L 3 R 53/23

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 374/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 3 R 53/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

In der Rechtsmittelinstanz ist die Einhaltung der Klagefrist von Amts wegen zu prüfen, ohne dass das Berufungsgericht an die Einschätzung der Beteiligten oder des Sozialgerichts gebunden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) hat. Umstritten ist die vorgreifliche Frage, ob die Klage gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten fristgerecht erhoben worden ist.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 6. September 2016 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2017 ab. Zur Begründung führte sie aus, im Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung sei festgestellt worden, dass bei dem Kläger ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen vorliege. Bei dieser noch vorhandenen Leistungsfähigkeit sei der Arbeitsmarkt grundsätzlich nicht verschlossen. Der Widerspruchsbescheid wurde noch am 25. Oktober 2017 ausweislich des entsprechenden Abvermerks zur Post aufgegeben und mit einfachem Brief versendet.

Mit Schriftsatz vom 29. November 2017, per Telefax am 30. November 2017 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingegangen, hat der Kläger, vertreten durch die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten, Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten erhoben. Der Original-Schriftsatz ist am 1. Dezember 2017 beim Sozialgericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2017 hat die Beklagte ausgeführt, die Klage sei nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist erhoben worden und deshalb unzulässig. Der Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2017 sei am selben zur Post aufgegeben worden. Er gelte nach § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) als am 28. Oktober 2017 bekannt gegeben. Die Frist zur Erhebung der Klage habe am 28. November 2017, einem Dienstag, geendet. Die Klageschrift sei aber erst am 30. November 2017 und damit verspätet eingegangen. Die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 16. Januar 2018 erwidert, entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Klage nicht verfristet. Bedauerlicherweise sei das Gesetz nicht bis zum Ende gelesen worden. Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) gelte für einen mit einfachem Brief durch die Post übermittelten Verwaltungsakt die sogenannte „Drei-Tages-Fiktion“. Danach gelte der Verwaltungsakt grundsätzlich als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post zugestellt, unabhängig vom tatsächlichen Zugang. Das heiße, dass ein früherer Zeitpunkt des Zugangs (beispielsweise ein Tag nach Aufgabe zur Post) unerheblich sei, es gelte die Fiktion des dritten Tages. § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG bestimme eine Ausnahme von der „Drei-Tages-Fiktion“. Wenn der Verwaltungsakt nicht innerhalb von drei Tagen zugehe, sondern später, dann gelte der tatsächliche Zugang. Das bedeute, dass ein Verwaltungsakt, der erst am fünften Tag nach Aufgabe zur Post zugehe, auch erst zu diesem Zeitpunkt bekannt gegeben werde. Der 25. Oktober 2017 sei ein Mittwoch gewesen, der 28. Oktober 2017 ein Samstag. Weiter ist ausgeführt: „Die Kanzlei ist an einem Samstag nicht geöffnet, sodass - selbst wenn der Brief tatsächlich am Samstag in den Briefkasten eingelegt wurde, was bestritten wird - eine Kenntnisnahme/der Zugang erst am Montag, den 30. Oktober 2017, erfolgte“. Dies sei durch den Eingangs- und Fristenstempel bestätigt. Die Beklagte möge den „tatsächlichen/von ihr behaupteten Zugang“ beweisen. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 9. Februar 2018 ausgeführt, es erschließe sich ihr nicht, wieso in einem Sozialgerichtsverfahren das VwVfG Anwendung finden sollte. Maßgebend für die Bekanntgabe eines Bescheides eines Sozialleistungsträgers sei § 37 SGB X. Allerdings könne sie keinen Nachweis über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides erbringen. Sie beantrage daher, die nunmehr als zulässig zu betrachtende Klage vom 30. November 2017 als unbegründet abzuweisen.

Das Sozialgericht hat sich im Folgenden nicht ausdrücklich zur Frage der Zulässigkeit der Klage geäußert, sondern umfangreich medizinisch ermittelt. Schließlich hat es die Klage mit Urteil vom 17. Februar 2023 als zulässig, aber unbegründet abgewiesen.

Gegen das ihm am 22. Februar 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. März 2023 - durch seine jetzige Prozessbevollmächtigte - Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 8. Juni 2023 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass der Senat im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren auch die Frage zu prüfen habe, ob die Klage fristgerecht erhoben worden sei. Diese Prüfung habe von Amts wegen zu erfolgen, selbst wenn die Beteiligten übereinstimmend der Auffassung seien, dass die Klage fristgerecht erhoben worden sei. Derzeit bestünden Bedenken, ob eine fristgemäße Klage vorliege, weil die Bekanntgabefiktion auch an einem Samstag eintrete.

