Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Dezember 2023 wird, soweit das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2023 abgewiesen hat, zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGBXII) für die Zeit vom 01.01.2022 bis 30.06.2023. Wegen der Ablehnung von Grundsicherungsleistungen ab dem 01.07.2023 führt die Klägerin das (vom Senat abgetrennte) Berufungsverfahren L 2 SO 241/24.
Die 1960 geborene Klägerin ist mit J1 (im Folgenden: S.F.) verheiratet und lebt mit diesem gemeinsam in der im Rubrum genannten Wohnung. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 und das Merkzeichen G festgestellt (vgl. Bl. 79 VA). Sie bezieht seit 01.02.2016 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. Bescheid vom 03.08.2016, Bl. 124 VA). Diese wurde bis 31.05.2026 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) bewilligt. Im Januar 2022 und Februar 2022 wurde der Klägerin die Erwerbsminderungsrente in Höhe von (i.H.v.) 809,17 € (Bl. 56, 208 Rs. VA), von März 2022 bis Juni 2022 i.H.v. 808,26 € (Bl. 270, 308, 551 VA), von Juli 2022 bis Februar 2023 i.H.v. 851,52 € (Bl. 311, 451, 551) und von März 2023 bis Juni 2023 i.H.v. 850,09 € (Bl. 517, 552 VA) – jeweils monatlich – auf ihr Konto bei der C1bank ausgezahlt.
Bei dem 1955 in Ghana geborenen deutschen Staatsangehörigen S.F. ist ein GdB von 30 festgestellt. Ihm wird seit 01.01.2021 von der DRV Baden-Württemberg eine Altersrente gewährt (vgl. Bescheid vom 24.11.2020, Bl. 144 VA). Im Januar 2022 und Februar 2022 wurde ihm die Altersrente i.H.v. 701,09 € (Bl. 28, 233 VA), von März 2022 bis Juni 2022 i.H.v. 700,31 € (Bl. 233 VA), von Juli 2022 bis Februar 2023 i.H.v. 737,80 € (Bl. 233, 325, 377, 433 VA) und von März 2023 bis Juni 2023 i.H.v. 736,56 € (Bl. 327, 353, 377, 430, 434, 439 VA) – jeweils monatlich – auf sein Konto bei der C1bank ausgezahlt. Zudem erhält S.F. von der Berufsgenossenschaft H1 aufgrund eines Arbeitsunfalls am 23.04.2009 seit dem 28.04.2010 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. (vgl. Bescheide vom 24.06.2010 und 06.12.2011, Bl. 370/371 VA). Von Januar 2022 bis Juni 2022 wurde die Verletztenrente i.H.v. 435,63 € (Bl. 369 VA) und von Juli 2022 bis Juni 2023 i.H.v. 458,93 € (Bl. 303, 323, 431 VA) jeweils monatlich auf sein Konto bei der C1bank ausgezahlt.
Die Eheleute bewohnen eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 78 m². Bis 30.11.2022 betrugen die Kosten der Unterkunft hierfür 730,00 € monatlich (Kaltmiete 530,00 €, Nebenkosten 70,00 €, Heizkosten 130,00 €, vgl. Bl. 4, 8, 25 VA). Seit 01.12.2022 betragen die Kosten der Unterkunft 793,00 € monatlich, nachdem die Heizkostenvorauszahlungen vermieterseits auf 193,00 € monatlich erhöht wurden (vgl. Nebenkostenabrechnung vom 15.11.2022, Bl. 269 VA, Mieterbescheinigung Bl. 336 VA). Ausweislich dieser Nebenkostenabrechnung, die für das Jahr 2021 erstellt wurde, erwirtschafteten die Kläger ein Guthaben i.H.v. 87,60 €, das vermieterseits mit der Mietforderung 12/2022 verrechnet wurde.
Die Klägerin hat bei der W1 (W1) für ihr Auto eine Kfz-Haftpflichtversicherung (Beitrag für 2022: 232,31 €), eine Teilkaskoversicherung (Beitrag 2022: 56,68 €) und einen Schutzbrief (Kosten für 2022: 10,00 €) abgeschlossen. Der Gesamtbeitrag i.H.v. 298,99 € war im Januar 2022 zur Zahlung fällig (Bl. 27 VA). Außerdem hat die Klägerin bei der W1 eine Privathaftpflicht-Familien-Versicherung (Beitrag für 2022: 65,00 €), eine Glasversicherung (Beitrag für 2022: 30,81 €), eine Hausratversicherung (Beitrag für 2022: 70,69 €) und eine Rechtsschutzversicherung (Beitrag 2022: 264,72 €) abgeschlossen, wobei der Gesamtbeitrag für diese Versicherungen i.H.v. 431,02 € ebenfalls im Januar 2022 zur Zahlung fällig war (Bl. 34 VA). Für das Beitragsjahr 2023 war ein Beitrag i.H.v. 274,05 € für die Kfz-Versicherung im Januar 2023 fällig (Bl. 444 VA). Außerdem ist die Klägerin Mitglied beim Sozialverband V1, an den sie im Januar 2023 25,00 € und im Februar 2023 72,00 € gezahlt hat (Bl. 458 f. VA).
Im Januar 2022 (Bl. 38/39 VA) stellten die Klägerin und S.F. beim Beklagten erstmals einen von beiden unterzeichneten Antrag auf Gewährung von Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Im Antragsformular gaben sie die Erwerbsminderungsrente und die Altersrente an. Obwohl im Formular auch nach einer „Unfallrente“ oder „sonstige Renten“ gefragt wurde, gaben sie die Verletztenrente des S.F. nicht an. Es wurden Auszüge des Kontos der Klägerin und des Kontos von S.F. vorgelegt. Bei den Kontoauszügen des Kontos von S.F. bei der C1bank (xxxxxxxxxxxxxxxx4 00) für die Monate November 2021 bis Januar 2022 und April 2022 und Mai 2022 (vgl. Bl. 41/49, 187/188, 201, 204 VA) fehlten die Blätter, aus denen die Gutschriften/Überweisungen der Verletztenrente ersichtlich gewesen wären.
