Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022.
Die 1981 geborene Klägerin zu 1 und der 1954 geborene Bevollmächtigte der Klägerinnen und des Klägers (künftig: Bevollmächtigter) sind verheiratet und die Eltern der mit ihnen zusammenlebenden, 2006 geborenen Klägerin zu 2, des 2009 geborenen Klägers zu 4 und der 2014 geborenen Klägerin zu 3. Die Klägerinnen und der Kläger stehen seit langem beim Beklagten im Grundsicherungsleistungsbezug nach dem SGB II. Der Bevollmächtigte ist als Bezieher einer Altersrente für Schwerbehinderte nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
Die Klägerin zu 1 nahm in der Zeit vom 11.09.2019 bis 28.07.2021 an einer Maßnahme zur Weiterbildung als Erzieherin teil. Ausweislich der zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung förderte der Beklagte diese Teilnahme. So hieß es in Ziffer 4.: „Unterstützung durch das Jobcenter: Zur Unterstützung Ihrer beruflichen Weiterbildung fördert das Jobcenter Ihre Teilnahme an der von Ihnen ausgewählten Maßnahme Staatlich anerkannte Erzieherin 624/152/19 beim Träger R1 gGmbH, K1-anlage, in H1 für die Zeit vom 11.09.2019 bis 28.07.2021. Mit der Teilnahme an dieser Maßnahme soll Ihr Weiterbildungsziel Erzieherin gefördert werden. Das Jobcenter übernimmt die notwendigen und angemessenen Fahrkosten und Kinderbetreuungskosten, die Ihnen durch die Teilnahme an der Maßnahme zusätzlich entstehen.“
Mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vom 07.01.2022 beantragten die Kläger ausweislich ihres Begleitschreibens neben Leistungen zur Lebensunterhaltssicherung und der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) auch die Übernahme der Kosten der Klägerin zu 1 für ihre Fahrten zur Arbeit in Höhe von monatlich 20,00 Euro und der Kosten der Betreuung für die Klägerin zu 3 in Höhe von monatlich 58,00 Euro. Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 17.01.2022 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.03.2022 bis 31.08.2022 Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 668,60 Euro (Klägerin zu 1: 251,55 Euro, Klägerin zu 2: 158,46 Euro, Klägerin zu 3: 128,01 Euro, Kläger zu 4: 130,58 Euro). Dabei berücksichtigte er auf den Gesamtbedarf in Höhe von 2.131,60 Euro (Klägerin zu 1: 404,00 Euro (Regelbedarf) + 182,40 Euro (KdU); Klägerin zu 2: 376,00 Euro (Regelbedarf) + 182,40 (KdU); Klägerin zu 3: 311,00 Euro (Regelbedarf) + 182,40 Euro (KdU); Kläger zu 4: 311,00 Euro (Regelbedarf) + 182,40 Euro (KdU)) Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 in Höhe von 1.220,00 Euro abzüglich eines Freibetrags in Höhe von 330,00 Euro, mithin 890,00 Euro (1.220,00 Euro – 330,00 Euro = 890,00 Euro) sowie Einkommen aus Kindergeld der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 4 in Höhe von jeweils 219,00 Euro und der Klägerin zu 3 in Höhe von 225,00 Euro abzüglich einer Versicherungspauschale in Höhe von je 30,00 Euro. Zur Begründung der Vorläufigkeit der Bewilligungsentscheidung führte der Beklagte aus, diese beruhe auf dem Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1.
