Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.11.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (erneut) über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1968 geborene Kläger zog im Juli 1992 aus der Türkei kommend in das Bundesgebiet zu. Ab August 1992 war er - mit Unterbrechung durch Arbeitslosigkeit - bis zu einem Arbeitsunfall am 06.03.2001 (der Kläger geriet mit dem linken Arm in eine Seilwindemaschine, worauf er in Höhe des vierten Stockwerks hochgezogen wurde, 45 Minuten hing und sich eine erstgradige offene Fraktur des linken Unterarms mit einer Läsion des Nervus radialis, medianus und ulnaris sowie ein nachfolgendes Kompartmentsyndrom zuzog) sozialversicherungspflichtig als Maler/Gipser beschäftigt. Im Anschluss an dieses Ereignis war er zunächst arbeitsunfähig, bezog von der (Rechtsvorgängerin, zukünftig einheitlich BG Bau) Berufsgenossenschaft (BG) der Bauwirtschaft Pflege- und Verletztengeld (Letzteres bis einschließlich 02.09.2002) und im Anschluss Verletztenrente (nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] von 70 v.H.). Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses stand er von Anfang September 2002 bis Ende Dezember 2004 im Arbeitslosengeld- bzw. Arbeitslosenhilfebezug und dann von Anfang September 2005 bis Ende Oktober 2008 im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mitte August 2010 nahm der Kläger - zunächst geringfügig ohne Versicherungspflicht - eine Tätigkeit als Zeitungsausträger auf, die er vom 01.01.2011 - mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - bis zum erneuten Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im April 2016 versicherungspflichtig ausübte. Anschließend bezog er bis Ende 2016 Krankengeld. Im Versicherungskonto sind sodann noch die Monate Januar 2017 und Juni 2020 mit Pflichtbeiträgen belegt, dann erst wieder die Zeit ab Dezember 2023. Wegen der weiteren Einzelheiten der zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 10.02.2025 (S. 90 ff. Senats-Akte) Bezug genommen. Beim Kläger ist seit dem 25.09.2007 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt.
Die BG Bau stellte (Bescheid vom 20.12.2002) als Folgen des Arbeitsunfalls im Bereich der linken oberen Extremität eine vollständige Aufhebung der aktiven Beweglichkeit des Handgelenks und der Finger, eine leichte Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks, Schwellung des gesamten Unterarms, eine Schädigung des Radialis- und Medianus-Nervens mit Ausbildung einer sog. Fallhand mit Kälte- und Wärmemissempfindungen sowie Schmerzen im gesamten Arm nach knöchern durchbautem, offenem Unterarmbruch mit Verletzung des Radialis- und Medianus-Nervens und einliegenden Metallplatten fest sowie in Folge eines Vergleichs in dem beim Sozialgericht Freiburg (SG) geführten Klageverfahren S 10 U 3360/05 (Ausführungsbescheid vom 29.05.2007) als weitere Unfallfolge eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Das Begehren des Klägers auf Feststellung einer Ruptur der Subscapularissehne mit Luxation der langen Bizepssehne i.S. einer Pulley-Läsion rechts als weitere/mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 06.03.2001 hatte keinen Erfolg (klageabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 05.11.2018, S 3 U 1754/18; Berufungszurückweisungsurteil des 6. Senats des hiesigen Gerichts vom 05.03.2020, L 6 U 4371/18, rechtskräftig).
Der (erste) Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von Januar 2005 hatte keinen Erfolg (Ablehnungsbescheid vom 29.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2005; Urteil des SG vom 19.04.2007, S 11 R 4839/05; der Kläger nahm seine dagegen gerichtete Berufung nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen im Verfahren L 11 R 3358/07 im Juli 2008 zurück).
Auch der weitere Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung von Anfang Juni 2014 hatte aus medizinischen Gründen keinen Erfolg (Ablehnungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung [DRV] N1 vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2015; Gerichtsbescheid des SG vom 16.11.2015, S 11 R 2260/15; Urteil des 4. Senats des hiesigen Gerichts vom 10.06.2016, L 4 R 5346/15, rechtskräftig).