Mit an die Klägerin und S.F. adressiertem Bescheid vom 30.05.2022 (Bl. 181/184 VA) bewilligte der Beklagte der Klägerin und S.F. Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungsabschnitt Januar 2022 bis Juni 2022. Der Klägerin bewilligte der Beklagte für Januar und Februar 39,80 € monatlich und für März bis Juni 40,71 € monatlich. S.F. bewilligte der Beklagte für Januar und Februar 67,12 € monatlich und für März bis Juni von 67,12 € monatlich (beide zusammen Januar und Februar 106,92 € monatlich, März bis Juni 107,83 € monatlich). Als Bedarf berücksichtigte der Beklagte die maßgeblichen Regelbedarfe (jeweils 404,00 €), bei der Klägerin einen Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII (68,68 €) und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (730,00 €), verteilt auf die Kopfteile (je 365,00 €), so dass sich für die Klägerin ein Bedarf von 837,68 € und für S.F. ein Bedarf von 769,00 € errechnete. Als Einkommen rechnete der Beklagte bei der Klägerin die Erwerbsminderungsrente (im Januar und Februar 809,17 €; ab März: 808,26 €) abzüglich von monatlichen Versicherungsbeiträgen i.H.v. 5,42 € für die private Familienhaftpflichtversicherung und i.H.v. 5,87 € für die Hausratversicherung und bei S.F. die Altersrente (im Januar und Februar 701,88 €; ab März 701,88 €) an. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch erhob, da die Rentenhöhe nicht korrekt sei – S.F. erhalte seit März 2022 eine Rente von 700,31 € (und nicht 701,88 €) – bewilligte der Beklagte mit an die Klägerin und S.F. adressiertem (Abhilfe-)Bescheid vom 13.07.2022 (Bl. 239/242 VA) geänderte Grundsicherungsleistungen für Januar bis Juni 2022. Der Beklagte bewilligte der Klägerin – wie bereits mit Bescheid zuvor – für Januar und Februar 39,80 € monatlich und für März bis Juni 40,71 € monatlich. S.F. bewilligte der Beklagte für Januar und Februar 67,91 € monatlich sowie für März bis Juni 68,69 € monatlich (für beide für Januar und Februar 107,71 € monatlich; für März bis Juni 109,40 € monatlich). Im Rahmen der Bedarfsberechnung wurden dieselben Bedarfe und dieselbe Erwerbsminderungsrente, jedoch die veränderte Altersrente des S.F. (Januar und Februar i.H.v. 701,09 € und ab März i.H.v. 700,31 €) berücksichtigt.
Im von der Klägerin und S.F. unterzeichneten Fortzahlungsantrag vom Juni 2022 (Bl. 205 ff. VA) gaben die Eheleute erneut die Verletztenrente nicht an und auch keine Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. In den vorgelegten Kontoauszügen des S.F. von der C1bank (Bl. 217/219 VA) waren Gutschriften/Überweisungen der Verletztenrente wiederum nicht ersichtlich. Auf der eingereichten Kopie des Kontoauszugs Nr. 5 Bl. 2 vom 10.05.2022 (Bl. 201, 219, 413 VA) war die Gutschrift/Überweisung der Verletztenrente beim Kopieren abgedeckt worden (was aber aufgrund späterer Erkenntnisse erst nachträglich vom Beklagten festgestellt wurde).
Mit an die Klägerin und S.F. adressiertem Bescheid vom 24.10.2022 (Bl. 254/256 VA) bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungsabschnitt Juli 2022 bis Juni 2023. Der Klägerin bewilligte er für diesen Zeitraum keine Leistungen (0,00 €), da sie ihren Bedarf (Regelbedarf 404,00 €, Mehrbedarf 68,68 €, anteilige Kosten der Unterkunft 365,00 €) aus ihrem Einkommen aus Erwerbsminderungsrente (851,52 € abzgl. der Versicherungsbeiträge von 5,42 € und 5,87 €) decken könne. S.F. bewilligte der Beklagte 28,65 € monatlich, da er seinen Bedarf (Regelbedarf 404,00 €, anteilige Kosten der Unterkunft 365,00 €) nicht vollständig aus seinem Einkommen aus Altersrente (737,80 €) decken könne.
Mit allein an S.F adressiertem Bescheid vom 25.10.2022 (Bl. 257 VA) bewilligte der Beklagte diesem eine COVID-Einmalzahlung für Juli 2022 i.H.v. 200,00 €.
Mit an die Klägerin und S.F. adressiertem Änderungsbescheid vom 12.12.2022 (Bl. 280/283 VA) bewilligte der Beklagte veränderte Grundsicherungsleistungen für Dezember 2022 bis Juni 2023. Der Klägerin bewilligte der Beklagte für Dezember 2022 wiederum keine Leistungen (Regelbedarf 404,00 €, Mehrbedarf 68,68 €, Kosten der Unterkunft 396,50 € = Gesamtbedarf 869,18 €; Einkommen aus Erwerbsminderungsrente 851,52 € zzgl. Guthaben Nebenkostenabrechnung 2021 43,80 € abzgl. Versicherungsbeiträge 5,42 € und 5,87 € = anrechenbares Einkommen 884,03 €; Einkommensüberschuss 14,85 €). S.F. bewilligte der Beklagte für Dezember 2022 47,85 € (Regelbedarf 404,00 €, Kosten der Unterkunft 396,50 € = Gesamtbedarf 800,50 €; Einkommen aus Altersrente 737,80 €; ungedeckter Bedarf 62,50 € abzgl. Einkommensüberschuss der Klägerin 14,85 €). Für Januar 2023 bewilligte der Beklagte der Klägerin 40,14 € (Regelbedarf 451,00 €, Mehrbedarf 76,67 €, Kosten der Unterkunft 396,50 € = Gesamtbedarf 924,17 €; Einkommen aus Erwerbsminderungsrente 851,52 € und aus Guthaben Nebenkostenabrechnung 2021 43,80 € abzgl. Versicherungsbeiträge 5,42 € und 5,87 € = anrechenbares Einkommen 884,03 € und dem S.F. 109,70 € (Regelbedarf 451,00 €, Kosten der Unterkunft 396,50 €; Einkommen aus Altersrente 737,80 €). Für Februar 2023 bis Juni 2023 bewilligte der Beklagte der Klägerin 83,94 € monatlich (Regelbedarf 451,00 €, Mehrbedarf 76,67 €, Kosten der Unterkunft 396,50 € = Gesamtbedarf 924,17 €; Einkommen aus Erwerbsminderungsrente 851,52 € abzgl. Versicherungsbeiträge 5,42 € und 5,87 € = anrechenbares Einkommen 884,03 € und dem S.F. 109,70 € (Regelbedarf 451,00 €, Kosten der Unterkunft 396,50 €; Einkommen aus Altersrente 737,80 €). Grund für den Erlass des Änderungsbescheides war die Erhöhung der Heizkostenvorauszahlung auf 193,00 € monatlich und die Erhöhung des Regelbedarfs auf 451,00 € sowie damit verbunden die Erhöhung des Mehrbedarfs sowie die Anrechnung des Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung 2021 i.H.v. 87,60 € (verteilt auf die Monate Dezember und Januar i.H.v. jeweils 43,80 €).
