Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.07.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB).
Für die 1967 geborene Klägerin war zuletzt mit Bescheid vom 26.01.2016 ein GdB von 70 seit 25.02.2015 festgestellt worden. Zugrunde gelegt wurde hierbei ein Einzel-GdB von 60 für eine Erkrankung der linken Brust in Heilungsbewährung, ein Einzel-GdB von 30 für eine Depression sowie ein Einzel-GdB von 10 für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule.
Der Beklagte leitete mit Schreiben vom 30.01.2020 ein Überprüfungsverfahren bezüglich der Frage des Eintritts der Heilungsbewährung ein und zog einen Befundbericht der B1 und G1 vom 11.09.2020 bei, wonach aktuell Rezidivfreiheit sowie ein ausgeprägtes Fatigue-Syndrom, eine reaktive Depression sowie ein Lymphödem des linken Armes bestünden.
Z1 führte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.11.2020 aus, dass die Heilungsbewährung eingetreten sei. Die psychischen Belastungen und das Fatigue-Syndrom seien mitberücksichtigt und gewürdigt worden. Eine stärker behindernde Störung werde anerkannt. Der GdB betrage insgesamt 40.
Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 27.11.2020 zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB an und zog nachfolgend einen Befundbericht der H1 vom 07.04.2021 bei, wonach kein Rezidiv vorliege, die Klägerin jedoch sehr beeinträchtigt sei. F1 teilte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.04.2021 mit, dass sich durch die beigezogenen Befunde keine Änderung in der bisherigen Beurteilung ergebe.
Mit Bescheid vom 29.04.2021 hob der Beklagte den Bescheid vom 26.01.2016 insoweit auf, als der GdB ab dem 04.05.2021 nur noch mit 40 festgestellt wurde. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass die Heilungsbewährung eingetreten sei.
Die Klägerin legte hiergegen am 14.05.2021 Widerspruch ein, welchen sie mit Schreiben vom 14.06.2021 begründete. Sie führte an, dass sie weiterhin an massiven Einschränkungen durch die Depressionen und Ängste, die schmerzenden Narben, die starke Erschöpfung, die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, die Sensibilitätsstörungen an Händen und Füßen, die starken Nebenwirkungen durch das Medikament Tamoxifen und durch die Beeinträchtigung des Armes leide.
Der Beklagte zog weitere Befundberichte von H1, von B1 und der G1 sowie einen Bericht der P1 vom 19.07.2021 mit den Diagnosen mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom sowie anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei.
Z1 kam in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme zum Ergebnis, dass sich keine Änderung in der bisherigen Bewertung ergebe. Die Lymphstauung des linken Armes sei zusätzlich anzuerkennen. Die geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen seien wie folgt zu bewerten:
1. Depression - Teil-GdB von 30,
2. Teilverlust der linken Brust - Teil-GdB von 20,
3. Lymphstauung des linken Armes - Teil-GdB von 20,
4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule - Teil-GdB von 10.
Der GdB betrage insgesamt 40.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2022 als unbegründet zurück.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 10.02.2022 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt habe. Aus den Teil-GdB von 30, 20 und 20 sei ein GdB von insgesamt 50 festzustellen. Zudem seien das Fatigue-Syndrom sowie die Konzentrations- und Schlafstörungen ungenügend berücksichtigt worden. Der Teil-GdB von 30 sei zu niedrig bemessen.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.
P1 hat in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 19.09.2022 angegeben, dass bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig mittelgradiger depressiver Episode sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bestehe. Sie stimme der versorgungsärztlichen Beurteilung durch den Beklagten zu.
H2 hat mit Schreiben vom 23.09.2022 von insgesamt 2 Untersuchungen der Klägerin im Jahr 2021 und 2022 berichtet und angegeben, dass bei der Klägerin Angst und Depression gemischt sowie ein erstmals im Jahr 2015 diagnostiziertes Mammakarzinom links bestehe. Sie schließe sich der versorgungsärztlichen Beurteilung des Beklagten an.
G1 hat in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 07.10.2022 von rezidivierenden depressiven Erkrankungen bei gegenwärtig leicht- bis mittelgradiger Ausprägung, einer Polyneuropathie nach Chemotherapie mit Gefühlsstörungen der Fingerkuppen und Füßen, einem Zustand nach Mammakarzinom links mit Lymphstauung am linken Arm, psychisch-seelischen Traumafolgen und Schlafstörungen berichtet und angegeben, dass sie der grundsätzlichen Beurteilung des Versorgungsärztlichen Dienstes größtenteils zustimmen könne. Einzig zu bedenken sei, ob man das Fatigue-Syndrom sowie die Konzentrations- und Schlafstörungen stärker in der Beurteilung gewichte, da diese doch eine erhebliche Auswirkung auf die Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit hätten, sodass sich der GdB auf insgesamt 50 anhebe.
T1 hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 09.02.2023 angegeben, dass ihm lediglich ein Befund der K1 aus dem Jahr 2016 sowie ein radiologischer MRT-Kontrollbefund der Brust vom 25.01.2021 vorliege. Zu GdB-Einstufungen könne er aus fachlicher Sicht nichts beitragen.
