I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 2023 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts vom 3. Februar 2023 wird wie folgt klarstellend gefasst: „Der Bescheid vom 19. November 2018 in der Fassung des Bescheids vom 5. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2020 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) auch für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 21. Januar 2018 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.“
II. Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Beigeladenen zu 2) und 3) tragen ihre Kosten selbst.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis 21. Januar 2018.
Der 1976 geborene Kläger ist Volljurist und arbeitete seit dem 1. Oktober 2011 für die F. & K. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (F. & K.) in D-Stadt. Der Kläger wurde am 11. Juli 2013 von der Beigeladenen zu 2) als Rechtsanwalt zugelassen und ist seitdem Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 3).
Ein Antrag des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vom 20. November 2013 wurde zunächst mit Bescheid vom 21. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juni 2014 abgelehnt. Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht München gab die Beklagte im Januar 2018 letztlich ein Anerkenntnis ab und befreite den Kläger mit Bescheid vom 8. März 2018 für die ausgeübte Beschäftigung als Rechtsanwalt bei F. & K. für die Zeit ab dem 20. November 2013.
Für die Tätigkeit bei F. & K. erteilte die Beigeladene zu 2) dem Kläger mit Bescheid vom 11. Mai 2017 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Die Zulassungsurkunde wurde dem Kläger am 19. Mai 2017 ausgehändigt.
Zum 1. September 2017 begann der Kläger eine Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) als Rechtsanwalt in der Abteilung Forensic Services. Die Tätigkeit bei F. & K. endete zum 30. September 2017. Die Beigeladene zu 3) hat mit Schreiben vom 26. September 2023 bestätigt, dass für den Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis 30. September 2017 einkommensbezogene Pflichtbeiträge aus dem Angestelltenverhältnis bei F. & K. festgesetzt und bezahlt wurden.
Mit Schreiben vom 8. November 2017, eingegangen am 9. November 2017, teilte der Kläger der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd mit, dass er seinen Arbeitgeber gewechselt habe und seit dem 1. September 2017 bei der Beigeladenen zu 1) tätig sei. Er sei von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit und wünsche die weitere Befreiung.
Mit Schreiben vom 9. November 2017, eingegangen bei der Beigeladenen zu 2) am 16. November 2017, teilte der Kläger mit, dass er seinen Arbeitgeber gewechselt habe. Seit dem 1. September 2017 sei er als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) bei der Beigeladenen zu 1) angestellt, um die Abteilung Forensic Services zu verstärken. Dem Schreiben lag eine Freistellungserklärung der Beigeladenen zu 1) bei. Die Beigeladene zu 2) legte dieses Schreiben als Arbeitgeberwechselanzeige aus und forderte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 auf, einen Erstreckungsantrag zu stellen. Am Montag, 22. Januar 2018, bearbeitete die Beigeladene zu 2) sodann weitere von der Beigeladenen zu 1) für den Kläger eingereichte Unterlagen und stellte in der Folge auf dieses Datum als Eingang des Antrags auf Erstreckung ab.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2018 teilte die Beigeladene zu 2) der Beklagten mit, dass der Kläger am 22. Januar 2018 die Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber, der Beigeladenen zu 1), beantragt habe. Die Beigeladene zu 2) hörte die Beklagte nach § 46b Abs. 2 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) an und teilte mit, sie beabsichtige die Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt auf die neue Tätigkeit zu erstrecken. Der Kläger sei bereits seit dem 19. Mai 2017 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und sei auch im Rahmen seines neuen Arbeitsverhältnisses anwaltlich tätig. Vorgelegt wurde der Anstellungsvertrag des Klägers vom 21. März 2017 in der Fassung der 2. Ergänzung vom 9./17. Januar 2018 sowie eine Tätigkeitsbeschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 17. Januar 2018 nebst Ergänzung vom 26. April 2018. Mit Schreiben vom 4. Juli 2018 teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 2) mit, gegen die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) keine Bedenken zu erheben.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2018 erstreckte die Beigeladene zu 2) die bereits bestehende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unter Abänderung des Bescheids vom 11. Mai 2017 gemäß § 46b Abs. 3 BRAO auf das neue Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß Anstellungsvertrag vom 21. März 2017 in der durch die Tätigkeitsbeschreibung vom 9./17. Januar 2018 sowie 26. April 2018 beschriebenen Ausgestaltung bei der Beigeladenen zu 1) als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt). Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass das hier gegenständliche Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Tätigkeiten und Merkmale nach § 46 Abs. 3 Satz 1 BRAO geprägt sei, da er neben seiner anwaltlichen Tätigkeit zwar auch andere Aufgaben wahrnehme, die nicht oder nicht eindeutig anwaltlich seien; jedoch sei die anwaltliche Tätigkeit gleichwohl die qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Der Bescheid wurde in der Sache bindend.