Im März 2023 erhielt der Beklagte über einen Sozialdatenabgleich (Bl. 295 VA) Kenntnis von der Verletztenrente des S.F. Die Klägerin teilte auf Nachfrage hierzu mit Schreiben vom 16.04.2023 (Bl. 296/307 VA) mit, die Unfallrente gelte nicht als Einkommen, sondern als Entschädigung/Schmerzensgeld für den von S.F. erlittenen Fersenbeinbruch. Die Klägerin übersandte nun erstmals Kontoauszüge des Kontos des S.F. bei der C1bank (Bl. 323, 325, 327, 344 VA), aus denen Gutschriften/Überweisungen der Verletztenrente ersichtlich waren. Außerdem übersandte sie auf Anforderung des Beklagten vom 06.06.2023 (Bl. 325 VA) und 22.06.2023 (Bl. 359 VA) nun erstmals (Eingang 27.06.2023, Bl. 360/372 VA) die Bewilligungsbescheide und Zahlbetragsmitteilungen der Berufsgenossenschaft H1, aus denen sich die Höhe der Verletztenrente ab Januar 2022 bis Juli 2023 ergab.
Nach vorheriger Anhörung der Klägerin und des S.F. (Schreiben vom 29.06.2023, Bl. 374 ff. VA) nahm der Beklagte mit an die Klägerin und S.F. adressierten Bescheid vom 28.07.2023 (Bl. 411/412 VA) die Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2022 bis 30.06.2023 gem. § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurück und forderte die Erstattung der gewährten Leistungen i.H.v. 2.138,85 € gem. § 50 SGB X. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass bei Anrechnung der Verletztenrente in den Monaten Januar 2022 bis Juni 2023 kein Anspruch auf Grundsicherung bestanden habe. Die Klägerin und S.F. hätten bei der Erstantragstellung trotz des Hinweises auf ihre Mitteilungspflichten im Antragsformular die Verletztenrente nicht angegeben. Auch seien, so wie es aussehe, die Kontoauszüge stets ohne den jeweiligen Auszug, auf dem die Gutschrift der Verletztenrente ersichtlich gewesen wäre, übersandt worden. Bei der Folgeantragstellung sei die Gutschrift der Verletztenrente auf dem Kontoauszug 5 Blatt 2 abgedeckt und kopiert worden. Rechne man den Anfangs- und Endstand von Blatt und Blatt des Kontoauszugs Nr. 5 nach, ergebe sich eine Differenz genau in Höhe der Verletztenrente von 435,63 €. Also sei die Verletztenrente vorsätzlich verschwiegen worden. Auch im Folgenantrag seien die Klägerin und S.F. darauf hingewiesen worden, alle den Hilfeanspruch berührenden Änderungen mitzuteilen. Eine solche Mitteilung sei aber erstmals nach der Anfrage des Beklagten infolge des Sozialdatenabgleichs erfolgt. Die Klägerin und S.F. könnten sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Aufgrund dieser Umstände seien die Bescheide vom 30.05.2022, 24.10.2022 und 12.12.2022 rechtswidrig gewesen und könnten daher auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Im Rahmen der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens müsse das private Interesse am Bestand „des oben ausgeführten Bescheides“ gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme zurücktreten. Da die finanziellen Mittel für diese Sozialleistungen aus allgemeinen Steuermitteln aufgewendet würden, bestehe grundsätzlich ein allgemeines fiskalisches Interesse an der Vermeidung nicht gerechtfertigter Sozialleistungen. Neben den monatlich gewährten Grundsicherungsleistungen forderte der Beklagte auch die Covid-Einmalzahlung zurück. In diesem Zusammenhang führte der Beklagte aus, dass der Klägerin und S.F. die Einmalzahlung im Nachhinein nicht mehr zustehe, da sie aufgrund der Verletztenrente rückwirkend aus dem Sozialhilfesystem herausfielen. Nachdem „die Bewilligungsbescheide vom 30.05.2022, 24.10.2022 und 12.12.2022 ganz zurückgenommen worden“ seien, seien die zu viel erbrachten Sozialleistungen zu erstatten.
Eine Überzahlung sei wie folgt entstanden:
|
Klägerin |
S.F. |
gesamt |
Januar 2022 |
39,80 € |
67,91 € |
107,71 € |
Februar 2022 |
39,80 € |
67,91 € |
107,71 € |
März 2022 |
40,71 € |
68,69 € |
109,40 € |
April 2022 |
40,71 € |
68,69 € |
109,40 € |
Mai 2022 |
40,71 € |
68,69 € |
109,40 € |
Juni 2022 |
40,71 € |
68,69 € |
109,40 € |
Juli 2022 |
0,00 € |
28,65 € |
28,65 € |
Juli 2022 Corona Sonderzahlung |
|
|
200,00 € |
August 2022 |
0,00 € |
28,65 € |
28,65 € |
September 2022 |
0,00 € |
28,65 € |
28,65 € |
November 2022 |
0,00 € |
28,65 € |
28,65 € |
Dezember 2022 |
0,00 € |
47,85 € |
47,85 € |
Januar 2023 |
40,14 € |
109,70 € |
149,84 € |
Februar 2023 |
83,94 € |
109,70 € |
193,64 € |
März 2023 |
83,94 € |
109,70 € |
193,64 € |
April 2023 |
83,94 € |
109,70 € |
193,64 € |
Mai 2023 |
85,37 € |
110,94 € |
196,31 € |
Juni 2023 |
85,37 € |
110,94 € |
196,31 € |
Gesamte Leistungen |
(Anm.: Summe 705,14 €) |
(Anm.: Summe |
2.138,85 € |
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 06.08.2023 (Eingang 08.08.2023), das als Absender ausschließlich ihren Namen enthielt und (allein) von ihr unterzeichnet war, Widerspruch (Bl. 417/474 VA) unter Vorlage zahlreicher Unterlagen. Zur Begründung ging sie nicht auf die fehlenden Angaben und das Verschweigen der Verletztenrente ein, sondern zählte sie all die Kosten auf, die sie und S.F. hätten, weshalb sie hilfebedürftig (gewesen) seien und an eine Rückzahlung nicht zu denken sei.
