Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine von der Klägerin angenommene Untätigkeit der Beklagten im Hinblick auf einen bei der Stadt M1 gestellten Auskunftsantrag nach § 305 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die 1960 geborene Klägerin, wohnhaft in M2 (Baden-Württemberg), ist bei der Beklagten, die ihren Sitz in B1 hat, gesetzlich krankenversichert.
Am 5. Januar 2023 wandte sich die Klägerin an die Stadt M1 per De-Mail und stellte in ihrem Schreiben einen „Antrag auf vollständige elektronische Auskunft gemäß § 305 SGB V gegenüber der Betriebskrankenkasse F1 jeweils einzeln für die Kalenderjahre 2020, 2021 und 2022“. Die jeweilige Auskunft sei nach § 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V zwingend elektronisch als pdf-Datei und für das jeweilige Kalenderjahr 2020, 2021 und 2022 getrennt zu erteilen, einer nichtelektronischen Auskunft werde ausdrücklich widersprochen.
Der bei der Stadt M1 gestellte Antrag ist bei der Beklagten im weiteren Verlauf nicht eingegangen.
Am 11. Juli 2023 erhob die anwaltlich vertretene Klägerin beim Sozialgericht Ulm (SG) Untätigkeitsklage mit dem Begehren, „über den Antrag vom 5. Januar 2023 zu entscheiden“. Sie habe am 5. Januar 2023 einen Antrag auf vollständige elektronische Auskunft gemäß § 305 SGB V gestellt. Über diesen habe die Beklagte bis heute ohne ersichtlichen Grund nicht entschieden. Es sei daher Untätigkeitsklage geboten. Soweit sich die Beklagte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen sollte, werde bereits jetzt die möglicherweise fehlende Prozessvollmacht gerügt. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass sie (durch ihren Prozessbevollmächtigten) beim SG bereits eine Vielzahl von rechtlichen Auseinandersetzung geführt habe und auch aktuell führe und eine Aufzählung der Aktenzeichen schon lange nicht mehr möglich sei. Im Übrigen entsprächen die gerichtlichen Schreiben der Beklagten nicht den Anforderungen an die elektronische Kommunikation nach „§§ 65a Abs. 2, 65d SGG, ERVV“. In der Sache trug die Klägerin vor, der Zeuge und (weitere) Bevollmächtigte G1 habe am 10. Januar 2023 „die Stadt M1, Frau W1 telefonisch um Weiterleitung im Sinne von § 16 Abs. 2 SGB I gebeten, diese hat eine Weiterleitung auch zugesagt“. Es sei daher davon auszugehen, dass die Stadt M1 dem in Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung auch nachgekommen sei. Mit Schreiben vom 13. September 2023 legte die Klägerin ihr an die „Stadt M1, M3, M1“ adressiertes Antragsschreiben („per DE-Mail: poststelle@M1.de-mail.de“) vom 5. Januar 2023 vor, in dem sie vollständige elektronische Auskunft gemäß § 305 SGB V jeweils einzeln für die Kalenderjahre 2020, 2021 und 2022 einschließlich Gesamtleistungs- und Gesamtzahlungsbetrag für das jeweilige Kalenderjahr beantrage, wobei die Auskunft per DE-Mail, per Mail oder als Download erteilt werden könne; auf Bl. 38 der SG-Akte wird Bezug genommen. Darüber hinaus legte sie eine Eingangsbestätigung ihres E-Mail-Anbieters vor, wonach bestätigt werde, dass die Nachricht am 5. Januar 2023 um 16:54:39 Uhr im Postfach des Empfängers „poststelle@M1.de-mail.de“ eingegangen sei. Das Schreiben der Klägerin vom 13. September 2023 wurde mit den beigefügten Anlagen am 14. September 2023 an die Beklagte übermittelt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und trug vor, ein entsprechender Antrag vom 5. Januar 2023 liege bei ihr nicht vor. Es liege mithin auch keine Entscheidung über den Antrag vor, weswegen auch eine Verwaltungsakte nicht