L 2 SO 633/25

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 3390/24
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 633/25
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 2024 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 2024 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs- und Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Der Kläger begehrt vom Beklagten weitere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII).

Der 1969 geborene Kläger bezieht seit Jahren – neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom zuständigen Rentenversicherungsträger
Grundsicherungsleistungen vom Beklagten. Mit Bescheid vom 11.03.2024, laut Abgabevermerk am 12.03.2024 zur Post gegeben, bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungsabschnitt 01.03.2024 bis 28.02.2025 in Höhe von 381,63 € monatlich. Der Berechnung des Anspruchs legte er einen Regelbedarf in Höhe von 563,00 €, Bedarfe für die Unterkunft in Höhe von 365,00 € und für die Heizung in Höhe von 50,00 € (also Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 415,00 €) zu Grunde. Weitere 15,00 €, die der Kläger monatlich für die Miete eines Stellplatzes an seine Vermieterin entrichtet, berücksichtigte der Beklagte nicht. Als Einkommen rechnete der Beklagte ein Einkommen aus Erwerbsminderungsrente in Höhe von 596,37 € monatlich an. Im Bescheid wies der Beklagte auf Folgendes bin: „Bitte beachten Sie, dass (der Beklagte) Ihren Grundsicherungsanspruch zur teilweisen Begleichung Ihrer Mietzahlung an (ihre Vermieterin) erstattet. Die Differenz zur Miete ist von Ihnen an (ihre Vermieterin) zu entrichten.“ Aus der dem Bescheid beigefügten Zahlungszuordnung geht hervor, dass der Beklagte den Gesamtbetrag von 381,63 € an die Vermieterin überwies.

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 04.05.2024 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2024, dem Kläger zugestellt am 04.06.2024, als unzulässig verwarf, da der Widerspruch verfristet sei.

Mit Schreiben vom 15.07.2024, beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 23.07.2024 eingegangen, hat der Kläger Klage „wegen Bescheid vom 23.03.2024 (…) Widerspruch 11.03.2024“ erhoben.
Der Beklagte hat auf den Bescheid mit Datum vom 11.03.2024 hingewiesen und mitgeteilt, dass unter dem 24.03.2024 kein Bescheid erlassen worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Beschluss vom 16.08.2024 an das örtlich und sachlich zuständige Sozialgericht (SG) Stuttgart verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2024 hat das SG den Antrag des ordnungsgemäß geladenen, aber nicht anwesenden Klägers dahingehend sinngemäß ausgelegt, dass vom Beklagten für den Zeitraum 01.03.2024 bis 28.02.2025 weitere Grundsicherungsleistungen in Höhe von 15,00 € monatlich begehrt werden und die Klage durch Urteil vom 16.12.2024 abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, da sie erst am 23.07.2024 nach Ablauf der Klagefrist (04.07.2024) erhoben worden sei. Darüber hinaus sei der Bescheid vom 11.03.2024 bestandskräftig geworden, da der Widerspruch vom 04.05.2024 erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist (15.04.2024) erhoben worden sei. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. In der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung hat es auf das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde und die Rechtsmittelfrist hingewiesen.

Gegen das dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 03.01.2025 zugestellte Urteil hat dieser mit Schreiben vom 11.02.2025, beim SG Stuttgart am 21.02.2025 eingegangen, „Einspruch“ eingelegt.

Das Schreiben ist an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg weitergeleitet worden.

Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.12.2024 und den Bescheid des Beklagten vom 11.03.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2024 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, im für die Zeit vom 01.03.2024 bis 28.02.2025 weitere Grundsicherungsleistungen in Höhe von 15,00 € monatlich zu gewähren,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart zuzulassen.

Der Beklagte beantragt (sachdienlich ausgelegt),

die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen,
die Beschwerde des Klägers als unzulässig zu verwerfen.

Mit Schreiben vom 27.02.2025 hat die Berichterstatterin den Kläger darauf hingewiesen, dass sein „Einspruch“ als Berufung gegen das Urteil des SG ausgelegt werde, dass die einmonatige Rechtsmittelfrist abgelaufen sei und dass im Übrigen – unter Verweis auf die Rechtsmittelbelehrung im Urteil – der maßgebliche Beschwerdewert nicht erreicht werde und die Berufung nicht zugelassen worden sei. Weiter ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung unzulässig und beabsichtigt sei, diese nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen.


Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

1. Das vom Senat als Berufung ausgelegte Rechtsmittel des Klägers ist nicht statthaft und daher gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Entscheidung über die Verwerfung der Berufung kann nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen. Die Verfahrensweise steht im Ermessen des Gerichts (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 30.10.2019 - B 14 AS 7/19 B, juris Rn. 2). Der Senat übt das eingeräumte Ermessen vorliegend dahingehend aus, dass er über den Streitfall durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Der Kläger ist mit Schreiben des Senats vom 27.02.2025 hierzu angehört worden. Dabei ist er darauf hingewiesen worden, dass die Berufung – mit Verweis auf die zutreffende Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil – unzulässig ist und dass eine Entscheidung durch Beschluss beabsichtigt ist. Ihm ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, von der er Gebrauch gemacht hat. Rechtliches Gehör ist damit gewährt worden (§ 62 SGG; vgl. zu den Anforderungen: BSG, Urteil vom 26.11.2020 - B14 AS 56/19 R -, juris Rn. 10; BSG, Beschluss vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 8/14 B -, juris, Rn. 17 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 158 Rn. 8 m.w.N.).

Einer Entscheidung durch Beschluss steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht an der mündlichen Verhandlung vor dem SG teilgenommen hat. Denn eine solche wurde durchgeführt, zu ihr wurde er mit der nachweislich zugestellten Terminbestimmung geladen und sein persönliches Erscheinen angeordnet und zugleich darauf hingewiesen, dass auch in seiner Abwesenheit entschieden werden kann. Damit ist das
durch Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützte prozessuale Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
gewahrt, weil er die Möglichkeit (und aufgrund der Anordnung seines persönlichen Erscheinens auch die Pflicht) hatte, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Dass der Kläger von dieser Möglichkeit tatsächlich keinen Gebrauch gemacht hat, liegt allein in seinem Verantwortungsbereich und führt dazu, dass er sich auf eine Verletzung seines Rechtes auf rechtliches Gehör nicht berufen kann. Daher sind seine prozessualen Rechte auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verletzt, wenn das Rechtsmittelgericht nach entsprechender Anhörung die Berufung mangels Erreichens des Beschwerdewertes ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter (§ 33 Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss verwirft.


Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 16.12.2024 ist nicht statthaft und damit unzulässig. Denn die Berufung hätte der Zulassung bedurft, ist aber weder vom SG in der angefochtenen Entscheidung noch vom LSG durch entsprechenden Beschluss zugelassen worden.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt, es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach dem Umfang, in dem das SG dem Begehren des Rechtsmittelführers nicht gefolgt ist und was davon mit den Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (BSG, Urteil vom 06.09.2017 - B 13 R 20/14 R -, juris Rn. 22).

Ausgehend davon, dass der Kläger das vom SG als sinngemäß ausgelegte Begehren auf Gewährung weiterer Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.03.2024 bis 28.02.2025 in Höhe von 15,00 € monatlich mit seinem Rechtsmittel weiterverfolgt, erreicht der Wert des Beschwerdegegenstandes 180,00 € (12 Monate x 15,00 €) und demnach nicht die Berufungssumme von mehr als 750,00 €. Auch sind keine Leistungen von mehr als einem Jahr im Streit. Die danach erforderliche Zulassung der Berufung liegt nicht vor. Eine Entscheidung über die Berufungszulassung hat das SG im angefochtenen Urteil vom 10.05.2023 nicht getroffen.

Ungeachtet dessen ist die Berufung darüber hinaus wegen Verfristung unzulässig. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Gemäß § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem SG schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Das Urteil des SG Stuttgart 16.12.2024 ist dem Kläger am 03.01.2025 und mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§ 66 SGG) mittels Postzustellungsurkunde wirksam zugestellt worden (§ 63 SGG). Damit begann die einmonatige Berufungsfrist am 04.01.2025 (§ 64 Abs. 1 SGG) und endete am Montag, den 03.02.2025 (§ 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG). Das Rechtsmittel des Klägers ist jedoch erst am 21.02.2025 bei Gericht eingegangen und damit verspätet.

2. Im Übrigen ist der „Einspruch“ des Klägers auch als vom Senat ausgelegtes, (allein statthaftes) Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG) unzulässig. Denn die Beschwerde ist beim LSG innerhalb eines Monates nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Wie zuvor bereits dargelegt, endete die einmonatige Rechtsmittelfrist am Montag, den 03.02.2025. Das Rechtsmittel des Klägers ist jedoch erst am 21.02.2025 bei Gericht eingegangen und damit verspätet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) gegen die Entscheidung über die Berufung (Ziff. 1) liegen nicht vor.

5. Die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung (Ziff. 2) ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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