Mit (allein) an die Klägerin adressiertem Widerspruchsbescheid vom 22.08.2023 (Bl. 481 ff. VA) wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Nach Wiederholung der Ausführungen im Ausgangsbescheid führte der Beklagte ergänzend aus, dass es aufgrund der zahlreichen Hinweise in den bisher ergangenen Bescheiden und Schreiben hinreichend wahrscheinlich erscheine, dass der Klägerin und S.F. bekannt gewesen sei, dass es sich bei der Verletztenrente um zu berücksichtigendes Einkommen handele, das angerechnet werde und sie dieses daher bewusst verschwiegen hätten. Angesichts des mit Abdeckungen kopierten Kontoauszuges sei gar von vorsätzlichem Verschweigen dieser Rente auszugehen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei das Interesse der Allgemeinheit an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu berücksichtigen. Das Interesse am Fortbestand der Begünstigungen sei mit den drohenden Folgen im Falle derer Aufhebung zu messen. Im Rahmen des Ermessensgebrauchs sei entschieden worden, die Bescheide, die Leistungen ab 01.01.2022 bis 30.06.2023 gewährten, zurückzunehmen, da das Interesse der Allgemeinheit an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem schonenden Umgang mit Steuermitteln schwerer wiege als das Interesse am Verzicht auf die Rücknahme der Bescheide sowie der Rückforderung der rechtswidrig gewährten Leistungen, insbesondere da die einmal gewährten Leistungen auf den vorsätzlich verschwiegenen Angaben beruhten.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.09.2023 (Eingang bei Gericht 18.09.2023) Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben (S 4 SO 1818/23). Die Klageschrift enthielt als Absender (allein) ihren Namen und ihre Unterschrift.
Bereits zuvor hatte die Klägerin mit Schreiben vom 24.08.2023 (Eingang bei Gericht 25.08.2023) gegen die Leistungsablehnung ab 01.07.2023 mit Bescheid vom 29.06.2023/Widerspruchsbescheid vom 02.08.2023 Klage zum SG Reutlingen erhoben (S 4 SO 1662/23).
Zur Begründung der Klage hat die Klägerin unter Vorlage von Kontoauszügen und diversen Zahlungsbelegen und Rechnungen vorgetragen, sie würde zwei Mal für die gleiche Sache „verurteilt“. Sie hätte alles angegeben. Angesichts der explodierender Kosten (Miete, Strom, Telefon, Versicherungen, Benzin, TÜV und Reparatur Auto, Kfz-Steuer, GEZ seit 7/2023, Zuzahlung Medikamente und Hilfsmittel wie z.B. diabetische Schuhe und Einlagen, Reha-Sport) seien sie und S.F. weiterhin hilfe- und schutzbedürftig. Hinzu komme ein Mehrbedarf durch Krankheit der Klägerin. Bei der Bedarfsberechnung des Beklagten fehle der Mehrbedarf „wegen Schwerbehinderung“ der Klägerin. Es gebe Medikamente und Hilfemittel, die man nicht auf Rezept bekomme. Auch unter Anrechnung der Verletztenrente reiche ihr Einkommen aus allen Renten nicht, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Im Übrigen diene die Verletztenrente als Entschädigung dafür, dass sie im normalen Alltagsleben eingeschränkt seien.
Mit Beschluss vom 26.09.2023 hat das SG die Klagen miteinander unter dem Az. S 4 SO 1662/23 verbunden.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 13.12.2023 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es gehe davon aus, dass die Klägerin, die in ihren Schreiben im Widerspruchs- und Klageverfahren stets auch für ihren Ehemann gesprochen habe, auch für diesen jeweils Widerspruch und Klage erhoben habe, der Ehemann mithin als Kläger Verfahrensbeteiligter sei. Die Klagen seien unbegründet. Der Klägerin und S.F. stehe ab Juli 2023 kein Anspruch auf Grundsicherung zu, damit sei der Ablehnungsbescheid vom 29.06.2023 rechtmäßig. Auch die Rücknahme der Leistungsbewilligungen für Januar 2022 bis Juni 2023 und die Geltendmachung der Erstattung der gewährten Leistungen erweise sich als rechtmäßig. Das SG folge für beide streitgegenständlichen Entscheidungen in vollem Umfang den ausführlichen und in jeglicher Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden. Zur Vermeidung von Wiederholungen hat das SG darauf gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen. Dies gelte – so das SG – insbesondere hinsichtlich der vom Beklagten herangezogenen Rechtsgrundlagen und hinsichtlich der vom Beklagten in den Bescheiden dargelegten Berechnungen (soweit der Verletztenrentenzahlbetrag ab Juli 2023 zu gering angegeben worden sei, habe dies keine Auswirkungen zulasten der Klägerin und S.F.). Die Ausführungen des Beklagten zum nicht vorhandenen Vertrauensschutz im Sinne des § 45 SGB X seien zutreffend. Aus der Vorlage unvollständiger bzw. sogar einmalig beim Kopieren teilweise abgedeckter Kontoauszüge sei zu schließen, dass die Klägerin und S.F. gegenüber dem Beklagten gezielt die Verletztenrente verschwiegen hätten. Schließlich sei für die Klägerin und S.F. durch die Fragen im Formular beim Erstantrag sehr wohl bekannt gewesen, dass auch Unfallrenten oder sonstige Renten dem Beklagten mitzuteilen gewesen seien. Die Behauptung, sie seien davon ausgegangen, dass die Verletztenrente nicht anzurechnen sei, sei angesichts des zielgerichteten Vorgehens beim Verschweigen dieser Rente als Schutzbehauptung zu werten. Hinsichtlich der Einordnung der Verletztenrente des S.F. als Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII sei noch zu ergänzen, dass dies der herrschenden Meinung in der Kommentarliteratur und der Rechtsprechung entspreche, der sich das SG anschließe (unter Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 20/07 R; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 7. Aufl., § 82 Rn. 84; jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 82 Rn. 42; Hauck/Noftz, SGB XII, 5. EL 2023, § 82 Rn. 32c).
