An einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sind besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen. Soll ein bestandskräftiger Bescheid in einem solchen Verfahren zurückgenommen werden, ist es den Antragstellern regelmäßig zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und ggf in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten. Wegen der besonders strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ist es erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Januar 2010 - L 5 AS 415/09 B ER - juris Rn. 33; Sächsisches LSG, Beschluss vom 25. Februar 2020 - L 8 AS 1422/19 B ER - juris Rn. 32).
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Januar 2025 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Insoweit wird die Kostenentscheidung des Sozialgerichts abgeändert.
Der Streitwert für das gesamte Antragsverfahren wird auf 23.278,57 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Weiteren nur: Antragsteller) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Rücknahme eines Verwaltungsaktes bzw. die Feststellung seiner Nichtigkeit.
Der Antragsteller ist der Sohn und Miterbe des am ... 2023 verstorbenen gleichnamigen Herrn M. M. (im Weiteren: Leistungsempfänger). Der Letztgenannte war Miteigentümer eines Hausgrundstücks in W. (Grundbuch von W. , Blatt ... , Gemarkung W. , Flur 35, Flurstück 70) im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW), wo er nach seinem Umzug in das Pflegewohnheim „P... “ im selben Ort nicht mehr lebte. Im Juli 2021 wurde für den Leistungsempfänger eine gesetzliche Betreuung eingerichtet. Die Aufgaben des Betreuers umfassten unter anderem Heimplatz-Angelegenheiten, Vertretung bei Behörden und Ämtern sowie alle Vermögensangelegenheiten. Der Betreuer hatte den Leistungsempfänger im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Am 12. November 2021 beantragte der Betreuer Sozialhilfe für den Leistungsempfänger.
Der Antragsgegner bewilligte dem Leistungsempfänger die begehrte Sozialhilfe als Darlehen mit Bescheid vom 8. Februar 2022. Er übernahm in diesem Rahmen die ungedeckten Heimpflegekosten als Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Zeit ab dem 1. September 2021, wobei er ein monatlich einzusetzendes Einkommen von 1.501 Euro für September bis Dezember 2021 sowie 1.497,61 Euro monatlich ab März 2021 berücksichtigte. Die darlehensweise Gewährung der Sozialhilfe erfolge, da die sofortige Verwertung des Grundbesitzes nicht möglich sei. Die Rückzahlung werde unter anderem fällig, wenn der Leistungsempfänger versterbe (Ziffer V. 5 des Bescheides). Darlehenszinsen wurden während des Leistungsbezuges gemäß Ziffer II. ausdrücklich nicht gefordert. Der Rückzahlungsbetrag war ab Fälligkeit in Höhe von 4 % jährlich zu verzinsen. Zu denselben Bedingungen erließ der Antragsgegner am selben Tag den Bescheid über die Gewährung von Pflegewohngeld nach § 14 Alten- und Pflegegesetz NRW zur Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten in Höhe von 532,96 Euro ab August 2021.
Zur Sicherung der Rückzahlung des Darlehens einschließlich der im Bescheid vom 8. Februar 2022 festgesetzten Verzinsung wurde am 14. Januar 2022 auf dem genannten Grundbesitz eine Grundschuld von 53.000,00 Euro zugunsten des Antragsgegners eingetragen.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2023 und 13. Juli 2023 wandte sich der Antragsteller an den Antragsgegner und bat um Auskunft über den Hintergrund der eingetragenen Grundschuld. Mit Bescheid vom 19. Juli 2023 forderte der Antragsgegner vom Antragsteller die darlehensweise gezahlte Sozialhilfe i.H.v. 13.254,53 Euro sowie das darlehensweise gezahlte Pflegewohngeld i.H.v. 10.024,04 Euro jeweils zuzüglich Zinsen seit dem 7. März 2023 (Todestag des Leistungsempfängers) zurück. Dem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, mit der auf die Möglichkeit des Widerspruchs binnen eines Monats nach seiner Bekanntgabe hingewiesen wurde. Mit Schreiben vom 27. August 2023 bezog sich der Antragsteller auf den Bescheid vom 19. Juli 2023, den er am 22. August 2023 vorgefunden habe. Seine Frage sei nicht beantwortet worden. Er bat um Akteneinsicht. Einen Hinweis darauf, dass er sich gegen den Bescheid vom 19. Juli 2023 wehren wolle, enthält das Schreiben nicht. Im Weiteren stritten die Beteiligten über die Gewährung von Akteneinsicht, die der Antragsgegner dem Antragsteller schließlich einräumte. Mit Faxschreiben vom 23. September 2024 wies der Antragsteller sodann die Forderung des Antragsgegners „unwiderruflich“ zurück. Es gebe keine Rechtsgrundlage für Zinsen und auch keinen Anspruch auf Grundbucheintragungen.