Aus einer vom 28.07. bis 22.08.2016 zu Lasten der Beklagten durchgeführten ganztägig ambulanten Rehabilitationsmaßnahme in der R1-RehaTagesklinik F1 GmbH wurde der Kläger ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts vom 23.08.2016 mit einem zeitlichen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine Nachtschichtarbeit, Vermeidung von Tätigkeiten über der Horizontalen bzw. in Armvorhaltungen) in einem Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich entlassen (Diagnosen: Schulterteilsteife rechts, Muskelminus; Zustand nach [Z.n.] offen chirurgischer Subscapularis-Sehnenrekonstruktion und Bizepssehnentenodese [aktuell Re-Ruptur]; Subscapularis-Sehnenläsion rechts mit Bizepssehnenluxation [April 2016]; Fallhand nach Arbeitsunfall mit Unterarmfrakturen und Schulterluxation [2001]; PTBS; Verdacht auf [V.a.] schwere depressive Episode).
Im November 2016 beantragte der Kläger bei der DRV N1 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung im Zugunstenweg nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), was die dortige Beklagte mangels Rechtswidrigkeit ihres Bescheids vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2015 ablehnte (Bescheid vom 24.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2017). Die dagegen gerichtete Klage (S 4 R 592/17) wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.05.2017 ab. Im anschließenden Berufungsverfahren beim 5. Senat des hiesigen Gerichts (L 5 R 2259/17) wurde auf Antrag des Klägers nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten B1 eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers Ende Januar 2018 auf seinem Fachgebiet eine Dysthymia und „mindestens phasenweise eine anhaltende Zuspitzung der depressiven Symptomatik mit mittelschwerer Ausprägung (double depression) diagnostizierte und einen Z.n. PTBS mit inzwischen gut integrierten Restsymptomen (freilich bei klinisch und testpsychologisch ausdrücklichem Ausschluss einer solchen Störung) beschrieb. Er wies auf Aggravationstendenzen des Klägers hin, ebenso darauf, dass der Kläger einen Schmerz von 90 (von 100 = stärkst vorstellbarer Schmerz) angegeben habe, obgleich klinisch kein schweres Schmerzsyndrom bestehe. Auch im Beck´schen Depressions-Inventar (BDI-II) habe sich der Kläger - entgegen dem klinischen Eindruck (s.o.) - als schwer depressiv beschrieben. B1 erachtete den Kläger als derzeit (Besserung nicht unwahrscheinlich) nicht leistungsfähig für berufliche Tätigkeiten; die Wege- bzw. Gehfähigkeit sei hingegen uneingeschränkt. Der postulierten zeitlichen Leistungsminderung trat H1 vom Ärztlichen Dienst der DRV N1 mit einer sozialmedizinischen Stellungnahme entgegen. Der vom Sachverständigen mitgeteilte psychiatrische Befund rechtfertige nicht die Annahme einer zeitlichen Leistungslimitierung und die von ihm zugrunde gelegten funktionellen Einschränkungen von orthopädischer Seite, insbesondere seitens der rechten Schulter, seien auf der Grundlage des zuvor von der privaten Unfallversicherung eingeholten unfallchirurgischen Gutachtens (S1 vom 04.12.2017) tatsächlich nur leichtgradig, zumal eine deutliche Aggravationstendenz des Klägers bestehe. Im November 2019 erklärte der Kläger das Berufungsverfahren für erledigt.
Am 24.11.2021 beantragte der Kläger bei der Beklagten (erneut) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 22.12.2021 lehnte die Beklagte den Antrag mangels Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Diese seien bei Annahme eines Versicherungsfalls zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht erfüllt, da im Fünf-Jahres-Zeitraum nur vier Monate mit Pflichtbeiträgen im Versicherungskonto enthalten seien; auch liege eine Erwerbsminderung wegen Arbeitsunfall nicht vor. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass seine Erwerbsminderung bereits deutlich früher eingetreten sei. Die Beklagte zog ärztliche Befundberichte bei und ließ diese durch den sozialmedizinischen Dienst auswerten. M1 führte in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30.08.2022 (S. 145 VerwA) aus, dass sich aus den beigezogenen Unterlagen seit der Reha-Maßnahme eine quantitative Leistungsminderung nicht ableiten lasse. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2022 zurück. Eine Erwerbsminderung bis zum letztmaligen Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Februar 2019 liege nicht vor.