Zum Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren sei anzumerken: Ein zweimalige „Verurteilung“ in der gleichen Sache liege nicht vor. Natürlich liege den beiden streitgegenständlichen Entscheidungen des Beklagten ein einheitlich fortlaufender Lebenssachverhalt zugrunde. Gleichwohl sei hier vom Beklagten zweifellos getrennt über die Fortgewährung von Grundsicherung ab Juli 2023 und über die Rücknahme der Bewilligung von Grundsicherung in der Vergangenheit nebst Erstattung zu entscheiden gewesen. Auch das derzeit anhängige Strafverfahren sei gesondert von der leistungsrechtlichen Seite im hier vorliegenden Sozialgerichtsverfahren zu sehen. Nach den zutreffenden Berechnungen des Beklagten liege bei der Klägerin und S.F. keine Hilfebedürftigkeit vor. Maßgeblich seien die für alle Bezieher von Grundsicherungsleistungen anzusetzenden Bedarfe nebst angemessener Unterkunftskosten. Steigenden Lebenshaltungskosten würden jährlich durch Erhöhungen der Bedarfssätze Rechnung getragen. Einen Zusammenhang zwischen der Auffassung der Klägerin, ihr Leben lang betrogen worden zu sein und den hier streitigen Entscheidungen vermöge das SG nicht zu erkennen. Falls die Klägerin meinen sollte, ihre Auffassung, betrogen worden zu sein, rechtfertige ihre gezielt unvollständigen Angaben gegenüber dem Beklagten, liege sie falsch. Auch das Vorbringen der Klägerin zu einer im Jahr 2002 erfolgten Abschiebung von S.F. habe mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun.
Gegen das der Klägerin und S.F. mit Postzustellungsurkunde am 19.12.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.01.2024 (Eingang bei Gericht 16.01.2024), das wiederum als Absender (allein) ihren Namen und ihre Unterschrift enthielt, unter Wiederholung ihres Vorbringens Berufung zum SG eingelegt.
Nachdem die Berufung an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg weitergeleitet wurde, wurden zunächst die Klägerin und S.F im Rubrum als Kläger geführt.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten zu einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 29.04.2024 geladen. Hieraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 05.03.2024 mitgeteilt, sie könne den Termin nicht wahrnehmen, weil die Krankheit den Alltag bestimme und sie schwerbehindert sei und Pflegestufe habe. Auch habe sie kein Geld. S.F. verstehe schlecht Deutsch. Außerdem hat sie diverse Unterlagen u.a. über die Zuzahlung zu Medikamenten und Hilfsmitteln übersandt (vgl. Bl. 34/75 Senatsakte).
Die Berichterstatterin hat die Klägerin und S.F. auf die Möglichkeit der Kostenerstattung bzgl. der Fahrtkosten und der Bestellung eines Dolmetschers hingewiesen. Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.03.2024 (Bl. 87 Senatsakte) mitgeteilt, es sei für sie „besser“, nach Aktenlage zu entscheiden; ihr Mann habe mit der Sache nichts zu tun, das sei allein ihre Sache, sie allein habe es „verbockt“, man solle ihren Mann „rauslassen“, sonst bekomme sie noch mit ihm Probleme. Da sie getrennte Konten hätten, habe sie – die Klägerin – die Unfallrente nicht angeben können, weil sie von der ja nichts habe. Im weiteren Verlauf hat die Klägerin weitere diverse Rechnungen, Zahlungsbelege für Medikamente etc., die sowohl auf sie als auch den Kläger ausgestellt sind, übersandt (Bl. 87/130, Bl. 165/201 Senatsakte).
Der Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage ist sodann von der Berichterstatterin aufgehoben worden.
Mit Beschluss vom 10.04.2024 hat der Senat die von der Klägerin beantragte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Wegen eines weiteren (formlosen) Grundsicherungsantrags vom 17.05.2024, der mit Bescheid vom 01.07.2024/Widerspruchsbescheid vom 15.07.2024 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit abgelehnt wurde, ist ein weiteres Klageverfahren beim SG Reutlingen (S 4 SO 1561/24) anhängig. Den dort gestellten Prozesskostenhilfeantrag hat das SG mit Beschluss vom 21.08.2024 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 05.02.2025 (L 2 SO 2667/24 B) abgelehnt.
Mit Beschluss vom 22.01.2025 hat der Senat das Berufungsverfahren, soweit im Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.12.2023 über die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.07.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2023 entschieden worden ist, gemäß § 113 Abs. 2 SGG vom Verfahren L 2 SO 241/24 abgetrennt und unter dem hiesigen Aktenzeichen L 2 SO 251/25 fortgeführt.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 28.01.2025 hat die Berichterstatterin auf das Schreiben der Klägerin vom 18.03.2024 Bezug genommen und die Klägerin und den bis dahin im Rubrum als Kläger geführten S.F. um Klarstellung gebeten, ob die Verfahren ausschließlich im Namen der Klägerin oder auch im Namen des S.F. geführt werden. Zugleich hat sie darauf hingewiesen, dass die angefochtenen Bescheide für den Fall, dass die Verfahren ausschließlich im Namen der Klägerin geführt würden, gegenüber S.F. in Bestandskraft erwachsen, d.h. bindend würden und die Bescheide dann ausschließlich auf ihre Rechtmäßigkeit gegenüber der Klägerin überprüft würden. Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 03.02.2025 klargestellt, dass „dies“ ausschließlich ihre Sache sei. Sie und S.F. hätten getrennte Konten. Sie könne nicht etwas angeben, das sie nicht bekomme oder erhalte.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Bescheid des Beklagten vom 28.07.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2023 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das angefochtene Urteil.
Bei der Staatsanwaltschaft H2 läuft wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren gegen die Kläger wegen Betruges (43 Js 11060/23). Von der Erhebung der öffentlichen Klage wurde bislang gem. § 154d Satz 1 Strafprozessordnung bis zum Ausgang des sozialgerichtlichen Verfahrens vorläufig abgesehen (Bl. 572 VA).
Mit Schreiben vom 26.02.2025 sind die Beteiligten auf die Absicht des Senats hingewiesen worden, gemäß § 153 Abs. 4 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die zulässige Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
1. Aufgrund des Trennungsbeschlusses vom 22.01.2025 ist Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens L 2 SO 251/25 ausschließlich das Urteil des SG vom 13.12.2023, soweit das SG mit diesem über die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.07.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2023 bzgl. der Aufhebung und Erstattung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit von Januar 2022 bis Juni 2023 entschieden hat.
Rechtsmittelführerin sowohl des Klage- als auch des Berufungsverfahrens war von Anfang an ausschließlich die Klägerin, nicht hingegen S.F. Dies ergibt bereits die Auslegung aller ausschließlich von der Klägerin persönlich verfassten Schreiben, die sowohl im Widerspruchs- als auch im Klage- und Berufungsverfahren – anders als die Grundsicherungsanträge – ausschließlich als Absender ihren Namen enthielten und auch ausschließlich von ihr unterzeichnet waren. Soweit die Klägerin in diesen Schreiben (auch) auf ihren Ehemann S.F. sowie dessen Verletztenrente und die Deckung ihres gemeinsamen Lebensunterhalts Bezug genommen hat, wäre zwar durchaus denkbar gewesen, dass die Klägerin als Haushaltsvorstand der aus den Eheleuten bestehenden Bedarfsgemeinschaft auch im Namen ihres Ehemanns S.F. Rechtsmittel eingelegt hat. Indes hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 18.03.2024 darauf hingewiesen, dass „es allein ihre Sache“ sei und auf Anfrage des Senats, der ausdrücklich auf die Rechtsfolgen hingewiesen hat, mit Schreiben vom 03.02.2025 klargestellt, dass die Verfahren ausschließlich von ihr geführt werden. Mithin war von Beginn des Klageverfahrens (im Übrigen auch des Widerspruchsverfahrens) an, ausschließlich die Klägerin Rechtsmittelführerin, nicht hingegen (auch) S.F.
