02.2025 in betrügerischer Weise einen zusicherungsähnlichen Vertrauenstatbestand schuf und es am 04.03.2025 wohl dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprach, als sich der Antragsgegner an den von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestand nicht festhalten ließ. Im Einzelnen:

 

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 263 Abs. 1 StGB). In besonders schweren Fällen beträgt die Freiheitsstrafe für den Betrug gemäß § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB sechs Monate bis zehn Jahre. Ein besonders schwerer Fall liegt § 263 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 3. und 4. StGB in der Regel vor, wenn der Täter eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt oder seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht. Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB verbunden hat, gewerbsmäßig begeht (§ 263 Abs. 5 StGB). § 25 Abs. 1 und 2 StGB bestimmen, dass als Täter bestraft wird, wer die Tat selbst oder durch einen anderen oder mit mehreren gemeinschaftlich begeht. § 242 BGB zufolge ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen, der schriftlichen Form.

 

In der Gesamtschau der gesetzeskräftigen Beurteilungsmaßstäbe ist eine treuwidrig handelnde Behörde an ihre absichtlich unvollständig erteilten schriftlichen Auskünfte ebenso gebunden wie sie an eine rechtsverbindlich erklärte Zusicherung gebunden wäre, wenn sich die Behörde mittels irreführender Auskünfte in betrügerischer Weise von Amts wegen bereichern wollte und hierbei das Vermögen Dritter bewusst schädigen sowie den durch sie getäuschten Menschen in wirtschaftliche Überschuldungsnot bringen wollte.

 

Im vorliegenden Einzelfall ist indes glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner gegenüber dem auskunfts- und beratungsbedürftigen Menschen auf der Flucht wegen dessen Gruppenzugehörigkeit zu den besonders hilfebedürftigen Empfängern von Asylbewerberleistungen sowie unter Ausnutzung seiner eingeschränkten Rechts- und Sprachkenntnisse gezielt unvollständige Auskünfte gemacht hatte über die ihn erwartende Asylbewerberleistungsgewährung, damit der durch den Antragsgegner fehlgeleitete mittellose Mann für den Antragsgegner vorteilhafte Vermögensdispositionen treffen würde, obschon er hierdurch Drittbetroffenen Vermögensnachteile zufügen und selbst in eine Schuldenfalle geraten würde.

 

Indes ist dem Antragsgegner zwar zuzugeben, dass der Wortlaut des Änderungsbescheides vom 03.02.2025

 

„Aufgrund Ihrer Erwerbstätigkeit empfehlen wir Ihnen dringend bei der Krankenkasse die obligatorische/freiwillige Anschlussversicherung zu beantragen. Bitte legen Sie uns zu gegebener Zeit den Beitragsbescheid Ihrer Krankenkasse in Kopie vor.“

 

nicht als Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X auszulegen ist. Vielmehr ist darin nur eine unverbindliche Auskunft im Sinne des § 15 SGB I zu sehen. Der zitierten Formulierung ist gerade kein Regelungswille des Antragsgegners dahingehend zu entnehmen, dass er schon rechtverbindlich hätte zusagen wollen, dass er die leistungserhöhende Berücksichtigung im Rahmen eines Änderungsbescheides jedenfalls vornehmen werde.

 

Indes muss sich der Antragsgegner im vorliegenden Einzelfall wegen der Unvollständigkeit seiner eigeninitiativ erteilten unverbindlichen Auskunft wohl so behandeln lassen, als wenn er dem Antragsteller 03.02.2025 bereits rechtsverbindlich zugesichert hätte, er werde die Beiträge für die obligatorische Anschlussversicherung gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG leistungserhöhend berücksichtigen. Das Fehlen des diesbezüglichen Zusicherungswillens des Antragsgegners ist im vorliegenden Einzelfall wohl unschädlich. Sich zulasten des Antragstellers und der Versicherungsgemeinschaft der DAK auf den Erfolg der behördlichen Irreführung vom 03.02.2025 zu berufen, verstieße wohl gegen die oben zitierten Betrugsverbote aus § 263 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2 Ziff. 3 und 4, Abs. 5 StGB und den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB analog.

