Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine Hörgeräteversorgung.
Die 0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.
Sie litt nach den Feststellungen von Dr. Y. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Ende 2009/Anfang 2010 an einer mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit. Die von ihr genutzten Hörgeräte waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geeignet, den Hörverlust zu kompensieren.
Im Rahmen der notwendigen Neuversorgung teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 20.01.2010 mit, für eine beidohrige Versorgung mit neuen Hörgeräten würden Kosten i. H. v. 1.035,00 EUR (Vertragspreis) übernommen. Wähle die Klägerin höherwertige Geräte, könnten Mehrkosten nicht übernommen werden.
Die Klägerin teilte der Beklagten in einem Schreiben vom 21.01.2010 mit, sie werde verschiedene Hörgeräte bei der Firma C. in E. testen.
Am 01.02.2010 entschied sich die Klägerin für die Hörgeräte der Firma Siemens Modell „Pure 700“ zum Gesamtpreis von 5.515,00 EUR. Die Rechnung der Firma C. vom 19.02.2010 überwies die Klägerin noch am gleichen Tag.
Mit Schreiben vom 22.02.2010 übersandt die Klägerin der Beklagten die Rechnung und bat um vollständige Kostenübernahme. Sie macht geltend, verschiedene Hörgeräte getestet zu haben. Nur mit den ausgewählten Geräten habe sie einen zufriedenstellenden Hörerfolg erzielt.
Mit Bescheid vom 09.04.2010 lehnte es die Beklagte ab, die über den Vertragspreis hinausgehenden Kosten zu erstatten.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch. Sie trägt zur Begründung vor: Nach den der Beklagten vorliegenden Anpassberichten stellten die eigenanteilsfreien Hörgeräte keine ausreichende Versorgung sicher.
Die Beklagte legte den Widerspruch als Überprüfungsantrag aus und teilte mit Bescheid vom 13.07.2010 mit, eine Überprüfung habe die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 09.04.2010 ergeben.
Hiergegen hat die Klägerin nochmals Widerspruch eingelegt.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2011 als unbegründet zurück. Sie bezieht sich zur Begründung auf ein zwischenzeitlich von Dr. Y. (MDK) eingeholtes Gutachten vom 04.07.2011. Darin war Dr. Y. zu der Einschätzung gelangt, eine eigenanteilsfreie Versorgung der Klägerin wäre mit zuzahlungsfreien Hörgeräten der Firma Phonak vom Typ „Milo SP“ möglich gewesen.
Am 29.08.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie führt zur Begründung aus, mit den Hörgeräten der Firma Siemens Modell „Pure 700“ habe sie das beste Sprachverständnis erzielt. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, mit den Geräten der Firma Phonak Modell „Milo SP“ seien gleichgute Hörergebnisse zu erzielen gewesen. Solche Geräte seien ihr im Rahmen der Austestung durch den Hörgeräteakustiker nicht angeboten worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2011 zu verurteilen, weitere Kosten für die Hörgeräteversorgung i. H. v. 4.500,00 EUR zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig. Der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2010 ist gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Die Klage ist allerdings nicht begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 09.04.2010 und 13.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Kostenübernahme für ihre Hörgeräte.
Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Danach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenasse in der entsprechenden Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Die erste Alternative der Regelung – unaufschiebbare Leistung – scheidet bei der Versorgung mit einem Hörgerät ersichtlich aus, so dass sich nur die Frage stellt, ob die Beklagte die vollständige Kostenübernahme für die Hörgeräte zu Unrecht abgelehnt hat. Auch dies ist zu verneinen.
Die Krankenkasse erfüllt den Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit einem Hörgerät grundsätzlich als Sachleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V). Dies gilt auch dann, wenn – wie z. B. für Hörhilfen im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SBG V – gemäß § 36 SGB V Festbeträge für Hilfsmittel eingeführt worden sind. Die Festsetzung eines Festbetrages führt nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB V dazu, dass die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages zu tragen hat, während der etwaige Differenzbetrag bis zum Abgabepreis des Leistungserbringers grundsätzlich dem Versicherten zur Last fällt. Die Krankenkasse erfüllt ihre Leistungspflicht mit der Übernahme des Festbetrags (§ 12 Abs. 2 SGB V). Der Festbetrag stellt also die Obergrenze des Leistungsanspruches des Versicherten dar.
