B 2 U 9/22 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 26/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 36/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 9/22 R
Datum
Kategorie
Urteil

 

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. April 2022 wird zurückgewiesen.

Kosten im Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

I

1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Feststellung der Berufskrankheit Nr 2101 (BK 2101) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hat.

2
Die Klägerin war an einem Bildschirmarbeitsplatz mit Dateneingabe befasst. Wegen anhaltender Armbeschwerden rechts zeigte der sie betreuende Facharzt für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin F den Verdacht auf eine BK 2101 an (bis zum 31.12.2020 "Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnenscheidengewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können"; seit dem 1.1.2021 "Schwere oder wiederholt rückfällige Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze").

3
Die Beklagte holte auf Wunsch der Klägerin eine gutachtliche Stellungnahme des Arztes F ein, der die medizinischen Voraussetzungen der BK 2101 für gegeben hielt. Wegen beratungsärztlicher Zweifel leitete die Beklagte ein Gutachterauswahlverfahren ein. Da die Klägerin keinen benannten Gutachter auswählte, legte ihr die Beklagte unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten dar, dass die Begutachtung durch einen erfahrenen Facharzt erforderlich sei. Die Klägerin vertrat den Standpunkt, sie habe sich bereits einer Begutachtung unterzogen. Die Beklagte lehnte es daraufhin bis zur Nachholung der Mitwirkung ab, die BK 2101 anzuerkennen (Bescheid vom 5.5.2017; Widerspruchsbescheid vom 10.1.2018).

4
Diese Bescheide hat das SG aufgehoben und die auf Feststellung der BK 2101 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 16.2.2021). Die Berufung der Klägerin gegen die Klageabweisung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 5.4.2022): Die Feststellungsklage sei unzulässig. In Fällen der Versagung könne die kombinierte Anfechtungs und Leistungs bzw Verpflichtungsklage zwar ausnahmsweise zulässig sein, wenn die Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig seien. Anders als dies die höchstrichterliche Rechtsprechung nahelege, reiche es aber nicht, wenn die Klägerin ihr Vorliegen  wie hier  lediglich behaupte.

5
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen (§§ 54, 55 SGG) und materiellen Rechts (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2101). Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage genüge es, das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen zu behaupten. Die kombinierte Anfechtungs und Verpflichtungs bzw Leistungsklage sei zulässig, wenn tatsächliche Ermittlungen durchgeführt worden seien, interne Teilentscheidungen der Behörde vorlägen oder nach Beweislastgrundsätzen entschieden werden könne. Die Beklagte sei hier nicht gehindert, eine Entscheidung in der Sache zu treffen, die kraft Gesetzes zum Gegenstand des Verfahrens würde. Im Übrigen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte nochmals eine Versagungsentscheidung wegen fehlender Mitwirkung treffe.

6
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. April 2022 und Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2021 zu verpflichten, bei ihr eine Berufskrankheit Nr 2101 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.

7
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8
Die Beklagte pflichtet dem angefochtenen Urteil bei. Sobald das Revisionsverfahren beendet sei, werde sie das Verwaltungsverfahren zur Feststellung der BK 2101 wieder aufnehmen und entscheiden, ob die Erkrankung als BK anzuerkennen sei.


II

9
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Teil im erstinstanzlichen Urteil zu Recht zurückgewiesen. Denn das SG hat die ursprünglich erhobene Klage, die BK 2101 gerichtlich festzustellen, zutreffend als unzulässig abgewiesen. Soweit es zugleich den (Versagungs)Bescheid vom 5.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2018 (§ 95 SGG) auf die (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 SGG) aufgehoben hat, ist dieser zusprechende Teil des erstinstanzlichen Urteils rechtskräftig geworden, weil die Beklagte keine (Anschluss)Berufung eingelegt hat (§ 141 Abs 1 Nr 1, § 202 Satz 1 SGG iVm § 705 ZPO).