 

Die in § 242 BGB dem Gesetzeswortlaut nach nur für bestehende Schuldverhältnisse erfolgte Verankerung des Gebots von Treu und Glauben wird nicht im Sinne einer abschließenden Regelung seines Anwendungsbereichs, sondern als Ausdruck eines die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatzes verstanden. Über das Schuldrecht hinaus gilt dieser Grundsatz allgemein und damit auch im öffentlichen Recht. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben muss jeder Beteiligte im Rechtsverkehr, den erkennbaren Interessen der anderen Seite Rechnung tragen und mit diesem zusammenarbeiten, soweit ihm das ohne Verletzung eigener Interessen zugemutet werden kann. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben sich deshalb Auskunftsansprüche, wenn ein Beteiligter eines Rechtsverhältnisses nach den Umständen selbst nicht imstande ist, sich von dem Inhalt seiner Rechte ein Bild zu machen, sondern auf die Hilfe des Gegenübers angewiesen ist. Eine Informationspflicht entsteht danach regelmäßig, wenn ein Beteiligter über einen Informationsvorsprung gegenüber der anderen Seite verfügt und außerdem für die besser informierte Seite ersichtlich ist, dass der anderen die fragliche Information nicht zur Verfügung steht, obschon sie für deren Entschließung von erkennbar ausschlaggebender Bedeutung ist. Wenn ein Beteiligter die Aufklärung eines anderen unter bestimmten Aspekten übernimmt, muss die Aufklärung nach Treu und Glauben vollständig erfolgen. Der Betreffende darf nicht bestimmte Aspekte weglassen, sondern ist auch ohne weitere Nachfrage grundsätzlich zur vollständigen Information über den in Rede stehenden Komplex verpflichtet. Bereits im Römischen Recht besagte der Grundsatz von Treu und Glauben deshalb, dass sich jemand an sein bestimmtes Vorverhalten festhalten lassen müsse, wenn sein Vorverhalten geeignet war, die Erwartung zu begründen, der Betreffende werde sich auch in Zukunft in Übereinstimmung hiermit verhalten. Ein solches „venire contra factum proprium“ ist grundsätzlich unbeachtlich, sofern für die andere Seite ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder der Widerspruch aus anderen Gründen als treuwidrig anzusehen ist (Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 242 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 34, 42, 49, 51, 62). An zwar nicht rechtsverbindlich erklärte, aber im Wege unvollständiger Initiativ-Auskünfte gleichwohl insinuierte Zusagen ist eine Behörde nach Treu und Glauben gebunden, wenn sie sich durch ihre betrügerische Vorgehensweise gezielt von Amts wegen bereichern, das Vermögen Dritter schädigen und den Getäuschten in wirtschaftliche Not bringen will.

 

Eine derart widerrechtliche Vorgehensweise erscheint im vorliegenden Fall des behördlichen Antragsgegners glaubhaft gemacht. Er verhielt sich am 04.03.2025 wohl treuwidrig. Denn er hatte am 03.02.2025 beim Antragsteller wohl absichtlich einen Vertrauenstatbestand geschaffen, an den er sich am 04.03.2025 – wie geplant – nicht mehr festhalten ließ.

 

Der Antragsgegner schuf wohl den Vertrauenstatbestand, dass er dem Antragsteller die streitbefangenen Mehrbedarfsleistungen gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG bewilligen werde wegen der am 24.02.2025 festgesetzten Beitragsforderungen der DAK. Eben diesen Vertrauenstatbestand schuf der Antragsgegner wohl durch die Gestaltung seines Änderungsbescheides vom 03.02.2025. Durch seinen irreführenden „Wichtigen Hinweis“ erweckte der Antragsgegner wohl den trügerischen Anschein, er werde künftigen Mehrbedarfen des Antragstellers Rechnung tragen durch den Erlass eines entsprechenden Änderungsbescheides. Zugleich erweckte der Antragsteller wohl auch den trügerischen Anschein, er werde einen solchen berücksichtigungsfähigen Mehrbedarf anerkennen, sobald der Antragsteller die ihm „dringend“ empfohlene Anschlussversicherung bei der DAK beantragte, deren Beitragsforderungen ausgesetzt sein und dies durch die Vorlage des entsprechenden Beitragsbescheides belegen werde.