übersandt werden könne. Die Beklagte reichte während des Klageverfahrens die Generalterminsvollmacht für ihren Vertreter, Herrn U1, ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2023 wies das SG nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die als echte Untätigkeitsklage (hier: Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) erhobene Klage sei statthaft, aber unzulässig, da keine Antragstellung bei der Beklagten erfolgt und diese jedenfalls nicht seit mehr als sechs Monaten untätig sei. Soweit die Klägerin im Gerichtsverfahren bemängelt habe, dass die Beklagte durch einen nicht vertretungsbefugten Mitarbeiter Prozesshandlungen vorgenommen habe, treffe dies nicht zu. Die Beklagte sei entsprechend der übersandten Generalterminsvollmacht für Herrn U1 ordnungsgemäß vertreten worden. Bezüglich des Antrags der Klägerin vom 5. Januar 2023 liege keine Untätigkeit der Beklagten vor. Nachdem keine Antragstellung bei der Beklagten erfolgt sei und eine solche bzw. der Zugang des Antrags auch nicht fingiert werden könne, sei die Klage unzulässig. Die Beweislast für die Stellung und den Zeitpunkt des Antrags trage die Klägerin. Eine Antragstellung könne auch nicht als Minus in der Erhebung der Untätigkeitsklage gesehen werden. Die Klägerin habe zwar am 5. Januar 2023 einen Antrag gestellt, jedoch lediglich bei der Stadt M1, nicht aber bei der Beklagten. Gründe für diese nicht nachvollziehbare Vorgehensweise seien nicht ersichtlich. Damit sei der Zugang bei der Beklagten nicht nachgewiesen, ohne dass eine einschlägige Zugangsfiktion ersichtlich sei. § 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei unmittelbar lediglich anwendbar für Sozialleistungen im Sinne des SGB I. Nach § 11 S. 1 SGB I seien Gegenstand der sozialen Rechte die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). § 21 Abs. 1 SGB I definiere die im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung möglichen Ansprüche. Gemessen daran stelle der Auskunftsanspruch nach § 305 SGB V keine entsprechende Sozialleistung dar, weshalb der Antrag auch nicht als bei der Beklagten nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I gestellt gelte. Eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I komme bei einem reinen Auskunftsanspruch nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob die Stadt M1 gegebenenfalls infolge einer entsprechenden Zusage dazu verpflichtet gewesen sei, den Antrag weiterzuleiten, sei sie einer etwaigen Verpflichtung nicht nachgekommen. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag vom 5. Januar 2023 über die Stadt M1 an die Beklagte weitergeleitet worden sei, sodass auch nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte über den Antrag innerhalb der Bearbeitungsfrist von sechs Monaten keine Entscheidung herbeigeführt habe. Ob jedenfalls seit dem 14. September 2023, der Weiterleitung der seitens der Klägerin im Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen an die Beklagte, eine die Sechs-Monats-Frist auslösende Antragstellung vorliege, könne mangels Fristablauf dahingestellt bleiben. Das Gericht müsse den Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist vor seiner Entscheidung über eine Untätigkeitsklage nicht abwarten, wenn die Stellung des Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes gleichzeitig mit der Erhebung der Untätigkeitsklage erfolge, was entsprechend auch für den Fall Geltung beanspruche, wenn ein Verhalten während eines Untätigkeitsverfahrens als Frist auslösende Antragstellung gewertet werden könne.