Dagegen hat der Kläger am 30.11.2022 beim SG Klage (S 12 R 3253/22) erhoben und sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Eine MRT-Untersuchung Anfang Oktober 2021 habe eine multifaktorielle Rezessusstenose im Wirbelsäulensegment L4/5 rechts mehr als links mit Reizung der Wurzel L5 ergeben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. D1 hat in seiner Auskunft vom 29.12.2022 (S. 26 ff. SG-Akte) mitgeteilt, dass der Kläger Anfang September 2021 über heftige Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Ausstrahlung in den rechten Unterschenkel geklagt habe; soweit es um Beschwerden bezüglich des linken Kniegelenks und der rechten Schulter gehe, lägen diese bereits deutlich mehr als fünf Jahre zurück. D1 hat auf die MRT von Anfang Oktober 2021 verwiesen und gemeint, dass bei Fortbestehen der vom Kläger Anfang September 2021 geklagten Wirbelsäulenbeschwerden - die letzte Vorstellung sei am 13.10.2021 erfolgt - keine ausreichende „Arbeitsfähigkeit“ für sechs Stunden vorliege. Die Hausärztin des Klägers, L1, hat in ihrer Auskunft vom 23.01.2023 (S. 33 ff. SG-Akte) angegeben, dass der Kläger wegen der Bewegungs- und Funktionseinschränkungen beider Arme, der chronischen Schmerzen an der LWS und insbesondere aufgrund der psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten wenigstens drei Stunden am Tag auszuüben. Ab welchem Zeitpunkt sich der psychische Zustand des Klägers verschlechtert habe, könne sie nicht genau angeben. Jedenfalls sei im August 2021 eine deutliche Verschlechterung der Depression eingetreten, sodass der Kläger dreieinhalb Monate stationär psychiatrisch behandelt worden sei (s. Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie [ZfP] E1 vom 04.11.2021, S. 42 ff. SG-Akte, u.a.: Einweisung nach „Alltagsstreit“ mit der Ehefrau, „Rente stark im Vordergrund stehend“, Armhalteversuch und Beinhalteversuch regelrecht, Gangbild sicher, keine erhöhte Sturzgefahr, Feinmotorik der Hände unauffällig mit Einschränkung links, Wirbelsäule unauffällig, deutliche Verbesserung von Stimmung und Schwingungsfähigkeit sowie von Schlafqualität und der Unruhe unter Medikation; Entlassung in deutlich gebessertem und stabilisiertem Zustand mit verbesserter Grundstimmung, Schwingungsfähigkeit und Zuversicht sowie verbessertem Schlaf und Verbesserung der inneren Unruhezustände bei vollständigem Rückgang der Pseudohalluzinationen; Belastungserprobungen zuhause erfolgten regelmäßig und mit positivem Verlauf). M2 hat in seiner Auskunft vom 14.02.2023 (S. 88 ff. SG-Akte) mitgeteilt, dass der Kläger bei ihm seit Mai 2016 bis fortlaufend ca. vierteljährlich in Behandlung sei. Die Beschwerden hätten über die Jahre zugenommen. Der Kläger sei nicht in der Lage, eine leichte Tätigkeit arbeitstäglich mindestens drei Stunden auszuüben.
Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme P1 vom 09.03.2023 (S. 94 f. SG-Akte) vorgelegt. Diese hat unter Würdigung auch der von den Ärzten vorgelegten Befundberichte ausgeführt, dass sich auch weiterhin eine quantitative Leistungsminderung des Klägers bis spätestens im Februar 2019 nicht begründen lasse. Die Verschlechterung der bekannten Depression sei erst im Jahr 2021 eingetreten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.11.2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger bezogen auf einen Zeitraum bis spätestens (Ende) Februar 2019 noch in der Lage gewesen sei, eine leichte berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dabei hat es sich maßgeblich auf die Leistungsbeurteilung der Reha-Ärzte in F1 gestützt - der Sache nach auch auf die Stellungnahmen des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten - und dargelegt, dass in der Zeit danach jedenfalls bis (Ende) Februar 2019 keine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustands des Klägers zu erkennen sei, sodass die Einschätzung der Reha-Ärzte weiterhin Bestand habe.
Aus den von L1 (die der Kläger ausweislich der ärztlichen Auskunft hauptsächlich zur Kontrolle seines Diabetes mellitus Typ 2, der arteriellen Hypertonie und der Hyperlipidämie aufgesucht hat) genannten internistischen Erkrankungen lasse sich eine Erwerbsminderung von vornherein nicht ableiten, zumal der Diabetes ausweislich der letzten diabetologischen Fremdarztberichte gut eingestellt sei.
Aus der Auskunft D1 ergebe sich von orthopädischer Seite lediglich eine Verschlimmerung im Bereich der (unteren) LWS, die indes erst im September 2021 aufgetreten sei; danach habe sich der Kläger bei D1 nicht mehr vorgestellt und der Arzt sei wegen dieser Wirbelsäulenveränderungen mit Schmerzen auch nur hypothetisch von einer nicht ausreichenden „Arbeitsfähigkeit“ ausgegangen; eine Erwerbsminderung für die Zeit davor lasse sich der Auskunft gerade nicht entnehmen.