Zur Begründung ihres hiergegen am 01.02.2022 erhobenen Widerspruchs führten die Kläger im Wesentlichen aus, in Bezug auf das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 sei ein Freibetrag zu berücksichtigen. Kindergeld stelle kein Einkommen dar. Auch seien die Nachmittagsbetreuungskosten in Höhe von monatlich 58,00 Euro und eventuell das Schulgeld zu berücksichtigen. Die Klägerin zu 1 sei tagsüber berufsbedingt abwesend. Die Klägerin zu 3 habe ein Anrecht auf Betreuung in der Grundschule. Dies sei auch für die Sprachförderung wichtig. Zudem seien die Krankenversicherungskosten der Klägerinnen zu 2 und 3 und des Klägers zu 4 in Höhe von je 11,36 Euro sowie die Fahrtkosten der Klägerin zu 1 für den Arbeitsweg in Höhe von monatlich 20,00 Euro zu berücksichtigen. Dem Widerspruch legten sie u.a. eine Schulbescheinigung für die Klägerin zu 3 bei, wonach das Schulgeld 40,00 Euro monatlich und das Betreuungsgeld 58,00 Euro monatlich betrage, eine Fahrpreisbestätigung der monatlichen Kosten des Jahresabonnements der R2 GmbH über 20,00 Euro, eine Beitragsbescheinigung über die Versicherungsbeiträge für die private Zusatzkrankenversicherung der Klägerinnen zu 2 und 3 und des Klägers zu 4.
Mit Schreiben vom 07.02.2022 forderte der Beklagte die Kläger auf, nachzuweisen, dass die Stadt H1 die Betreuungskosten für die Klägerin zu 3 nicht übernehme und – soweit dies zutreffe – zu erklären, warum sich der Bevollmächtigte, der keiner Arbeit nachgehe, nachmittags nicht um die Klägerin zu 3 kümmern könne. Zudem wies er sie auf die seiner Meinung nach bestehende Erfolglosigkeit des Widerspruchsverfahrens hin.
Mit Schreiben vom 02.03.2022, das mit „Leistungen für Bildung und Teilhabe“ überschrieben war, erklärten die Kläger u.a., die monatlichen Betreuungskosten für die Klägerin zu 3 beliefen sich auf 58,00 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2022 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Vom Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 habe er einen Freibetrag in Höhe von 330,00 Euro abgezogen, womit auch die Fahrtkosten zur Arbeit abgedeckt gewesen seien. Kindergeld sei gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II als Einkommen der Kinder zu berücksichtigen. Die Krankenzusatzversicherungen der Kinder habe er mit dem Freibetrag in Höhe von jeweils 30 Euro (§ 6 Abs. 1 Ziff. 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung <Alg II-VO>) auf das Einkommen aus Kindergeld berücksichtigt. Hinsichtlich der Betreuungskosten für die Klägerin zu 3 hätten die Kläger trotz Aufforderung nicht belegt, dass diese im Rahmen des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (SGB VIII) nicht übernommen würden. Auch handele es sich nicht um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben (§ 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II), denn schließlich gebe es einen Vater, der zur Betreuung des Kindes in der Lage sei.
Zur Begründung ihrer deswegen zum Sozialgericht (SG) Mannheim am 21.03.2022 erhobenen Klage haben die Kläger im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten ergebe sich aus der Eingliederungsvereinbarung vom 09.09.2019. Zudem sei Kindergeld kein Einkommen.
