Teurere Wochen- bzw. Monatskarten sind regelmäßig für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen nicht objektiv erforderlich. Auch eine anteilige Erstattung der Kosten bzw. eine Erstattung der fiktiven Kosten eines Einzelfahrscheins ist insofern nicht möglich. Eine vollständige oder teilweise Erstattung der Kosten für ein Deutschlandticket, das regelmäßig zur Verfügung steht (Abonnement, Erwerb bereits für eine andere Fahrt), kommt nicht in Betracht. Etwas anderes gilt aber, wenn das Deutschlandticket für die Fahrt zum Gerichtstermin erworben worden ist, weil es geringere Kosten verursacht als ein Einzelfahrschein.
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Teilnahme am Gerichtstermin am 04.07.2024 wird auf 54,60 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin (Ast) begehrt eine höhere Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin am 04.07.2024.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter den Aktenzeichen L 3 SB 67/23 geführten Verfahren wurde die Ast mit Schreiben vom 03.06.2024 unter Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 04.07.2024 geladen. Sie war ausweislich der Sitzungsniederschrift im Termin persönlich von 09:10 Uhr bis 9:50 Uhr anwesend. Mit Entschädigungsantrag vom 16.09.2024 beantragte die Ast die Erstattung von Fahrtkosten für Fahrten mit dem PKW von der Wohnung zum Bahnhof A und zurück (16 km) sowie der Kosten des Deutschlandtickets (49,- Euro) für die Fahrt mit der Bahn von A nach M und zurück, weiter Zehrkosten (Brotzeit und Getränk) i.H.v. 20,- Euro. Sie gab als Reisebeginn am 04.07.2024 06:20 Uhr und als Reiseende 13:45 Uhr an. Beigelegt war eine Rechnung für das Deutschlandticket für den Monat Juli 2024, ausgestellt am 03.07.2024, 17:20 Uhr.
Mit Schreiben vom 02.10.2024 setzte die Kostenbeamtin eine Entschädigung in Höhe von 5,60 Euro (Fahrtkosten mit dem PKW: 16 km x 0,35 Euro) fest. Die Kosten für das Deutschlandticket seien nicht erstattungsfähig, da es sich um eine Zeitkarte handle (Beschluss des Kostensenats des BayLSG vom 23.02.2016, Az.: L 15 RF 35/15). Ein Ersatz für Auslagen für Speisen und Getränke komme nicht in Betracht, da eine Abwesenheit vom Wohnort von mindestens acht Stunden nicht vorliege.
Mit Schreiben vom 27.10.2024 teilte die Ast dem Gericht mit, sie sei über die Entscheidung sehr enttäuscht. Sie habe die kürzeste bzw. günstigste Verbindung gewählt. Dies sei eine Autofahrt zum nächsten Bahnhof (A) mit anschließender Zugfahrt nach M. Sie habe mit dem Deutschlandticket für 49,- Euro das günstigste Ticket für die Fahrt von A nach M gewählt. Das Bayernticket als günstigste Tageskarte wäre erst ab 9:00 Uhr buchbar gewesen. Andere Angebote der Deutschen Bahn, wie ein reguläres Ticket für Hin- und Rückweg, wären teurer gewesen, wie auch die Fahrt mit dem PKW über insgesamt 160 km plus Parkhauskosten.
Die Versagung der Erstattung der Kosten für das Deutschlandticket sei nicht gerechtfertigt. Es sei in der schriftlichen Ladung zugesichert worden, dass die günstigsten Kosten "jeglicher Art" erstattet würden, und darauf hingewiesen worden, dass Fahrpreisermäßigungen jeder Art zu nutzen seien. Zeitkarten wie das Deutschlandticket seien nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es könne nicht erwartet werden, dass Privatpersonen über umfassende Kenntnis des Sozialgesetzbuchs und potenziell relevanter Gerichtsbeschlüsse verfügten. Im Übrigen stellten Zeitkarten ein verbreitetes Ticketformat und eine sinnvolle Option für eine Privatperson dar. Die Ast habe das günstige Deutschlandticket nur zum Zweck der Gerichtsfahrt angeschafft (und auch nicht anderweitig genutzt). Wäre in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass Zeitkarten ausgeschlossen sind, hätte sie ein anderes Ticket gekauft. Den beigelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass das Deutschlandticket einen Tag vor dem Gerichtstermin erworben worden sei.