Mit einem am 25. September 2024 beim Sozialgericht Duisburg eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Es sei gegen jedes geltende rechtmäßige Gesetz verstoßen worden. Er müsse wohl nicht alle Paragrafen extra aufzeigen. Die Sache sei eilbedürftig, weil man versuche, Zinsen zu verlangen und Erpressungsmethoden anzuwenden. Die Rückzahlung sei aufgrund eines Verfahrensfehlers nicht gerechtfertigt und der zugrundeliegende Verwaltungsakt nichtig. Der Leistungsempfänger hätte aufgrund der angeordneten Betreuung keine Grundbucheintragung bewilligen dürfen. Außerdem liege zur Einrichtung der Betreuung kein ordnungsgemäßer Beschluss vor. Mit Beschluss vom 21. November 2024 hat sich das Sozialgericht Duisburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Magdeburg verwiesen.
Dieses hat den Eilantrag mit Beschluss vom 8. Januar 2025 abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt:
„Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und nicht als Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegen. Der Bescheid vom 19.07.2023 ist nach Auffassung der Kammer bestandskräftig geworden. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass sich der Antragsteller innerhalb der Monatsfrist, über die er ordnungsgemäß belehrt wurde, in irgendeiner Weise inhaltlich mit dem Bescheid vom 19.07.2023 auseinandersetzte und kundtat, mit dem Bescheid vom 19.07.2023 nicht einverstanden zu sein. Vielmehr richtete sich sein Begehren allein auf die Gewährung von Akteneinsicht. Nach alledem ist sein Begehren im vorliegenden Verfahren so auszulegen, dass er Rechtsschutz dahingehend begehrt, dass der Bescheid vom 19.07.2023 nach § 44 SGB X zurückgenommen wird, in der Hauptsache insofern eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre. Folglich ist das Verfahren als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auszulegen.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Eine einstweilige Anordnung ist nicht generell in den Fällen ausgeschlossen, in denen ein Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X geltend gemacht wird. Allerdings sind aber wegen der Bestandskraft des früher erlassenen Verwaltungsaktes besonders strenge Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 25.02.2020, Az. L 8 AS 1422/19 B ER). Sie ist u.a. dann möglich, wenn ohne die einstweilige Anordnung eine massive Beeinträchtigung der sozialen bzw. wirtschaftlichen Existenz entstünde. Hierzu trägt der Antragsteller trotz Aufforderung der Kammer vom 12.12.2024, die Eilbedürftigkeit näher zu begründen, nichts vor. Eine Eilbedürftigkeit für eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile kann die Kammer daher nicht erkennen.“
Von der Auferlegung von Kosten hat das Gericht in entsprechender Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen. Der in der Gerichtsakte befindliche Beschluss ist von der Kammervorsitzenden unterschrieben.