Mit Bescheid vom 31.03.2022 hat der Beklagte den Antrag der Kläger vom 02.03.2022 auf Leistungen für Bildung und Teilhabe u.a. für Betreuungskosten für die Klägerin zu 3 abgelehnt. Hierbei handele es sich nicht um Bedarfe für Bildung und Teilhabe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2022 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, soweit mit der Eingliederungsvereinbarung vom 09.09.2019 der Klägerin zu 1 eine Übernahme der notwendigen Kinderbetreuungskosten während der Teilnahme an einer Maßnahme zugesagt worden sei, führe dies nicht zu einem Anspruch in der Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022, nachdem die Klägerin zu 1 die Maßnahme am 28.07.2021 beendet habe. Ein Mehrbedarf nach § 22 Abs. 6 SGB II liege mangels Unabweisbarkeit offensichtlich nicht vor, da die Betreuungskosten vom SGB VIII-Träger übernommen werden könnten. Deswegen haben die Kläger Klage zum SG erhoben. Im Rahmen des unter dem Aktenzeichen S 12 AS 1054/23 geführten Klageverfahrens haben sie u.a. eine Schulbescheinigung für die Klägerin zu 3 mit folgendem Inhalt vorgelegt: „Im Rahmen des Konzeptes einer gebundenen Ganztagsschule sind die Kinder verpflichtet bis mindestens um 15.30 Uhr an der Schule zu bleiben und einen Tag „lang" zu nutzen. Am diesem „langen Tag" ist das Schulende dann um 16.45 Uhr. In der Verknüpfung von Leben und Lernen an der Schule finden im schulischen Nachmittagsbereich eine hausaufgabenersetzende Zeit sowie vielfältige Freizeitangebote statt. Der Nachmittagsbereich zwischen 12.45 Uhr und 15.30 Uhr plus dem mindestens einem langen Tag bis 16.45 Uhr muss von der Konzeption her wie beschrieben genutzt werden.“
Mit Gerichtsbescheid vom 07.08.2023 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, soweit die Klage auf die Übernahme der Betreuungskosten gerichtet sei, stehe ihr bereits die Rechtskraft des Urteils des 12. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 16.12.2022 in dem Berufungsverfahren L 12 AS 1890/22 entgegen, mit dem dieser die Ablehnung der Übernahme der Betreuungskosten „für das Jahr 2022 bestätigt habe“.
Während des Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 17.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2022 hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 24.05.2022 für die Zeit vom 01.07.2022 bis zum 31.08.2022 eine Änderung in der Höhe des Rentenanspruchs des Bevollmächtigten berücksichtigt, ohne dass dies Auswirkungen auf die Anspruchshöhe der Kläger gehabt hat.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.06.2023 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Leistungsberechnung des Beklagten erweise sich in den von den Klägern ausdrücklich beanstandeten Punkten als rechtmäßig. Eine Rechtsgrundlage für die Auffassung der Kläger, Kindergeld dürfe nicht als Einkommen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angerechnet werden, sei nicht ersichtlich. Die Fahrtkosten der Klägerin zu 1 zur Arbeit in Höhe von lediglich 20,00 Euro monatlich gingen in dem Erwerbstätigenfreibetrag auf. Selbst wenn die monatlichen Kosten in Höhe von 58,00 Euro für die Nachmittagsbetreuung der Klägerin zu 3 als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben anzusehen wären, würden sie sich mit den Fahrtkosten zusammen nicht auf über 100,00 Euro summieren. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwieweit es sich bei den Kosten für die Nachmittagsbetreuung um notwendige Ausgaben zur Einkommenserzielung der Klägerin zu 1 handeln sollte, da der 1954 geborene Ehemann und Vater der Klägerin zu 3 als Altersrentner keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und insoweit deren Betreuung in den Nachmittagsstunden sicherstellen könne. Jedenfalls aber seien die Kläger bezüglich der Kosten für die Nachmittagsbetreuung vorrangig auf die Inanspruchnahme der Möglichkeit einer Befreiung vom Kostenbeitrag nach dem SGB VIII zu verweisen. Ebenso wenig sei eine Anspruchsgrundlage ersichtlich für die Übernahme des Schulgeldes für den Besuch einer privaten Grundschule durch die Klägerin zu 3. In unmittelbarer Nachbarschaft der Wohnung der Kläger befinde sich eine öffentliche Grundschule, deren Besuch der Klägerin zu 3 ohne Weiteres kostenfrei möglich und selbstverständlich zumutbar wäre. Die Aufwendungen für Krankenzusatzversicherungen für die Kläger zu 2 bis 4 würden vollumfänglich durch den Abzug der Versicherungspauschale des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-VO bei der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen abgedeckt.