 

An den wohl dergestalt am 03.02.2025 von Amts wegen geschaffenen Vertrauenstatbestand hätte sich der Antragsgegner am 04.03.2025 wohl nach Treu und Glauben festhalten lassen müssen. Dies gilt wohl, obschon der Antragsteller am 03.02.2025 nicht rechtsverbindlich erklärt hatte, künftig die streitbefangenen Mehrbedarfsleistungen gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG zu bewilligen. Die Behörde war wohl an den von ihr geschaffenen Vertrauenstatbestand gebunden, weil sie eine derartige Zusage am 03.02.2025 wohl absichtlich insinuiert hatte, um sich wie eine gewerbsmäßige Bande in betrügerischer Weise auf Kosten des Antragstellers und der DAK zu bereichern.

 

Es ist glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner am 03.02.2025 in der betrügerischen Absicht eine Fehlvorstellung über das insinuierte künftige Verwaltungshandeln hervorrief, um einerseits sich selbst (um den Wegfall der eigenen behördlichen Leistungspflicht bei Krankheit nach § 4 AsylbLG) zu bereichern und andererseits das Vermögen des Antragstellers (um seinerseits nicht erfüllbare Beitragspflichten gegenüber der DAK) und der Versichertengemeinschaft der DAK (im Hinblick auf deren im Krankheitsfall eintretenden gesetzlichen Leistungspflichten nach dem SGB V gegenüber dem mittellosen Antragsteller, denen keine vollstreckbaren Beitragsforderungen gegenüberstanden) zu schädigen.

 

Dass der Antragsgegner sich dieser betrügerischen Vorgehensweise wohl absichtlich bedient haben dürfte, ist nach richterlichem Ermessen glaubhaft wegen der in Bezug genommenen „Sicht des Ministeriums der Justiz und für Migration Baden-Württemberg“ und der behördlichen Kenntnisnahme des in ihren Verwaltungsakten aktenkundigen Rundschreibens vom 28.08.2024. Fünf Monate nach dessen Erlass hatte sich der Antragsgegner wohl bereits vor dem 03.02.2025 fest entschlossen, die im Rahmen einer obligatorischen Anschlussversicherung anfallenden Versicherungsbeitragspflichten des Antragstellers gegenüber der DAK nicht nach § 6 AsylbLG anspruchserhöhend zu berücksichtigen. Vielmehr hatte der Antragsgegner ausweislich des Wortlauts des Rundschreibens vom 28.08.2024 wohl am 03.02.2025 bereits wissentlich in Kauf genommen, dass aufgrund einer obligatorischen Anschlussversicherung beim Antragsteller Zahlungsrückstände auflaufen würden, weil die nach §§ 3, 3a AsylbLG (und nicht auch nach § 6 Abs. 1 AsylbLG) gewährten Geldleistungen unmöglich ausreichen würden, um die Beitragspflichten gegenüber der DAK zu erfüllen. Die vom Antragsgegner wohl vorhergesehene Überschuldung des Antragstellers nahm er bei der Aussprache seiner „dringenden Empfehlung“ vom 03.02.2025 wohl ebenso billigend in Kauf wie die mit ihr unweigerlich verbundene Belastung der übrigen Versichertengemeinschaft der gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Mitglieder der DAK durch einen nicht zahlungsfähigen, aber nach dem SGB V und nach dem SGB XI leistungsberechtigten Asylbewerberleistungsempfänger. Die hierdurch vom Antragsgegner am 03.02.2025 wohl beabsichtigte täuschungsbedingte eigene Vermögensbereicherung bestand darin, behördlich nicht länger verpflichtet zu sein, dem Antragsteller Leistungen bei Krankheit nach § 4 AsylbLG erbringen zu müssen, weil er im Krankheitsfall Leistungen von der DAK nach dem SGB V beanspruchen können würde, falls er der „dringenden“ Empfehlung im „Wichtigen Hinweis“ vom 03.02.2025 nachkommen sollte.