Am 2. November 2018 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen zu 3) zur Weitergabe an die Beklagte unter Verwendung eines Antragsformulars die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI als Syndikusrechtsanwalt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19. November 2018 befreite die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 2. November 2018 von der Rentenversicherungspflicht. Die Befreiung wirke vom Eingang des Antrags an, da sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer nach § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO für diese Beschäftigung beantragt worden sei, § 6 Abs. 4 SGB VI.
Hiergegen legte der Kläger am 18. Dezember 2018 Widerspruch ein und trug vor, die Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer nach § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO habe nicht, wie von der Beklagten behauptet, am 22. Januar 2018 begonnen, sondern bereits am 1. September 2017, dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses. Die bereits bestehende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt sei auf das neue Arbeitsverhältnis erstreckt worden, die Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer habe also ununterbrochen in einem fortbestanden. Der Antrag sei zudem erstmals mit Schreiben vom 8. November 2017, mithin also binnen der Dreimonatsfrist gerechnet ab Beginn des neuen Beschäftigungsverhältnisses, gestellt worden. Erst eine telefonische Nachfrage am 1. November 2018 bei der Beklagten, woraufhin diese ihm mitgeteilt habe, sie habe nie einen Antrag erhalten, habe ihn zur Übersendung des Antragsformulars vom 1. November 2018 veranlasst.
Ab dem 1. Juni 2019 wechselte der Kläger seine Beschäftigung und ist nunmehr als Rechtsanwalt für eine Rechtsanwaltsgesellschaft tätig, im hiesigen Verfahren die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 1).
Mit Bescheid vom 5. Februar 2020 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 19. November 2018 teilweise ab und befreite ihn bereits ab dem 22. Januar 2018 von der Rentenversicherungspflicht für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1). Der Befreiungsantrag nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sei bereits am 13. November 2017 eingegangen, der Beginn der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer nach § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO für diese Beschäftigung sei jedoch frühestens mit Beantragung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt am 22. Januar 2018 anzuerkennen. Hiergegen legte der Kläger am 6. März 2020 erneut Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2020 wies die Beklagte den Widerspruch über den Teilabhilfebescheid vom 5. Februar 2020 hinaus zurück. Die Befreiung von der Versicherungspflicht wirke gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI vom kumulativen Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt werde, sonst vom Antragseingang an. Die Befreiungsvoraussetzungen traten beim Kläger mit der Erstreckung der bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) durch die Beigeladene zu 2) ein. Die ergänzende Neuregelung in § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO sehe vor, dass die auf die konkrete Tätigkeit bezogene Pflichtmitgliedschaft in der Kammer abweichend von § 12 Abs. 3 BRAO rückwirkend bereits zu dem Zeitpunkt begründet werde, zu dem der Antrag auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer eingegangen sei. Der Antrag auf Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) sei am 22. Januar 2018 bei der Beigeladenen zu 2) eingegangen. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht könne daher erst ab diesem Zeitpunkt und nicht bereits ab Beginn der Beschäftigung am 1. September 2017 wirken.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 3. Juni 2020 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Mit Beiladungsbeschluss vom 23. Juli 2021 wurden die Beigeladenen zu 1) bis 3) nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Klageverfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 3. Februar 2023 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2018 in der Fassung des Bescheids vom 5. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2020, den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1. September 2017 bis zum 21. Januar 2018 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, der Bescheid vom 19. November 2018 in der Fassung des Bescheids vom 5. Februar 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2020 sei rechtswidrig. Der Kläger sei auch für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 21. Januar 2018 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirke die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt werde, sonst vom Eingang des Antrags an. Der Kläger habe den Antrag bei der Beklagten rechtzeitig gestellt. Die Frist habe am 1. September 2017 begonnen und am 30. November 2017 geendet. Die erforderliche