10
Die Klägerin durfte bei dem Streit über die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 7 Abs 1 SGB VII) auch noch im Revisionsverfahren zulässigerweise von der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage übergehen, weil es sich dabei um eine bloße Antragsänderung bei gleichbleibendem Klagegrund handelt und dies gemäß § 99 Abs 3 Nr 2 SGG keine im Revisionsverfahren nach § 168 Satz 1 SGG ausgeschlossene Klageänderung darstellt (BSG Urteile vom 22.6.2023  B 2 U 19/21 R  BSGE 136, 174 = SozR 42700 § 2 Nr 63, RdNr 7, vom 31.3.2022  B 2 U 13/20 R  BSGE 134, 109 = SozR 42700 § 3 Nr 3, RdNr 11 und vom 19.6.2018  B 2 U 1/17 R  SozR 42700 § 2 Nr 42 RdNr 8 mwN). Dennoch ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (dazu 1.) ebenso unzulässig wie es die ursprünglich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage war (dazu 2.). Die Klägerin kann die Bescheidung ihres Feststellungsbegehrens auch nicht im Wege der Untätigkeitsklage erreichen (dazu 3.).

11
1. Die kombinierte Anfechtungs und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 und 3, § 56 SGG), mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, die BK 2101 behördlich festzustellen, ist unzulässig. Denn es fehlt der grundsätzlich erforderliche Ablehnungsverwaltungsakt (dazu a). Eine Konstellation, in der hiervon ausnahmsweise abgesehen werden kann, liegt nicht vor (dazu b).

12
a) Die Verpflichtungsklage setzt nach § 54 Abs 1 Satz 1 Var 3 SGG einen ablehnenden Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) voraus, dh eine endgültige Verneinung des geltend gemachten (Feststellungs)Anspruchs in der Sache durch die zuständige Ausgangsbehörde. Eine solche Regelung enthält der angefochtene Bescheid vom 5.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.1.2018 nicht.

13
Dieser trifft nur eine Entscheidung darüber, dass der Anspruch auf Feststellung der BK 2101 wegen fehlender Mitwirkung einstweilen nicht besteht, wie dessen Auslegung ergibt (§§ 133, 157 BGB entsprechend), die auch dem Revisionsgericht obliegt (BSG Urteile vom 30.3.2023  B 2 U 1/21 R  SozR 42700 § 2 Nr 62 RdNr 44, vom 8.12.2021  B 2 U 12/20 R  BSGE 133, 172 = SozR 42700 § 180 Nr 2, vom 16.3.2021  B 2 U 7/19 R  BSGE 131, 297 = SozR 45671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 25 und vom 4.12.2014  B 5 RE 4/14 R  juris RdNr 12 mwN). Es kann offenbleiben, ob sich die Beklagte dabei überhaupt auf § 66 Abs 1 Satz 1 SGB I stützen und die Feststellung der BK 2101 versagen durfte, obwohl sich die Vorschrift ausdrücklich (§ 31 SGB I) nur auf "Sozialleistungen" (§ 11 SGB I) und gerade nicht auf Feststellungen bezieht (zweifelnd für die Feststellung der Familienversicherung BSG Urteil vom 29.6.2021  B 12 KR 2/20 R  BSGE 132, 245 = SozR 42500 § 19 Nr 3, RdNr 31; bejahend für die GdBFeststellung BSG Urteile vom 12.10.2018  B 9 SB 1/17 R  SozR 4-1200 § 66 Nr 8 RdNr 18 und vom 16.12.2014  B 9 SB 3/13 R  SozR 41200 § 66 Nr 7 RdNr 27 f). Denn selbst wenn die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung rechtmäßig versagt werden könnte, wäre dies nur eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung (dazu aa) mit Vorläufigkeitscharakter (dazu bb) und damit keine endgültige Verneinung des geltend gemachten (Feststellungs)Anspruchs in der Sache, wie dies § 54 Abs 1 Satz 1 Var 3 SGG erfordert.