Ähnliches gelte in Bezug auf die Erstattung der Verpflegungskosten. Sie habe um 6:20 Uhr ihre Wohnung verlassen (Abfahrt Zug 6:43 Uhr) und den Bahnhof wieder um 13:42 Uhr erreicht, ihre Wohnung jedoch erst später. Hätte sie nicht einen Imbiss am Bahnhof mitgenommen und zu Hause gegessen, sondern in Bahnhofsnähe verzehrt, dann hätte sie die "notwendige Abwesenheit" von acht Stunden erreicht. Auch hier habe sie sich aus gutem Willen unbequem verbogen, um Zeit und Kosten zu minimieren, und bleibe nun auf Mehrkosten sitzen. Das wäre nicht passiert, wenn die Rahmenbedingungen in der Ladung bzw. im Antragsformular deutlich gemacht worden wären. Sie bitte nochmals um Prüfung.
Der Kostenbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und ihn dem Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens beigezogen.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Das Verfahren ist zur Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen worden, § 4 Abs. 7 S. 2 JVEG.
Die Entschädigung der Ast für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 04.07.2024 wird auf 54,60 Euro festgesetzt.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich - wie hier - um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl. BayLSG, Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12).
Der Ast steht ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 54,60 Euro nach § 5 JVEG zu. Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels.
Wählt der Zeuge bzw. Beteiligte (für einen Teil der Strecke) die Anreise mit dem KFZ werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG für jeden gefahrenen Kilometer 0,35 Euro ersetzt. Reist ein Zeuge bzw. Beteiligter (einen Teil der Strecke) mit einem öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittel an, werden ihm gemäß § 5 Abs. 1 JVEG die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt. Eine Erstattung nach § 5 Abs. 1 JVEG kann nur bei tatsächlich, d.h. nachweislich infolge des gerichtlichen Termins entstandenen Kosten erfolgen.
Die Ast hat Fahrtkostenersatz zum einen für eine Fahrt mit dem PKW von der Wohnung bis zum Bahnhof A und zurück (16 km) geltend gemacht. Zu Recht hat die Kostenbeamtin insofern einen Erstattungsbetrag von 5,60 Euro (16 x 0,35 Euro) festgestellt. Die Ast hat weiter Kosten für die Nutzung öffentlicher Beförderungsmittel in Höhe von 49,- Euro geltend gemacht. Sie hat die ihr tatsächlich entstandenen Kosten durch Vorlage der Rechnung vom 03.07.2024 nachgewiesen. Der Erwerb des Deutschlandtickets war vorliegend für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 04.07.2024 objektiv erforderlich.
Zwar folgt der nunmehr zuständige Kostensenat der Rechtsprechung des 15. Senats des Bayerischen Landessozialgerichts in der von der Kostenbeamtin zitierten Entscheidung vom 23.02.2016, Az.: L 15 RF 35/15, nach der die vollständigen Kosten für von Anspruchsberechtigten erworbene teurere Wochen- bzw. Monatskarten regelmäßig nicht objektiv erforderlich sind. Diese Rechtsprechung bezieht sich erkennbar auf Zeitkarten wie Wochen- oder Monatskarten, die für beliebig viele Fahrten auf der ausgewählten Strecke nutzbar sind und im Vergleich zum mehrfachen Kauf entsprechender Einzelfahrkarten eine Ersparnis bieten. Dem Erwerb dieser - teils auch übertragbaren - Zeitkarten liegen regelmäßig überwiegend andere Gründe als die Reise zu einem Gerichtstermin, nämlich weitere Fahrten, zugrunde; denn anderenfalls wäre der Erwerb solcher Zeitkarten für die Anspruchsberechtigten völlig unwirtschaftlich. Insofern ist auch zur Überzeugung des Senats auch eine anteilige Erstattung der auf die konkrete Fahrt zum Gerichtstermin entfallenden Kosten nicht möglich, da eine zweifelsfreie Zuordnung anteiliger Kosten für die Anreise zu Gerichtsterminen nicht möglich ist (vgl. Jahnke/Pflüger, JVEG, 29. Auflage 2015, § 5 Rn.7; Touissant, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 5 JVEG, Rn. 16). Auch eine anteilige Erstattung der Kosten von Zeitkarten im Umfang fiktiver Kosten für eine Fahrkarte, die nur für die Fahrt zum Gerichtstermin und zurück gelten würde, sieht das JVEG nicht vor.
Etwas anderes gilt für Erstattung der Kosten des Deutschlandtickets. Zwar handelt es sich auch bei dem seit Mai 2023 erhältlichen Deutschlandticket um eine Monats- bzw. Zeitkarte für den öffentlichen Personennahverkehr. Das Ticket ist deutschlandweit gültig, ist aber personengebunden und nicht übertragbar. Im Gegensatz zu teureren Wochen- und Monatstickets, deren Erwerb nur bei mehrfacher Nutzung wirtschaftlich ist, kann das Deutschlandticket, an dessen Finanzierung sich Bund und Länder beteiligen und das nur 49,- Euro pro Monat kostet, auch bei Nutzung für eine Einzelfahrt wirtschaftlich sein.