Antragstellung sei nicht erst am 2. November 2018 durch den (erneuten) Antrag bei der Beklagten erfolgt, sondern bereits mit Schreiben vom 8. November 2017. Aus dem Schreiben gehe hervor, dass der Kläger die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung gewünscht habe. Der Wortlaut des Schreibens sei daher als entsprechender Antrag auszulegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten komme es nicht auf den Antrag bei der Beigeladenen zu 2) an, da die Beigeladene zu 2) zutreffend die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei F. & K. auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) erstreckt habe. An diese Entscheidung sei die Beklagte gemäß § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO gebunden. § 46b Abs. 3 BRAO regele, dass wenn nach einer Zulassung nach § 46a weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werden oder innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit eintrete, auf Antrag die Zulassung nach Maßgabe des § 46a BRAO unter den dort genannten Voraussetzungen auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken sei. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bei F. & K. habe zu Beginn der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) noch weiter fortbestanden und habe erst zum 30. September 2017 geendet. Damit habe der Kläger nicht ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber, sondern vielmehr ein weiteres Arbeitsverhältnis nach § 46b Abs. 3 BRAO aufgenommen. Daher habe die Beigeladene zu 2) auch in ihrem Bescheid vom 17. Juli 2018 dementsprechend die bereits bestehende Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt nach § 46b Abs. 3 BRAO auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) erstreckt. Es habe somit durchgängig, also auch in der Zeit vom 1. September 2017 bis zum 21. Januar 2018, eine Zulassung bei der Beigeladenen zu 2) und eine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 3) bestanden. An die Entscheidung der Beigeladenen zu 2) sei die Beklagte gemäß § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO gebunden.
Gegen das ihr am 16. März 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag den 17. April 2023 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, der Antrag des Klägers auf Erstreckung der bestehenden Zulassung sei erst am 22. Januar 2018 gestellt worden. Die Befreiung gemäß § 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wirke vom (kumulativen) Vorliegen der Voraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt werde, sonst vom Eingang des Antrages an. Der Beginn der Befreiung sei also vom Zeitpunkt der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer, der Pflichtmitgliedschaft in der entsprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung, der Aufnahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit sowie einer fristgerechten Antragstellung abhängig. Erst mit Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt sei die Pflichtmitgliedschaft für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) begründet. Ein früherer Beginn als im Teilabhilfebescheid vom 5. Februar 2020 genannt könne nicht ausgesprochen werden. Die Entscheidungshoheit über den Zeitpunkt des Zuganges über den Antragseingang obliege allein der Beigeladenen zu 2). Die Befreiung sei auf die jeweils ausgeübte konkrete Beschäftigung oder Tätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber beschränkt. Sie werde mit einer inhaltlichen Umgestaltung des Arbeitsplatzes, mit einem Wechsel des Aufgabengebietes oder mit der Aufgabe der Beschäftigung gegenstandslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung des Befreiungsbescheids bedürfe. Da die Beigeladene zu 2) im Erstreckungsbescheid vom 17. Juli 2018 als Eingang des Antrags auf Erstreckung der bestehenden Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) auf die neue Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) ausdrücklich den 22. Januar 2018 bestätigt habe, sei der Kläger auch erst zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Erstreckung der Zulassung auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) für diese Tätigkeit Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 3) geworden. Eine davorliegende Zulassung als Rechtsanwalt oder Syndikusrechtsanwalt für eine andere Tätigkeit sei unbeachtlich und könne zu keiner Befreiung für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) führen. Die Auslegung der Klägerseite zur Reichweite der Zulassungsentscheidung widerspreche der Systematik, der Gesetzeshistorie und dem gesetzgeberischen Willen, da sie den Tätigkeitsbezug der Zulassungsentscheidung der Rechtsanwaltskammer nach § 46a BRAO, die inhaltlich dem des § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI entspreche, außer Acht lasse. Das Tatbestandsmerkmal einer Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer für eine konkrete Beschäftigung könne nicht durch eine nicht widerrufene Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, die