 

Aufgrund des hierbei mutmaßlich behördlicherseits vollendeten Betrugs in einem besonders schweren Fall im Sinne des § 263 Abs. 1, 3 und 5 StGB kann wohl gemäß § 242 BGB analog dahinstehen, dass der Antragsgegner dem betrogenen Menschen die streitbefangene Gewährung von Mehrbedarfsleistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG am 03.02.2025 nicht rechtsverbindlich im Sinne des § 34 SGB X zugesichert hatte. Ungeachtet dessen kann der Antragsteller vom Antragsgegner wohl zusätzliche Geldleistungen in gesetzlicher Höhe (von derzeit 254,66 €) gemäß § 34 Abs.1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 242 BGB analog i.V.m. § 263 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2 Ziff. 1 bis 4, Abs. 5 StGB beanspruchen.

 

b) Überdies kann der nach §§ 3, 3a AsylbLG unstrittig und unzweifelhaft leistungsberechtigte Antragsteller vom Antragsgegner die streitbefangene Gewährung von Mehrbedarfsleistungen (ungeachtet dessen im vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise zusätzlichen deliktischen Mehrbedarfsgewährleistungspflicht, s. o. unter Ziff. II. 2. a) ohnehin auch kraft Gesetzes gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG beanspruchen aus nachfolgenden Gründen:

 

§ 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zufolge können Asylbewerbern sonstige Leistungen insbesondere auch dann gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Diese sonstigen Leistungen sind nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren. § 6 AsylbLG ist eine Öffnungsklausel, um im Einzelfall das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum sicherzustellen, dem andernfalls nicht ausreichend Rechnung getragen werden könnte, da das Gesetz überwiegend pauschalierte Leistungen vorsieht. Da das soziokulturelle Existenzminimum abzudecken ist, handelt es sich bei den in Abs. 1 Satz 1 genannten Bedarfszwecken nicht um eine abschließende Regelung (LPK-SGB XII/Birk, 13. Aufl. 2024, AsylbLG § 6 Rn. 1 und 9, beck-online).

 

Nach herrschender Meinung sind die Tatbestandsvarianten des § 6 Abs. 1 AsylbLG einzelfallbezogen und restriktiv auszulegen. Richtig daran ist, dass die Norm nicht dazu geeignet ist, strukturelle Leistungsdefizite bei den Leistungen nach § 3 AsylbLG auszugleichen. Allerdings lässt sich angesichts der an der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe orientierten AsylbLG-Leistungen nicht mehr vertreten, dass das AsylbLG konzeptionell ein gegenüber dem SGB II bzw. SGB XII abgesenktes Leistungssystem verfolge, was durch § 6 AsylbLG nicht konterkariert werden dürfe. Freilich kommt eine Bedarfsdeckung nicht pauschal, sondern nur „im Einzelfall“ bei Vorliegen einer Tatbestandsvariante des § 6 Abs. 1 AsylbLG in Betracht (GK-SRB/Treichel, 3. Aufl. 2023, AsylbLG § 6 Rn. 5, beck-online).

 

Die Vorschrift knüpft zum einen an die in § 3 AsylbLG näher beschriebenen Leistungsbereiche an, so dass zunächst festzustellen ist, ob die begehrte Leistung nicht zum regelmäßigen asylbewerberleistungsrechtlichen Bedarf gehört. Sodann ist zu entscheiden, ob sie unerlässlich ist. Bei der Unerlässlichkeit ist auf den Einzelfall (konkreter Sonderbedarf) abzustellen. Das unerlässliche Existenzminimum darf ohne die beantragte Leistung nicht unterschritten werden (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG § 6 Rn. 7 und 8, beck-online).