H1 berichtet mit Schreiben vom 27.02.2023 von einer durchgeführten regelmäßigen Tumornachsorge und letzten Konsultationen im April und Juli 2022. Bei der Klägerin bestehe eine Brustkrebserkrankung mit medikamentöser Therapie, psychovegetativer Dysregulation und Depression. Die Diagnose Depression sei ihr bekannt. Das Mammakarzinom sei operiert und die Klägerin doch nun einige Jahre bei guter Gesundheit. Die Diagnose Lymphstauung sei ihr nicht bekannt, allerdings habe sie die Klägerin zuletzt vor ca. einem Jahr untersucht.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 03.07.2023 ein Vorerkrankungsverzeichnis sowie einen aktuellen Medikationsplan zu den Akten gereicht.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.07.2023 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid nach § 136 Abs. 3 SGG verwiesen. Ergänzend hat das SG ausgeführt, dass sich auch aus der Befragung der behandelnden Ärzte im Klageverfahren nichts Anderes ergeben habe. Während sich T1 und die H1 nicht zur Höhe des GdB geäußert hätten, sehe einzig G1 einen höheren GdB als angemessen an. Dabei sei jedoch darauf hinzuweisen, dass zum einen ihre Einschätzung eher vage wirke, wenn sie angebe, dass zu bedenken sei, ob man das Fatigue-Syndrom sowie die Konzentrations- und Schlafstörungen stärker in der Beurteilung gewichte. Zudem beziehe sie sich mit ihrer Einschätzung im Wesentlichen – wie bereits ausgeführt – darauf, dass Funktionsbeeinträchtigungen, die den Bereich der Psyche betreffen, stärker gewichtet werden sollten. Diesbezüglich hätten jedoch sowohl die die Klägerin regelmäßig behandelnde P1 als auch die H2 die gegenteilige Auffassung vertreten und ausgeführt, dass sie sich der Beurteilung des Beklagten ausdrücklich anschließen würden. Soweit von der Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zudem vorgetragen worden sei, dass die bei der Klägerin bestehenden Ängste mehr berücksichtigt werden müssten, sei darauf hinzuweisen, dass diese von der sachverständigen Zeugin H2 ausdrücklich als Diagnosen erwähnt worden seien, weshalb das SG davon ausgehe, dass diese in der Einschätzung von H2 mitberücksichtigt worden seien.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen das ihr am 07.08.2023 zugestellte Urteil am 06.09.2023 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ausgeführt, dass die psychischen Beeinträchtigungen mit einem GdB von 40 zu berücksichtigen seien. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Fatigue-Syndrom und die Konzentrations- und Schlafstörungen bereits bei den seelischen Störungen mitberücksichtigt sein sollten. Zudem verweise das SG auf die Ausführungen des Widerspruchbescheides, wobei unklar bleibe, welche Funktionsbeeinträchtigungen aus dem Widerspruchbescheid berücksichtigt worden seien, nachdem im Tatbestand die Funktionsbeeinträchtigung Lymphstauung des linken Armes mit einem Teil-GdB in Höhe von 20 nicht ausdrücklich aufgeführt worden, und in den Entscheidungsgründen ohne weitere Angaben nur auf den Widerspruchsbescheid verwiesen worden sei. Die gerichtliche Befragung der behandelnden G1 habe ergeben, dass neben den genannten Gesundheitsstörungen auch eine Polyneuropathie nach Chemotherapie sowie Störungen der Fingerkuppen und Füße vorlägen. Diese Funktionsbeeinträchtigungen seien einzeln mit zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.07.2023 sowie den Bescheid des Beklagten vom 29.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat zur Berufungserwiderung ausgeführt, dass tatsächlich zuletzt ein weiterer Teil-GdB von 20 für eine Lymphstauung des linken Armes mit einem Teil-GdB von 20 angenommen worden sei. Allerdings habe H1 in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 27.02.2023 hierzu ausgeführt, dass ihr diese Diagnose so nicht bekannt sei. Insofern sei hier nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung mit Auswirkung auf den Gesamt-GdB auszugehen. Auch zu der als Diagnose genannten Polyneuropathie nach Chemotherapie seien keine näheren Angaben bekannt. Auch hier sei von keinem Einfluss auf den Gesamt-GdB auszugehen.
Die psychische Beeinträchtigung einschließlich des Fatigue-Syndroms und der Schlafstörungen seien mit einem Teil-GdB von 30 bewertet worden, wobei dieser Bewertung N1 und H2 zugestimmt hätten.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 15.04.2024 mit den Beteiligten nichtöffentlich erörtert.