für die vorangegangene und ggf. noch zeitgleich bzw. später nicht mehr ausgeübte Beschäftigung bedingt sei, substituiert werden. Erst durch die bestandskräftige Erstreckungsentscheidung der Beigeladenen zu 2) vom 17. Juli 2018 für die in Frage stehende Tätigkeit sei eine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer und im Versorgungswerk nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI begründet worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung, er habe Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bereits ab Beginn seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) ab dem 1. September 2017. Auch die neue Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) habe alle Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfüllt. Der Befreiungsantrag sei rechtzeitig im November 2017 erstmals gestellt worden. Ausweislich des § 46b Abs. 3 BRAO würden nicht mehrere Zulassungen als Syndikusrechtsanwalt gewährt, sondern eine bestehende Zulassung auf weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt erstreckt. Ausdrücklich handele es sich also um eine einheitliche Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Er sei durchgehend und ohne Lücke Syndikusrechtsanwalt gewesen. Es gebe durch die Erstreckung keinen Bruch oder Unterbrechung sowohl der Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer der Rechtsanwälte, hier der Beigeladenen zu 2), als auch damit notwendigerweise einhergehend der Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung der Beigeladenen zu 3). Konsequenterweise hätten auch die Befreiungsvoraussetzungen durchgängig ohne Unterbrechung vorgelegen. Die fehlerhafte Einschätzung der Beigeladenen zu 2) hinsichtlich des Eingangs des Antrags auf Erstreckung sei für die Beklagte nicht bindend, denn es sei eine Tatsache und keine Bewertung, ob ein Antrag gestellt worden sei. Im Übrigen müsste selbst nach der Argumentation der Beklagten bereits das am 16. November 2017 bei der Beigeladenen zu 2) eingegangene Schreiben vom 9. November 2017 als Antrag auf Erstreckung auszulegen sein.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) hat ergänzend ausgeführt, die Beigeladene zu 2) habe zu Recht eine Erstreckung nach § 46b Abs. 3 BRAO ausgesprochen, da der Kläger seine Tätigkeit bei F. & K. erst zum 30. September 2017 beendet habe, zugleich jedoch bereits seit dem 1. September 2017 bei ihr beschäftigt gewesen sei. Die Zulassung zur Syndikusrechtsanwaltschaft habe damit bereits zu Beginn der Tätigkeit bei ihr vorgelegen. An die Erstreckungsentscheidung der Beigeladenen zu 2) sei die Beklagte nach § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO gebunden. Ebenso handele es sich bereits bei dem Schreiben vom 8. November 2017 um eine fristwahrende Antragstellung des Klägers. § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO betreffe nur den Fall der erstmaligen Begründung der Pflichtmitgliedschaft. Der Kläger sei jedoch bereits zuvor Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2) gewesen.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben keine eigenen Anträge gestellt.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die grundsätzlich am Sonntag, dem 16. April 2023 endende Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG zur Einlegung der Berufung verlängerte sich vorliegend nach § 64 Abs. 2, 3 SGG auf Montag den 17. April 2023. Die Beklagte legte an diesem Tag fristgerecht Berufung ein.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 2023 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden; der Tenor war klarstellend neu zu fassen. Der angefochtene Bescheid vom 19. November 2018 in der Fassung des Bescheids vom 5. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2020 ist teilweise rechtswidrig und beschwert den Kläger insoweit im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auch für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis 21. Januar 2018 für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1).
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht befreit, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Der Kläger war in der ausgeübten Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Er erbrachte als „Rechtsanwalt in der Abteilung Forensic Services“ nichtselbstständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§ 611 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) und war aufgrund dieser Beschäftigung auch rentenversicherungspflichtig (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 Alt. 1 SGB VI). Die Zulassung als Rechtsanwalt bei der Beigeladenen zu 2) mit gleichzeitiger verpflichtender Mitgliedschaft bei dem Beigeladenen zu 3) führt zunächst dazu, dass die formalen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt sind. Allerdings gibt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die „Beschäftigung, wegen der“ sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Dies ist ausschließlich die anwaltliche Tätigkeit.