Gegen den ihnen am 15.06.2023 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 06.07.2023 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung führen sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens aus, das angerechnete Einkommen stimme nicht, insbesondere nicht für den Monat August. Der Europäische Gerichtshof gehe in einer Entscheidung davon aus, dass Kindergeld keine Sozialhilfeleistung im Sinne von möglichen Ausnahmen-Bestimmungen darstelle, da es nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts diene, sondern dem Ausgleich von Familienlasten. Kindergeld bekomme nicht die Mutter, sondern es werde auf das Konto des Klägers zu 4 überwiesen, weshalb es nicht als Einkommen bei der Mutter angerechnet werden könne.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Juni 2023 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2022 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 1. März 2022 bis zum 31. August 2022 höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen aus Kindergeld und unter Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten in Höhe von monatlich 58,00 Euro, der Fahrtkosten der Klägerin zu 1 in Höhe von 20,00 Euro und der Kosten für die Krankenzusatzversicherung für die Kläger zu 2 bis 4 in Höhe von je 11,36 Euro monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 24.10.2023 einen Erörterungstermin durchgeführt.
Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tag die Berufung der Kläger (L 9 AS 2509/23) gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 07.08.2023, der den Bescheid vom 31.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2022 zum Gegenstand hatte, zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten, auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Akte des zwischen den Beteiligten geführten Berufungsverfahrens L 9 AS 2509/23 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.
Der Bevollmächtigte konnte die Klägerinnen und den Kläger als deren Ehemann bzw. Vater gem. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGG wirksam in dem vorliegenden Rechtsstreit vertreten.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem erstinstanzlichen Gerichtsbescheid vom 12.06.2023 der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 17.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.05.2022, mit welchem der Beklagte den Klägern vorläufig Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022 bewilligt hat. Bis zum Entscheidungszeitpunkt hat der Beklagte keinen den vorläufigen Bewilligungsbescheid ersetzenden, endgültigen Bewilligungsbescheid für den hier streitgegenständlichen Zeitraum erlassen. Soweit der Beklagte mit dem vorliegenden Bescheid die Gewährung höherer Leistungen auch unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Betreuungskosten abgelehnt hat, bezieht sich diese Ablehnung auf den mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 07.01.2022 ausdrücklich gestellten Antrag auf Übernahme der Betreuungskosten. Dieser Antrag war entsprechend des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24.04.2015 - B 4 AS 22/14 R - juris, Rn. 19 m.w.N.) unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen, mithin auch unter dem Gesichtspunkt der Leistungen für Bildung und Teilhabe. Durch die erneute Ablehnung der Übernahme der Betreuungskosten in dem Bescheid vom 31.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2022 hat der Beklagte keinen den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 17.01.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 08.03.2023 (teilweise) ersetzenden Zweitbescheid erlassen (zur Figur des Zweitbescheides BSG, Urteil vom 07.04.2016 - B 5 R 26/15 R -, juris Rn. 18). Denn ein Zweitbescheid setzt voraus, dass nach bestandskräftig abgeschlossenem Verwaltungsverfahren ein erneuter Antrag nach erneuter sachlicher Prüfung abgelehnt wird (Engelmann, in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 31 Rn. 58). Vorliegend war bei Erlass des Bescheides vom 30.03.2022 das durch den Antrag vom 02.01.2022 eingeleitete Verwaltungsverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen. Vielmehr hat der Beklagte mit dem Ausspruch im Bescheid vom 31.03.2022 die Ablehnung vom 17.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2022 nur unter Nennung einer weiteren Begründung – nämlich, dass insoweit auch keine Leistung zur Bildung und Teilhabe in Betracht kommt – wiederholt. Allein durch die Ergänzung der Begründung des Bescheides vom 17.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2022 bekommt der Ausspruch in dem hier gegenständlichen Bescheid keine Verwaltungsaktsqualität (Engelmann, in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 31 Rn. 58). Soweit das SG in dem den Bescheid vom 31.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2022 betreffenden Gerichtsbescheid vom 07.08.2023 (S 12 AS 1054/22) die Zulässigkeit der u.a. auf Übernahme der Betreuungskosten „für das Jahr 2022“ gerichteten Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils des 12. Senats des LSG in dem von den Beteiligten geführten Berufungsverfahren L 12 AS 1890/20 verneint hat, ist dies nicht zutreffend. Zunächst liegt keine Entscheidung des Beklagten über die Ablehnung der Betreuungskosten für das gesamte Jahr 2022 vor. Vielmehr betrifft die Ablehnung – wie oben ausgeführt – den Bewilligungszeitraum, mithin die Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022. Zudem sind die Kosten der Nachmittagsbetreuung ebenso wenig wie der Bescheid vom 31.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2022 in dem Verfahren L 12 AS 1890/22 streitgegenständlich gewesen.