 

Mit dem Begriff „unerlässlich“ beschränkt das Gesetz Leistungen auf solche, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes unverzichtbar sind. Das ist der Fall, wenn unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles und unter Einbeziehung grundrechtlicher Belange das Existenzminimum unterschritten würde oder die konkrete Gefahr seiner Unterschreitung bestünde (BeckOK MigR/Decker, 20. Ed. 1.1.2025, AsylbLG § 6 Rn. 9, beck-online).

 

Dass der besondere finanzielle Mehrbedarf für den Sozialversicherungsschutz im Sonderfall des Entstehens von Beitragspflichten für eine obligatorische Anschlussversicherung ergänzend über § 6 AsylbLG zu decken ist, hat der Bundesgesetzesgeber auch in seiner Gesetzesbegründung zu § 6 AsylbLG (Bundestagsdrucksache 18/2592) wörtlich ausgeführt (Hervorhebung durch das Gericht):

 

„Im Gegensatz zu dem von den Ländern in der Übergangsregelung anerkannten Bedarf muss ein Teil der nach dem SGB XII regelbedarfsrelevanten Ausgaben der Abteilung 6 (Gesundheitspflege) unberücksichtigt bleiben, weil dieser Bedarf anderweitig gedeckt wird. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG haben aufgrund ihres Status keinen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Stattdessen regeln die §§ 4 und 6, in welchem Umfang Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und den zur Behandlung erforderlichen Medikamenten, therapeutischen Mitteln und sonstigen erforderlichen Erzeugnissen und Gegenständen haben. Daher können die in Abteilung 6 enthaltenen Ausgaben, die lediglich von in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen zu zahlen sind (Rezeptgebühren, Eigenanteile) bei Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG nicht anfallen. Diese regelbedarfsrelevanten Verbrauchspositionen der Abteilung 6 (für Regelbedarfsstufe 1 laufende Nummern 37, 39, 41, 42 Bundestagsdrucksache 17/3404) stellen damit keine notwendigen Bedarfe im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes dar. Für die Leistungsberechtigten nach § 3, die gleichwohl gesetzlich krankenversichert sind, erfolgt eine ergänzende Bedarfsdeckung über den § 6.“.

 

Die begehrte Geldleistung für die Erfüllung der Sozialversicherungsbeitragspflicht ist nach dem historischen Willen des Gesetzgebers also als atypisch anzusehen. Sie gehört gerade nicht zum regelmäßigen asylbewerberleistungsrechtlichen Bedarf und fällt nur ausnahmsweise an, falls eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bereits während des laufenden Asylverfahrens sowohl begonnen als auch beendet wird.

 

Gemessen hieran gilt wohl: Menschen auf der Flucht können nach § 6 Abs. 1 AsylbLG sonstige Leistungen von den Trägern der Asylbewerberleistungsverwaltung beanspruchen, solange sie auf die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über ihren Asylantrag warten müssen und im Einzelfall ob des Endes ihrer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung in der obligatorischen Anschlussversicherung den Mindestbeitragspflichten zur gesetzlichen Krankenversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V bzw. der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 3 SGB XI unterliegen.

 

Die begehrte Geldleistung für die Erfüllung der Sozialversicherungsbeitragspflicht ist wohl auch im vorliegenden Einzelfall des Antragstellers unerlässlich. Ohne die Berücksichtigung der Beitragspflichten wäre sein Existenzminimum nicht gedeckt. Trotz ihrer (geringstmöglichen) Bemessung nach der Beitragsmindestbemessungsgrundlage machen die Beitragspflichten des Antragstellers weit mehr als zwei Drittel der Gesamtanspruchshöhe seiner gegenwärtigen Leitungsansprüche nach §§ 3, 3a AsylbLG aus.