Der Kläger hat hierzu ausgeführt, nach seiner Rechtsauffassung sei die Klage durch die vormaligen Prozessbevollmächtigten fristgerecht erhoben worden. Nach den ihr, der jetzigen Prozessbevollmächtigten, vorliegenden Unterlagen datiere die Klage und das Prozesskostenhilfegesuch vom 29. November 2017. Es habe vorab eine Übermittlung per Telefax erfolgen sollen. Die Frist zur Erhebung einer Klage sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten sei am 30. Oktober 2017 bei den vormaligen Prozessbevollmächtigten eingegangen. Aus dem Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. Februar 2023 ergebe sich zudem, dass die Klage am 30. November 2017 und damit fristgerecht erhoben worden sei. Die jetzige Prozessbevollmächtigte hat eine Kopie des Anschreibens der Beklagten zu dem Widerspruchsbescheid an den damaligen Prozessbevollmächtigten versehen mit dem Eingangsstempel der Kanzlei vom 30. Oktober 2017 zur Gerichtsakte gereicht.

Mit Beschluss vom 9. Oktober 2023 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es bestehe keine hinreichende Erfolgsaussicht, weil die Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau schon nicht fristgerecht erhoben worden sei.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 10. November 2023 erklärt, er teile die Rechtsauffassung des Senats nicht. Die Pflicht zur Ermittlung dürfe verletzt sein. Die Rechtsprechung zur Zugangsfiktion sei eindeutig. Diese greife nur ein, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt worden sei. Ein Aktenvermerk über die Abgabe an die Poststelle der Behörde reiche, so das Bundessozialgericht (BSG), nicht aus, da dies ein innerbehördlicher Vorgang sei, der nichts darüber sage, wann der Verwaltungsakt die Sphäre der Behörde verlassen habe. Hierüber habe die Beklagte noch keinerlei Aussage treffen können. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte wohl das erstinstanzliche Gericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Es werde jedenfalls bestritten, dass der Widerspruchsbescheid bereits am 25. Oktober 2017 noch am selben Tag zur Post aufgegeben und versendet worden sei. Es werde zur Klarstellung auch nochmals bestritten, dass der Widerspruchsbescheid am 28. Oktober 2017 zugegangen und damit bekanntgegeben worden sei. Die Beklagte solle die Verwaltungsabläufe von der Erstellung eines Widerspruchsbescheides bis hin zur Poststelle erklären. Wegen der im Einzelnen von dem Kläger aufgeworfenen Fragen wird auf dessen Schriftsatz vom 10. November 2023 verwiesen. Es existiere kein allgemeiner Grundsatz und es sei nicht die Annahme begründet, dass ein Verwaltungsakt am Tag seiner Erstellung auch die Behörde verlasse. Anhand der eindeutigen Kommentierung (Verweis auf Engelmann: in Schütze, Kommentar zum SGB X, § 37 Rdnr. 29; BeckOGK/Mutschler, SGB X, § 37 Rdnr. 18 ff.) sowie der einschlägigen Rechtsprechung gelte, dass ein Datumsstempel auf dem Widerspruchsbescheid, der nur den Zeitpunkt der Abgabe an die innerbehördliche Poststelle dokumentiere, keinen ausreichenden Nachweis für das Datum der Aufgabe zur Post im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X darstelle. Die Beklagte könne offenkundig nicht den tatsächlichen Zeitpunkt der Aufgabe zur Post beweisen. Sie trage jedoch die Beweislast. Im Übrigen liege hier auch kein Widerspruchsbescheid vor, auf dem ein Abvermerk gegeben sei. Diesbezüglich werde Akteneinsicht beantragt.

Die Beklagte hat erklärt, die Versendung von Widerspruchsbescheiden in ihrem Bereich sei ein standardisierter Verfahrensablauf, der seit Jahren beanstandungsfrei funktioniere. Mit Einführung der digitalen Fallbearbeitung werde die Abgabe und Versendung der Bescheide nur noch in der Schlussverfügung dokumentiert. Diese Praxis sei bisher noch in keinem Streitverfahren thematisiert worden.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 23. Januar 2024 hat der Senat dem Kläger mitgeteilt, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Betracht komme, weil die Berufung schon deshalb unbegründet sein könnte, weil die Klage nicht fristgerecht beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingegangen sei. Dem Kläger ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Außerdem sind ihm die Verwaltungsakten der Beklagten zur Einsicht übersandt worden. Die Beklagte hat eine Abschrift dieses Schreibens erhalten.

Der Kläger hat hierzu erklärt, das Vorgehen bzw. die vorläufige Rechtsauffassung seien nicht nachvollziehbar. Anhand der übermittelten Verwaltungsakte der Beklagten sei eindeutig ersichtlich, dass ein Versendungsvermerk für den streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid und damit für den 25. Oktober 2017 nicht vorliege. Dies behaupte die Beklagte nicht einmal. Daher greife die Drei-Tages-Fiktion vorliegend nicht. Dies sei eindeutige Rechtsprechung. Einer Entscheidung des Senats nach § 153 Abs. 4 SGG werde nicht zugestimmt. Es sei von der Zulässigkeit der Klage auszugehen, so dass eine Sachentscheidung zu treffen sei. Da sich der medizinische Sachverhalt als streitig darstelle, sei eine mündliche Verhandlung nicht entbehrlich. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.

II.