Der Senat hat M1 mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt. In seinem am 07.08.2024 erstellten Gutachten hat M1 folgende Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gestellt:
- Migräne ohne Aura seit der Krebsbehandlung mit einer Frequenz von 2-3 Tage im Monat,
- Missempfindungen den Zehen und Fingern nach Chemotherapie ohne elektrophysiologisch fassbare Zeichen einer Polyneuropathie/Nervenschädigung,
- mittelgradige depressive Episode, rezidivierend,
- Agoraphobie/Platzangst mit Panikattacken aktuell mehrfach in der Woche, multiple Phobien,
- Benzodiazepin-Niedrigdosis-Abhängigkeit,
- Schlafstörungen bei Schichtarbeit, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen,
- anamnestisch Wochenbettdepression,
- anamnestisch nächtliche Angstzustände 2004 mit Benzodiazepin-Behandlung/Diazepam,
- anamnestisch Suizidversuch 2006 mit Schlaftabletten.
Die Migräne ohne Aura sowie die Missempfindungen an den Zehen und Fingern nach Chemotherapie ohne elektrophysiologisch fassbare Zeichen einer Polyneuropathie/Nervenschädigung seien jeweils mit einem GdB von 10, die mittelgradige depressive Episode, rezidivierend mit einem GdB von 30, die Agoraphobie/Platzangst mit Panikattacken aktuell mehrfach in der Woche, multiple Phobien und Benzodiazepin-Niedrigdosis-Abhängigkeit mit einem GdB 30 zu bewerten. Insgesamt bestehe psychiatrisch ein GdB von 40. Fachfremd bestehe ein Mammakarzinom links 2015 mit 2 Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung, Hormonbehandlung mit Tamoxifen mit Entzündungen, Stuhlgang und Zahn- sowie Haarausfall und Schmerzen an den Gelenken sowie eine prophylaktische Amputation der Brust rechts sowie Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken wegen der familiären Belastung mit Krebs sowie ein Lymphödem im linken Arm und eine geringe Strahlendermatitis. Hierfür schlage er einen GdB von 40 vor. Der GdB betrage insgesamt 60.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 30.09.2024 mitgeteilt, dass nach dem Gutachten von M1 eine Herabstufung des GdB auf 40 nicht begründet sei und ab dem 04.05.2021 ein Gesamt-GdB von 60 vorliege.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 26.11.2024 eine versorgungsärztliche Stellungnahme von B2 vom 25.11.2024 eingereicht, wonach der Einschätzung von M1 für die rezidivierende Depression mit leichten sozialen Anpassungsstörungen gefolgt werden könne. Es liege hier jedoch keine stärker behindernde Störung vor, die über einen Teil-GdB von 30 hinausgehe. Bei der Klägerin bestehe zudem nach der Brustkrebs-Erkrankung eine Prothesenversorgung beidseits. Bis auf eine diskrete Strahlendermatitis der Haut im Bereich der linken Brust sei hier auch kein kosmetisch abstoßendes Ergebnis beschrieben, so dass ein Teil-GdB von 30 sachgerecht sei. Nach Verlust der Gebärmutter im mindestens 40. Lebensjahr und nach Geburt der Geburt von 3 Kindern sei kein GdB für den Verlust der Gebärmutter mehr anzunehmen. Die Migräneerkrankung ergebe einen Teil-GdB von 10. Für ein Lymph- (oder Lip)ödem, welches behandlungswürdig wäre und eine Lymphdrainage regelmäßig erfordern könnte, werde in den wenigen diesbezüglich vorliegenden Befunden keine GdB-Relevanz gesehen. M1 beschreibe lediglich eine leichte Umfangsvermehrung des linken Unterarmes, die er nicht messe. Es ergebe sich daher folgender Bewertungsvorschlag:
- seelische Störung, Migräne - Teil-GdB 30,
- Verlust beider Brüste, Aufbauplastik beider Brüste - Teil-GdB 30,
- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule - Teil-GdB 10.
Der Gesamt-GdB sei mit 40 zu bewerten.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 03.12.2024 vorgetragen, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 12.01.2022 die Lymphstauung des linken Arms gesondert tenoriert und mit einem Teil-GdB von 20 berücksichtigt habe. Die Klägerin erhalte auch Lymphdrainagen und trage dauerhaft einen angepassten Strumpf. Die Aussage von B2, wonach das Lymphödem mangels Befunde nicht beurteilt werden könne, überzeuge daher nicht. Auch nehme die Klägerin die psychiatrische Medikation weiterhin ein und habe diese nie abgesetzt. Sie habe sich sozial zurückgezogen, gehe nicht mehr mit ihren Freundinnen aus und habe auch keinen guten Kontakt mehr zu ihrer Familie. Es sei nicht zu einer Besserung gekommen, sondern die Hausärztin habe eine tagesklinische Behandlung für notwendig erachtet und einen entsprechenden Überweisungsschein ausgestellt. Auch liege weiterhin ein Benzodiazepinabusus vor. Zudem werde auch die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 14.10.2021 (Az.: L 6 SB 2703/20) verwiesen. Es werde beantragt, die Stellungnahme von B2 dem Gutachter nach § 109 SGG, M1 , zur Stellungnahme vorzulegen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß § 143 SGG statthaft und zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die – als isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthafte – zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 29.04.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 seit dem 04.05.2021.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des Gesamt-GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Demnach ist, soweit in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand des behinderten Menschen verschlechtert oder er sich durch den Wegfall oder einer Besserung bereits anerkannter Gesundheitsstörungen gebessert hat. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt. Ob dies der Fall ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit den zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 12.01.2022 vorliegenden Befunden zu ermitteln.