 

Im vorliegenden Einzelfall muss der Antragsteller in den fünf Versicherungsmonaten Januar 2025 bis Mai 2025 Gesamtbeitragspflichten gegenüber der DAK in Höhe von (fünf mal 254,66 € =) insgesamt 1.273,30 € erfüllen. Für denselben Bewilligungszeitraum hat ihm der Antragsgegner Geldleistungen nach §§ 3,3a AsylbLG gewährt in Höhe von (347,00 € + 347,00 € + 347,00 € + 364,44 € + 397,00 € =) insgesamt 1.802,66 €. Im Falle der rechtstreuen Erfüllung seiner Beitragspflichten aus der obligatorischen Anschlussversicherung mithilfe der ihm gewährten Asylbewerberleistungen verblieben dem Antragsteller damit für fünf Kalendermonate rechnerisch nur 529,36 €. Diese 529,36 € wären weniger als ein Drittel aller ihm zur Deckung seiner existentiellen Bedürfnisse ausgezahlten Mittel. Auf den Tag umgerechnet verblieben ihm für die 151 (zwischen dem 01.01.2025 und dem 31.05.2025 liegenden) Kalendertage rechnerisch (529,36 € % 151 Tage =) kalendertäglich nur 3,50 €. Der Betrag von 3,50 € deckt im Jahr 2025 offenkundig nicht das tägliche Existenzminimum eines volljährigen alleinstehenden Menschen in der Bundesrepublik Deutschland.

 

Gemessen hieran muss der Antragsgegner dem Antragsteller wegen der am 24.02.2025 ihm gegenüber festgesetzten Beitragsforderungen der DAK ab dem 01.01.2025 bis zum 31.05.2025 wohl höhere Geldleistungen als bisher bewilligt gewähren.

 

Zur Deckung eben dieses Mehrbedarfs durch die im Umfang von derzeit 254,66 € monatlich erhobenen Beitragsforderungen scheidet naturgemäß eine Sachleistungserbringung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG aus.

 

Den streitbefangenen Anordnungsanspruch über monatlich um 254,66 € höhere Geldleistungsansprüche hat der Antragsteller also vollumfänglich glaubhaft gemacht.

 

Nicht anders verhält es sich mit dem Anordnungsgrund. Insbesondere steht dessen Glaubhaftmachung nicht entgegen, dass es dem Antragsteller zuzumuten wäre, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies wäre unzumutbar, obschon dem Antragsteller wegen der ausstehenden Krankenkassenbeiträge keine Pfändung droht.

 

Dem Antragsgegner ist indes zwar zuzugeben, dass das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass allein der Umstand, dass Grundsicherungsleistungen betroffen sind, nicht genüge, um einen unabwendbaren Nachteil im verfassungsprozessrechtlichen Sinne annehmen zu können, zumal es sogar zumutbar sei, ein sozialgerichtliches Hauptsacheverfahren aus dem Heimatland weiter zu betreiben (BVerfG, 17.11.2023, 1 BvR 2077/23, juris, Rn. 5).

 

Da nicht jede Unterdeckung eines Bedarfs zu einer Existenzbedrohung führt, ist innerhalb der existenzsichernden Leistungen eine Binnendifferenzierung zwischen den Leistungen für das physische Existenzminimum und den Leistungen zur Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben vorzunehmen und ein Anordnungsgrund regelmäßig erst gegeben, wenn um einen Betrag von mehr als 25 Prozent des jeweils maßgebenden Regelsatzes gestritten wird (SG Berlin, 18.12.2017, S 145 SO 1717/17 ER, juris Rn. 12).

 

Diese Zumutbarkeitsgrenze ist in Anbetracht des Beitragsstreitwerts von monatlich 254,66 € in Relation zu den für den Antragsteller 2025 gültigen monatlichen Regelbedarfssätze fraglos überschritten und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

 