14
aa) Die Versagung der BK 2101 ist keine Entscheidung ("in der Sache") über die Voraussetzungen des Feststellungsanspruchs selbst, also keine materielle Ablehnung (vgl BSG Urteil vom 24.11.1987  3 RK 11/87  juris RdNr 21), sondern nur eine Entscheidung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren (vgl BSG Urteil vom 27.8.2019  B 1 KR 1/19 R  SozR 42500 § 13 Nr 47 RdNr 11 mwN) bzw über die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit nach §§ 60  62, 65 SGB I (vgl BSG Beschluss vom 2.2.2024  B 7 AS 199/23 BH  juris RdNr 4; BSG Urteil vom 22.2.1995  4 RA 44/94  BSGE 76, 16, 20 = SozR 31200 § 66 Nr 3 S 8). Denn eine Versagung setzt ja gerade voraus, dass noch nicht über den Anspruch entschieden werden kann (vgl § 66 Abs 1 Satz 1 SGB I aE). Demgegenüber ergeht eine ablehnende Entscheidung in der Sache, wenn die Anspruchsvoraussetzungen fehlen, entweder aufgrund Beweiswürdigung oder nach einer Beweislastentscheidung (BSG Urteil vom 29.6.2021  B 12 KR 2/20 R  BSGE 132, 245 = SozR 42500 § 10 Nr 13, RdNr 28). Folglich ist die Versagung nach § 66 SGB I schon ihrem Wesen nach eine andere Entscheidung (aliud) als die Ablehnung eines Anspruchs (BSG Urteil vom 24.11.1987  3 RK 11/87  juris RdNr 20).

15
bb) Zudem ist die Versagung nur als Entscheidung bis zur Nachholung der Mitwirkung konzipiert. Diese wirkt als Schranke der Sachentscheidung, denn bei Nachholung der Mitwirkung können gemäß § 67 SGB I Leistungen nachgezahlt werden, wobei die Nachholung weder eine auflösende Bedingung (im Sinne des § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X) ist noch eine Erledigung des Versagungsverwaltungsaktes auf andere Weise (§ 39 Abs 2 SGB X) bewirkt (vgl für eine Entziehung nach § 66 Abs 1 SGB I bereits BSG Urteil vom 22.2.1995  4 RA 44/94  BSGE 76, 16, 27 = SozR 31200 § 66 Nr 3 S 15 f). Anders als eine Leistungsablehnung aus sachlichen Gründen beendet die Versagungsentscheidung das Verwaltungsverfahren nicht in der Sache. Stattdessen wird es mit der Möglichkeit der nachträglichen Bewilligung von Amts wegen wieder in Gang gesetzt, wenn die unterlassene Mitwirkung nachgeholt (oder der Verwaltungsakt aufgehoben) wird (BSG Urteil vom 17.2.2004  B 1 KR 4/02 R  SozR 41200 § 66 Nr 1 RdNr 29). Demgegenüber beendet eine materielle Ablehnung das Verwaltungsverfahren endgültig und hat daher auch weiterreichende Bindungswirkung als die Versagung (BSG Urteile vom 29.6.2021  B 12 KR 2/20 R  BSGE 132, 245 = SozR 42500 § 10 Nr 13, RdNr 30 und vom 16.12.2014  B 9 SB 3/13 R  SozR 41200 § 66 Nr 7 RdNr 27).

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b) Es liegt keine Ausnahmekonstellation vor, in der mit der Anfechtungsklage gegen einen versagenden Verwaltungsakt eine Verpflichtungsklage auf die in der Sache begehrte Verwaltungsentscheidung kombiniert werden kann. Dies ist weder aus Gründen der Prozessökonomie und des effektiven Rechtsschutzes geboten (dazu aa) noch wird über existenzsichernde Leistungen gestritten (dazu bb).