Die Rechtmäßigkeit einer Herabsetzung des GdB beurteilt sich grundsätzlich anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. BSG, Urteil vom 11.08.2015 – B 9 SB 2/15 R –, juris Rn. 13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.06.2023 – L 12 SB 3160/22 –, juris Rn. 23). Maßgeblich ist damit lediglich der Gesundheitszustand, wie er zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids, mithin am 12.01.2022, vorgelegen hat.
Der Anspruch auf Feststellung des GdB richtet sich für den Zeitraum vom 24.05.2019 bis 31.12.2023 nach § 152 und § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der vom 01.01.2018 bis 31.12.2023 geltenden Normfassung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234 <3238, 3280>) und für die Zeit seit dem 01.01.2024 nach § 152 SGB IX in der seit dem 01.01.2024 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 (BGBl. I, Nr. 146, S. 2) i.V.m. § 2 SGB IX. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse grundsätzlich – soweit wie hier Übergangsregelungen fehlen – nach dem Recht zu beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl. BSG, Beschluss vom 12.08.2021 – B 9 SB 20/21 B – juris Rn. 6).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (bis 31.12.2023) bzw. des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch (seit 01.01.2024) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis 31.12.2023 geltenden Normfassung bzw. § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung). Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX in der bis 31.12.2023 geltenden Normfassung bzw. § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Da noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX in der seit 01.01.2018 geltenden Normfassung). Hierbei handelt es sich um die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) in der vom 20.12.2019 bis 31.12.2023 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652, 2702) und der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 (BGBl. I, Nr. 146, S. 6). Die Grundsätze zur Feststellung des GdB sind in der Anlage zu § 2 VersMedV als Bestandteil dieser Verordnung festgelegt (vgl. § 2 VersMedV). Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) werden teilhabeorientiert auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft und der Medizintechnik unter Berücksichtigung versorgungsmedizinischer Erfordernisse fortentwickelt (§ 153a Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX in der seit 14.06.2023 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 06.06.2023 <BGBl. I, Nr. 146, S. 2>).
Allgemein gilt, dass der GdB nach den gleichen Grundsätzen wie der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bemessen wird, aber auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache, also final bezogen ist (Teil A Nr. 2 lit. a VG). Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens (Teil A Nr. 2 lit. a VG). Der GdB ist unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen (Teil A Nr. 2 lit. b VG). Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus (Teil A Nr. 2 lit. c VG). Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“) bezeichnet werden (Teil A Nr. 2 lit. c VG).
Bei der nach Zehnergraden abgestuften Feststellung des GdB (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der seit 01.01.2024 geltenden Normfassung) sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche, Augen, Ohren, Atmung, Herz und Kreislauf, Verdauung, Harnorgane, Geschlechtsapparat, Haut, Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem, innere Sekretion und Stoffwechsel, Arme, Beine, Rumpf (Teil A Nr. 2 lit. e VG). Die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (Teil A Nr. 2 lit. i VG). Sind die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, so ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Vergleichsmaßstab ist dabei nicht der behinderte Mensch, der überhaupt nicht oder kaum unter seinem Körperschaden leidet, sondern die allgemeine ärztliche Erfahrung hinsichtlich der regelhaften Auswirkungen. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen – z.B. eine Psychotherapie – erforderlich ist (Teil A Nr. 2 lit. i VG). Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände (Teil A Nr. 2 lit. j VG). Ist nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (Teil A Nr. 2 lit. j VG). Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind zwar Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden (Teil A Nr. 3 lit. a VG). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktions-beeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Teil A Nr. 3 lit. c VG). Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein (Teil A Nr. 3 lit. d VG): Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken. Die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung werden durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen (Teil A Nr. 3 lit. d sublit. ee Satz 1 VG). Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 lit. d sublit. ee Satz 2 VG).
Die auf diese Weise vorzunehmende Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe, die in freier Beweiswürdigung nach Maßgabe der VG vorzunehmen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2022 – B 9 SB 4/21 R – juris Rn. 21 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16.12.2021 – B 9 SB 6/19 R – juris Rn. 38 m.w.N.). Bei der rechtlichen Bewertung der Auswirkungen einer Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind die Gerichte an die Vorschläge der von ihnen gehörten Sachverständigen nicht gebunden (vgl. BSG, Beschluss vom 04.05.2020 – B 9 SB 84/19 B – juris Rn. 6 m.w.N.).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsakts (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 17/97 R – juris Rn. 23). Der Einzel- bzw. Teil-GdB ist keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsakts, ist nicht isoliert anfechtbar und erwächst auch nicht in Bindung (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 – 9/9a RVs 2/92 – juris Rn. 20; BSG, Beschluss vom 20.02.2019 – B 9 SB 67/18 B – juris Rn. 9).