Gegen den ihm am 11. Januar 2025 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 21. Januar 2025 eingelegten Beschwerde. Es fehlten die „Unterschriften der Richter“. Die „Klage“ habe Erfolg, da der Antragsgegner nur lüge. Wer unter Betreuung stehe, könne keine rechtsgültigen Unterschriften leisten. Die erfolgte Bestellung der Grundschuld sei daher rechtswidrig. Die Lebensgefährtin des Leistungsempfängers habe „genug Geld vom Konto geholt“. Der Antragsteller meint, dass der Betreuer des Leistungsempfängers dazu verpflichtet gewesen wäre, solche Vorgänge zu überprüfen. Es handele sich um Betrug, die ergangenen Bescheide seien nichtig und der Antragsgegner dazu gehalten, sämtliche Aufwendungen endgültig selbst zu tragen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Januar 2025 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Rücknahme des Bescheides vom 19. Juli 2023 zu verpflichten bzw. die Nichtigkeit dieses Bescheides festzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro überschreitet (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Bedenken gegen die Wirksamkeit des Beschlusses des Sozialgerichts bestehen nicht. Gemäß §§ 134 Abs. 1, 142 Abs. 1 SGG sind die Beschlüsse vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Zustellung erfolgt nach § 133 Satz 2 SGG in der Regel durch Zustellung einer beglaubigten Abschrift gemäß § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. § 169 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO; vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 169 ZPO, Rn. 8). Diese Abschrift muss die Entscheidung allerdings vollständig und wortgetreu so wiedergeben, wie sie gefällt worden ist, einschließlich der Unterschrift des Richters. Dies ist vorliegend der Fall. Das unterschriebene Original verbleibt in der Gerichtsakte (vgl. Feskorn in: Zöller, a.a.O., § 315 Rn. 11). Ein Rechtsanspruch auf Zustellung eines handschriftlich unterschriebenen Beschlusses besteht nicht.
Zu Recht hat das Sozialgericht das Begehren des Antragstellers auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nicht gemäß § 86a SGG, sondern nach den Maßstäben des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG geprüft. Entsprechend dem Grundsatz der Meistbegünstigung (dazu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 24. Juni 2021 - B 7 AY 3/20 R - juris Rn. 11 m.w.N.) war der Antrag entsprechend auszulegen.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit des Rechtsschutzes voraus. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts anderes als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und irreparable Folgen ausschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorbeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Nachhinein als rechtswidrig erweist. Hingegen dient das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu, gleichsam unter Umgehung des für die Hauptsache zuständigen Gerichts und unter Abkürzung dieses Verfahrens, geltend gemachte materielle Rechtspositionen vorab zu realisieren. Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes sind die Gerichte gehalten, der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 25. Oktober 1999 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69, 74; BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1, 14). Dies gilt sowohl für Anfechtungs- als auch für Vornahmesachen. Hierbei dürfen die Entscheidungen der Gerichte grundsätzlich auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen.
In Fällen, in denen - wie hier - ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestellt wird, sind allerdings besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrunds zu stellen. Geltend gemachte Ansprüche in so genannten Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X betreffen nämlich bestandskräftige Bescheide, die bis zu ihrer Aufhebung in einem solchen Verfahren für alle Beteiligten bindend sind (§ 77 SGG). Soll ein bestandskräftiger Bescheid in einem solchen Verfahren zurückgenommen werden, ist es den Antragstellern im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und ggf. in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten (vgl. Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Januar 2010 - L 5 AS 415/09 B ER - juris Rn. 33; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Februar 2006 - L 7 AS 384/05 ER - juris Rn. 21). Wegen der besonders strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrunds ist es insoweit erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 25. Februar 2020 - L 8 AS 1422/19 B ER - juris Rn. 32). Hierauf hatte das Sozialgericht bereits hingewiesen.
Ein solches Zugunstenverfahren musste hier gegen den Bescheid vom 19. Juli 2023 angestrengt werden. Denn dieser ist bestandskräftig und unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit damit grundsätzlich bindend (§ 77 SGG). Die diesem Bescheid angefügte Rechtsmittelbelehrung (Widerspruch innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe) ist im Einzelnen zutreffend. Der Antragsteller hat aber nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG bis zum 22. September 2023 (Freitag) nach Erhalt des Bescheides am 22. August 2023 Widerspruch eingelegt. Erst sein Fax vom 23. September 2024 kann als Widerspruch angesehen werden, der allerdings verspätet war. Der Senat sieht mit Blick auf den fehlenden Anordnungsgrund (siehe dazu unten) davon ab, auf die Voraussetzungen des § 44 SGB X einzugehen.
