L 3 AS 2437/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AS 540/24
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2437/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.07.2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vom Beklagten bereits aufgehobenen Bescheides und die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung, einen solchen Bescheid erneut zu erlassen, streitig.

Der 1972 geborene Kläger steht beim Beklagten im Leistungsbezug.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27.03.2023 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 20.04.2023 und 16.12.2023 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende für die Zeit vom 01.05.2023 bis zum 30.04.2024 und berücksichtigte dabei monatliche Vorauszahlungen für Heiz-/Nebenkosten in Höhe von 87,00 €. Der Kläger stellte mit Schreiben vom 01.01.2024 einen Antrag auf Übernahme des von seinem Vermieter von ihm geforderten Nachzahlungsbetrages in Bezug auf Heiz-/Betriebskosten für das Jahr 2022. Er legte die Betriebskosten-/Wasserabrechnung für das Jahr 2022, aus der sich ein ihm in Rechnung gestellter Nachzahlungsbetrag in Höhe von 350,03 € ergibt, vor. Auf die am 22.01.2024 erfolgte Frage nach dem Bearbeitungsstand wurde dieser laut Aktenvermerk „explizit auf die Bearbeitungszeit“ hingewiesen. Trotz dessen, dass „die Bearbeitungszeit“ noch nicht abgelaufen sei, habe der Kläger auf eine Zwischenmitteilung bestanden. Daraufhin bewilligte der Beklagte dem Kläger unter insoweitiger Aufhebung der Bescheide vom 27.03.2023 und 16.12.2023 mit Änderungsbescheid vom 24.01.2024 für die Zeit vom 01.02.2024 bis zum 29.02.2024 Leistungen in Höhe von 108,03 € mehr als bisher bewilligt. Er führte zur Begründung aus, laut der vorgelegten Nebenkostenabrechnung seien dem Kläger Nebenkosten in Höhe von insgesamt 1.130,03 € entstanden; abzüglich der bisher berücksichtigten Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 1 Monat x 65,00 € + 11 Monate x 87,00 € = 1.022,00 € werde eine Nachzahlung in Höhe von 108,03 € anerkannt. Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt und beim Sozialgericht (SG) Ulm um Eilrechtsschutz nachgesucht hatte, bewilligte der Beklagte unter insoweitiger Aufhebung der Bescheide vom 27.03.2023, 16.12.2023 und 24.01.2024 mit Änderungsbescheid vom 29.01.2024 für die Zeit vom 01.02.2024 bis zum 29.02.2024 Leistungen in Höhe von 242,00 € mehr als bisher bewilligt, mithin insgesamt in Höhe von weiteren 350,03 €. Er führte zur Begründung aus, die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2022 werde anerkannt. Ferner führte der Beklagte mit Bescheid vom 30.01.2024 aus, dem Widerspruch sei in vollem Umfang entsprochen worden, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden auf Antrag erstattet werden, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden. Der Kläger erfragte in seinem Schreiben vom 19.02.2024 eine Begründung für die zunächst erfolgte fehlerhafte Berechnung.

Der Kläger hat am 04.03.2024 Klage zum SG Ulm erhoben. Er stellte in seiner Berufungsschrift folgenden Antrag: „Der Beklagte veranlasst 1. seinen Sachbearbeiter, Frau K1, zur schriftlichen Auskunft über seine zur fristmissachtend abschlägigen Entscheidung im Bescheid v. 24.01.2024 hingeführten Beweggründe 2. hilftweise: der Beklakte liefert die Auskunft im eigenverantwortlichen Namen.“

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Da dem Begehren des Klägers im Widerspruchsverfahren vollumfänglich entsprochen worden sei, sei weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch ein besonderes Feststellungsinteresse erkennbar.

Mit Schreiben vom 02.04.2024 hat der Kläger dem Gericht eine Antragsänderung mitgeteilt: „2. Festgestellt wird: Der mit Änderungsbescheid v. 24.01.2024 ausgesprochene Verwaltungsakt war rechtswidrig, 3. Der Beklagte unterlässt eine Bearbeitungsfristsetzung unabhängig v. einer natürlichen Antr.gegenstandsfrist“. Es liege eine Wiederholungsgefahr vor. Für etwaige Folgeverfahren sei die Feststellung daher unentbehrlich. In diesem Zusammenhang werde nochmals um Nennung der damaligen Entscheidungsgründe gebeten.