Nach Teil B Nr. 14.1 VMG ist bei Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors bei Entfernung im Stadium (T1 bis T2) pN1 M0 ein GdB von 60 anzunehmen und eine Heilungsbewährung von fünf Jahren abzuwarten. Ein solcher Tumor wurde auch bei der Klägerin festgestellt. Der Beginn der Heilungsbewährung ist nach Teil B Nr. 1 c Satz 6 VMG der Zeitpunkt der Operation bzw. Primärtherapie, also die bei der Klägerin erfolgte Mastektomie am 12.03.2015. Am 04.05.2021, zum Zeitpunkt der Herabsetzung des GdB, war die Heilungsbewährung bereits über 5 Jahre abgelaufen und ein Rezidiv ist in dem Zeitraum der Heilungsbewährung nach den vorliegenden Berichten von H1 nicht wieder aufgetreten.
Dieser Ablauf der Heilungsbewährung stellt eine tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung bei malignen Erkrankungen basiert auf Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über die Gefahr des Auftretens einer Rezidiverkrankung in den ersten 5 Jahren nach der Erstbehandlung sowie der regelmäßig vorhandenen Angst vor einem Rezidiv. Die Heilungsbewährung erfasst darüber hinaus auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, der Beseitigung und der Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, bei Krebserkrankungen zunächst nicht nur den Organverlust zu bewerten. Vielmehr ist hier zunächst für einen gewissen Zeitraum unterschiedslos der Schwerbehindertenstatus zu gewähren. Die pauschale, umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer Bestand haben. Da nach der medizinischen Erfahrung nach rückfallfreiem Ablauf von 5 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krebserkrankung überwunden ist und außerdem neben der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind, ist der GdB dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.1995 – 9 RVs 14/94 –, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 01.12.2022 – L 7 SB 55/17 –, juris Rn 41).
Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßgaben und in Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 seit dem 04.05.2021.
Die das Funktionssystem „Weibliche Geschlechtsorgane“ betreffenden Gesundheitsstörungen der Klägerin sind mit einem GdB von 30 zu bemessen.
Nach Teil B Nr. 14.1 VG bedingt der beidseitige Verlust der Brust (Mastektomie) einen GdB von 40. Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Armes oder der Wirbelsäule als Operations- oder Bestrahlungsfolgen (z.B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nervenläsionen, Fehlhaltung) sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Im Fall einer Aufbauplastik zur Wiederherstellung der Brust mit Prothese ist je nach Ergebnis (z.B. Kapselfibrose, Dislokation der Prothese, Symmetrie) nach beidseitiger Mastektomie ein GdB von 20 bis 40 angemessen.
Die hiernach bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in Gestalt einer beidseitigen Brustprothesenversorgung sind mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. Der Senat entnimmt der sachverständigen Zeugenaussage von H1 vom 27.02.2023 gegenüber dem SG, dass die Klägerin rezidivfrei und bei guter Gesundheit sei. Besondere Funktionseinschränkungen wie eine Kapselfibrose, eine Dislokation der Prothesen oder eine schwergradige Asymmetrie, werden von H1 nicht mitgeteilt und sind auch dem beigefügten Bericht des T2 vom 30.01.2017 nicht zu entnehmen. Das von M1 - zweieinhalb Jahre nach dem hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vom 12.01.2022 - diagnostizierte Lymphödem des linken Arms und die geringe Strahlendermatitis wurden von H1 nicht diagnostiziert. Die sachverständige Zeugenaussage der G1 führt die Diagnose zwar in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 07.10.2022 auf, teilt jedoch keine diesbezüglichen Befunde oder Behandlungsmaßnahmen mit. M1 erhebt als Befund ein leichtes Lymphödem am Unterarm links sowie geringe Zeichen einer Strahlendermatitis ohne genauere Messungen des Umfangs. Das leichtgradige Lymphödem ist daher als Folge der Brustkrebserkrankung im Funktionssystem „Weibliche Geschlechtsorgane“ und nicht gesondert im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ zu berücksichtigen (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2021 – L 6 SB 2703/20 –, juris Rn. 49). Letztlich wäre jedoch auch bei einer Berücksichtigung im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ nach Teil B Nr. 9.2.3. VG der GdB bei einem Lymphödem an einer Gliedmaße ohne wesentliche Funktionseinschränkung mit Erfordernis einer Kompressionsbandage nur ein GdB von 0 bis 10 festzustellen. Selbst wenn die von M1 in seinem Gutachten vom 07.08.2024 festgestellten Missempfindungen an den Zehen und Fingern nach Chemotherapie ohne elektrophysiologisch fassbare Zeichen einer Polyneuropathie/Nervenschädigung wie auch das Lymphödem sowie die geringgradige Strahlendermatitis als Folgen der Krebsbehandlung bei grundsätzlich zufriedenstellenden Ergebnis der Mastektomie ohne Fibrosen, Dislokation oder Asymmetrie im Funktionssystem „Weibliche Geschlechtsorgane“ zu berücksichtigen wären, wäre insgesamt weiterhin ein GdB von 30 angemessen.