Dies hat zur Folge, dass der Bescheid vom 28.07.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2023 mangels Klageerhebung durch S.F. hinsichtlich der dort ihm gegenüber geregelten (§ 31 SGB X) Aufhebung und Erstattung von Grundsicherungsleistungen in Bestandskraft erwachsen und daher bindend (§ 39 Abs.1, Abs. 2 SGB X) geworden ist. Diese Bestandkraft verwehrt dem Senat eine Überprüfung des Bescheides vom 28.07.2023/Widerspruchsbescheides vom 22.08.2023 bezüglich der Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Erstattung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit von Januar 2022 bis Juni 2023 gegenüber S.F.
2. Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 143 SGG) und statthaft (§ 144 SGG).
3. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat deren statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 28.07.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2023 ist, soweit er zur Überprüfung des Senats steht (s.o.), rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2022 bis Juni 2023 keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen und der Beklagte hob die dennoch bewilligten Grundsicherungsleistungen gegenüber der Klägerin zu Recht für diesen Zeitraum auf und verlangte entsprechend Erstattung von ihr.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Grundsicherungsleistungen ist hier § 45 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X gilt: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGBX kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr. 3). Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, u.a. wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind. Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X).
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 50 SGB X. Danach gilt: Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (Abs. 1 Satz 1). Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (Abs. 3 Satz 1). Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden (Abs. ,3 Satz 2).
a) Die Klägerin wurde zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X, auf den der Beklagte seine Entscheidung gestützt hat, ordnungsgemäß nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört.
b) Der Klägerin wurden mit Bescheiden vom 30.05.2022, 24.10.2022 und 12.12.2022 Grundsicherungsleistungen bewilligt, die Bescheide waren mithin für sie begünstigend. Da die Klägerin auf die Grundsicherungsleistungen von Anfang an keinen Anspruch hatte, waren die Bewilligungsbescheide von Anfang an rechtswidrig waren.
Anspruchsgrundlage für Grundsicherungsleistungen sind die §§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII.
Gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
Gem. §§ 41, 44 SGB XII ist leistungsberechtigten Personen bei Vorliegen von Hilfebedürftigkeit auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Gem. § 19 Abs. 2 SGB XII (in der seit 01.01.2020 geltenden Fassung) i.V.m. § 41 Abs. 1 SGB XII sind leistungsberechtigt Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 i.V.m. §§ 82 bis 84 und §§ 90 f. SGB XII bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach § 41 Abs. 2, 3 oder 3a SGB XII erfüllen. Nach § 41 Abs. 3 SGB XII sind leistungsberechtigt Personen wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.
Die Klägerin zählte zwar, dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, zum leistungsberechtigen Personenkreis, da sie volljährig ist, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hat und im streitigen Zeitraum auf Dauer und unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert war.
Indes war sie nicht hilfebedürftig, da sie ihren Bedarf im Streitzeitraum durch ihr Einkommen und das ihres Ehegatten decken konnte.
Gem. § 42 SGB XII (in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung) umfassen die Bedarfe nach dem 4. Kapitel u.a. die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28; § 27a Abs. 3 und Abs. 4 ist anzuwenden (Nr. 1), zusätzliche Bedarfe nach dem 2. Abschnitt des 3. Kapitels sowie Bedarfe nach § 42 b (Nr. 2) und Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 42 a i.V.m. § 35 (Nr. 4). Nach § 42 b Abs. 1 SGB XII (in der seit 01.07.2021 geltenden Fassung) i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII (in der seit 01.01.2023 geltenden Fassung) wird darüber hinaus für Personen, die die maßgebliche (Regel-)Altersgrenze noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert sind und durch einen Bescheid der nach § 152 Abs. 4 des Neunten Buches (SGB IX) zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert (v.H.) der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe waren für die Klägerin im streitigen Zeitraum folgende Bedarfe zu berücksichtigen:
01/2022 und 11/2022 monatlich |
|
Regelbedarf (Stufe 2: volljährige Ehegatten) |
404,00 € |
Mehrbedarf Mz. G |
68,68 € |
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU/HK) |
365,00 € (errechnet aus ½ aus 730,00 €) |
Gesamtbedarf Klägerin monatlich |
837,68 € |
12/2022 |
|
Regelbedarf (Stufe 2) |
404,00 € |
Mehrbedarf Mz. G |
68,68 € |
KdU/HK |
396,50 € (errechnet aus ½ aus 793,00 €) |
Gesamtbedarf Klägerin |
869,18 € |
01/2023 und 06/2023 monatlich |
|
Regelbedarf (Stufe 2) |
451,00 € |
Mehrbedarf Mz. G |
76,67 € |
KdU/HK |
396,50 € (errechnet aus ½ aus 793,00 €) |
Gesamtbedarf Klägerin monatlich |
924,17 € |
Dem Bedarf ist das monatlich zu berücksichtigende Einkommen gegenüberzustellen.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (jeweils in den im Streitzeitraum geltenden Fassungen) gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme bestimmter, in § 82 Satz 2 Nr. 1 bis 9 SGB XII näher benannter Geldleistungen. Gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a übersteigen, zu berücksichtigen.
Gem. § 82 Abs. 2 SGB XII sind vom Einkommen abzusetzen auf das Einkommen entrichtete Steuern (Nr. 1), Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung (Nr. 2), Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten (Nr. 3) und die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Nr. 4).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben gilt Folgendes: Bei der Klägerin war deren Einkommen aus Erwerbsminderungsrente abzgl. der Versicherungsbeiträge zu berücksichtigen. Soweit ihr Einkommen zur Deckung ihres Bedarfs nicht ausreichte, war außerdem der Einkommensanteil des Ehegatten S.F. zu berücksichtigen, den dieser nicht zur Deckung seines eigenen Bedarfs benötigte. Wie das SG zutreffend unter Darlegung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 20/07 R -) ausgeführt hat, zählt zum berücksichtigungsfähigen Einkommen auch eine nach dem SGB VII gewährte Verletztenrente. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass gem. § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB XII die Verletztenrente nach dem SGB VII lediglich dann (teilweise) nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist, wenn sie auf Grund eines in Ausübung der Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlittenen Gesundheitsschadens erbracht wird. Um eine solche Verletztenrente handelt es sich im Fall des S.F. offensichtlich nicht, da sie wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls aus dem Jahre 2009 gewährt wird.
