1. Die Einordnung als Aufsichtsangelegenheit nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG mit der Folge der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte setzt nicht voraus, dass neben der Aufsichtsbehörde weiterer Hauptbeteiligter eine Körperschaft ist, die der Aufsicht unterliegt oder unterliegen könnte.
2. Für die örtliche Zuständigkeit ist bei einer Aufsichtsentscheidung auf Bundesebene § 57a Abs. 4 SGG heranzuziehen.
Das Sozialgericht Freiburg ist instanziell unzuständig.
Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landessozialgericht Berlin-Brandenburg verwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, begehrt mit ihrer am 30.10.2024 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 15 KR 2918/24 geführt worden ist, die Feststellung, dass die Festsetzung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 01.10.2024 zur Regelung des Kombinationsabschlags gemäß § 130e Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) rechtswidrig und nichtig sei und ihr gegenüber keine Pflicht zur Duldung von Abschlägen auf von ihr in den Verkehr gebrachte Arzneimittel begründe, die über die in § 130e Abs. 1 SGB V geregelte Abschläge hinausgehe.
Das Sozialgericht Freiburg ist instanziell für die erhobene Klage nicht zuständig. Denn bei der streitgegenständlichen Festsetzung des BMG vom 01.10.2024 handelt es sich um eine Aufsichtsmaßnahme in Gestalt einer Ersatzvornahme durch Verwaltungsakt (vgl. hierzu BT-Drs. 20/7397, S. 61), die sich auch gegenüber der Klägerin als Aufsichtsangelegenheit i.S.d. § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darstellt. Danach entscheiden im ersten Rechtszug die Landessozialgerichte über Aufsichtsangelegenheiten u.a. gegenüber Trägern der Sozialversicherung und ihren Verbänden, bei denen die Aufsicht von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird.
Die Festsetzung des BMG vom 01.10.2024 ist eine Maßnahme der Aufsicht einer Bundesbehörde über den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der entgegen § 130e Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht fristgemäß das Nähere zur Umsetzung des Kombinationsabschlags im Einvernehmen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene geregelt hat.
Der Rechtscharakter als Aufsichtsangelegenheit wird nicht dadurch beeinflusst, wer die Aufsichtsmaßnahme anficht (BSG, Urteil vom 04.11.2021 – B 6 A 2/20 R, juris, Rn. 17 m.w.N.). Es ist daher unerheblich, dass die Klägerin selbst nicht unmittelbare Adressatin der Festsetzung ist. Die von ihr geltend gemachten Nachteile sind ein Rechtsreflex der Festsetzung im Rahmen der Aufsicht. Dass die Klägerin selbst nicht der Aufsicht durch das BMG unterliegt, vermag an der Einordnung als Aufsichtsangelegenheit deshalb ebenfalls nichts zu ändern. Die Regelung des § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG setzt nicht voraus, dass neben der Aufsichtsbehörde weiterer Hauptbeteiligter eine Körperschaft ist, die der Aufsicht unterliegt oder unterliegen könnte (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 29, Rn. 5a). Vielmehr zielt die Regelung darauf ab, Streitigkeiten in Aufsichtsangelegenheiten aufgrund ihrer weitreichenden Bedeutung und der besonderen Komplexität der Materie sowie im Interesse einer raschen Klärung der sich darin stellenden Rechtsfragen bei den Landessozialgerichten zu konzentrieren (vgl. BT‑Drs. 16/7716, S. 15 f.); eine unterschiedliche instanzielle Zuständigkeit je nachdem, wer Rechtsschutz gegen die Aufsichtsmaßnahme nachsucht, lässt sich damit nicht vereinbaren (vgl. BSG, Urteil vom 04.11.2021 – B 6 A 2/20 R, juris, Rn. 18).
Da eine Entscheidung auf Bundesebene Streitgegenstand des Verfahrens ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 57a Abs. 4 SGG, der gleichermaßen Verfahren über vertragsärztliche wie über nichtvertragsärztliche Fragen erfasst (vgl. BSG, Beschluss vom 12.04.2018 – B 11 SF 2/18 S, juris, Rn. 5; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 57a, Rn. 5). Danach bestimmt sich das zuständige Gericht nach dem Sitz der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der in beiden Fällen in Berlin ist. Örtlich zuständig ist deshalb das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.
Nach § 98 Satz 1 SGG gelten für die sachliche und örtliche Zuständigkeit die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) entsprechend. Dies gilt auch für die funktionelle (instanzielle) Zuständigkeit (BSG, Beschluss vom 23.11.2017 – B 10 ÜG 1/17 KL, juris, Rn. 2). Der Rechtsstreit war deshalb (nunmehr unter dem Aktenzeichen S 6 SV 349/25) nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das zuständige Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu verweisen (§ 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Allein diesem Gericht steht zudem die bereits vorab begehrte Entscheidung über Akteneinsicht und Beiladung zu.
Die Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht erwachsen, an das verwiesen wurde (§ 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 98 Satz 2 SGG).