Die Beklagte hat sodann ausgeführt, es bestehe weiterhin weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch ein besonderes Feststellungsinteresse. Im Übrigen seien die Anträge unverständlich.

Mit Schreiben vom 11.04.2024 hat der Kläger erklärt, er ziehe „den Antrag vom 4.03.2024 auf Auskunft nebst Hilfsantrag zurück.“

In Beantwortung des Schreibens des Klägers vom 19.02.2024 hat der Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2024 mitgeteilt, bei der ursprünglichen Berechnung der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2022 sei nicht die korrekte Höhe der Abschläge der Vorauszahlungen zugrunde gelegt worden, was zwischenzeitlich korrigiert worden sei, die Nachzahlung habe der Kläger bereits erhalten.

Der Kläger hat in dem Telefonat vom 29.04.2024 und mit Schreiben vom 05.05.2024 ausgeführt, dass noch über die Anträge 2 und 3 zu entscheiden sei.

In der mündlichen Verhandlung am 16.07.2024 hat der Kläger beantragt, „es wird festgestellt, dass der mit Änderungsbescheid vom 24.01.2024 ausgesprochene Verwaltungsakt rechtswidrig war. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine Bearbeitungsfristsetzung unabhängig von einer natürlichen Antragsgegenstandsfrist zu setzen.“
Er hat zum einen ausgeführt, er sehe eine Widerholungsgefahr darin, dass er der Sachbearbeiterin unsachliche Motive vorwerfe. Er hat zum anderen ausgeführt, ihm sei gesagt worden, dass die Bearbeitung sämtlicher Anträge einheitlich und fix fünf Wochen dauere. In diesen fünf Wochen werde ein abschließender Bescheid erlassen. Dies könne nicht sein. Hierzu hat die Sitzungsvertreterin des Beklagten ausgeführt, eine feste beziehungsweise fixe Bearbeitungsfrist gebe es beim Beklagten nicht. Dies verbiete sich auch im Hinblick auf die Gewährung existenzsichernder Leistungen. Der Beklagte sei bemüht, so schnell wie möglich über die Begehren von Antragstellern zu entscheiden. Durch die begrenzte Sach- und Personalausstattung sei jedoch unter Umständen eine Priorisierung notwendig.

Das SG Ulm hat mit Urteil vom 16.07.2024 die Klage abgewiesen.

Die noch anhängige Klage sei bereits unzulässig.

Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 24.01.2024 begehre, fehle es an einem Feststellungsinteresse. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes sei wie das berechtigte Interesse bei der allgemeinen Feststellungsklage zu behandeln (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28.08.2007 – B 7/7a AL 16/06 R, juris). Es sei damit Zulässigkeitsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage. Ein für diese Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse könne rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Es komme damit bei einem Rehabilitationsinteresse, bei Wiederholungsgefahr beziehungsweise bei Präjudiziabilität, das heiße wenn die Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit von Bedeutung sein könne, insbesondere wenn ein Schadensinteresse geltend gemacht werde (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2022 – L 12 AS 3174/21, juris) in Betracht. Eine Wiederholungsgefahr sei anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr bestehe, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehe (BSG, Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 195/11 R, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 131 Rn. 10b). Ein besonderes Rehabilitationsinteresse sei gegeben, wenn von dem erledigten Verwaltungsakt beziehungsweise der behördlichen Untätigkeit eine anhaltende diskriminierende Wirkung ausgehe. Auch tiefgreifende oder sich typischerweise schnell erledigende Grundrechtseingriffe könnten hiernach ein Feststellungsinteresse begründen, ebenso wie die präjudizielle Wirkung.

Vorliegend sei ein entsprechendes Feststellungsinteresse nicht gegeben. Sofern sich der Kläger auf eine Wiederholungsgefahr berufe, habe er diese nicht näher begründet. Vielmehr unterstelle er der Sachbearbeiterin ohne weitere Anhaltspunkte unsachliche Motive und damit eine abstrakte Gefahr rechtswidriger Entscheidungen. Dem stehe jedoch entgegen, dass der Beklagte im laufenden Widerspruchsverfahren dem Begehren des Klägers entsprochen und den Berechnungsfehler eingestanden habe. Gerade vor diesem Hintergrund sei für das Gericht nicht ersichtlich, dass sich ein vergleichbarer Sachverhalt zeitnah wiederholen werde und daher eine konkrete Wiederholungsgefahr gegeben sei.