Der Bedarf des S.F. belief sich im Zeitraum 01/2022 bis 11/2022 auf 769,00 € monatlich (Regelbedarf Stufe 2 404,00 €, KdU/HK 365,00 € [1/2 von 730,00 €]), im Monat 12/2022 auf 800,50 € (Regelbedarf Stufe 2 404,00 €, KdU/HK 396,50 € [1/2 von 793,00 €], und im Zeitraum 01/2023 bis 06/2023 auf 847,50 € monatlich (Regelbedarf Stufe 2 451,00 €, KdU/HK 396,50 €). Demgegenüber stand sein Einkommen aus Altersrente und Verletztenrente im Zeitraum in den Monaten 01/2022 und 02/2022 i.H.v zusammen 1.136,72 € (700,31 € Altersrente, 435,63 € Verletztenrente), in den Monaten 03/2022 bis 06/2022 i.H.v. zusammen 1.135,94 € (701,08 € Altersrente, 435,63 € Verletztenrente), in den Monaten 07/2022 bis 02/2023 i.H.v. zusammen 1.196,73 € (737,80 € Altersrente, 458,93 € Verletztenrente) und in den Monaten 03/2023 bis 06/2023 i.H.v zusammen 1.195,49 € (736,56 € Altersrente, 458,93 € Verletztenrente). Vom Einkommen des S.F. waren keine Absetzbeträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigen, da entsprechende Kosten nicht nachgewiesen wurden. Die Versicherungsbeiträge waren vielmehr vom Einkommen der Klägerin abzusetzen.
Im Zeitraum von 01/2022 bis 02/2022 verfügte S.F. unter Berücksichtigung eines Bedarfs von 769,00 € monatlich und eines anzurechnenden Einkommens von 1.136,72 € monatlich somit über übersteigendes Einkommen i.H.v. 367,72 €. In den Monaten 03/2022 bis 06/2022 verfügte S.F. unter Berücksichtigung eines Bedarfs von 769,00 € und eines anzurechnenden Einkommens von 1.135,94 € monatlich somit über übersteigendes Einkommen i.H.v. 366,94 €. Im Zeitraum von 07/2022 bis 11/2022 verfügte S.F. unter Berücksichtigung eines Bedarfs von 769,00 € monatlich und eines anzurechnenden Einkommens von 1.196,73 € monatlich somit über übersteigendes Einkommen i.H.v. 427,73 €. Im Monate 12/2022 verfügte S.F. unter Berücksichtigung eines Bedarfs von 800,50 € monatlich und eines anzurechnenden Einkommens von 1.196,73 € monatlich somit über übersteigendes Einkommen i.H.v. 39,6,23 €. Im Zeitraum von 01/2023 bis 02/2023 verfügte S.F. unter Berücksichtigung eines Bedarfs von 847,50 € monatlich und eines anzurechnenden Einkommens von 1.196,73 € monatlich somit über übersteigendes Einkommen i.H.v. 349,23 €. Im Zeitraum von 03/2023 bis 06/2023 verfügte S.F. unter Berücksichtigung eines Bedarfs von 847,50 € monatlich und eines anzurechnenden Einkommens von 1.195,49 € monatlich somit über übersteigendes Einkommen i.H.v. 347,99 €. Das übersteigende Einkommen war auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen war, soweit ihr eigenes Einkommen nicht zur Bedarfsdeckung ausreichte.
Somit ergibt sich bei der Klägerin grundsätzlich im streitigen Zeitraum folgendes (bislang um die Absetzbeträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII noch nicht bereinigtes) Einkommen:
01/2022 bis 02/2022 monatlich |
|
Erwerbsminderungsrente |
809,17 € |
Einkommensüberschuss S.F. |
367,72 € |
Einkommen gesamt monatlich |
1.176,89 € |
03/2022 bis 06/2022 monatlich |
|
Erwerbsminderungsrente |
808,26 € |
Einkommensüberschuss S.F. |
366,94 € |
Einkommen gesamt monatlich |
1.175,20 € |
07/2022 bis 11/2022 monatlich |
|
Erwerbsminderungsrente |
851,52 € |
Einkommensüberschuss S.F. |
427,73 €, |
Einkommen gesamt monatlich |
1.279,25 € |
12/2022 |
|
Erwerbsminderungsrente |
851,52 € |
Einkommensüberschuss S.F. |
396,23 €, |
Einkommen gesamt monatlich |
1.247,75 € |
01/2023 bis 02/2023 monatlich |
|
Erwerbsminderungsrente |
851,52 € |
Einkommensüberschuss S.F. |
349,23 €, |
Einkommen gesamt monatlich |
1.200,75 € |
03/2023 bis 06/2023 monatlich |
|
Erwerbsminderungsrente |
850,09 € |
Einkommensüberschuss S.F. |
347,99 €, |
Einkommen gesamt monatlich |
1.198,08 € |
Damit standen sich monatlich folgender klägerischer Bedarf und folgendes (bislang um die Absetzbeträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII noch nicht bereinigtes) Einkommen gegenüber:
monatlich |
Bedarf Klägerin |
unbereinigtes Einkommen (s. Tabelle zuvor) |
Überschuss |
01/2022 bis 02/2022 |
837,68 € |
1.176,89 € |
339,21 € |
03/2022 bis 06/2022 |
837,68 € |
1.175,20 € |
337,52 € |
07/2022 bis 11/2022 |
837,68 € |
1.279,25 € |
441,57 € |
12/2022 |
869,18 € |
1.247,75 € |
378,57 € |
01/2023 bis 02/2023 |
924,17 € |
1.200,75 € |
276,58 € |
03/2023 bis 06/2023 |
924,17 € |
1.198,08 € |
273,91 € |
Dieser monatlichen Einkommensüberschuss war noch um die Versicherungsbeiträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII zu bereinigen. Die Jahresbeiträge sind dabei auf die Anzahl der Monate pro Jahr umzulegen (geteilt durch 12). Dabei kann der Senat vorliegend offen lassen, ob sämtliche von der Klägerin nachgewiesenen Versicherungsbeiträge – für die Kfz-Haftpflicht-, die Teilkasko-, die Hausrat-, die Glas- und die private Familienhaftpflichtversicherung – vom Einkommen abzusetzen waren (vgl. zur Kfz-Haftpflichtversicherung z.B. BSG, Urteil vom 04.04.2019 - B 8 SO 10/18 R -juris Rn. 24: keine Berücksichtigung der Kfz-Haftpflichtversicherung eines Sozialhilfeempfängers wegen der im dortigen Streitzeitraum nicht gesetzlich verankerten Privilegierung eines Kfz als Schonvermögen nach § 90 SG XII und BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b 11/06 R -, juris Rn. 22: Berücksichtigung der Kfz-Haftpflichtversicherung, wenn Kfz-Nutzung für sozialhilferechtlich anerkannte Zwecke genutzt wird, z.B., weil Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Fall von Krankheit oder Behinderung nicht möglich oder unzumutbar; vgl. auch § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII in der seit 01.01.2023 geltenden Fassung, wonach seitdem ein angemessenes Kfz zum Schonvermögen gehört). Denn ausweislich der für das Jahr 2022 und 2023 gezahlten Jahresbeiträge konnten diese – umgerechnet auf den Kalendermonat (geteilt durch 12) – in jedem Fall von diesem monatlichen Einkommensüberschuss abgesetzt werden, ohne dass es zu einer Bedarfsunterdeckung gekommen wäre.