Insofern kann der Antragsgegner nicht gehört werden mit seinem Einwand, der Lebensunterhalt des Antragstellers sei gesichert, da er seine durch bestandskräftige Verwaltungsakte festgesetzten sozialrechtlichen Beitragspflichten gegenüber der DAK nicht begleichen müsse, da es ihm freistehe, ihr gegenüber Beitragsschulden anzuhäufen. Auf die Alternative, sich dergestalt widerrechtlich zu verhalten, ist der Antragsteller nicht zu verweisen wegen des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung. Nach diesem Grundsatz kann kein Träger aus der Sozialleistungsverwaltung einen Leistungsempfänger darauf verweisen, dass er sich an geltendes Sozialrecht nicht zu halten brauche, obschon es dem Schutz der Rechtspositionen eines anderen Trägers der Sozialleistungsverwaltung dient und die vollziehende Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sind. Diese Bindung an Recht und Gesetz steht ebenso wenig zur freien Disposition der in Deutschland vor ihrer Verfolgung im Heimatland Zuflucht suchenden Menschen wie den für ihre Aufnahme zuständigen Behörden einschließlich des ihnen übergeordneten Ministeriums für Justiz und Migration Baden-Württemberg: Wegen der Bindung an Recht und Gesetz steht es dem Antragsteller deshalb seit dem 01.01.2025 selbst dann nicht frei, seine rechtswirksamen sozialrechtlichen Zahlungspflichten gegenüber der DAK bzw. deren Versichertengemeinschaft zu verletzen, obschon ihm dies von Seiten der unteren Aufnahmebehörde nach dem AsylbLG am 20.03.2025 anscheinshalber schriftlich erlaubt worden ist. Der unteren Aufnahmebehörde für Asylbewerber steht es wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz selbst dann nicht frei, ihre sozialgerichtsgesetzverfahrensrechtliche Pflicht zum Vollzug dieser einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.03.2025, das strafgesetzliche Verbot eines schweren gewerbsmäßigen Bandenbetrugs im Amt zu Lasten des Antragstellers (und zulasten der Versichertengemeinschaft der DAK) oder die amtliche Leistungspflicht einer unteren Aufnahmebehörde nach § 6 Abs. 1 AsylbLG zu verletzen, wenn ihr Letzteres aufgrund des Rundschreibens ihrer Dienstaufsichtsbehörde – dem Ministerium der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg – vom 28.08.2024 anscheinshalber zulässig erscheinen mag, weil auch alle Berufsrichter an den Sozial-, Dienst- und Strafgerichten des Landes Baden-Württemberg zu Loyalität und Gehorsam gegenüber demselben Ministerium der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg verpflichtet sind, welches ihnen gegenüber die oberste (Richter-) Dienstaufsicht ebenso auszuüben hat wie gegenüber der Migrationsverwaltung des Bundeslandes. Demselben (Landes-) Ministerium der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg stand es wegen seiner Bindung an Recht und Gesetz nicht frei, die Gesetzesbegründung des Deutschen Bundestages für § 6 Abs. 1 AsylbLG und die verfassungskräftige Pflicht der Asylbewerberleistungsverwaltung zur Gewährleistung des Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zu unterminieren, indem es am 28.08.2024 seinen nachgeordneten unteren Aufnahmebehörden eine gesetzes- und verfassungswidrige Rechtsanwendung vorschrieb und ihnen für den Fall der Zuwiderhandlung die ggfs. rechtswidrige Vorenthaltung der bundeslandinternen Ausgabenerstattung nach § 15 FlüAG androht. Auch das Recht, die (im Zusammenhang mit obligatorischen Anschlussversicherungen in Fällen ihrer leistungsanspruchserhöhenden Berücksichtigung anfallenden) Ausgaben der unteren Aufnahmebehörden nach § 15 FlüAG i.V.m. § 6 Abs. 1 AsylbLG ab dem 01.01.2025 nicht zu erstatten, stünde dem Ministerium der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg wegen seiner Bindung an Recht und Gesetz selbst dann nicht frei, wenn die entsprechende Erstattungsentscheidung im Subordinationsverhältnis zwischen oberster und unterster Landesbehörde im Migrationsrecht erginge. Wegen seiner Bindung an Recht und Gesetz stünde es dem Ministerium der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg schließlich selbst dann nicht frei, besondere Rücksicht auf eigene Dienstuntergebene zu nehmen, wenn diese besondere Rücksichtnahme wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Strafrecht, Dienstrecht und Asylbewerberleistungsrecht im Rahmen seiner ministerieller Weisungen entlang der exekutiven Weisungskette (d. h. innerhalb der nachgeordneten Justizverwaltung bzw. Migrationsverwaltung) bzw. gegenüber – in europarechtswidriger Weise ebenfalls vom Justizministerium weisungsabhängigen (vgl. EUGH, 27.05.2019, C-508/18) – Staatsanwälten erfolgte.