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen. Sie haben keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022.
Der Grundsicherungsleistungsanspruch umfasst nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II (in der Fassung vom 24.03.2011) den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die Höhe des den Klägern zustehenden Regelbedarfs richtet sich nach § 20 Abs. 1a Satz 1 SGB II. Danach wird der Regelbedarf in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe (§ 20 Abs. 2 bis 4 SGB II) entsprechend § 28 SGB XII in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) und den §§ 28a und 40 SGB XII in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Danach hat in dem hier streitigen Zeitraum die verheiratete, mit dem Kindsvater zusammenlebende Klägerin zu 1 nach der Regelbedarfsstufe 2 einen Regelbedarf in Höhe von 404,00 Euro, die 2006 geborene Klägerin zu 2 als Jugendliche zwischen dem Alter von 14 und 17 Jahren hat einen Regelbedarf von 376,00 Euro und die 2009 und 2014 geborenen Kläger zu 3 und 4 als Kinder zwischen dem Alter von 6 bis 13 Jahren haben jeweils einen Regelbedarf von 311,00 Euro. Hiervon ist auch der Beklagte in dem streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid ausgegangen. Ebenso zutreffend hat der Beklagte die tatsächlichen KdU (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) in Höhe von 729,60 Euro (Grundmiete in Höhe von 469,60 Euro, Heizkosten in Höhe von 184,00 Euro und Nebenkosten in Höhe von 76,00 Euro) anteilig pro Person in Höhe von jeweils 182,40 Euro als weiteren Bedarf berücksichtigt.
Insgesamt ist der Beklagte damit zutreffend für die Kläger von folgenden Bedarfen für die Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.08.2022 ausgegangen: Klägerin zu 1: 586,40 Euro (404,00 Euro + 182,40 Euro); Klägerin zu 2: 558,40 Euro (376,00 Euro + 182,40); Klägerin zu 3: 493,40 Euro (311,00 Euro + 182,40 Euro); Kläger zu 4: 493,40 Euro (311,00 Euro + 182,40 Euro).
Nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte das Einkommen der Klägerin zu 1 aus Erwerbstätigkeit bedarfsmindernd berücksichtigt hat. Denn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen, wozu unstreitig Erwerbseinkommen zählt. Zutreffend hat der Beklagte von dem monatlichen Erwerbseinkommen in Höhe von netto 1.220,00 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB II einen Freibetrag in Höhe von 330,00 Euro abgesetzt und ist damit zu Recht von einem zu berücksichtigenden Erwerbseinkommen in Höhe von 890,00 Euro (1220,00 – 330) ausgegangen. Aus welchem Grund die Einkommenshöhe für den Monat August 2022 unzutreffend sein sollte, haben die Kläger nicht vorgetragen und ist auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
Ebenso zutreffend hat der Beklagte bei den Klägern zu 2 bis 4 Einkommen aus Kindergeld in Höhe von je 219,00 Euro bei der Klägerin zu 2 und dem Kläger zu 4 und in Höhe von 225,00 Euro bei der Klägerin zu 3 berücksichtigt. Denn nach § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II ist Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird, dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen. Hiervon hat er, nachdem die Kläger zu 2 bis 4 jeweils monatliche Kosten für eine private Krankenzusatzversicherung in Höhe von 11,36 Euro haben, zutreffend nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-VO jeweils eine Pauschale in Höhe von 30,00 Euro abgezogen und ist damit von einem zu berücksichtigenden Einkommen der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 4 in Höhe von je 189,00 Euro und der Klägerin zu 3 in Höhe von 195,00 Euro ausgegangen. Soweit die Kläger meinen, eine bedarfsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes sei mit der Rechtsprechung des „Europäischen Gerichtshofes“ nicht vereinbar, vermag der Senat dieses Argument nicht nachzuvollziehen, da eine diesen Vortrag stützende Jurisdiktion nicht existiert.