Der Kläger vermöge das Feststellungsinteresse vorliegend auch nicht auf eine Präjudiziabilität zu stützen. Zum einen habe sich der streitgegenständliche Bescheid bereits vor Klageerhebung erledigt. Zum anderen habe er selbst angegeben einen materiellen Schaden nicht erlitten zu haben.

Ein Rehabilitationsinteresse sei vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Es lägen auch keine Anhaltspunkte hierfür vor.

Sofern der Kläger darüber hinaus einen Unterlassungsanspruch geltend mache, fehle ihm hierfür eine entsprechende Klagebefugnis, weshalb auch dieser Antrag als unzulässig abzuweisen gewesen sei. Sofern sich der Kläger nämlich auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch stütze, setze dieser nämlich voraus, dass der Beklagte in eine Rechtsposition des Klägers eingreife. Einen solchen aktuellen Eingriff behaupte der Kläger vorliegend jedoch nicht. Vielmehr begehre er die vorbeugende Unterlassung. Eine vorbeugende Unterlassungsklage setze freilich ein besonderes Rechtsschutzinteresse voraus, da in der Regel nachgehender Rechtsschutz ausreichend sei. Vorliegend sei ein solches qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben. So habe der Kläger bereits keinen Anspruch auf einen bestimmten Verwaltungsablauf. Darüber hinaus habe die Beklagtenvertreterin darauf hingewiesen, dass die vom Kläger bemängelte Frist nicht existiere und die Fristen Dritter bei der Bearbeitung auch beachtet würden. Diese Ausführungen seien für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig und entsprächen der eigenen Wahrnehmung. Fehle damit aber für dieses Begehren die Klagebefugnis sowie das qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis des Klägers so sei auch die Unterlassungsklage als unzulässig abzuweisen.

Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2024 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt.

Der Kläger beantragt,
„das Urteil zur Neuentscheidung aufzuheben und den Klageanträgen n. Ziff. 2 u. Ziff 3 v. 2.04.2024, gleichbedeutend aufgeführt im Tatbestand der Urteilsschrift, Seite 3, stattzugeben.“

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 27.12.2024
darauf hingewiesen, dass das Landessozialgericht die gegen ein Urteil eingelegte Berufung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte, und ausgeführt, es sei vorliegend beabsichtigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.01.2025 erhalten. Hierzu hat sich der Kläger geäußert.

Entscheidungsgründe

Der Senat kann auf Grund dessen, dass das SG Ulm nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten hierzu vorher gehört hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach sinngemäßer Auslegung des Begehrens des Klägers die Aufhebung des Urteils des SG Ulm vom 16.07.2024, die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheides des Beklagten vom 24.01.2024 sowie die Verurteilung des Beklagten, es zu unterlassen, sich bei der Bearbeitung von Anträgen an starre Entscheidungsfristen zu richten, ohne den Einzelfall im Blick zu halten.

Zutreffend hat das SG Ulm in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil dargelegt, dass und warum vorliegend die Voraussetzungen der vom Kläger erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage nicht gegeben sind. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG Ulm an und sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Rechtsgrundlage für eine Fortsetzungsfeststellungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren entgegen den insoweit versehentlichen Ausführungen des SG Ulm nicht § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, sondern § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG ist, wonach, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, das Gericht auf Antrag durch Urteil ausspricht, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Ebenfalls völlig zu Recht hat das SG Ulm in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil dargelegt, dass und warum vorliegend die Voraussetzungen der vom Kläger erhobenen Unterlassungsklage nicht gegeben sind. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG Ulm an und sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die – auch vorbeugend mögliche – Unterlassungsklage als Unterfall der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG anzusehen ist, die – worauf das SG Ulm zutreffend hingewiesen hat – ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse voraussetzt.


Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Ulm vom 16.07.2024 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.


 

Rechtskraft
Aus
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