Die Festsetzung eines solchen Festbetrages im Sinne des § 36 SGB V ändert aber nichts am Sachleistungsprinzip, das sich am Bedarf des Versicherten orientiert. Sie betrifft lediglich die Leistungshöhe und nicht den Leistungsanspruch dem Grunde nach. Demgemäß hat
eine Krankenkasse dem Versicherten eine Hörhilfe prinzipiell in Natur, d. h. durch Vertragsabschluss mit dem Leistungserbringer, zur Verfügung zu stellen, der Versicherte leistet ggf. nur die erforderliche Zuzahlung (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 23.01.2003, B 3 KR 7/02 R; SozR 4-2500 § 33 Nr. 1).
Ein auf § 13 Abs. 3 SGB V gestützter Kostenerstattungsanspruch scheidet aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R; SozR 4-2500 § 13 Nr. 15). Die Vorschrift gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung über den Sachleistungsantrag des Versicherten noch nicht entschieden hat.
„Selbstbeschafft“ ist eine Leistung im Rahmen der Hilfsmittelversorgung allerdings nicht bereits mit deren Auswahl. Die Auswahl ist im Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl. BSG, Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 24/05 R; SozR 4-2500 § 13 Nr. 10). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders liegen die Dinge erst, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung der Krankenkasse eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die Krankenkasse die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009,
B 3 KR 20/08 R; SozR 4-2500 § 36 Nr. 2). Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin sich die streitigen Hörgeräte am 19.02.2010 selbst beschafft. An diesem Tag stellte der Leistungserbringer eine Rechnung über die Hörgeräte, welche von der Klägerin noch am selben
Tag ausgeglichen worden ist. Der streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten datiert dem gegenüber erst vom 09.04.2010. Damit fehlt es am erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Kostenbelastung der Klägerin und der ablehnenden Leistungsentscheidung der Beklagten.
Die Klägerin kann dem gegenüber nicht einwenden, die Beklagte habe bereits mit Bescheid vom 20.01.2010 den streitigen Sachleistungsanspruch abgelehnt. In diesem Bescheid teilte die Beklagte der Klägerin lediglich mit, dass für die Hörgeräteversorgung ein Betrag in Höhe von 1.035,00 EUR übernommen wird und für höherwertige Geräte keine Mehrkostenübernahme in Betracht kommt. Am 20.01.2010 war jedoch noch nicht klar, für welche Hörgeräte sich die Klägerin letztendlich entscheiden wird. Sie teilte der Beklagten mit Schreiben vom Folgetag vielmehr noch mit, sie werde weitere Hörgeräte testen. Die Anpassung war also offensichtlich noch nicht abgeschlossen. Die Klägerin hätte der Beklagten hier – ggf. im Zusammenwirken mit dem Leistungserbringer – vor der Selbstbeschaffung die Prüfung ermöglichen müssen, ob die Gewährung von zahlungsfreien Hörhilfen mit dem gleichen Leistungsprofil wie den Hörgeräten der Firma Siemens Modell „ Pure 700“ in Betracht kommt. Hätte eine solche Prüfung zu einem negativen Ergebnis geführt, hätte die Beklagte in eine Prüfung dahingehend eintreten können (und müssen), ob die Gewährung der die Versorgungspauschale überschreitenden streitgegenständlichen Hörgeräte oder auch anderer Hörhilfen, die den Anspruch der Klägerin auf optimalen Behinderungsausgleich im Rahmen des hier einschlägigen unmittelbaren Behinderungsausgleiches erfüllen, in Betracht kommt (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.06.2011, L 5 KR 89/09; zitiert nach www.juris.de). Eine solche Prüfung war der Beklagten jedoch nicht mehr möglich, da die Klägerin sie erst am 22.02.2010 – und damit nach der Selbstbeschaffung – über ihre Auswahlentscheidung informierte.
Aufgrund er Nichteinhaltung des Beschaffungsweges scheidet ein Kostenanspruch aufgrund der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 SGB V aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.