Auf Grundlage dieser Einkommensberechnung hat der Beklagte unter Berücksichtigung des personenbezogenen Einkommens (Kindergeld) und des verteilbaren Einkommens (Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) die verbleibenden Bedarfe der Kläger zutreffend wie folgt beziffert: Klägerin zu 1: 251,55 Euro; Klägerin zu 2: 158,46 Euro; Klägerin zu 3: 128,01 Euro; Kläger zu 4: 130,58 Euro.
Soweit die Kläger darüber hinaus weitere Leistungen für die Fahrtkosten zur Arbeit, die Kosten der Nachmittagsbetreuung der Klägerin zu 3 sowie für deren Schulgeld und die Kosten für die privaten Krankenzusatzversicherungen der Kläger zu 2 bis 4 begehren, können sie hiermit nicht durchdringen.
Die Kosten für die Fahrten zur Arbeit begründen als solche keinen zusätzlichen Leistungsanspruch. Vielmehr sind sie gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben als Absetzbetrag abzuziehen. Da die Klägerin zu 1 als erwerbstätige Leistungsberechtigte einen Freibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100,00 Euro hat, den der Beklagte, wie ausgeführt, auch berücksichtigt hat, und der an Stelle des Freibetrags nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II tritt, werden die Fahrtkosten in Höhe von monatlich 20,00 Euro von diesem Betrag abgedeckt.
Den Kosten der Krankenzusatzversicherung hat der Beklagte bereits durch Abzug des Pauschbetrags in Höhe von jeweils 30,00 Euro nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-VO Rechnung getragen. Ein darüberhinausgehender Anspruch besteht nicht.
Die Kosten der Nachmittagsbetreuung der Klägerin zu 3 in Höhe von monatlich 58,00 Euro begründen ebenfalls keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen, da eine entsprechende Anspruchsgrundlage nicht existiert.
Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Nachmittagsbetreuung besteht zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt der Leistungen zur Bildung und Teilhabe, der insoweit nur der Klägerin zu 3 zustehen könnte. Gleichwohl Leistungen zur Bildung und Teilhabe grundsätzlich einen eigenen Streitgegenstand darstellen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.11.2019 – L 19 AS 1204/18 – juris, Rn. 44), war vorliegend die ablehnende Entscheidung auch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Denn der Antrag der Kläger auf Übernahme der Nachmittagsbetreuungskosten war nach dem Meistbegünstigungsprinzip umfassend dahingehend auszulegen, dass die Kläger die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt haben (BSG, Urteil vom 24.04.2015 - B 4 AS 22/14 R - juris Rn. 19). Neben einer Berücksichtigung als Betrag der Einkommensabsetzung und als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II (siehe dazu sogleich) liegt hier eine Prüfung als Leistung für Bildung und Teilhabe nahe. In der Sache lässt sich der Anspruch allerdings auch nicht auf Grundlage des § 28 SGB II durchsetzen. Insbesondere werden Kosten der Nachmittagsbetreuung nicht von § 28 Abs. 5 SGB II erfasst. Nach dieser Vorschrift wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an. Durch Anerkennung eines solchen Bedarfs sollen schulische Angebote ergänzt werden, um vorübergehende Lernschwächen zwecks Erreichens der wesentlichen Lernziele zu beheben (BT-Drs. 17/3404, Seite 105). Mit dem Erfordernis, dass es sich bei der Lernförderung um eine solche handeln muss, die zusätzlich erfolgt, wird klargestellt, dass nur der durch die Inanspruchnahme außerschulischer Angebote entstehende Bedarf gesondert