Hiergegen richtet sich die am 3. Januar 2024 beim SG zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie geltend macht, die Regelungen des § 16 Abs. 1 und 2 SGB I fänden unter Berücksichtigung von § 37 Sätze 1 und 2 SGB I auf alle Rechtsverhältnisse Anwendung, was sich aus der ratio legis des § 1 SGB I ergebe. Andernfalls müsse man diese Regelungen für einen Auskunftsanspruch nach § 305 SGB V analog anwenden, nachdem es an einer gesetzlichen Regelung in § 305 SGB V fehle, wo der Antrag formal zulässig zu stellen sei. Soweit die Beklagte behaupte, sie habe ihr am 5. Januar 2024 über den Online-Service Auskunft erteilt (hierzu nachfolgend), enthalte die Verwaltungsakte keinen Nachweis über die rechtswirksame Auskunftserteilung. Nachdem der Beklagten spätestens seit dem 14. September 2023 der streitgegenständliche Antrag vom 5. Januar 2023 vorliege, sei die Frist des § 88 Abs. 2 SGG inzwischen ohnehin abgelaufen. Die Beklagte habe auch unzureichend vorgetragen, wie und über welchen (formellen) Weg sie die Auskünfte am 5. Januar 2024 angeblich erteilt habe. Der Verweis auf einen abstrakten „Online-Service“ erfülle jedenfalls ganz offensichtlich nicht ansatzweise die Anforderungen an den elektronischen Rechtsverkehr, insbesondere nach § 36a SGB I. Irgendeine in Vermerk-/Notizform wiedergegebene anderweitige unvollständige „Kommunikation“ erfülle jedenfalls nicht die verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 36a SGB I, davon abgesehen fehle es dazu an jeglicher Dokumentation für einen rechtswirksamen elektronischen Rechtsverkehr.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27. Dezember 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, entsprechend ihres Antrags vom 5. Januar 2023 Auskunft nach § 305 SGB V jeweils einzeln für die Kalenderjahre 2020, 2021 und 2022 einschließlich Gesamtleistungs- und Gesamtzahlungsbetrag zu erteilen, wobei die Auskunft per DE-Mail, per Mail oder als Download erteilt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Im Übrigen bestehe ohnehin kein Rechtsschutzbedürfnis, da zum einen der Antrag auf Auskunft jederzeit bei ihr (der Beklagten) hätte direkt gestellt werden können und zum anderen die gewünschten Auskünfte der Klägerin bereits über ihren Online-Service am 5. Januar 2024 gegeben worden seien. Diesbezüglich hat die Beklagte eine Verwaltungsakte vorgelegt, die jeweils nach den Jahren 2020, 2021 und 2022 getrennt Leistungsauskünfte über die Bereiche „Ambulante ärztliche Leistungen, Selektivverträge, Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung, Zahnärztliche Leistungen, Arzneimittel- und Hilfsmittelverordnungen, Krankenhaus Leistungen, Heilmittelverordnungen und Hilfsmittelverordnungen“ enthält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Abs. 2 SGG) ist unzulässig geworden, nachdem die Beklagte der Klägerin am 5. Januar 2024 über ihren Online-Service die begehrte Auskunft nach § 305 Abs. 1 SGB V erteilt hat. Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nachträglich entfallen.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch nach § 305 SGB V für die Jahre 2020, 2021 und 2022. Für die Fortsetzung des Berufungsverfahrens durch die Klägerin mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, ihr entsprechend ihres Antrags vom 5. Januar 2023 Auskunft nach § 305 SGB V jeweils einzeln für die Kalenderjahre 2020, 2021 und 2022 einschließlich Gesamtleistungs- und Gesamtzahlungsbetrag zu erteilen, fehlt ihr jedoch das Rechtsschutzbedürfnis. Den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Auskunft nach § 305 Abs. 1 SGB V hat die Beklagte am 5. Januar 2024 über ihren Online-Service vollständig erfüllt.