Die das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ betreffenden Gesundheitsstörungen der Klägerin sind mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Auf psychiatrischem Fachgebiet bestand zum hier maßgeblichen Zeitpunkt am 12.01.2022 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Senat entnimmt dies der sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden P1 vom 19.09.2022 sowie dem Gutachten von M1 vom 07.08.2024.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) rechtfertigen einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach ICD-10 F30.- oder F40.- handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10.07.2017 – B 9 V 12/17 B – juris Rn. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.01.2017 – L 6 VH 2746/15 – juris Rn. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ zielt schon begrifflich zumindest auch auf Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder (gleichgestellter) psychotherapeutischer Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010 – L 8 SB 1549/10 – juris Rn. 31; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2018 – L 6 SB 4718/16 – juris Rn. 42; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 10.08.2023 – L 6 SB 1549/21 – juris Rn. 67).
Hiernach sind unter Teil B Nr. 3.7 VG im vorliegenden Fall insbesondere die depressive Erkrankung sowie die somatoforme Schmerzstörung zu bewerten.
Das hiernach zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 12.01.2022 objektivierbare Ausmaß der bei der Klägerin bestehenden Funktionseinschränkungen i.S.v. Teil B Nr. 3.7 VG rechtfertigt die Einordnung als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und die entsprechende Bewertung mit einem GdB von 30. Da trotz der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung lediglich eine Stabilisierung auf eine mittelgradige depressive Episode gelungen war, geht das Störungsbild der Klägerin über eine leichtere psychovegetative oder psychische Störung hinaus. H2 hat zwar in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 23.09.2022 lediglich eine Angst- und depressive Störung gemischt diagnostiziert, was nach dem ICD 10-Code F41.2 einer leichtgradigen Störung entspricht, allerdings hat die sachverständige Zeugin H2 die Klägerin lediglich am 16.09.2021 sowie am 31.01.2022 behandelt und zudem der Einschätzung des GdB durch den Beklagten mit 30 zugestimmt. Eine schwere Störung, die einen GdB von 50 rechtfertigen könnte, ist hingegen zum maßgeblichen Zeitpunkt am 12.01.2022 nicht feststellbar, da die einzelnen Teilaspekte des komplexen Störungsbildes jeweils im Wesentlichen nur leicht- bis mittelgradige Funktionseinschränkungen beschreiben. Eine Ausschöpfung des bis zu einem GdB von 40 reichenden GdB-Rahmens für eine stärker behindernde Störung ist vorliegend entgegen dem Vorschlag von M1 nicht gerechtfertigt. Ein GdB von 40 nach Teil B Nr. 3.7 VG setzt grundsätzlich kumulativ eine an der Grenze zur schweren Störung bestehende Einschränkung sowohl der Erlebnisfähigkeit als auch der Gestaltungsfähigkeit voraus. Während die Erlebnisfähigkeit auf das befundgestützt zu objektivierende subjektive Erleben abhebt, geht es bei der Gestaltungsfähigkeit um Auswirkungen der psychischen Funktionseinschränkungen insbesondere auf Alltagskompetenzen, sodass etwa ohne nachgewiesene höhergradige Einschränkungen in der Alltagsgestaltung ein GdB von 40 regelmäßig nicht zu begründen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.06.2024 – L 8 SB 1175/22 –, juris Rn. 59).
Die Erlebnisfähigkeit der Klägerin wurde bereits bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 12.01.2022 insbesondere durch die depressive Symptomatik, die Erschöpfungsgefühle sowie das Schmerzerleben eingeschränkt. Die Klägerin litt nach den Angaben der P1 unter erheblichen Ein- und Durchschlafstörungen mit starker Grübelneigung, überhöhtem Anspannungsniveau und der subjektiven Unfähigkeit, sich zu entspannen. Diese Symptomatik hat nach den Angaben der Klägerin seit dem Jahr 2019 zu gehäuften Arbeitsunfähigkeitszeiten und der nachfolgenden Umstellung der Arbeitszeit der Klägerin geführt. Die vom Wahlsachverständigen M1 am 21.06.2024 erhobenen Befunde, auf die es hier zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage zum maßgeblichen Zeitpunkt des 12.01.2022 nicht entscheidungserheblich ankommt, würden zu keiner abweichenden Beurteilung führen. Die Klägerin zeigte sich bei der Begutachtung durch M1 im Antrieb passiv-aggressiv und mit eingeschränkter Affektivität und Emotionalität sowie psychomotorischer Unruhe. Mnestische Störungen oder Gedächtnisstörungen lagen jedoch nicht vor. Auch das Durchhaltevermögen der Klägerin war nicht beeinträchtigt. Allerdings zeigte sich ein erheblicher Schmerzmittelkonsum mit der täglichen Einnahme von drei Mal 800 mg Ibuprofen. Bezüglich der Erlebnisfähigkeit liegt bei der Klägerin nach den von M1 erhobenen Befunden und den Ausführungen der P1 eine mittelschwere Störung vor. Hinsichtlich der Gestaltungsfähigkeit sind bei der Klägerin jedoch durchaus noch wesentliche Alltagskompetenzen festzustellen. So ist sie weiterhin in der Lage, ihrer beruflichen Tätigkeiten nachzugehen. Zudem versorgt sie sich selbst und war auch nach den Angaben bei der Begutachtung bei M1 noch in der Lage, in ihr Heimatland Griechenland in den Urlaub zu fahren, wo sie in ihrem Heimatdorf ein Haus besitzt. Zudem hat die Klägerin zumindest im familiären Kreis noch soziale Kontakte und geht auch mit Freudinnen aus. Die von der Klägerin angegebene Angststörung sowie die Zwangsgedanken beruhen im Wesentlichen auf den anamnestischen Angaben sowie den testpsychologischen Untersuchungen und konnten bei der Untersuchung für den Senat nicht hinreichend validiert werden. Insbesondere haben sich diese Störungen noch nicht auf die Alltags- und Freizeitgestaltung der Klägerin ausgewirkt. Der Alltag der Klägerin ist wesentlich durch die Schmerzerkrankung, die Erschöpfung und die depressive Erkrankung beeinträchtigt. Aus den hiernach objektivierbaren Einschränkungen der Klägerin in der Alltagsgestaltung ist somit eine wesentliche Einschränkung auch der Gestaltungsfähigkeit durchaus nachvollziehbar. Diese erreicht aber kein Ausmaß, welches die Bewertung der stärker behindernden Störung nach Teil B Nr. 3.7 VG mit einem GdB von 40 rechtfertigen könnte. Der Senat vermag daher nicht der Einschätzung von M1 in seinem Gutachten vom 07.08.2024 zu folgen. Soweit dieser für die Angststörung sowie die Benzodiazepinabhängigkeit jeweils einen GdB von 30 feststellt, entspricht dies nicht dem objektivierbaren Ausprägungsgrad, zumal auch erhebliche Überschneidungen mit der depressiven Erkrankung vorliegen. Hierauf weist auch B2 in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.11.2024 zutreffend hin. Eine eigenständige Behandlung dieser Störungen erfolgte bislang nicht. Eine gesonderte Feststellung eines GdB von 30 kommt daher - auch über den hier maßgeblichen Zeitraum hinaus - nicht in Betracht. Der von M1 befürwortete GdB von insgesamt 40 überzeugt angesichts der noch erhaltenen Tagesstruktur und Berufstätigkeit nicht. Höherfrequente Behandlungsmaßnahmen finden nicht statt. Eine wesentliche Befundverschlechterung im Vergleich zu den von der P1 und der H2 mitgeteilten Befunden, welche beide jeweils einen GdB von 30 als angemessen erachtet haben, wäre auch unter Berücksichtigung der von M1 erhobenen Befunde nicht festzustellen.
Im Funktionssystem „Kopf und Gesicht“ leidet die Klägerin an einer Migräne ohne Aura mit Anfällen von 2 bis 3 Tagen im Monat. Es handelt sich somit um eine leichte Verlaufsform, welche nach den Teil B Nr. 2.3 VG mit einem GdB von 10 angemessen bewertet ist. Eine mittelgradige Verlaufsform mit häufigeren Anfällen, jeweils einen oder mehrere Tage andauernd sind auch im Gutachten von M1 nicht angegeben worden.
Die das Funktionssystem „Rumpf“ betreffenden Gesundheitsstörungen der Klägerin sind mit einem GdB von 10 zu bewerten.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomiesyndrom) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen GdB von 20. Ein GdB von 30 setzt entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mindestens mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Die Klägerin befindet sich vorliegend nicht in laufender fachorthopädischer Behandlung. Befundberichte, welche einen höheren GdB als den vom Beklagten zuerkannten GdB von 10 rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Der vom Beklagten festgestellte GdB von 10 ist daher nicht zu beanstanden.
Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist von dem GdB von 30 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ sowie von dem GdB von 30 im Funktionssystem „Weibliche Geschlechtsorgane“ auszugehen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch im Funktionssystem „Weibliche Geschlechtsorgane“ bei der Bewertung des Folgezustands nach dem Eintritt der Heilungsbewährung die psychovegetativen Begleiterscheinungen mitberücksichtigt sind und daher eine Überschneidung vorliegt (vgl. Senatsurteil vom 13.11.2020 – L 8 SB 2/19 –, juris Rn. 53; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.08.2023 – L 6 SB 1549/21 –, juris). Der GdB von 30 für die depressive Erkrankung, welcher bereits im Bescheid vom 26.01.2016 mitberücksichtigt wurde, beruhte bereits wesentlich auf einer erneuten Anpassungsstörung infolge der Mamma-Karzinom-Erkrankung. Die davor bestehende Anpassungsstörung infolge der Trennung und Ehescheidung im Jahr 2014 stand nach der Aussage des S1 vom 18.12.2015 gegenüber der Beklagten nicht mehr im Vordergrund. Zudem führen sowohl die weiterhin infolge der Brustkrebserkrankung erforderliche Medikation mit Tamoxifen als auch die depressive Erkrankung zu erhöhter Erschöpfbarkeit und Schmerzempfindungen, so dass sich die Auswirkungen auch insoweit überschneiden. Es ist somit unter Berücksichtigung der GdB-Werte von jeweils 30 ein GdB von 40 zu bilden. Die weiteren festzustellenden GdB von jeweils 10 aufgrund des Wirbelsäulenleidens und aufgrund der Migräne rechtfertigen keine weitere Erhöhung auf einen Gesamt-GdB von 50, da hierdurch keine derartige Erhöhung des Gesamtausmaßes der Behinderungen erreicht wird, welche die Anerkennung einer Schwerbehinderung rechtfertigen könnte. Auch aus dem zuletzt von der Klägerin zitierten Urteil des 6. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 14.10.2021 (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2021 – L 6 SB 2703/20 –, juris) folgt keine anderweitige Bewertung des GdB. Soweit im Leitsatz angegeben wird, dass nach den Vorgaben der VG in Teil B Nr. 14.1 auch Operations- und Bestrahlungsfolgen nach einer Chemotherapie im Funktionssystem "Weibliche Geschlechtsorgane" zu bewerten sind, so dass eine Zuordnung der therapiebedingten Funktionseinschränkungen zu anderen Funktionssystemen, an denen die Folgen manifest werden, ausscheidet, hat der Senat im vorliegenden Fall die Bestrahlungsfolgen bereits im Funktionssystem „Weibliche Geschlechtsorgane“ bewertet und stimmt insoweit der Ansicht des 6. Senats überein. Die Bildung des Gesamt-GdB erfolgt jedoch immer bezogen auf den jeweiligen Einzelfall, worauf auch der 6. Senat in seinem 2. Orientierungssatz hinweist (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 57). Der GdB beträgt jedoch nach den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen und nach den dargestellten Maßstäben im vorliegenden Fall insgesamt 40.
Der gemäß Teil A Nr. 3 lit. b VG bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen anzustellende Vergleich mit Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen, für die im Tabellenteil der VG ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (vgl. BSG Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – juris Rn. 24), bestätigt, dass die Klägerin ab dem 04.05.2021 nicht mehr schwerbehindert ist. Denn die Klägerin ist durch ihre Gesundheitsstörungen und daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht in ähnlich gravierender Weise in ihrer Lebensführung eingeschränkt wie behinderte Menschen mit einem Verlust aller fünf Finger einer Hand oder eines Armes im Unterarm, mit einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, einem Verlust eines Beins im Unterschenkel, einer völligen Harninkontinenz oder einem künstlichen After, einem völligen Verlust der Nase, einer beidseitigen kompletten Lähmung des Gesichtsnervs, einer völligen Stimmlosigkeit oder einer Artikulationsstörung mit unverständlicher Sprache. Das Ausmaß der Behinderungen der Klägerin und der daraus folgenden Beeinträchtigung ihrer Teilhabe an der Gesellschaft erreicht im Vergleich dazu nicht ein Ausmaß, das die Feststellung eines GdB von 50 über den 04.05.2021 hinaus rechtfertigt.
Angesichts des entscheidungserheblichen Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung am 12.01.2022 sah sich der Senat auch nicht veranlasst, dem Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 03.12.2024 zu entsprechen und eine ergänzende Stellungnahme von M1 zu den Ausführungen von B2 einzuholen. Bei dem Antrag vom 03.12.2024 handelt es sich nicht um einen Beweisantrag, da ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag sowohl die Angabe des Beweismittels als auch des Beweisthemas erfordert und zudem anzugeben ist, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden soll (vgl. BSG, Beschluss vom 05.06.2023 – B 12 BA 12/22 B –, juris Rn. 15 ff.; BSG, Beschluss vom 28.11.2022 – B 9 SB 28/22 B –, juris Rn. 8). Unbestimmte bzw. unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (vgl. BSG, Beschluss vom 15.06.2022 - B 9 SB 10/22 B - juris Rn. 8; BSG, Beschluss vom 06.04.2017 - B 9 V 89/16 B - juris Rn. 7). Der Antrag vom 03.12.2024 genügt den genannten Anforderungen nicht, da weder ein Beweisthema noch die Tatsachen, über welche Beweis erhoben werden soll, dargelegt werden. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen das Gutachten von M1 erläuterungsbedürftig und daher eine ergänzende Befragung notwendig ist (vgl. BSG, Beschluss vom 24.06.2020 – B 9 SB 79/19 B –, juris Rn. 7 ff.). Es handelt sich somit lediglich um eine Beweisanregung, welcher der Senat im Hinblick auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 12.01.2022 nicht nachzukommen braucht. Aus demselben Grund bestand für den Senat kein Anlass das Ergebnis der angedachten tagesklinischen Behandlung der Klägerin abzuwarten. Diesbezüglich bleibt es der Klägerin unbenommen, nach Abschluss der Behandlung einen Neufeststellungsantrag beim Beklagten zu stellen.
Die Berufung war dementsprechend zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.