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aa) Sind die (materiell-rechtlichen) Anspruchsvoraussetzungen anderweitig nachgewiesen, muss die Behörde sachlich über den Anspruch (im Sinne einer Bewilligung) entscheiden, sodass für eine Versagung von vornherein kein Raum bleibt (BVerwG Urteil vom 17.1.1985  5 C 133/81  BVerwGE 71, 8 = juris RdNr 16). In solchen Fällen wäre es nicht prozessökonomisch und aus Gründen der Rechtschutzgarantie (Art 19 Abs 4 GG) auch nicht vertretbar, lediglich die Versagung mit der Begründung aufzuheben, die Leistungsvoraussetzungen seien nachgewiesen, und den Versicherten im Übrigen auf ein neu in Gang zu setzendes Verfahren zu verweisen. Die kombinierte Anfechtungs und Leistungs bzw Verpflichtungsklage ist insoweit bereits für zulässig erachtet worden, wenn die Anspruchsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig sind oder die Klägerin ihr Vorliegen zumindest "behauptet" (BSG Urteile vom 29.6.2021  B 12 KR 2/20 R  BSGE 132, 245 = SozR 42500 § 10 Nr 13, RdNr 11, vom 1.7.2009  B 4 AS 78/08 R  BSGE 104, 26 = SozR 41200 § 66 Nr 5, RdNr 14, vom 17.2.2004  B 1 KR 4/02 R  SozR 41200 § 66 Nr 1 RdNr 12 und grundlegend vom 24.11.1987  3 RK 11/87  juris RdNr 21; offengelassen in BSG Urteil vom 25.10.1988  7 RAr 70/87  SozR 1200 § 66 Nr 13 = juris RdNr 12). Dabei setzt ein "Behaupten" ein hohes Maß an Substantiierung der Anspruchsvoraussetzungen voraus (vgl bereits BSG Urteil vom 24.11.1987  3 RK 11/87  juris RdNr 21: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für einen Krankengeldanspruch, positives gerichtliches Sachverständigengutachten, keine Einwände der Beklagten). Der bloße  ggf prozesstaktisch motivierte  Vortrag, die Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt, genügt nicht. Der Begriff hat hier nicht denselben Gehalt wie in § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, wonach es für die Klagebefugnis und den damit bezweckten Ausschluss von Popularklagen ausreicht, dass die Klägerin durch den Verwaltungsakt möglicherweise beschwert ist. Derart geringe Anforderungen an den Substantiierungsgrad wären im vorliegenden Kontext mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG, § 1 SGG) unvereinbar. Dieser fordert grundsätzlich eine Erstentscheidung durch Verwaltungsakt. Denn die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind allein dazu berufen, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (BSG Urteil vom 16.3.2006  B 4 RA 24/05 B  SozR 41500 § 160a Nr 13 RdNr 15; Berchtold in ders/Karmanski/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 3. Aufl 2024, § 6 RdNr 374). Vor diesem Hintergrund lassen sich Ausnahmen von der Notwendigkeit einer Verwaltungsentscheidung allenfalls mit dem bereits geführten Nachweis der Leistungsvoraussetzungen rechtfertigen, weil dann dem Gebot effektiven Rechtschutzes (Art 19 Abs 4 GG) Vorrang vor dem Prinzip der Gewaltenteilung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) einzuräumen ist. Sind aber zwischen den Beteiligten bereits Vorfragen streitig und die Anspruchsvoraussetzungen insgesamt ungeklärt, kann auf die Durchführung eines vorangehenden Verwaltungsverfahrens zur Klärung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen nicht verzichtet werden.