Von psychischer Seite könne eine Verschlechterung seit der Entlassung aus der Reha-Maßnahme auf der Grundlage der Auskunft L1 und M2 allenfalls im Sommer 2021 mit der stationären Aufnahme im ZfP (09.08.2021) angenommen werden, wobei freilich auch schon zuvor und danach bei M2 nur eine niederfrequente, quartalsweise Behandlung des Klägers erforderlich gewesen sei, was sich ebenfalls aus der Auskunft des M2 ergebe.
Der Eintritt einer Erwerbsminderung bis (Ende) Februar 2019 sei mithin nicht begründbar und es liege vorliegend auch kein Fall vor, der von den erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen suspendiere (§ 43 Abs. 5 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Denn die verbliebenen Arbeitsunfallfolgen bedingten (auch weiterhin) keine rentenrechtliche Erwerbsminderung.
Gegen den - seinem Prozessbevollmächtigten am 17.11.2023 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.12.2023 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren auf Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat sich die Klägerseite auf die Auskunft des M2 berufen. Auf Grundlage der von ihm angeführten psychiatrischen Einschränkungen könne davon ausgegangen werden, dass diese bereits Anfang 2019 vorgelegen hätten, denn M2 behandele den Kläger bereits seit 2016. Außerdem sei bereits B1 Anfang 2018 von einer Erwerbsminderung mit Behandlungsfähigkeit ausgegangen. Diese Behandlungsfähigkeit habe sich rückblickend gerade nicht bestätigt, geschweige denn zu einem Erfolg geführt.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.11.2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.11.2021 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zum Verfahren beigezogenen Akten der Verfahren L 5 R 2259/17, L 4 R 5346/15, L 11 R 3358/07 und L 6 U 4371/18 Bezug genommen; außerdem haben die Verwaltungsakten der BG Bau vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2021 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2022, dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger auf dessen (neuerlichen) Antrag vom 24.11.2021 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Das SG hat die statthafte und auch ansonsten zulässige kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4, § 56 SGG) zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.11.2021.
Das SG hat in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 15.11.2023 unter zutreffender Darlegung der rechtlichen Grundlagen für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) und mit ebenso zutreffender sachlich-inhaltlicher Begründung im Wesentlichen gestützt auf den urkundsbeweislich verwertbaren Reha-Entlassungsbericht vom 23.08.2016 sowie (der Sache nach) die sozialmedizinischen Stellungnahmen der M1 und P1 (Erstere im Wege des Urkundsbeweises verwertbar, Letztere als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen) unter Würdigung der eingeholten Arztauskünfte und aktenkundigen Befundunterlagen ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls auch noch zum Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) Ende Februar 2019 - ausgehend (auch) von dem Versicherungsverlauf vom 10.02.2025 (der ab August 1992 Eintragungen enthält), gegen dessen Richtigkeit die Klägerseite im Berufungsverfahren keine Einwände erhoben hat (36 Pflichtbeitragsmonate im Fünf-Jahres-Zeitraum nur bei einem Versicherungsfall spätestens am 28.02.2019; auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in Ansehung der seit Dezember 2023 hinterlegten Pflichtbeitragszeiten nur 17 Pflichtbeitragsmonate im Fünf-Jahres-Zeitraum vom 27.03.2020 bis 26.03.2025) - trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen von orthopädischer, psychiatrischer und internistischer Seite in der Lage gewesen ist, noch leichte berufliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten, sodass eine Erwerbsminderung beim Kläger im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung nicht eingetreten ist. Ebenso zutreffend ist das SG zusammengefasst davon ausgegangen, dass seitens der verbliebenen Arbeitsunfallfolgen von orthopädischer Seite eine Erwerbsminderung des Klägers seit dessen Entlassung aus der Reha-Maßnahme in F1 und auch im weiteren Verlauf (weiterhin) mangels wesentlicher Verschlimmerung nicht besteht - zumal die im September 2021 ärztlich dokumentierten Wirbelsäulenbeschwerden nicht auf dem Arbeitsunfall beruhen - und dass auch von psychiatrischer Seite eine zeitlich überdauernde quantitative Leistungseinschränkung auch in Ansehung der stattgehabten stationären Behandlung des Klägers im Sommer 2021 im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall im Jahr 2001 nicht begründet werden kann. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Lediglich ergänzend merkt der Senat auch zum Berufungsvorbringen noch an:
Dass beim Kläger bis zur Entscheidung des 4. Senats des hiesigen Gerichts mit Urteil vom 10.06.2016 (L 4 R 5346/15) eine Erwerbsminderung nicht eingetreten ist, ergibt sich auch für den erkennenden Senat aus den zutreffenden Ausführungen und Feststellungen jenes Urteils, auf das hier vollumfänglich Bezug genommen wird.