Der Senat durfte den Rechtsstreit durch Beschluss im Sinne von § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden. Eine Zustimmung des Klägers zu dieser Vorgehensweise ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, weil die Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau nicht fristgerecht erhoben worden ist. Schon aus diesem Grund ist die zulässige Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Gemäß § 87 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Gemäß § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Vorliegend ist der Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2017 ausweislich des Vermerks in der Verwaltungsakte „versandt am: 25. Okt. 2017“ noch am selben Tag zur Post aufgegeben worden. Dieser Vermerk reicht jedenfalls aus (vgl. Engelmann in: Schütze, Kommentar zum SGB X, 9. Aufl. 2020, § 37 Rdnr. 29; BSG, Urteile vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 13/07 R - juris, Rdnr. 15, und vom 15. Juni 2023 - B 9 SB 2/22 R -, juris, Rdnr. 18). Der Kläger hat auch keine der Auffassung des erkennenden Senats entgegenstehende Rechtsprechung konkret benannt - eine solche ist auch dem Senat nicht bekannt -, sondern lediglich pauschal auf „einschlägige Rechtsprechung“ verwiesen. Soweit der Kläger unter Hinweis auf Kommentierungen geltend macht, dass ein Datumsstempel auf dem Widerspruchsbescheid, der nur den Zeitpunkt der Abgabe an die innerbehördliche Poststelle dokumentiere, keinen ausreichenden Nachweis für das Datum der Aufgabe zur Post im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X darstelle, ist darauf hinzuweisen, dass sich in der Verwaltungsakte der Beklagten hier ein ausdrücklicher Abvermerk über die Versendung befindet. Dies ist mehr als ein bloßer Datumsstempel auf dem Widerspruchsbescheid. Die Bekanntgabe wird damit für den 28. Oktober 2017 gesetzlich fingiert. Bei der Bestimmung des dritten Tages ist nicht entscheidend, ob dieser Tag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist (Engelmann, a.a.O., § 37 Rdnr. 30, BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008, a.a.O., Rdnr. 13).

Gemäß § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung. Eine nach Monaten bestimmte Frist beginnt mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs. 2 SGG). Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG).

Fristbeginn der Monatsfrist ist damit der 29. Oktober 2017, der Tag nach dem Eintritt der Bekanntgabefiktion. Die Monatsfrist endet somit am 28. November 2017. Da der 28. November 2017 ein Dienstag war, lief die Monatsfrist an diesem Wochentag auch ab. Die Klage ist aber erst am 30. November 2017 per Fax und damit nicht mehr fristgemäß beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingegangen.

Der Senat kann der Argumentation des Klägers, die Klage sei fristgemäß erhoben worden, nicht folgen. Vorliegend ist eine Kopie des Anschreibens der Beklagten zu dem Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2017 an den damaligen Prozessbevollmächtigten versehen mit dem Eingangsstempel der Kanzlei vom 30. Oktober 2017 vorgelegt worden. Der vormalige Prozessbevollmächtigte hat insoweit lediglich ausgeführt, die Kanzlei sei an einem Samstag nicht geöffnet, sodass - selbst wenn der Brief tatsächlich am Samstag in den Briefkasten eingelegt worden sei, was bestritten werde - eine Kenntnisnahme/der Zugang erst am Montag, den 30. Oktober 2017 erfolgt sei. Dieses einfache Bestreiten genügt jedoch nicht, die Zugangsvermutung am 28. Oktober 2017 zu widerlegen. Hier hätte es weiteren Vorbringens bedurft, weshalb der Widerspruchsbescheid nicht am Samstag in den Briefkasten der Kanzlei eingelegt worden sein könnte und deshalb die gesetzliche Fiktion widerlegt sei. Bestreitet der (vermeintliche) Empfänger den Zugang, muss die Behörde den Zugang nur nachweisen, wenn der Empfänger die Vermutung durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert. Gefordert wird die substantiierte Darlegung von Tatsachen, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Verwaltungsaktes erst nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabefiktion erfolgte (Engelmann, a.a.O., Rdnr. 33). Ein derartiges substantiiertes Bestreiten liegt auf klägerischer Seite nicht vor. Der Kläger bzw. seine Prozessbevollmächtigten haben nicht dargelegt, dass der Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2017 nicht bereits am Samstag, den 28. Oktober 2017 in den Briefkasten des damaligen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden und dieser damit in dessen Machtbereich gelangt sein kann. Es wäre aber eine substantiierte Darlegung von Tatsachen erforderlich, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Verwaltungsaktes erst nach der Bekanntgabefiktion erfolgt ist. Dadurch, dass der Empfänger nur vage, unsubstantiierte Angaben macht bzw. ohne weitere Angaben bestreitet, ist die Bekanntgabefiktion und Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 SGB X noch nicht widerlegt (Engelmann, a.a.O., Rdnr. 33).

Da auch in der Rechtsmittelinstanz die Einhaltung der Klagefrist von Amts wegen zu prüfen ist, ohne dass das Berufungsgericht an die Einschätzung der Beteiligten oder des Sozialgerichts gebunden ist, ist das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das die Klage als unbegründet abgewiesen hat, im Ergebnis zu bestätigen und die Berufung zurückzuweisen, wobei die Klage schon wegen Unzulässigkeit abzuweisen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Rechtskraft
Aus
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