Nach § 46 Abs. 1 BRAO dürfen Rechtsanwälte ihren Beruf als Angestellte solcher Arbeitgeber ausüben, die als Rechtsanwälte, Patentanwälte oder rechts- oder patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften tätig sind. Dies traf vorliegend auf die Beigeladene zu 1) nicht zu. Angestellte anderer als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften üben nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). § 46 Abs. 3 bis 5 BRAO regelt, wann eine anwaltliche Tätigkeit nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO vorliegt. Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 BRAO bedarf der Syndikusrechtsanwalt zur Ausübung seiner Tätigkeit darüber hinaus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 46a BRAO.
Der Senat stellt fest, dass der Kläger für die Beigeladene zu 1) - soweit ersichtlich auch zwischen den Beteiligten unstreitig - ab dem 1. September 2017 eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO ausgeübt hat. Insbesondere sind nach der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses des Klägers laut seinem Anstellungsvertrag und der Auskunft des Arbeitgebers die Voraussetzungen für eine unabhängige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne der §§ 1, 3 Abs. 1 BRAO gegeben.
Gemäß § 6 Abs. 2 Halbs. 1 SGB VI erfolgt die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf Antrag des Versicherten. Einen solchen Antrag hat der Kläger - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - mit Schreiben vom 8. November 2017, eingegangen bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bayern Süd am 9. November 2017, gestellt. Im damaligen Schreiben hat der Kläger u.a. ausgeführt, „ich darf Ihnen mitteilen, dass ich meinen Arbeitgeber gewechselt habe. Seit dem 1. September 2017 bin ich als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) bei D. & E. GmbH Steuerberatungsgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellt, um die Abteilung Forensic Services zu verstärken. ... Ich bin von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, wünsche weitere Befreiung und bleibe bei der Bayerischen Versorgungskammer versichert“. Bereits nach dem Meistbegünstigungsprinzip ist ein Antrag - auch bereits im Verwaltungsverfahren - im Zweifel so auszulegen, dass alles begehrt wird, was dem Antragsteller aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht, sein Begehren also möglichst weitgehend zum Tragen kommt (st.Rspr. BSG, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 21. März 2024, B 9 V 4/23 B). Danach musste das Schreiben des Klägers so verstanden werden, dass er die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht, für die er im Rahmen seiner bisherigen Tätigkeit befreit gewesen war, auch für die neu angezeigte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) beantragen und fortführen wollte. Auch ohne Nutzung eines entsprechenden Formularvordrucks oder Nennung der einschlägigen Rechtsvorschriften musste die Beklagte dies als Befreiungsantrag nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auslegen. Nach § 16 Abs. 1 SGB I analog gilt der gegenüber der DRV Bayern Süd gestellte Antrag auch gegenüber der Beklagten als am 9. November 2017 gestellt.
Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Der Kläger hat seinen Befreiungsantrag vom 9. November 2017 innerhalb der Dreimonatsfrist des § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI nach erstmaligem kumulativen Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt, da diese bereits bei Aufnahme der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) am 1. September 2017 vorlagen. Dies gilt insbesondere für die Tatbestandsvoraussetzung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt durch die Beigeladene zu 2).
Eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt wird grundsätzlich mit Aushändigung der von der zuständigen Rechtsanwaltskammer ausgestellten Zulassungsurkunde als Syndikusrechtsanwalt (vgl. §§ 46a Abs. 4, 12 Abs. 1, 3 BRAO) wirksam. Für das vorliegende Zulassungsverfahren als Syndikusrechtsanwalt nach § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO gilt eine Sonderregelung, wonach abweichend von § 12 Abs. 3 BRAO der Syndikusrechtsanwalt unbeschadet des § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1 und Abs. 4 BRAO mit der Zulassung rückwirkend zu dem Zeitpunkt Mitglied der Rechtsanwaltskammer wird, zu dem der Antrag auf Zulassung dort eingegangen ist, sofern nicht die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt, erst nach der Antragstellung begonnen hat. § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 12. Mai 2017 (BGBl. I 1121 ff.) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2016 eingefügt. Mit der Neuregelung sollte sichergestellt werden, dass Syndikusrechtsanwälten aus einer etwaigen Verzögerung des berufsrechtlichen Zulassungsverfahrens keine Nachteile im Hinblick auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht entstehen (vgl. BR-Drs. 431/16, S. 129; BT-Drs. 18/9521, S. 112). Nach alter Rechtslage habe es dazu kommen können, dass für einen Übergangszeitraum zwischen der Aufnahme einer neuen oder geänderten Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und dem Wirksamwerden der Zulassungsentscheidung Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen gewesen seien, die gegebenenfalls später nicht oder nur bei einer Aufstockung mit freiwilligen Beiträgen zu Leistungsansprüchen aus der Rentenversicherung führen können. Mit der Neuregelung habe einer solchen, aus Sicht der Betroffenen in aller Regel überflüssig erscheinenden temporären Beitragszahlung zur Rentenversicherung vorgebeugt werden sollen. Dies sei auch mit Rücksicht darauf erfolgt, dass Betroffene – selbst bei frühzeitiger Antragstellung – die Dauer des Zulassungsverfahrens weder vorhersehen noch beeinflussen und Tätigkeitsänderungen in der beruflichen Praxis mitunter kurzfristig erfolgen könnten.
Hiervon ausgehend hat die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden die Befreiung des Klägers von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung lediglich ab dem 22. Januar 2018 ausgesprochen, da sie ausgehend von der Auskunft der Beigeladenen zu 2) davon ausgegangen ist, dass ein Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) erst zu diesem Zeitpunkt dort eingegangen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten finden die o.g. Regelungen jedoch lediglich auf die erstmalige Zulassung als Syndikusrechtsanwalt Anwendung, nicht auf den vorliegenden Fall einer Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46b Abs. 3 BRAO.
Da die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt tätigkeitsbezogen erfolgt, erfordern nach einer Zulassung gemäß § 46a Abs. 1 BRAO eingetretene wesentliche Änderungen der Tätigkeit eine Anpassung der Zulassung. Nach § 46b Abs. 3 BRAO ist daher auf Antrag die Zulassung nach Maßgabe des § 46a BRAO unter den dort genannten Voraussetzungen auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken, wenn nach einer Zulassung nach § 46a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werden oder innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit eintritt. Ob eine Tätigkeitsänderung wesentlich ist und daher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a BRAO eine Erstreckung der Zulassung oder andernfalls deren Widerruf zu erfolgen hat, obliegt der Prüfung durch die zuständige Rechtsanwaltskammer. Die Erstreckung nach § 46b Abs. 3 BRAO setzt damit eine bereits bestehende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt voraus. Eine solche war vorliegend zugunsten des Klägers mit Bescheid vom 11. Mai 2017 (Aushändigung der Zulassungsurkunde am 19. Mai 2017) von der Beigeladenen zu 2) für die Tätigkeit des Klägers bei F. & K. ausgesprochen worden.
Ein Syndikusrechtsanwalt kann systematisch gesehen mithin mehrere – voneinander unabhängige – Anstellungsverhältnisse eingehen und im Rahmen jedes dieser Anstellungsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt tätig werden. In diesem Fall ist keine gesonderte Zulassung für jedes Anstellungsverhältnis erforderlich, sondern das Verfahren der Erstreckung einzuleiten. Die daraus folgende Bindungswirkung für die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erfasst das jeweilige Beschäftigungsverhältnis (BT-Drs. 18/5201, S. 32, Zu Nummer 2 (§ 46a Abs. 1 BRAO-E) a.E.). Der Kläger war vorliegend im September 2017 sowohl für F. & K. als Syndikusrechtsanwalt als auch in seiner neuen Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) tätig. Für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) bedurfte es trotz der bereits bestehenden Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt für die Tätigkeit bei F. & K. einer eigenen Erstreckungsentscheidung durch die Beigeladene zu 2).