Nämliches ergibt sich für den Folgezeitraum bis Ende Februar 2019 sowohl von orthopädischer als auch von nervenärztlicher Seite. Insoweit stützt sich der Senat maßgeblich auf den Reha-Entlassungsbericht, die sozialmedizinischen Stellungnahmen der M1 und P1 sowie insbesondere auch auf die prüfärztliche Stellungnahme des H1 vom 28.02.2018 (Bl. 79 f. LSG-Akte L 5 R 2259/17) - auf die hier ebenfalls verwiesen und die urkundsbeweislich verwertet wird -, der in jeder Hinsicht überzeugend und im Einzelnen dargelegt hat, dass sich aus dem Gutachten B1 vom 01.02.2018 (ebenfalls im Wege des Urkundsbeweises verwertbar) eine zeitliche Leistungslimitierung für leichte, angepasste berufliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts gerade nicht befundgestützt - und auch wegen der erheblichen Aggravation des Klägers nicht - begründen lässt, auch und gerade nicht mit bzw. in Zusammenschau mit den objektivierbaren orthopädischen Gesundheitsstörungen (Hinweis auf das fachärztliche Gutachten S1 vom 04.12.2017, ebenfalls hier urkundsbeweislich verwertbar; zu den orthopädischen Beschwerden s. noch sogleich). Damit geht der Hinweis der Klägerseite auf das Gutachten B1 fehl - unabhängig davon, dass der Kläger seine Berufung im Verfahren L 5 R 2259/17 trotz des für ihn vermeintlich positiven Gutachtens zurücknahm -, ebenso wie der Hinweis auf die von B1 erwähnte Behandlungsbedürftig- und -fähigkeit, denn dies ist für die Frage einer Erwerbsminderung, die - wie dargelegt - mit dessen Gutachten nicht nachvollziehbar begründet werden kann, ohne entscheidende Bedeutung (vgl. dazu nur Bundessozialgericht [BSG] 31.10.2012, B 13 R 107/12 B, in juris, Rn. 15 m.w.N.). Demgemäß spielt es auch keine Rolle, ob die weitere Behandlung der psychischen Anomalien des Klägers erfolgreich gewesen ist oder nicht; ohnehin spricht die nur niederfrequente Behandlung des Klägers bei M2 - auch über den 28.02.2019 hinaus - gegen einen höhergradigen Leidensdruck, worauf das SG bereits zutreffend aufmerksam gemacht hat.
Demgemäß kann sich auch der Senat nicht davon überzeugen, dass beim Kläger bis Ende Februar 2019 von psychiatrischer Seite ein Versicherungsfall der Erwerbsminderung eingetreten ist.
Auch für die Zeit danach ist dies nicht mit der erforderlichen Überzeugungskraft feststellbar. Aus dem Entlassungsbericht des ZfP lässt sich jedenfalls schon keine zeitlich überdauernde quantitative Leistungsminderung ableiten, nachdem der Kläger aus der dortigen stationären Behandlung in einem deutlich gebesserten Zustand entlassen worden ist; insoweit wird auf die obigen Darlegungen im Tatbestand verwiesen und diese festgestellt. Ohnehin lässt sich aber auch aus diesem Bericht nicht ansatzweise ein sachlich-inhaltlich nachvollziehbarer Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall vor mehr als 20 Jahren (sic!) herstellen. Unabhängig davon, dass die Klägerseite im Berufungsverfahren einen solchen nicht einmal auch nur behauptet hat, ist die dortige Aufnahme des Klägers nach einem familiären Streit akut erforderlich gewesen und einen irgendwie gearteten Zusammenhang mit dem Unfall haben die Ärzte nicht begründet, sondern allein die anamnestischen Angaben des Klägers wiedergegeben. Namentlich auch die von ihnen genannte Diagnose einer PTBS beruht allein auf Klägerangaben - die denen entsprechen, die er schon in all den Jahren in den vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten und unfallversicherungsrechtlichen Verfahren wiederholt hat -, obgleich B1 - auf den sich die Klägerseite maßgeblich berufen hat - eine solche (fortbestehende) Störung klar und ausdrücklich sowohl klinisch als auch testpsychologisch ausgeschlossen hat. Dass sich eine solche Störung im Sommer 2021 gerade im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vor mehr als 20 Jahren exazerbiert haben soll, ist den ärztlichen Äußerungen nicht einmal auch nur ansatzweise zu entnehmen. Der bloße Umstand, dass die BG Bau dereinst eine PTBS als weitere Unfallfolge anerkannte, ist für die Frage einer Erwerbsminderung bzw. einer Suspendierung vom Erfordernis einer 3/5-Belegung nicht hinreichend, denn „die Erwerbsminderung“ müsste gerade „wegen“ des Arbeitsunfalls eingetreten sein, wofür weder auf der Grundlage der Auskunft M2, noch auf der Grundlage des Entlassungsberichts der Ärzte des ZfP, erst recht nicht auf der Grundlage der Auskunft der Hausärztin, bei der schon eine besondere Fachkompetenz auf psychiatrischem Gebiet nicht erkennbar ist, ein sachlich-inhaltlich nachvollziehbarer Anhalt besteht.
