L 18 R 879/24 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 28 R 1118/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 879/24 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Jedenfalls bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren muss zum Beleg einer offenbaren Unrichtigkeit der entgegenstehende Wille des Gerichts aus den Entscheidungsgründen evident hervorgehen. Soll der Kostentenor berichtigt werden, reicht hierfür jedenfalls der bloße Hinweis auf § 193 SGG ohne nähere Ausführungen zur Begründung der Kostenentscheidung nicht aus.

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 12.06.2024 aufgehoben.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen Berichtigungsbeschluss.

 

Der Kläger begehrte im Klageverfahren (Klageerhebung: 23.10.2018) neben der Feststellung von höheren Qualifikationsstufen auch die Anerkennung zusätzlicher Beitragszeiten, unter anderem die Zuordnung der Beitragszeiten vom 03.05.1974 bis 19.05.1979 zur knappschaftlichen Rentenversicherung gemäß § 20 Fremdrentengesetz (FRG). Während des Klageverfahrens ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2019 die Tätigkeit des Klägers vom 03.05.1974 bis zum 19.05.1979 der knappschaftlichen Rentenversicherung zu.

 

Das Sozialgericht (SG) Detmold hat ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 15.12.2023 die Klage abgewiesen und der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 30 v.H. auferlegt. Das Beratungsprotokoll vom 15.12.2023, das von dem Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern unterschrieben war, beinhaltet den Tenor:

 

„Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.“

 

Nach Anhörung der Beteiligten berichtigte das SG mit Beschluss vom 12.06.2024 die Kostenentscheidung des Urteils vom „27.12.2023“ (richtig: 15.12.2023) unter Hinweis auf § 138 SGG dahingehend, dass sie lautet: „Kosten sind nicht zu erstatten.“

 

Gegen den ihm am 16.08.2024 zugestellten Berichtigungsbeschluss hat der Kläger am 27.08.2024 Beschwerde beim SG eingelegt. Die Voraussetzungen des § 138 SGG seien nicht gegeben. Eine offenbare Unrichtigkeit läge nicht vor. Den Entscheidungsgründen sei nicht in (eindeutig) zu entnehmen, dass der Tenor unvollständig bzw. unrichtig sei.

 

Die Beklagte hält eine inhaltliche Stellungnahme nicht für erforderlich.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten des Beschwerdeverfahrens und des SG Detmold sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der Beschlussfassung des Senats gewesen.

 

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht beim SG eingelegte Beschwerde (§ 173 Satz 1 SGG) ist begründet.

 

Das SG war nicht berechtigt, den Tenor der Kostenentscheidung des am 15.12.2023 ohne mündliche Verhandlung erlassenen Urteils im Wege der Berichtigung abzuändern.

 

Unabhängig davon, ob der Berichtigungsbeschluss vom 12.06.2024 formell korrekt ist, weil in dem Beschluss ein falsches Datum des abzuändernden Urteils (27.12.2023 anstelle vom 15.12.2023) angegeben wurde, liegen die erforderlichen Voraussetzungen nach § 138 SGG nicht vor. Nach Satz 1 sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit von Amts wegen zu berichtigen, wobei der Vorsitzende, wie vorliegend, gemäß § 138 Satz 2 SGG durch Beschluss entscheidet. Unabdingbare Voraussetzung einer zulässigen Berichtigung ist jedoch, dass die Unrichtigkeit für alle Verfahrensbeteiligten offenkundig ist (LSG NRW Beschluss vom 28.11.2024 – L 14 R 531/24 B – juris Rdn. 31; BGH, Urteil vom 14.11.1990 – 3 StR 310/90 – juris Rdn. 6).

 

Die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung im Tenor des Urteils vom 15.12.2023 war gerade nicht für alle Verfahrensbeteiligten offenkundig. Zwar entsprach sie nicht dem Willen des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter. Denn in dem Beratungsprotokoll vom 15.12.2023 war festgehalten, dass keine Kosten zu erstatten sind. Eine Offenkundigkeit ist jedoch zu verneinen. Zum Beleg der offenbaren Unrichtigkeit muss der entgegenstehende Wille des Gerichts, jedenfalls bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren, aus den Entscheidungsgründen evident hervorgehen. Die gewollte richtige Erklärung muss offenbar sein (BSG Beschluss vom 04.11.2019 – B 1 KR 1/19 C – juris Rdn. 3 m.w.N.). Ein entgegenstehender Wille ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen. Vielmehr wird in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass nach Anerkennung der zusätzlichen knappschaftlichen Zeiten die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien und die Klage nicht (mehr) begründet sei. Aufgrund der Teilabhilfe während des Klageverfahrens kam eine Kostenquotelung in Betracht. Der bloße Hinweis auf § 193 SGG als Rechtsgrundlage ohne nähere Ausführungen zur Begründung der Kostenentscheidung ist nicht geeignet, einen evident entgegenstehenden Willen des Gerichts zu dokumentieren (BSG Beschluss vom 04.11.2019 – B 1 KR 1/19 C – juris Rdn. 3; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 02.03.2022 – L 9 AS 301/17 B – juris Rdn. 18).

 

Soweit das SG im angefochtenen Beschluss ausführt, dass der das Urteil nachgehend abfassende Richter das Beratungsergebnis ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter de facto nach seinem Belieben abändern könne, etwa, wenn er einen sachlichen Fehler erkannt habe, welcher der Urteilsberichtigung nach § 138 SGG gerade nicht zugänglich sei, stellt dieser Gesichtspunkt keinen Anwendungsfall für eine Korrektur gemäß § 138 SGG dar. Es fehlt auch in diesem Fall bei einem schriftlichen Verfahren an einer Offenkundigkeit für alle Verfahrensbeteiligten, sofern sich aus den Entscheidungsgründen nicht ein entgegenstehender Wille evident entnehmen lässt. Eine Beseitigung des unzutreffenden Tenors wäre nur im Rahmen eines zulässigen Rechtsmittels möglich. Ansonsten sind Amtshaftungsansprüche gegen den absichtlich das Beratungsergebnis verfälschenden Vorsitzenden in Betracht zu ziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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