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Hier sind weder die Voraussetzungen zur Feststellung der BK 2101 hinreichend deutlich dargetan noch sind sie zwischen den Beteiligten unstreitig. Nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG sind zumindest die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der BK 2101 umstritten und zudem ungeklärt. Es ist bereits nicht ersichtlich, an welcher Erkrankung die Klägerin Anfang Dezember 2013 litt und daher auch nicht, ob es sich überhaupt um eine Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes oder der Sehnen und Muskelansätze handelt. Dazu hat das LSG festgestellt, dass das bei der Klägerin operierte Gangliom gerade keine Erkrankung ist, die unter die BK 2101 fällt (ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und BK, 10. Aufl 2024, S 1371). Zumindest offen ist auch die Belastungskonformität von Schadensmanifestation und Erkrankungsverlauf, weil die Klägerin die in Rede stehende Tätigkeit bereits seit 2006 ausübt und es offenbar erstmals im Dezember 2013 zu der Erkrankung gekommen ist, die sie als BK 2101 geltend macht (vgl zu begründeten Zweifeln am Kausalzusammenhang bei einem langen zeitlichen Intervall zwischen Aufnahme der Tätigkeit mit entsprechender Beanspruchung und dem Auftreten von Beschwerden Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und BK, 10. Aufl 2024, S 1374). Zudem ist nicht geklärt, ob die Klägerin für die Zeit bis zum 31.12.2020 den Unterlassungszwang erfüllt hat und ob für die Zeit danach eine "schwere oder wiederholt rückfällige Erkrankung" vorliegt. Schließlich hat das LSG Widersprüche in den Aussagen des behandelnden Arztes und Verwaltungsgutachters F festgestellt.

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bb) Auch eine Ausnahmekonstellation wegen existenzsichernden Leistungen liegt nicht vor. Bei der Versagung derartiger Leistungen nach dem SGB II ist die Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) erwogen worden, wenn sich nach der Aufhebung der Versagung das bisherige Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde (BSG Urteil vom 1.7.2009  B 4 AS 78/08 R  BSGE 104, 26 = SozR 41200 § 66 Nr 5, RdNr 16). Hier geht es indes nicht um existenzielle oder damit vergleichbare Leistungen.

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2. Eine mit der Anfechtungsklage verbundene (§ 56 SGG) Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) auf gerichtliche Feststellung der BK 2101 wäre ebenfalls unzulässig, weil auch darüber vorher prinzipiell in der Sache durch Verwaltungsakt hätte entschieden werden müssen. Denn das Interesse gerade an der gerichtlichen Feststellung ist grundsätzlich erst "berechtigt", nachdem sich der Versicherte an den Unfallversicherungsträger gewandt und ihm Gelegenheit gegeben hat, das (Nicht)Vorliegen des Versicherungsfalls behördlich festzustellen, weil dies in der Regel der einfachste, schnellste und prozessökonomischste Weg ist, um eine rasche und verbindliche Klärung zu erlangen. Lehnt der Träger es ab, den Versicherungsfall behördlich festzustellen und wurde das Vorverfahren erfolglos durchgeführt (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG), kann gegen den Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG) zulässigerweise Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 SGG) erhoben werden, die mit der Feststellungklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) zu kombinieren (§ 56 SGG) ist (siehe für die Feststellung der Folge eines Versicherungsfalls BSG Beschluss vom 15.12.2020  B 2 U 142/20 B  juris RdNr 8; vgl bereits BSG Beschluss vom 27.6.2006  B 2 U 77/06 B  SozR 41500 § 55 Nr 4 RdNr 8). Da der Versagungsbescheid keine materiell-rechtliche Entscheidung über die Feststellung eines Versicherungsfalls enthält, fehlt eine Ausgangsentscheidung, die in der Regel zur Annahme des Feststellungsinteresses erforderlich ist.