a) Streitgegenstand war der von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 5. Januar 2023 geltend gemachte Anspruch auf Auskunft nach § 305 Abs. 1 SGB V. Die von der anwaltlich vertretenen Klägerin deswegen am 11. Juli 2023 beim SG erhobene Untätigkeitsklage war von Anfang an unzulässig, da es sich nicht um die statthafte Klageart gehandelt hat. Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG gilt Folgendes: Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Bei der Auskunft nach § 305 Abs. 1 SGB V handelt es sich jedoch nicht um einen Verwaltungs-, sondern um einen Realakt (Wissenserklärung; Dochow, in: Remmert/Gokel, GKV-Kommentar SGB V, Stand Juli 2024, § 305 Rn. 56 m.w.N.; Schäfer, in: NK-GesundhR, 2. Aufl. 2018, § 305 SGB V Rn. 23; allg. zu Auskünften Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, Anhang § 54 Rn. 7 m.w.N.). Statthafte Klageart war danach die (echte) Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG (Scholz, in BeckOK SozR, Stand Juni 2024, § 305 SGB V Rn. 2 m.w.N.; Luthe, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB V, 7. Ergänzungslieferung 2024, § 305 Rn. 4; von Dewitz, in: Spickhoff/, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 305 SGB V Rn. 3; vgl. allg. auch BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KR 2/14 R – juris, Rn. 9; Bieresborn, in: BeckOGK, Stand Mai 2024, § 54 SGG Rn. 189).
b) Das Rechtsschutzbedürfnis für das (Leistungs-)Begehren der Klägerin ist jedoch während des Berufungsverfahrens nachträglich entfallen, nachdem die Beklagte der Klägerin am 5. Januar 2024 über ihren Online-Service die begehrte Auskunft nach § 305 Abs. 1 SGB V erteilt hat.
Der Senat stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Beklagte am 5. Januar 2024 über ihren Online-Service die begehrte Auskunft nach § 305 Abs. 1 SGB V in zulässiger Weise erteilt hat. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte, die jeweils nach den Jahren 2020, 2021 und 2022 getrennte Leistungsauskünfte über die Bereiche „Ambulante ärztliche Leistungen, Selektivverträge, Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung, Zahnärztliche Leistungen, Arzneimittel- und Hilfsmittelverordnungen, Krankenhaus Leistungen, Heilmittelverordnungen und Hilfsmittelverordnungen“ enthält. Es wurden drei pdf-Dateien (Betreff: Leistungsauskunft) zum online-Abruf erstellt, deren Inhalt sich in der vorgelegten Verwaltungsakte (Bl. 1 bis 62) befindet, in die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin während des Berufungsverfahrens auch Akteneinsicht genommen hat. Soweit dieser schriftsätzlich (Schreiben vom 15. Mai und 25. Juni 2024) behauptet, die Verwaltungsakte enthalte „jedenfalls gerade keinen Nachweis über die rechtswirksame Auskunfterteilung an die Berufungsklägerin“ und „die Frist des § 88 Abs. 2 SGG [sei] inzwischen ohnehin abgelaufen“, ist dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Für die Auskunftserteilung gilt kein Schriftformerfordernis. Die Krankenkasse darf daher auch internetbasiert elektronisch Auskunft geben (Schäfer, a.a.O., § 305 SGB V Rn. 11). Dies entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Dr. 17/8005, S. 131: „Hierzu gehört, dass auch eine internetbasierte elektronische Auskunft für Versicherte angeboten werden kann.“). Schließlich hat die Klägerin in ihrem Antragsschreiben vom 5. Januar 2023 auch ausdrücklich die Erteilung der Auskunft „zwingend elektronisch als pdf-Datei“ begehrt.
Durch die Auskunftserteilung am 5. Januar 2024 fehlt das für die Fortführung des Berufungsverfahrens erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn damit hat sich das Begehren der Klägerin vollumfänglich erledigt.