Aus dem Wortlaut des Erstreckungsbescheids der Beigeladenen zu 2) vom 17. Juli 2018 ergibt sich keine zeitliche Beschränkung seiner Wirksamkeit. Der Tenor des Erstreckungsbescheids lautet:
„Ihre bereits bestehende Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
als Syndikusrechtsanwalt
wird hiermit - unter Abänderung des Bescheids vom 11.05.2017 - gemäß § 46b Abs. 3 BRAO auf Ihr neues Arbeitsverhältnis gemäß Anstellungsvertrag vom 21.03.2017 in der durch Tätigkeitsbeschreibung vom 09./17.01.2018 sowie 26.04.2018 beschriebenen Ausgestaltung bei der D. & E. GmbH Steuerberatungsgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
erstreckt.“
Aus dem Tenor ergibt sich insbesondere keine zeitliche Begrenzung der Erstreckung auf den Zeitraum ab Eingang des Erstreckungsantrags bei der Beigeladenen zu 2). Vielmehr erweitert die Erstreckung die bestehende Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt. Eine Lücke, d.h. ein Zeitraum ohne Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, liegt nicht vor (a.A. SG Braunschweig, Urteil vom 17. Juni 2022, S 13 R 545/18; SG Augsburg, Gerichtsbescheid vom 18. Februar 2021, S 4 R 1157/19, welche § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO auch auf den Fall der Erstreckung anwenden). Eine solche würde sowohl der Systematik als auch Sinn und Zweck der Erstreckung widersprechen.
Systematisch kommt eine Erstreckung nach § 46b Abs. 3 BRAO nur dann in Betracht, wenn bereits eine Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt nach § 46a Abs. 1 BRAO vorliegt und diese aufgrund der Tätigkeitsbezogenheit der Zulassung einer Anpassung bedarf. Bei einer erstmaligen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist eine Erstreckung denknotwendig ausgeschlossen.
Der Gesetzgeber sieht Anpassungsbedarf der tätigkeitsbezogenen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt in Form einer Erstreckung bei Aufnahme eines weiteren Arbeitsverhältnisses als Syndikusrechtsanwalt oder dem Eintreten einer wesentlichen Änderung der Tätigkeit innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse. Syndikusrechtsanwälte müssen dementsprechend gemäß § 46b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 BRAO sowohl jede tätigkeitsbezogene Änderung des Arbeitsvertrags, wozu nach § 46b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO ausdrücklich auch die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses gehört, als auch sonst jede wesentliche Änderung der Tätigkeit innerhalb des Arbeitsverhältnisses der zuständigen Stelle unverzüglich anzeigen. Wird ein weiteres Arbeitsverhältnis als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen, hat die zuständige Stelle die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag nach § 46b Abs. 3 BRAO auf das neue Arbeitsverhältnis zu erstrecken. Die Tätigkeit für einen weiteren Arbeitsgeber ist dabei stets als weiteres Arbeitsverhältnis im Sinne des § 46b Abs. 3 BRAO einzuordnen.
Ein Syndikusrechtsanwalt kann dabei mehrere Anstellungsverhältnisse parallel eingehen und im Rahmen jedes einzelnen als Syndikusrechtsanwalt tätig werden. Sinn und Zweck der Erstreckung nach § 46b Abs. 3 BRAO ist es, die Notwendigkeit einer gesonderten Zulassung für jedes Anstellungsverhältnis zu vermeiden (so die Gesetzesmaterialien BT-Drs. 18/5201, S. 32, Zu Nummer 2 (§ 46a Abs. 1 BRAO-E) a.E.). Die Aufnahme der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) parallel zur Tätigkeit für F. & K. im September 2017 sollte demnach nicht das Erfordernis einer erneuten oder weiteren (Erst-)Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt nach § 46a Abs. 1 Satz 1 BRAO zur Folge haben, sondern im Wege der Erstreckung ein insoweit vereinfachtes Verfahren vorsehen.