Ein Anhaltspunkt für die Nichtigkeit des Bescheides vom 19. Juli 2023 ist nicht ersichtlich. Nach § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die Grundschuld rechtswidrig bestellt worden sei und die Lebensgefährtin des Leistungsempfängers zu Unrecht Geldbeträge von ihm erhalten habe. Ob dies zutrifft, mag gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Denn jedenfalls erscheint dies dem Senat nicht als offensichtlich. Nichtigkeitsgründe nach § 40 Abs. 2 SGB X liegen nach summarischer Prüfung nicht vor.
Im übrigen nimmt der Senat zur Begründung seiner Entscheidung nach den § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Dieses hat zutreffend dargelegt, warum keine Eilbedürftigkeit erkennbar ist. Der Antragsteller hat zum Vorliegen der Eilbedürftigkeit nicht vorgetragen, obwohl ihn das Sozialgericht bereits mit Verfügung von 12. Dezember 2024 darum gebeten hatte. Auch in seiner Beschwerde führt der Antragsteller dazu nichts aus. Diesbezüglich wäre eine Auseinandersetzung mit den zutreffenden Erwägungen des Sozialgerichts angebracht gewesen. Allein die Tatsache, dass sich der Antragsteller einer Zinsforderung ausgesetzt sieht, genügt nicht. Dies ist bei Rückforderungen häufig der Fall. Das gilt umso mehr als der Antragsteller über ein Jahr abgewartet hat, bevor er gegen den Bescheid Einwände erhob.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Insoweit war die Entscheidung des Sozialgerichts ohne Beschränkung durch ein Verbot der reformatio in peius in der Kostenentscheidung abzuändern (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 30. Juli 2015 - L 8 SO 146/15 B ER - juris Rn. 31). Der Antragsteller gehört nicht zu den in § 183 Satz 1 SGG genannten Personen, die regelmäßig keine Kosten zu tragen haben. Der Antragsteller ist auch nicht Sonderrechtsnachfolger i.S.d. § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) des verstorbenen Leistungsempfängers, sondern er wird als Miterbe (§§ 58, 59 SGB I) in Anspruch genommen. Das Verfahren ist gemäß § 183 Satz 2 SGG für Erben nur in der Instanz kostenfrei, in der es zum Zeitpunkt des Todes des Berechtigten bereits anhängig war (siehe BSG, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - B 13 R 190/15 B - juris Rn. 7; LSG für das Saarland, Urteil vom 26. April 2018 - L 11 SO 6/17 - juris Rn. 48). Hier ist der Erbfall deutlich vor Antragstellung eingetreten.
Die Bestimmung des Streitwerts in Verfahren nach § 86b SGG richtet sich nach §§ 52 Abs. 1, 2, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) und ergibt sich hier aus der Gesamtforderung der Antragsgegnerin in dem angegriffenen Bescheid vom 19. Juli 2023 (13.254,53 Euro und 10.024,04 Euro). Unter Berücksichtigung der ausdrücklichen gesetzlichen Verweisung für das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 86b SGG auf den Streitwert nach § 52 Abs. 1 SGG ist dieser nicht herabzusetzen (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 24. Februar 2010 - L 1 P 1/10 B ER - juris Rn. 81; LSG B.-B., Beschluss vom 29. Oktober 2010 - L 27 P 14/10 B ER - juris Rn. 24; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2011 - L 4 P 8/11 B ER - juris Rn. 54; Bayerisches LSG, Beschluss vom 30. Juli 2015 - L 8 SO 146/15 B ER - juris Rn. 31; siehe auch BSG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - B 8 SO 78/11 B - juris Rn. 12; Streitwertkatalog, 5. Aufl. 2017, B. 11.1.; anderer Ansicht: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. April 2014 - L 7 KA 6/14 B - juris Rn. 5; Sächsisches LSG, Beschluss vom 11. Juni 2012 - L 7 SO 22/10 B ER - juris Rn. 30). Zinsen sind gemäß § 4 Abs. 1 GKG nicht zu berücksichtigen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG; in Bezug auf die Festsetzung des Streitwertes: § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).