Für die Nutzung des Deutschlandtickets ist daher zu differenzieren. In Fällen, in denen ein Deutschlandticket dem Anspruchsberechtigten regelmäßig zur Verfügung steht, beispielsweise, weil er aufgrund regelmäßiger Nutzung öffentlicher Beförderungsmittel über ein Abonnement verfügt, oder weil er das Ticket für eine andere Fahrt bereits zu einem früheren Zeitpunkt erworben hat, kommt bei Nutzung dieses Tickets für die Fahrt zu einem Gerichtstermin eine vollständige oder teilweise Erstattung der Kosten nach dem oben Ausgeführten nicht in Betracht. Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn - wie vorliegend - das Ticket für die Fahrt zum Gerichtstermin erworben worden ist, weil dieses preiswerte Ticket geringere Kosten verursacht, wie ein ausschließlich für die Fahrt zum Gerichtstermin und zurück geltender Einzelfahrschein. Wenn ein Anspruchsberechtigter für die Wahrnehmung des Gerichtstermins unter Berücksichtigung der Kostenminimierungspflicht zur Vermeidung höherer Kosten als günstige Alternative den Kauf eines Deutschlandtickets wählt, wäre es unbillig, eine Erstattung der Kosten des preiswerteren Deutschlandtickets mit der Begründung abzulehnen, es handle sich um eine Zeitkarte, während eine Kostenerstattung bei Nutzung eines teureren Einzelfahrscheins gewährt werden würde (vgl. Jahnke/Pflüger, a.a.O., § 5 Rn.7).
Die Ast hat hierzu zum einen nachvollziehbar vorgetragen, dass ein Einzelfahrschein für die Strecke von A nach M und zurück die Kosten von 49,- Euro überstiegen hätte und die Nutzung eines preiswerteren Bayerntickets (erst ab 09:00 Uhr nutzbar) aufgrund der Terminierung nicht möglich gewesen wäre. Der beigelegten Rechnung ist zu entnehmen, dass das Ticket am Tag vor dem Gerichtstermin um 17:20 Uhr erworben worden ist, auch dies stützt den Vortrag, dass das Ticket für die Fahrt zum Termin gekauft worden ist. In einem solchen Fall ist der Erwerb des Deutschlandtickets objektiv erforderlich. Die Tatsache, dass das für die Fahrt zum Gerichtstermin erworbene Ticket ggf. nach dem Termin noch bis zum Monatsende genutzt werden kann - was die Ast nach ihrem Vortrag nicht getan hat -, steht diesem Ergebnis nicht entgegen.
Eine Entschädigung für Aufwand gemäß § 6 Abs. 1 JVEG (Tagegeld) ist dahingegen nicht zu gewähren. Ein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 6 Abs. 1 JVEG in Form eines Tagegeldes i.H.v. 14,- Euro für den Kalendertag kommt nur bei einer Abwesenheit aus Anlass der Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins außerhalb der Gemeinde, in der der Berechtigte wohnt, von mehr als acht Stunden ohne Übernachtung in Betracht. Es handelt sich um eine typisierend festgelegte Aufwandsentschädigung für den Mehraufwand aus Anlass der auswärtigen Terminwahrnehmung (vgl. Jahnke/Pflüger, a.a.O., § 6 Rn.1). Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch sind auch nach dem Vortrag im Antragsverfahren nicht gegeben. Die Ast hat weder eine Abwesenheit von mehr als acht Stunden im Entschädigungsantrag angegeben noch ist auch bei großzügiger Betrachtung unter Berücksichtigung der Dauer des Gerichtstermins (09:10 Uhr bis 09:50 Uhr) sowie der Reisezeiten (Fahrt mit dem Auto zum Bahnhof A und zurück, nach eigenen Ausführungen einfach rund 20 bis 25 Minuten; Fahrt mit dem Zug von A nach M zum Bayerischen Landessozialgericht und zurück, nach DB Reiseauskunft insgesamt rund drei Stunden) auch unter Berücksichtigung von Wartezeiten, eines Sicherheitszuschlags und des Zeitaufwands für einen Imbiss ein objektiv erforderlicher Zeitaufwand von mehr als acht Stunden plausibel. Ein Anspruch i.H.v. 20,- Euro, wie von der Ast geltend gemacht, kommt daher nicht in Betracht.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).