Was die orthopädischen Leiden - auf die der anwaltlich vertretene Kläger sein Rechtsmittel im Übrigen schon nicht gestützt hat - anbelangt, ist eine Erwerbsminderung des Klägers auch nach dem 28.02.2019 in Ansehung des Reha-Entlassungsberichts, des Gutachtens S2, der Stellungnahme H1 sowie des Gutachtens H2 vom 02.09.2019 (eingeholt im Verfahren L 6 U 4371/18) - insoweit nimmt der erkennende Senat auf die entsprechende Darstellung und die Feststellungen im Urteil des 6. Senats des hiesigen Gerichts vom 05.03.2020 Bezug - nicht zu begründen, da sich daraus eine wesentliche Verschlimmerung der bereits vom 4. Senat (Urteil vom 10.06.2016, L 4 R 5346/15) gewürdigten orthopädischen Beschwerden und deren Auswirkung auf das klägerische Leistungsvermögen nicht ergeben, zumal die Einschränkungen des Klägers im Bereich der rechten Schulter ohnehin nicht Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.03.2001 sind, was der Senat wiederum auf das rechtskräftige Urteil des 6. Senats vom 05.03.2020 (L 6 U 4371/18) stützt, ohne dass eine abweichende Beurteilung in Betracht käme. Insbesondere ist aber auch eine wesentliche Verschlechterung der Funktionsfähigkeit des verunfallten linken Arms bzw. der linken Hand seit dem Urteil des 4. Senats nicht ersichtlich - namentlich nicht auf der Grundlage der von H2 erhobenen Befunde - und der Kläger hatte auch bereits zuvor selbst angegeben, dass sich der Zustand seiner linken oberen Extremität nicht verändert hat. Ohnehin ist der Auskunft (gegenüber dem SG) D1 zu entnehmen, dass der Kläger bei ihm seit mehreren Jahren gerade nicht (mehr) über verbliebene Unfallfolgen und Kniegelenksbeschwerden links geklagt hat - demgemäß auch deswegen nicht behandelt worden ist -, sondern dass die Behandlung wegen der im September 2021 eingetretenen Beschwerden im Bereich der unteren LWS erfolgt ist. Diese (degenerativen) Veränderungen haben mit dem Arbeitsunfall vom 06.03.2001 rein nichts zu tun, was vollkommen unzweifelhaft ist.
Damit kann eine Erwerbsminderung des Klägers bis zum Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Februar 2019 nicht angenommen werden, über diesen Zeitraum hinaus auch nicht wegen Arbeitsunfallfolgen.
Abschließend stellt der Senat noch fest, dass beim Kläger auch (weiterhin) kein Fall von Einarmigkeit (links) vorliegt, der die Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Dies hat bereits der 4. Senat in seinem Urteil vom 10.06.2016 (L 4 R 5346/15) ausführlich dargelegt - auch darauf nimmt der Senat kraft eigener Würdigung zustimmend Bezug - und eine wesentliche Verschlechterung der Funktionsfähigkeit des linken Arms bzw. der linken Hand ist seither weder ersichtlich - und lässt sich auch dem Reha-Entlassungsbericht befundgestützt nicht entnehmen -, noch mit dem Rechtsmittel konkret geltend gemacht, insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Den Beeinträchtigungen des Klägers wird auch weiterhin hinreichend mit qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen, insbesondere dadurch, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zuzumuten sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3253/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3476/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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