21
Die Feststellungsklage kann mithin nur zulässig sein, wenn sie isoliert möglich wäre. Auch dies wäre hier nicht der Fall. Ausnahmen von der Notwendigkeit einer Ausgangsentscheidung für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage sind anerkannt, wenn es Klägern nicht zuzumuten ist, die Entscheidung der Behörde abzuwarten (BSG Urteil vom 7.11.1991  12 RK 49/89  SozR 32940 § 7 Nr 2 S 4) oder die Behörde besonderen Anlass zur sofortigen Klageerhebung gegeben hat (BSG Urteil vom 22.5.1985  12 RK 30/84  BSGE 58, 150, 151 = SozR 1500 § 55 Nr 27 = juris RdNr 8), was beides der Fall ist, wenn die Behörde den Feststellungsantrag ignoriert, außerdem wenn in einem Bescheid zumindest der Rechtsschein einer negativen Feststellung gesetzt ist (BSG Beschluss vom 15.12.2020  B 2 U 142/20 B  juris RdNr 9) und auch dann, wenn das Abwarten eines Verwaltungsakts reine Förmelei wäre (BSG Urteil vom 7.9.2022  B 6 KA 10/21 R  SozR 42500 § 87b Nr 29 RdNr 15 mwN). Keine dieser Konstellationen liegt hier vor.

22
Weder ist der Klägerin ein Abwarten auf eine Sachentscheidung unzumutbar noch hat die Beklagte Anlass zur Erhebung einer Feststellungsklage gegeben. Denn das förmliche Verfahren des § 66 SGB I eröffnet der Beklagten gerade die Möglichkeit, den Leistungsberechtigten zur Mitwirkung heranzuziehen und entbindet sie insofern zunächst von weiteren Ermittlungen (§ 20 SGB X) und einer Entscheidung in der Sache.

23
Die Beklagte hat in dem angegriffenen Bescheid auch nicht den Rechtsschein einer negativen Feststellung gesetzt. Die Formulierung, dass die Anerkennung einer etwaigen BK 2101 aufgrund fehlender Mitwirkung im Verwaltungsverfahren bis zur Nachholung der Mitwirkung abgelehnt wird, kann aus dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB entsprechend) nicht als Sachentscheidung über die Nichtanerkennung der BK 2101 verstanden werden. Die Klägerin trägt Entsprechendes auch nicht vor, sondern geht gerade davon aus, dass eine solche Sachentscheidung nicht getroffen wurde.

24
Der Erlass eines Verwaltungsaktes über das Vorliegen der BK 2101 ist keine bloße Förmelei. Die Beklagte hat die arbeitstechnischen und insbesondere arbeitsmedizinischen Voraussetzungen noch nicht hinreichend ermittelt und wird dies nachzuholen haben, um anschließend nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten über das Vorliegen der BK 2101 durch Verwaltungsakt zu entscheiden.

25
3. Schließlich hätte die Klägerin eine Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über das Vorliegen der BK 2101 nicht mit einer Untätigkeitsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 4, § 88 Abs 1 SGG) erreichen können, die sie erstinstanzlich erhoben und dann konkludent zurückgenommen hat. Denn gemäß § 131 Abs 3 SGG könnte das Gericht lediglich die Verpflichtung aussprechen, die Klägerin unter Beachtung seiner Rechtsauffassung zu bescheiden. Im Übrigen gilt, dass die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit zwar kein zureichender Grund für eine unterlassene Bescheidung im Sinne des § 88 SGG ist (BSG Urteil vom 26.8.1994  13 RJ 17/94  BSGE 75, 56, 59 = SozR 31500 § 88 Nr 2 S 14 f). Diesen Bescheidungsanspruch der Klägerin hat die Beklagte indes mit ihrer Versagungsentscheidung erfüllt, auch wenn § 88 SGG nach seinem Wortlaut darauf abstellt, dass ein Antrag "sachlich nicht beschieden" ist. Denn nach der Rechtsprechung des BSG liegt in einem Versagungsbescheid eine Bescheidung im Sinne des § 88 Abs 1 SGG, weil der Bescheidungsanspruch nur auf "Bescheidung schlechthin" gerichtet ist (BSG Beschluss vom 16.10.2019  B 13 R 14/18 BH  juris RdNr 10).

26
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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