Im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, kann eine gerichtliche Sachentscheidung beanspruchen; fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren unzulässig. Das Rechtsschutzinteresse bildet zwar keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, sondern ergibt sich im allgemeinen ohne weiteres aus der formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist. Mit dem Erfordernis der Beschwer ist in aller Regel gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht. Indessen gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf. Trotz Vorliegens der Beschwer kann in seltenen Ausnahmefällen das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 – B 2 U 3/06 R – juris, Rn. 12 f.; Keller, a.a.O., § 143 Rn. 5 m.w.N.) und die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen, das gerichtliche Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden kann (BSG, Beschluss vom 5. Oktober 2009 – B 13 R 79/08 R – juris, Rn. 12 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Das Begehren der Klägerin wurde durch die Auskunftserteilung am 5. Januar 2024 vollständig erfüllt. Sie ist damit klaglos gestellt worden, da ihr die Auskunft über in Anspruch genommene Leistungen und deren Kosten gemäß § 305 Abs. 1 SGB V nunmehr übermittelt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 KR 7/14 R – juris, Rn. 41; BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 41/12 R – juris, Rn. 2; Keller, a.a.O., Vor § 51 Rn. 16a ff.). Einen weitergehenden Anspruch bietet § 305 Abs. 1 SGB V im vorliegenden Verfahren nicht. Die Klägerin macht auch nicht etwa die Unvollständigkeit der Auskunft geltend, sondern - rechtsirrig - allein die (Un-)Wirksamkeit der Auskunftserteilung.
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 25. Juni 2024 beantragt hat, „Beweis darüber zu erheben, ob und ggf. in welcher Weise und mit welchem Inhalt bzw. Wortlaut die Berufungsbeklagte am 05.01.2024 ihrer hier streitgegenständlichen Verpflichtung -elektronische Auskunft gemäß § 305 SGB V gegenüber der Betriebskrankenkasse F1 jeweils einzeln für die Kalenderjahre 2020, 2021 und 2022 gemäß Antrag vom 05.01.2023- rechtswirksam, insbesondere unter Berücksichtigung des § 36a SGB I nachgekommen ist.“, musste dem der Senat nicht nachkommen, da es sich weder um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag handelt und zum anderen der Sachverhalt geklärt ist. Es handelt es sich nicht um einen förmlichen Beweisantrag im Sinne des § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 403 Zivilprozessordnung (ZPO). Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben solle (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 160 Rn. 18a m.w.N.). Der von der anwaltlich vertretenen Klägerin gestellte Beweisantrag bezeichnet schon kein Beweismittel und stellt sich im Ergebnis als unzulässiger Ausforschungsantrag dar (vgl. Schmidt, a.a.O.). Darüber hinaus hat die Beklagte ihre Verwaltungsakte vorgelegt, die jeweils nach den Jahren 2020, 2021 und 2022 getrennte Leistungsauskünfte über die Bereiche „Ambulante ärztliche Leistungen, Selektivverträge, Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung, Zahnärztliche Leistungen, Arzneimittel- und Hilfsmittelverordnungen, Krankenhaus Leistungen, Heilmittelverordnungen und Hilfsmittelverordnungen“ enthält. Soweit die Klägerin deren Wirksamkeit bezweifelt, handelt es sich nicht um eine Beweisfrage, sondern um eine - dem Beweisrecht unzugängliche - rechtliche Würdigung, die der Senat - wie bereits dargelegt - vorgenommen hat.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Berufung - bei unterstellter Zulässigkeit - jedenfalls unbegründet wäre. Denn die Entscheidung des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zum einen war die Untätigkeitsklage - wie bereits dargelegt - von Anfang an unzulässig, zum andere hat die Beklagte der Klägerin am 5. Januar 2024 die begehrte Auskunft erteilt, sodass für das Leistungsbegehren nachträglich das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass Voraussetzung für den Auskunftsanspruch nach § 305 Abs. 1 SGB V ein Antrag des Versicherten ist, der gegenüber der Krankenkasse gestellt wird (vgl. Schäfer, a.a.O., § 305 SGB V Rn. 6). Ein solcher Antrag ging bei der Beklagten allenfalls während des laufenden Rechtsstreits ein, nicht aber zuvor.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1456/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 169/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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