Nach den Gesetzesmaterialien soll durch den in § 46b Abs. 3 BRAO angeführten Verweis auf § 46a BRAO („nach Maßgabe des § 46a unter den dort genannten Voraussetzungen“) zum Ausdruck kommen, dass die in § 46a BRAO genannten Voraussetzungen und das dort beschriebene Verfahren auch bei der Entscheidung über die Erstreckung der Zulassung auf weitere Anstellungsverhältnisse oder die Tätigkeiten innerhalb weiterer Anstellungsverhältnisse zu beachten sind und der in § 46a Absatz 2 Satz 3 BRAO vorgesehene Rechtsweg zur gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung der Kammern auch bei diesen Entscheidungen der Rechtsanwaltskammern eröffnet ist (BT-Drs. 18/5201, S. 36, Zu Nummer 2 (§ 46b Abs. 3 BRAO-E)). Für den Senat ergibt sich aus dem Verweis auf § 46a BRAO jedoch nicht eine entsprechende Anwendung des § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO dergestalt, dass auch im Falle einer Erstreckung für den Beginn ihrer Wirksamkeit auf den Eingang des Erstreckungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer abgestellt werden müsste. § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO modifiziert den Zeitpunkt des Eintritts in die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer als Syndikusrechtsanwalt, indem zugunsten des Syndikusrechtsanwalts dieser nicht erst mit Übergabe der Zulassungsurkunde nach § 12 Abs. 1, 3 BRAO, sondern bereits rückwirkend mit Eingang des Antrags auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer vollzogen wird. Anders als bei der Erstreckung fehlt es in diesen Fällen an einer bereits bestehenden Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer, so dass es - insbesondere für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI - für den Syndikusrechtsanwalt vorteilhaft ist, den Zeitpunkt des Eintritts in die Mitgliedschaft vorzuziehen. Ein solches Bedürfnis besteht bei der Erstreckung einer bereits bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht. Die Wirksamkeit der Erstreckung abweichend vom Tenor des Erstreckungsbescheids an den Eingang des Erstreckungsantrags zu knüpfen, ist danach weder gesetzlich verankert noch durch den Verweis auf § 46a BRAO in § 46b Abs. 3 BRAO gerechtfertigt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beigeladene zu 2) in Kenntnis des Sachverhalts im Juli 2018, nachdem der Kläger seine Tätigkeit für F. & K. zum 30. September 2017 aufgegeben hatte, wegen der parallelen Beschäftigungen des Klägers für zwei Arbeitgeber im September 2017 zutreffend eine Erstreckung nach § 46b Abs. 3 BRAO ausgesprochen hat oder vielmehr die vorliegende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Tätigkeit bei F. & K. hätte widerrufen und für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) eine separate Zulassung als Syndikusrechtsanwalt hätte erteilen müssen (so für den Fall eines nahtlosen Wechsels des Arbeitgebers Bundesgerichtshof <BGH>, Urteil vom 30. März 2020, AnwZ (Brfg) 49/19, NJW 2020, 2190). Der Erstreckungsbescheid der Beigeladenen zu 2) vom 17. Juli 2018 ist bestandskräftig und nicht nur im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 2), sondern wegen § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO auch gegenüber der Beklagten bindend geworden. Die Beklagte hat von ihrer Rechtsschutzmöglichkeit zum Anwaltsgerichtshof nach §§ 46b Abs. 3 i.V.m. 46a Abs. 2 Satz 3, 112a Abs. 1, 2 BRAO keinen Gebrauch gemacht. Nach § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO ist die Beklagte als Rentenversicherungsträger bei ihrer Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer gebunden. Diese Bindung schließt angesichts des Tenors des Erstreckungsbescheids mit ein, dass nicht lediglich eine Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt, sondern eine Erstreckung einer bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausgesprochen wurde.
Daraus folgt, dass aufgrund des Erstreckungsbescheids vom 17. Juli 2018 eine auf die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) bezogene Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (rückwirkend) bereits seit Beginn seiner Tätigkeit am 1. September 2017 vorgelegen hat. Der Kläger war demnach bereits ab dem 1. September 2017 wegen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) Pflichtmitglied bei der Beigeladenen zu 3), einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI war daher bereits ab dem 1. September 2017 auszusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) sich sowohl inhaltlich während des gesamten Verfahrens aktiv beteiligt als auch einen eigenen Antrag im Berufungsverfahren gestellt hat (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 183, Rn. 11a; Evers in: BeckOGK, SGG, Stand 1. November 2024, § 193, Rn. 62).
Die Revision war zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG sind erfüllt, da die Fragen der Bindung an das Vorliegen einer formalen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt in Form der Erstreckung für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowohl für den Rentenversicherungsträger als auch das Gericht sowie die Anwendbarkeit des § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO auf den Fall der Erstreckung nach § 46b Abs. 3 BRAO noch nicht höchstrichterlich entschieden wurden.