Weder bei der Klägerin noch bei S.F. waren über die oben dargestellten Bedarfe weitere Bedarfe zu berücksichtigen. Auch waren keine weiteren Kosten vom Einkommen abzusetzen. Die Klägerin und S.F. hatten die darüber hinaus geltend gemachten Bedarfe (Strom, Telefon, Autowerkstatt, Wäscherei M1, Drogerie, Kräuterhaus etc., vgl. Bl. 163 Senatsakte) aus dem Regelbedarf zu decken. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, dass sie Zuzahlungen zu Medikamenten/Rezepten/Reha-Sport leisten müsse, ist sie auf die Befreiung von der Zuzahlung durch die zuständige Krankenkasse zu verweisen.
Folglich konnte die Klägerin ihren nach dem 4. Kapitel des SGB XII zu berücksichtigenden Bedarf vollständig aus ihrem Einkommen und dem Einkommen ihres Ehegatten decken, so dass sie keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hatte und die Bewilligungen daher rechtswidrig waren.
c) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung der rechtswidrigen Bewilligungsentscheidungen lagen hier vor.
Insbesondere kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen, da die Bewilligungsverwaltungsakte auf Angaben beruhten, die der Begünstigte – hier auch die Klägerin – vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Denn den Bezug der Verletztenrente des Ehegatten hat die Klägerin weder im Erst- noch im Weiterbewilligungsantrag angeben, obwohl in den Antragsformularen explizit nach einer „Unfallrente“ gefragt wurde. Vielmehr wurden allem Anschein nach sogar bewusst die Kontoauszüge, aus denen sich der Zufluss der Verletztenrente ergab, insoweit vor dem Kopieren abgedeckt mit der Folge, dass der Zufluss dieser Rente auf dem Konto nicht mehr erkennbar war.
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie und ihr Ehegatte hätten getrennte Konten und sie habe keinen Zugriff auf das Konto ihres Ehegatten und könne nichts angeben, was sie nicht bekomme, greift dieser Einwand nicht durch. Vielmehr ergibt sich aus dem gesamten Verfahrensablauf seit der Erstbewilligung, dass die Klägerin Zugang zu den Kontoauszügen des Ehegatten hat, da sie diese dem Beklagten stets auf Anforderung zugesandt hat. Im Übrigen hat sie erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen, sie hätte die Verletztenrente nicht angeben können, was der Senat als reine Schutzbehauptung wertet, da sie sich im Widerspruchs- und Klageverfahren zur Sache noch insoweit eingelassen hatte, als sie darauf bestand, dass die Verletztenrente nicht anzurechnen sei, da sie eine Entschädigung darstelle. Dass sie von der Verletztenrente keine Kenntnis gehabt hätte, hat sie zu diesem Zeitpunkt nie geltend gemacht.
d) Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist unter Berücksichtigung der vom Beklagten im angefochtenen Bescheid dargestellten Tabelle auch bezüglich der Aufhebung und der Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin (und auch S.F.) inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.d. § 33 Abs. 1 SGB X (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.06.2020 - B 4 AS 10/20 R -, juris Rn. 27). Denn in der im Bescheid dargestellten Tabelle sind die Aufhebungs- und Erstattungsbeträge nach Monaten und individualisiert nach der Klägerin und S.F. (vgl. zum Individualanspruch jedes Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft: BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 08/06 R-, juris Rn. 12) aufgeführt. Aus diesen Beträgen ergibt sich zugleich die Höhe der jeweiligen Aufhebungsentscheidungen, dabei ist die linke Spalte die für die Klägerin maßgebliche.
Der Beklagte hat auch zutreffend sämtliche Bewilligungsbescheide (vom 30.05.2022, 24.10.2022 und 12.12.2022) aufgehoben, mit denen er der Klägerin Grundsicherungsleistungen im Streitzeitraum bewilligt hat. Dass er mit dem streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nicht auch den (Abhilfe-)Bescheid vom 13.07.2022 aufgehoben hat, ist für das vorliegende Verfahren ohne Relevanz, da mit diesem Bescheid in der Sache lediglich S.F. im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid vom 30.05.2022 höhere Grundsicherungsleistungen bewilligt worden sind, nicht hingegen der Klägerin. Auch dass der Beklagte den Bescheid vom 25.10.2022 über die Bewilligung der Covid-Einmalzahlung nicht explizit aufgehoben hat, ist für das vorliegende Verfahren ohne Relevanz, da mit ihm die Einmalzahlung ausschließlich S.F. bewilligt worden war, nicht hingegen der Klägerin. Wie bereits zuvor dargelegt, hat S.F. aber den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nicht mit dem vorliegenden Klage- und Berufungsverfahren angefochten, so dass er ihm gegenüber bereits in Bestandskraft erwachsen ist.
e) Der Beklagte hat auch das ihm eingeräumten Ermessen nach § 45 SGB X erkannt und von diesem Gebrauch gemacht. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
f) Darüber hinaus hat der Beklagte die Bewilligungsbescheide innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X aufgehoben, nachdem er mittels Sozialdatenabgleich im März 2023 erstmals von dem Bezug der Verletztenrente und im April und Juni 2023 erstmals über die jeweilige Höhe dieser Rente im hiesigen Streitzeitraum Kenntnis erhielt.
Aus den vorgenannten Gründen ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.