berücksichtigt wird (Leopold/Buchwald, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 28 Rn. 146). Es darf sich also nicht um ein schulisches Angebot handeln (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.03.2017 - L 12 AS 134/15 - juris, Rn. 31). Ausweislich der von den Klägern in dem Verfahren L 9 AS 2509/23 vorgelegten Schulbescheinigung gehört die Nutzung der Nachmittagsbetreuung an mindestens einem Tag zum Konzept der Schule und stellt damit ein schulisches Angebot dar. Auch ist die Nachmittagsbetreuung, die laut der in dem Verfahren L 9 AS 2509/23 vorgelegten Schulbescheinigung mit vielfältigen Freizeitangeboten einhergeht, von ihrem Inhalt her nicht auf eine Lernförderung ausgerichtet, die darauf abzielt, vorübergehende Lernschwächen zwecks Erreichens der wesentlichen Lernziele zu beheben (i. Erg. ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2022 - L 12 AS 1890/22 - n.v.).
Die Klägerin zu 1 kann einen Anspruch auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten für den hier streitigen Zeitraum auch nicht aus der Eingliederungsvereinbarung vom 09.09.2019 herleiten. In der Eingliederungsvereinbarung hat sich der Beklagte nämlich unter Ziffer 4 nur für die Zeit der Teilnahme an der zur Unterstützung ihrer beruflichen Weiterbildung geförderten Maßnahme „Staatlich anerkannte Erzieherin 624/152/19“ beim Träger R1 gGmbH, K1-anlage, in H1 vom 11.09.2019 bis 28.07.2021 zur Übernahme der Kinderbetreuungskosten verpflichtet. Damit kann die Eingliederungsvereinbarung nach Abschluss dieser Maßnahme nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden. Da die Eingliederungsvereinbarung vom 09.09.2019 nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, kommt es entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten auch nicht auf deren Rechtmäßigkeit an.
Die Kosten der Nachmittagsbetreuung stellen zudem keinen unabweisbaren, besonderen Bedarf dar, der einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II begründen könnte. Nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II ist der Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Vorliegend besteht zur Überzeugung des Senats eine Einsparmöglichkeit durch den Besuch einer öffentlichen Ganztagsschule, anstelle der von der Klägerin zu 1 und dem Bevollmächtigten gewählten Privatschule.
Eine Berücksichtigung der Kosten der Nachmittagsbetreuung kommt allenfalls in Betracht als Absetzbetrag vom Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe. Ob diese Voraussetzungen vorliegend zu bejahen sind, kann im Ergebnis dahinstehen, denn selbst wenn es sich um eine Ausgabe handelt, die mit der Erzielung des Einkommens notwendig verbunden ist, wäre diese Ausgabe durch den Freibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II abgedeckt. Denn unter Berücksichtigung der Fahrtkosten in Höhe von 20,00 Euro verbleiben von dem Freibetrag von 100,00 Euro noch 80,00 Euro.
Ebenso wenig besteht ein höherer Leistungsanspruch im Hinblick auf die Schulgebühren der Klägerin zu 3. Auch insoweit kommt ein Mehrbedarfsanspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II nicht in Betracht, weil angesichts der Möglichkeit des Besuchs einer öffentlichen Schule Einsparmöglichkeiten bestehen und damit kein unabweisbarer Bedarf vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 12 AS 565/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 9 AS 1962/23
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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