 

Da nach alldem neben dem Anordnungsanspruch auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden ist, hat das Gericht eine antragsgemäße Verpflichtung des Antragsgegners vorzunehmen.

 

Seine Anordnung schränkt das Gericht unter Ausübung seines Ermessens aus § 86b Abs. 2 SGG indes in vierfacher Hinsicht ein:

 

Erstens erfolgt seine Anordnung unter dem Vorbehalt einer Rückforderung der vorläufig gewährten Geldleistungen. Hierüber ist nach der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Antragsgegners über den Widerspruch des Antragstellers vom 18.03.2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04.03.2025 zu entscheiden.

 

Zweitens befristet das Gericht die vorläufige Leistungsverpflichtung antragsgemäß ab dem Tag des Eilantrags bei Gericht am 19.03.2025.

 

Drittens beschränkt das Gericht die vorläufige Leistungspflicht bis zu einer etwaigen Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet, weil durch eine Ausreise die Anspruchsberechtigung entfiele.

 

Viertens befristet das Gericht die vorläufige Leistungsverpflichtung auch bis einschließlich 31.05.2025. Denn nach richterlichem Ermessen ist eine einstweilige Reglungsanordnung im Fall des Bezugs von Asylbewerberleistungen grundsätzlich zeitlich zu beschränken, falls – wie hier – die Sach- und Rechtslage aufgrund der Eilbedürftigkeit nicht abschließend geprüft werden kann, dem Eilantragsteller daher ein Zuwarten auf die ihm zustehenden existenzsichernden Leistungen nicht zuzumuten ist und andererseits jederzeit solche tatsächlichen Änderungen eintreten könnten, die den Wegfall der Leistungspflicht des Antragsgegners zur Folge hätten. Weil sodann der laufende Bewilligungszeitraum abläuft, erscheint hier der 31.05.2025 dem Gericht als ein sachgerechtes Befristungsende.

 

2. Dem Antragsteller ist für das vorliegende Eilverfahren auch Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

 

Gemäß §§ 73a SGG, 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder auf Raten aufbringen kann auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Der Beteiligte hat dabei gemäß § 115 ZPO sein Einkommen und Vermögen gemäß den gesetzlichen Vorgaben einzusetzen.

 

Nachdem der Antragsteller Asylbewerberleistungen erhält, ist er aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, den Rechtstreit aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Sein Eilantrag verspricht aus den unter Ziff. 1. dargelegten Gründen auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig.

 

3. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Obsiegen des Antragstellers.

 

4. Dieser Beschluss kann wegen der Ziffern 1. und 3. seines Tenors nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Baden-Württemberg angefochten werden, da die Beschwer des unterlegenen Antragsgegners mit 616,11 € die Beschwerdesumme nicht erreicht.

 

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gilt der Beschwerdeausschluss gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1, Satz 2 SGG. Danach bedürfte im Hauptsacheverfahren eine Berufung gegen eine Entscheidung des Inhalts dieser vorläufigen Anordnung einer Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder eines Zulassungsbeschlusses des Landessozialgerichts, da die gesetzlich bestimmte Beschwerdesumme von 750,- € unterschritten wird.

 

Der im Eilverfahren unterlegene Antragsgegner hat aufgrund der gerichtlichen Eilanordnung nur höhere Leistungen von monatlich 254,66 € für den Restbewilligungszeitraum 19.03.2025 bis 31.05.2025 zu gewähren. Rechnerisch entspricht dies (für zwei Monate und 13/31 Monatstagen) einer Beschwerdesumme von nur 616,11 €, also weniger als 750,- €.

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved