L 13 VJ 4/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 VJ 4/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 VJ 4/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. November 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen in Form einer Beschädigtenrente nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

 

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin wurde am 18.12.2009 und damit im Alter von fünf Jahren und elf Monaten einmalig von ihrem behandelnden Kinderarzt P. in J. mit dem AS03-adjuvantierten monovalenten Influenza-A(H1N1)pdm09- Impfstoff Pandemrix® (GlaxoSmithKline Biologicals, Rixensart, Belgien, Lot: A81CA123A), einer Schutzimpfung gegen Schweinegrippe (H1N1), geimpft. Der Impfstoff ist in Europa seit dem 01.10.2009 zugelassen. Die Impfung in Form einer halben Erwachsenendosis wurde in den linken Oberarm der Klägerin platziert.

 

Bis auf ein Kephalhämatom und eine mit Phototherapie behandelte Neugeborenengelbsucht direkt nach der Geburt in der 36. Schwangerschaftswoche hatte die Klägerin vor der Impfung keine ernsteren Erkrankungen, litt indes immer wieder unter rezidivierenden Atemwegserkrankungen, die im Dezember 2007 zu einer Adenotomie und der Einlage von Paukenröhrchen beidseits führte.

 

Eine unmittelbare Impfreaktion wurde nach dem 18.12.2009 ärztlicherseits nicht festgestellt. Die Klägerin wurde ausweislich der Patientendokumentation der Kinderarztpraxis I. und Z.  in der Zeit nach der Impfung bis zum 07.01.2016 (weiterhin) mehrfach wegen viraler Infekte insbesondere der oberen Luftwege sowie wegen Cephalgien, Schwindel und abdomineller Beschwerden vorstellig. Schlafstörungen o.ä. sind in dieser Zeit nicht dokumentiert. Ferner erhielt sie u.a. folgende weitere Impfungen: Windpocken, Diphterie, Pertussis und Tetanus (31.05.2010), Polio (10.02.2014), Diphterie, Pertussis und Tetanus (12.05.2015). Die Klägerin durchlief in der Folge bei ihrem behandelnden Kinderarzt zudem die entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen, u.a. die U10 am 16.01.2012 und die U11 am 10.02.2014, ohne dass Besonderheiten festgestellt worden sind. Ausweislich der Elternfragebögen wurden die dortigen Fragen zu Auffälligkeiten im klägerischen Schlafverhalten jeweils verneint. 

 

Ab Juni 2015 begann die Klägerin unter nachfolgenden Symptomen zu leiden, nämlich u.a. häufige Müdigkeit, Schlappheit, Schwindel, Halsschmerzen und Krämpfe in den Oberschenkeln und begab sich deswegen am 15., 18. und 22.06.2015 in die kinderärztliche Behandlung von I. und sodann auf entsprechende Einweisung zunächst vom 22. bis 25.06.2015 sowie vom 26. bis 28.08.2015 in die vollstationäre Behandlung der Kinderklinik des U.-Hospitals in Cc.. Dort wurde im Rahmen der Anamnese angegeben, dass die Klägerin seit zwei Wochen unter schulischen Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit, Kopfschmerzen sowie Doppelbildern leide. Zusätzlich seien Schwindel und Beinkrämpfe aufgetreten. Zuvor hätten keinerlei Beschwerden bestanden. Die humangenetische Diagnostik ergab hinsichtlich der HLA-Konzentration (Humane Leukozyten-Antigene: HLA-DQ 06 Typisierung positiv; DR 15 positiv, HKA-DR 15 2 positiv) Werte, die mit einem erhöhten Risiko assoziiert sind, an Narkolepsie zu erkranken (Entlassberichte Kinderklinik des N. in Cc. vom 22.06.2015 und 28.08.2015).

 

Diese Verdachtsdiagnose wurde im Rahmen eines weiteren stationären Aufenthalts der Klägerin vom 30.11. bis 01.12.2015 in der V. Klinik in D. durch eine zweimalig durchgeführt Polysomnographie gesichert und die Diagnose einer Narkolepsie Typ 1 (Narkolepsie mit Kataplexien) gestellt. Ausweislich des Entlassbericht vom 07.12.2015 wurde dort berichtet, dass die Beschwerden der Klägerin ca. sechs Monaten zuvor „von einem auf den anderen Tag“ aufgetreten seien. Die Mutter habe nach der Impfung der Klägerin zudem ein Schlafwandeln bei ihr beobachtet. In ihrem Bericht wies die behandelnde Chefärztin H. darauf hin, dass bei Kindern eine Assoziation von Narkolepsie-Erkrankungen mit der H1N1-Impfung beschrieben worden sei. Daher könne auch bei der Klägerin ein Zusammenhang bestehen, auch wenn der Abstand zwischen Impfung und Erstauftreten der Symptome recht lang sei. Auf den Bericht im Übrigen wird Bezug genommen.

 

Nach der Diagnosesicherung meldete der Kinderarzt I. unter dem 07.12.2015 den Verdacht auf eine Impfkomplikation an das M.-Institut.

 

Bei der Klägerin ist seit dem 11.12.2015 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 und die Nachteilsausgleiche „G“ und „B“ anerkannt.

 

Am 14.12.2015 stellte die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, einen Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach den §§ 60ff IfSG i.V.m. dem BVG. Sie zeige eine ausgeprägte Tagesschläfrigkeit, ihr sei das Lesen längerer Texte nicht möglich und sie schreibe ganze Seiten falsch (automatisches Handeln). Seit der Impfung sei ihr Nachtschlaf gestört. Es komme zu Schlafwandeln, Erschrecken und Schreien im Schlaf. Das volle Krankheitsbild habe sich ca. im Mai/Juni 2015 manifestiert.

 

Der Beklagte zog zunächst die Patientendokumentation der Klägerin der Praxis I. und Z. bei, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Ferner forderte er die Entwicklungsberichte der Klägerin aus dem Kindergarten für den Zeitraum Januar 2007 bis Februar 2010, die Schuleingangsuntersuchung vom 20.04.2010 sowie ihre Schulzeugnisse der Klassenstufen 1 bis 6 für den Zeitraum von August 2010 bis Januar 2016 an, die eine regelgerechte kindliche Entwicklung und durchgehend sehr gute bis überdurchschnittliche schulische Leistungen belegen und auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

 

Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten zweifelte an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Narkolepsie-Erkrankung. Die zeitliche Spanne zwischen der Impfung und dem Ausbrechen der Narkolepsie sei auffallend lang. In der genetischen Prädisposition der Klägerin und der mehrfach durchgemachten Streptokokken-Infektionen seien alternative Auslöser für die Narkolepsie-Erkrankung zu sehen (gutachtliche Stellungnahme vom 21.01.2016). Daraufhin befragte die dort zuständige Landesobermedizinalrätin für Sozialmedizin E. am 30.03.2016 die Eltern der Klägerin zum Beginn und Verlauf der Erkrankung ihrer Tochter. Diese gaben an, dass sie ihre Tochter gegen die Schweinegrippe hätten impfen lassen, da sie sich häufig Infektionen zugezogen habe. Nach der Impfung seien keine besonderen Reaktionen aufgetreten. Im Winter 2009/10 habe sie indes zu schlafwandeln begonnen, wobei sie mit offenen Augen in einem merkwürdigen Bewusstseinszustand ca. eine Stunde nach dem Zubettgehen aufgestanden und durch die Wohnung gelaufen sei, sich hingesetzt und gebrabbelt habe. Dies sei nach der Erinnerung der Eltern erst nach der Impfung aufgetreten und habe über eine Phase von zwei bis drei Jahren stattgefunden. Auf den weiteren Inhalt der Niederschrift wird Bezug genommen.

 

Auf Anfrage des Beklagten teilte das M. mit (Schreiben vom 15.06.2016), dass es einige Studien zum Zusammenhang zwischen einer Impfung gegen H1N1 und dem Auftreten einer Narkolepsie gebe. Zum maximalen zeitlichen Abstand ließe sich keine Aussage treffen, da die Symptome einer Narkolepsie wohl erst einsetzen würden, wenn ein hoher Prozentsatz an hypocretinproduzierenden Zellen zugrunde gegangen sei. Wie schnell dieser Prozess nach einer H1N1-Impfung eintreten könne und wie groß die individuellen Unterschiede seien, sei nicht bekannt. Außerdem gebe es Hinweise auf Kompensationsmechanismen dahingehend, dass die verbliebenen intakten Neuronen die Produktion von Hypocretin vorübergehend steigern könnten. Ein direkter Hinweis darauf, dass Streptokokken-Infektionen eine Ursache der Narkolepsie sein können, finde sich nicht, da der entsprechende Titer bei der Klägerin nicht erhöht gewesen sei.

 

Daraufhin verneinte der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Pandemrix-Impfung und dem Auftreten der Narkolepsie (gutachtliche Stellungnahme vom 21.06.2016). Ein solcher sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber aufgrund der genetischen Disposition der Klägerin, der langen Zeitspanne zwischen der Impfung und der Erkrankung ohne Brückensymptome, ihrer mehrfachen Streptokokken-Infektionen und dem Ausbruch der Erkrankung in einem statistisch typischen Alter nicht wahrscheinlich.

 

Gestützt auf dieses Ergebnis lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 28.06.2016 ab.

 

Dagegen legte die Klägerin am 06.07.2016 Widerspruch ein. Die längere Zeitspanne spreche nicht gegen einen ursächlichen Zusammenhang, wie sich aus der Stellungnahme des M. ergebe. Überdies habe sie bereits sehr bald nach der Impfung zu schlafwandeln begonnen. Die Ursächlichkeit der Streptokokken-Infektion sei durch ihre Blutwerte widerlegt worden. Es sei nach den aufgrund der damaligen Pandemiebefürchtungen vermehrten Impfungen gegen die Schweinegrippe im Jahr 2009 europaweit zu Narkolepsie-Ausbrüchen bei geimpften Kindern gekommen, insbesondere in Schweden, Finnland, Norwegen und Irland. Epidemiologische Studien hätten einen Zusammenhang mit dem Impfstoff Pandemrix ermittelt. Diskutiert worden sei, dass eine „molekulare Mimikry“ der Auslöser sein könne und dazu führe, dass sich Antikörper sowohl gegen das Nukleopeptid des Virus als auch gegen den Rezeptor der Nervenzellen, die den Schlaf-/Wach-Rhythmus steuerten, richteten. Um dann tatsächlich zu einer Erkrankung zu führen, müsse noch eine Störung der Blut-Hirn-Schranke eintreten, was auch Jahre nach der Impfung noch durch einen Infekt möglich sei. Da die Antikörper lebenslang im Blut der geimpften Person verblieben, würde dies erklären, warum ein Ausbruch der Narkolepsie auch Jahre nach der Impfung auftreten könne. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) habe wegen des Narkolepsie-Risikos im Jahr 2011 von einer Verwendung des Impfstoffs Pandemrix bei Personen unter 20 Jahren abgeraten.

 

Der versorgungsmedizinische Dienst des Beklagten hielt in seiner weiteren Stellungnahme vom 02.01.2017 an seiner bisherigen Einschätzung fest. Das von den Eltern beschriebene Schlafwandeln im Zeitraum Winter 2009 bis ca. 2011/12 gehöre nicht zu den typischen Symptomen einer Narkolepsie und werde auch nicht als Frühsymptom beschrieben. Die bei der Klägerin festgestellten Normwerte in Bezug auf die Streptokokken-Infektion belegten nur, dass kurz vor der Probe keine Infektion stattgefunden habe. Sie sagten aber nichts über eine langfristige Auswirkung rezidivierender Streptokokken-Infektionen aus. Wissenschaftlich würden solche als Auslöser von Narkolepsie (wie auch von anderen Autoimmunerkrankungen) diskutiert. Nachweisbar sei die genetische Prädisposition der Klägerin. Die zitierten Studien aus anderen europäischen Ländern hätten zudem ein erhöhtes Narkolepsie-Erkrankungsrisiko insbesondere in einem Zeitfenster von sechs Monaten nach der Impfung belegt, schon nach dem zweiten Jahr nach der Impfung habe die Anzahl der Neuerkrankungen wieder denselben Wert erreicht, der auch bei nicht geimpften Kindern vorgelegen habe.

 

Eingedenk dessen wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2017 als unbegründet zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

 

Dagegen hat sich die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, am 25.01.2017 mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) Münster gewandt. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertiefend ausgeführt, dass eine genetische Prädisposition allein nicht zum Ausbruch einer Narkolepsie führen könne. So trügen 98% der kaukasischen Patienten sowie 25 bis 30% der Bevölkerung das genetische Merkmal HLA DQ B1*06. Daran sei erkennbar, dass es nur einen sehr geringen Vorhersagewert für die Entstehung einer Narkolepsie habe. Bei ihr seien außer der Impfung keine anderen Ursachen für das Entstehen und den Ausbruch der Narkolepsie ersichtlich. Streptokokken-Infektionen schieden, wie ausgeführt, als Ursache aus. Es sei überdies falsch, dass die Erkrankung im statistisch typischen Alter ausgebrochen sei. Dieses liege nämlich erst in der zweiten Dekade (11. bis 20. Lebensjahr). Das M. habe mit der unterschiedlich schnellen Abnahme des Hypocretins und zusätzlichen Kompensationsmechanismen Erklärungen für die längere Zeitspanne geliefert. Auch sei das Schlafwandeln, das kurz nach der Impfung aufgetreten sei, ein erstes Anzeichen der Erkrankung. Dieses sei in einer für eine Narkolepsie typischen Weise abgelaufen, da sie dabei automatische Verhaltensmuster, wie z.B. das Öffnen von Schranktüren gezeigt habe.

 

Die Klägerin hat sich in der Folge mit dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten der Sachverständigen Y. nicht einverstanden erklärt, ihre fachliche Qualifikation angezweifelt und nach einem Hinweis auf eine Fall-Kontroll-Studie des M., die ein etwa vierfach erhöhtes Risiko für Narkolepsie nach Impfung verglichen mit Nichtexponierten belege (Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 01.03.2018, S. 22) ein Gutachten des sie behandelnden Neurologen und Schlafmediziners G. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewünscht.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2017 zu verurteilen, die gesundheitliche Schädigung der Klägerin als Impfschaden anzuerkennen und der Klägerin Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er hat auf die Begründung seiner Bescheide Bezug genommen.

 

Das SG hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin sowie weitere medizinische Unterlagen angefordert. Auf die Inhalte der Berichte des Kinderarztes I. vom 23.03.2017, der gutachterlichen Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Schlafmedizin und damaligen Direktors des Instituts für Schlafmedizin und des Narkolepsie-Zentrums der T. GmbH, G. vom 07.02.2017 und vom 29.03.2017, den Bericht der Chefärztin der Klinik V. in D. H. vom 23.07.2017, die Ergebnisprotokolle der Polysomnographien vom 30.11. und 01.12.2015 aus D. sowie den Bericht des Chefarztes der Kinderklinik des N. in Cc. B. vom 04.04.2017 wird Bezug genommen.

 

Sodann hat das SG zunächst nach § 106 SGG Beweis erhoben durch medizinisches Sachverständigengutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Y.. Diese ist nach persönlicher Untersuchung der Klägerin in ihrem Gutachten vom 02.04.2018, auf das hinsichtlich seiner weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, zu dem Schluss gekommen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und der Narkolepsie-Erkrankung der Klägerin insbesondere aufgrund des großen zeitlichen Abstands zu verneinen sei. Die Studie, die die immunologische Mimikry nach der Impfung für die Entstehung der Narkolepsie verantwortlich gemacht habe, habe an methodischen Fehlern gelitten und biete somit keinen wissenschaftlichen Hinweis für einen Zusammenhang zwischen Pandemrix und einem Narkolepsie-Ausbruch. Es verbliebe daher bei der rein statistischen Häufung der Fälle, die – wie auch durch das M. beschrieben – einen Zusammenhang möglich, aber im Einzelfall bisher nicht als zu beweisen oder auszuschließen erscheinen lasse. Im Fall der Klägerin seien aus den Tatsachen, dass sie an der statistisch häufigsten Form der Erkrankung leide, nämlich der Narkolepsie Typ 1, sowie in einem statistisch typischen Ausbruchsalter erkrankt sei, weder Erkenntnisse für noch gegen eine Kausalität abzuleiten. Der besonders große Abstand zwischen Impfung und Erkrankung (im Vergleich zu den statistischen gemeldeten Fällen nach 2009) spreche nach ihrer Ansicht jedoch entscheidend gegen den Kausalzusammenhang in diesem Einzelfall, selbst wenn man wohlwollend bereits 2013 von ersten kataplexischen Symptomen ausgehen würde. Die Streptokokken-Infektionen kämen zudem als Alternativursache in Betracht.

 

Das SG hat sodann auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie und Schlafmedizin G.. Dieser hat in seinem Gutachten vom 31.12.2018 nach persönlicher Untersuchung der Klägerin ausgeführt, dass sie drei verschiedene Schlafstörungen zeige, nämlich einen gestörten Nachtschlaf, eine REM-Schlafverhaltensstörung sowie eine Non-REM Parasomnie. Von diesen sei die REM-Schlafverhaltensstörung ein häufig mit der Narkolepsie assoziiertes Symptom. Zur Pathogenese hat der Sachverständige G. ausgeführt, dass die Narkolepsie Typ 1 eine Autoimmunerkrankung sei, bei der sowohl die genetische Disposition als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielten. Eine alleinige genetische Ursache könne ausgeschieden werden, da 20 bis 30% der Bevölkerung dieselben genetischen Merkmale aufwiesen, aber nur wenige erkrankten, in Familien keine besondere Häufung der Erkrankungen bemerkt werde und auch bei monozygoten Zwillingen eine Diskordanz von 75% bestehe. Der Zusammenhang mit einer Pandemrix-Impfung werde mit einem (für Kinder und Jugendliche) 5 bis 14-fachen Risiko eingeschätzt. Grund hierfür sei laut einer Studie aus dem Jahr 2018 eine molekulare Mimikry zwischen Oberflächenproteinen des Schweinegrippevirus und hypocretinproduzierenden Zellen. Aus dieser Studie werde deutlich, dass bestimmte Teile des Virus bzw. der Impfung vermutlich den zentralen „Umweltfaktor“ darstellten. Einen Biomarker, mit dem man die Fälle einer sporadischen/idiopathischen Narkolepsie von einer post-H1N1 Impfung-Narkolepsie unterscheiden könne, gebe es nicht. Das Vorliegen der genetischen Veranlagung (HLA-Haplotyp) sei daher irrelevant für die Beurteilung der Kausalität. Klinische Unterscheidungsmerkmale gebe es auch keine. Daher lasse sich die Kausalität alleine anhand der Zeitspanne zwischen Impfung und Erkrankungsausbruch beurteilen. In Studien sei der Krankheitsausbruch nach einer Impfung in der Regel binnen zwei bis acht Monaten bzw. ein bis vier Monaten zu beobachten gewesen. Bei der Klägerin seien bereits 2010 Störungen des Nachtschlafs und Parasomnien aufgetreten. Das abrupte und dann anhaltende Auftreten dieser Störungen bei kleinen Kindern sei untypisch und könne anhand der vorliegenden Daten nicht durch andere Faktoren erklärt werden. Eine REM-Schlafverhaltensstörung trete bei einem Drittel der Narkolepsie-Erkrankten auf, sei außerhalb der Narkolepsie bei Kindern unter sechs Jahren extrem selten, dann in der Regel mit einer syndromalen Entwicklungsstörung assoziiert. Nach einer Studie könne eine REM-Schlafverhaltensstörung bei Kindern ein erstes Symptom der Narkolepsie darstellen, während gestörter Nachtschlaf eines der Hauptsymptome einer Narkolepsie darstelle. Beides habe sich bei der Klägerin bereits ca. vier Wochen nach der Impfung und damit im typischen Zeitrahmen der Studiendaten zum Zusammenhang zwischen einer Pandemrix-Impfung und der Narkolepsie-Erkrankung gezeigt. Auf den weiteren Inhalt des Gutachtens vom 31.12.2018 wird Bezug genommen.

 

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 02.03.2019 hat die Sachverständige Y. daraufhin ausgeführt, dass der Sachverständige G. nicht zwischen den Befunden, die bei den schlafmedizinischen Untersuchungen ab 2015 festgestellt worden seien und den erst nach Diagnosestellung anamnestisch angegebenen Schlafstörungen aus der Zeit ab 2010 differenziere. Die Symptome Schlafwandeln und Hochschrecken im Schlaf würden bei Kindern im Alter der Klägerin häufig vorkommen und hätten meistens nichts mit Narkolepsie zu tun. Der Satz, dass Schlafstörungen eines der Hauptsymptome der Narkolepsie seien, helfe nicht weiter und sei nicht umkehrbar. Schlafstörungen seien insgesamt sehr häufig, Narkolepsie trotzdem nur sehr selten, so dass dieses Symptom nicht als Brückensymptom tauge.

 

Auch der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten hat mit seinen gutachtlichen Stellungnahmen vom 29.03.2019 und 23.05.2019 darauf hingewiesen, dass sich die anamnestischen Angaben der Klägerin zu der Zeit zwischen 2009 und 2015 im Gutachten von G. auffallend deutlich von den früheren Angaben in den beiden Vorgutachten unterschieden.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.11.2019 als unbegründet abgewiesen, da es vorliegend zumindest an der Kausalität zwischen der durchgeführten Impfung und der gesundheitlichen Schädigung fehle. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

 

Gegen das ihr am 19.12.2019 zugestellte Urteil hat sich die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, am 10.01.2020 mit der Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) gewandt. Das erstinstanzliche Urteil sei dem Gutachten der Sachverständigen Y. gefolgt, ohne sich mit der Argumentation des weiteren Sachverständigen G. auseinanderzusetzen. Ferner sei es in tatsächlicher Hinsicht so, dass ihre Eltern schon unmittelbar nach der streitgegenständlichen Impfung Ende 2009 festgestellt hätten, dass sich ihr Schlafverhalten verändert habe. Diese Schlafstörungen seien bereits in der Meldung des Kinderarztes an das M. und im Protokoll der Befragung durch die Ärztin des versorgungsmedizinischen Dienstes des Beklagten, Dr. E., erwähnt. Auch durch H. in D. sei schon vor Diagnosestellung eine Feststellung von Schlafstörungen erfolgt. Eine ärztliche Befundung der Schlafstörung sei für die Kausalität nicht erforderlich – es reiche aus, wenn die Eltern diese wahrgenommen hätten und bekunden könnten.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14.11.2019 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 26.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2017 zu verurteilen, die Narkolepsie als Folge der Impfung vom 18.12.2009 anzuerkennen und ihr eine Beschädigtenrente nach einem GdS nach 70 v.H. nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und nimmt im Wesentlichen darauf sowie auf sein bisheriges Vorbringen Bezug.

 

Auch nach Vorlage des weiteren Sachverständigengutachtens von O. sehe er eine Kausalität der Impfung als nicht nachgewiesen an. Den Begriff der „schwachen Wahrscheinlichkeit“ kenne das Soziale Entschädigungsrecht nicht. Ein Kausalzusammenhang bestehe nur, wenn eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% gegeben sei. Der Gutachter ziehe dazu den unzulässigen Schluss, dass aus dem Nachweis der REM-Schlafverhaltensstörung Ende 2015 auf deren Vorliegen im Jahr 2009/2010 zu schließen sei, was jedoch ohne spezifische schlafmedizinische Diagnostik nicht möglich sei. Den von dem Sachverständigen angenommenen GdS von 70 halte er für vertretbar – unterstellt ein Impfschaden könne angenommen werden. Dies bestreite er jedoch weiterhin und verweise auf eine weitere Stellungnahme von Frau E. vom 13.07.2022, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

 

Der Senat hat sodann in einem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes und der Beweisaufnahme sowohl die Klägerin persönlich als auch deren Eltern als Zeugen befragt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 17.07.2020 wird Bezug genommen.

 

Im Anschluss daran hat der Senat weiteren Beweis nach § 106 SGG durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens durch den Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Schlafmedizin und Sektionsleiter des Schlafmedizinischen R. Q. O. erhoben. Der Sachverständige O. hat in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 31.08.2021 dargelegt, dass sich die zentrale Frage, ob sich die Narkolepsie der Klägerin mit Wahrscheinlichkeit auf die Impfung zurückführen ließe, retrospektiv nicht zweifelsfrei und mit hoher Wahrscheinlichkeit beantworten lasse, sondern nur anhand von Indizien mit geringer Sicherheit. Parasomnien seien nicht so selten, während eine REM-Verhaltensstörung in der Kindheit eine Seltenheit und in der Regel in Verbindung mit einer organischen Grunderkrankung, u.a. auch mit einer Narkolepsie, zu sehen sei. Es könne jedoch retrospektiv nicht mehr mit hoher Sicherheit zwischen den „normalerweise“ im Kindesalter zu beobachtenden Parasomnien und einer REM-Schlafverhaltensstörung unterschieden werden. Die Symptomatik alleine lasse eine zweifelsfreie Zuordnung nicht zu. Verlässlich könne eine Zuordnung nur durch eine Polysomnographie erfolgen, welche im Zeitraum zwischen 2009 bis 2015 indes nicht stattgefunden habe. Die Polysomnographie aus dem Jahr 2015 habe zu diesem Zeitpunkt unzweifelhaft fünf verschiedene Parasomnien nachgewiesen: Somniloquie (= Sprechen im Schlaf), Somnabulismus (= Schlafwandeln), Myklonien (= unwillkürliche Zuckungen), Albtraumstörung und REM-Schlafverhaltensstörung. Dieser unzweifelhafte Nachweis im November/Dezember 2015 beweise jedoch nicht, dass diese Phänomene bereits in der Zeit nach der Impfung 2009 vorgelegen hätten. Diese Schlussfolgerung lasse sich anhand der Symptome „gestörter Schlaf“, Albträume und Schlafwandeln nur mit geringer Sicherheit vermuten, aber nicht beweisen. Erschwert sei der Nachweis zusätzlich dadurch, dass die Symptome einer REM-Schlafverhaltensstörung bei Kindern anders ausgeprägt seien als bei Erwachsenen. Bei Kindern bestünden diese weniger in mit bedrohlichen Träumen assoziierter Gewalttätigkeit, sondern eher in einem Schleudern von Extremitäten, in Herumrollen, in plötzlichen Schreien oder Weinen in Verbindung mit assoziierten Albträumen oder anderen unspezifischen Bewegungen. Solche Symptome seien von den Eltern für die Zeit kurz nach der Impfung beschrieben worden und hätten auch bei der Polysomnographie Ende 2015 vorgelegen, woraus zu folgern sei, dass auch kurz nach der Impfung bereits eine REM-Schlafverhaltensstörung als Ausdruck einer zugrundeliegenden Narkolepsie-Erkrankung vorgelegen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass sich die Erkrankung erst mehr als fünf Jahre nach der Impfung manifestiert habe. Zwar sei der statistische Zeitraum kürzer, doch die vom M. durchgeführte epidemiologische Studie der Jahre 2009 bis 2012 zeige ein um das zwei- bis sechsfach erhöhtes Erkrankungsrisiko nach einer Impfung. Auch die nicht von einer Impfung verursachten Erkrankungen wiesen große Unterschiede in den Zeiträumen zwischen den ersten Symptomen und dem Vollbild der Erkrankung auf und es gebe Hinweise auf neuronale Kompensationsmechanismen, die die Erstmanifestation hinauszögern könnten. Auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens vom 31.08.2021 wird im Übrigen Bezug genommen.

 

Im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige O. unter dem 02.06.2022 ausgeführt, dass im Falle der Klägerin mehr für eine Verursachung der Narkolepsie-Erkrankung durch die Pandemrix-Impfung spreche als dagegen. Dies sei durch aktenkundige Tatsachen begründet, die den Schluss auf eine REM-Schlafverhaltensstörung zuließen. Die Träume einer REM- und einer Non-REM-Phase unterschieden sich dadurch, dass man in der REM-Phase emotional träume, mit Bewegung und Skurilität, während Non-REM-Träume rational, trocken und nicht emotional seien. Es wurde wiederholt von „dunklen Gestalten“ berichtet, die die Klägerin angegriffen hätten, so dass eine eindeutige Zuordnung zum REM-Schlaf erfolgen könne. Gleichzeitig seien komplexe Handlungen wie „Umsichschlagen und Gestikulieren“ mit Angabe eines Albtraumes beim Aufwachen typisch für eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung, da im normalen REM-Schlaf komplexes Verhalten wegen der normalerweise bestehenden Tonusabsenkung nicht vorkomme. Er sehe bei der Klägerin eine mittelschwere mit Tendenz zur schweren Verlaufsform der Narkolepsie, was eine Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 70 rechtfertige.

 

Der Senat hat zudem ergänzende Unterlagen beigezogen, nämlich die Schwerbehindertenakte des Kreises Steinfurt, das Vorsorgeuntersuchungsheft der Klägerin und die Behandlungsdokumentation vom G., auf deren jeweiligen Inhalt gleichfalls Bezug genommen wird.

 

Letztlich hat der Senat die Sachverständigen O. und G. zur Erläuterung ihrer schriftlichen Gutachten im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 08.11.2024 gehört. Hinsichtlich des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Schwerbehindertenakte des Kreises Steinfurt, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

 

A. Gegenstand der Berufung ist das Urteil des SG Münster vom 14.11.2019, welches den Bescheid des Beklagten vom 28.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2017 bestätigt. Mit diesem hat der Beklagte die Gewährung einer Beschädigtenrente und die Feststellung eines Impfschadens durch die Impfung mit Pandemrix am 18.12.2009 abgelehnt.

 

B. Die schriftlich eingelegte Berufung der Klägerin vom 10.01.2020 gegen das ihr am 19.12.2019 zugestellte Urteil des SG Münster vom 14.11.2019 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie auch im Weiteren form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3; § 64 Abs.1 bis 3; § 63 SGG).

 

C. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

 

I. Die Klage ist dabei zulässig. Für das auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente und Anerkennung ihrer Erkrankung als Impfschaden gerichtete Begehren der Klägerin ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG i.V.m. § 56 SGG statthaft (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 18.11.2015, B 9 V 1/14 R, juris, Rn. 12; BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205; Saarländisches LSG, Urteil vom 17.11.2021, L 5 VE 7/17, Rn. 189, juris), hinsichtlich der Beschädigtenrente gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils i.S. des § 130 Abs. 1 SGG (BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 12; BSG, Urteil vom 24.11.2020, B 9 V 3/18 R, BSGE 131, 61, Rn. 10). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht am 25.01.2017 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2017 erhoben worden (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 90; 78 Abs. 1 Satz 1; 85 Abs. 3 Satz 1 SGG).

 

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das SG Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenrente und Anerkennung ihrer Narkolepsie Erkrankung als Impfschaden.

 

1. Unter Berücksichtigung, dass die Klägerin ihr Begehren im Rahmen der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage verfolgt, ist der vorliegende Rechtsstreit grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu beurteilen (BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris, Rn. 35, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.01.2023, L 6 VG 1976/21, juris, Rn. 73, Söhngen in: jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 54 Rn. 51). Der Anwendung der mit Art. 60 Abs. 7 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBI. 2019 I, 2652) zum 01.01.2024 in Kraft getretenen Regelungen des Sozialgesetzbuchs Vierzehntes Buch (SGB XIV) steht indes die dortige Übergangsregelung des § 142 Abs. 2 SGB XIV entgegen (vgl. SG Berlin, Urteil vom 27.05.2024, S 118 VG 54/19, Rn. 16, juris; für Impfschäden und § 141 SGB XIV: Bayerisches LSG, Urteil vom 30.04.2024, L 15 VJ 2/23, juris, Rn. 51; Senat, Urteil vom 30.08.2024, L 13 VG 53/21, juris, Rn. 58; Senat, Urteil vom 30.08.2024, L 13 VG 11/23, juris, Rn. 49 zum OEG). Nach § 142 Abs. 2 Satz 1, 2 SGB XIV ist über einen bis zum 31.12.2023 gestellten und nicht bestandskräftig beschiedenen Antrag auf Leistungen nach dem BVG oder nach einem Gesetz, das das BVG ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu entscheiden. Wird hierbei ein Anspruch festgestellt, werden ebenfalls Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 erbracht. Der vorliegende Antrag auf Leistungen nach dem IfSG i.V.m. dem BVG datiert auf den 14.12.2015 und ist damit vor dem 01.01.2024 gestellt, ohne dass über ihn bereits eine bestandskräftige Entscheidung getroffen worden ist. Damit ist das im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Recht anwendbar. Ob in dieser Konstellation eine Ausübung des Wahlrechts nach §152 SGB XIV zu einem anderen Ergebnis führen könnte, kann der Senat offenlassen, denn jedenfalls fehlt es an einer entsprechenden Erklärung (vgl. § 153 SGB XIV).

 

2. Die Rechtsgrundlage bestimmt sich eingedenk dessen nach den Vorschriften des IfSG und des BVG in seiner bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung, konkret anwendbar für die von der Klägerin begehrte Beschädigtenrente in Zusammenhang mit der begehrten Feststellung sind die §§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 61 IfSG in Verbindung mit §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 BVG.

 

Die Versorgung nach dem BVG umfasst u.a. nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 (BGBl I S. 2904) am 21.12.2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Liegt der GdS insofern unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014, L 6 VS 413/13, juris, Rn. 42; Dau in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Auflage 2012, § 31 BVG, Rn. 2).

 

3. Die streitigen Bescheide sind formell und materiell rechtmäßig. So hat der örtlich und sachlich zuständige Beklagte (vgl. § 54 Satz 1 IfSG i.V.m. § 8 Abs. 1, 2 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem IfSG <ZVO-IfSG> in der Fassung vom 15.04.2020) den Anspruch der Klägerin auf eine Beschädigtenrente wegen der geltend gemachten Schädigungsfolgen, die sie auf die streitrelevante Impfung zurückführt, zu Recht verneint, denn die erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen sind nicht erfüllt. Damit kommt auch eine Feststellung der Schädigungsfolge nicht in Betracht.

 

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt.

 

Die Anerkennung als Impfschaden setzt dabei zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG gegeben sind, die im Wesentlichen aus drei Gliedern bestehen. Ein schädigender Vorgang in Form einer "Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe", der die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllt, muss zu einer "gesundheitlichen Schädigung", also einem Primärschaden in Form einer Impfkomplikation geführt haben, die wiederum den "Impfschaden", d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also den Folgeschaden bedingt (BayLSG, Urteil vom 02.05.2023, L 15 VJ 5/19, juris, Rn. 77ff.). Diese drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein (BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R, juris; BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris; BSG, Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B, juris, Rn. 7; BSG, Beschluss vom 02.02.2024, B 9 V 10/23 B, juris, Rn. 9, 11; BayLSG, Urteil vom 02.05.2023, a.a.Helios Klinik, Rn. 78; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2014, L 1 VE 12/09, juris; Senat, Urteil vom 01.07.2016, L 13 VJ 19/15, juris; Senat, Urteil vom 15.01.2016, L 13 VJ 27/13, juris).

 

Zwischen den jeweiligen Anspruchsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägen ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist (BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris, Rn. 36 ff.; Senat, Urteil vom 15.01.2016, L 13 VJ 27/13, juris, Rn. 24).

 

Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten (BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 42).

 

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennt das IfSG mithin drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen – wie gesehen – die drei Glieder der Kausalkette (Impfung, Impfkomplikation und Impfschaden) des Vollbeweises, wobei nach § 61 Satz 1 bis 3 IfSG für die Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügt (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 33ff). Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden. Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden, vgl. § 61 Satz 2, 3 IfSG. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 64 Satz 2 IfSG anzuwenden ist, sind der Entscheidung hinsichtlich des schädigenden Vorgangs die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind und wenn die Angaben des Antragstellers nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 25).

 

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 26 m.w.N.; BayLSG, Urteil vom 02.05.2023, a.a.Helios Klinik, Rn. 77f.)

 

Eine Wahrscheinlichkeit i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S 14 m.w.N.; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 27). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt grundsätzlich, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 34 und B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 35; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 27).

 

Bei dem "Glaubhafterscheinen" i.S. des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteile vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 35 und B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 36), d.h. der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S 14). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (BSG Urteile vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 35), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist allerdings im Einzelfall grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung, § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. BSG, Urteile vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 35 35 und B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 36; BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S 14; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 28).

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht im vorliegenden Fall die Impfung als erstes Glied der Kausalkette fest <dazu a)>. Ferner liegt bei der Klägerin unzweifelhaft eine Narkolepsie-Erkrankung (Typ 1) vor <dazu b)>. Nicht im Vollbeweis feststellbar ist hingegen das zweite Glied der Kausalkette, mithin der Eintritt einer Impfkomplikation nach der Impfung am 18.12.2009 bei der Klägerin <dazu c)>. Überdies fehlt an der weiterhin erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass die Impfung ursächlich für die als Impfschaden geltend gemachte Erkrankung an Narkolepsie Typ 1 gewesen ist <dazu d)>.

 

a) Zunächst steht im Vollbeweis fest, dass die Klägerin durch den behandelnden Kinderarzt in J. am 18.12.2009 eine von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlene und in ihrem Bereich vorgenommene Schutzimpfung i.S.d. § 2 Nr. 9 IfSG erhalten hat.

 

aa) Die damals 5-jährige Klägerin ist am 18.12.2009 in den linken Oberarm mit dem AS03-adjuvantierten monovalenten lnfluenza-A(H1N1)pdm09-Impfstoff Pandemrix® der Firma GlaxoSmithKline Biologicals, Rixensart, Belgien, Lot: A81CA123A geimpft worden. Dies folgt bereits aus dem vorliegenden Impfbuch und wird von dem Beklagten auch zutreffend nicht in Zweifel gezogen.

 

bb) Die Impfung ist zum Zeitpunkt ihrer Durchführung auch von der zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen gewesen und in ihrem Zuständigkeitsbereich verabreicht worden.

 

(1) So hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales <MAGS> Nordrhein-Westfalen als zuständige Landesbehörde mit Runderlass vom 19.10.2009 (MBl. NRW 2009, S. 455) gemäß § 20 IfSG alle Schutzimpfungen nach den jeweils gültigen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) öffentlich empfohlen (zu diesem Erfordernis vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2005, B 9a/9 VJ 2/04 R, juris, Rn. 34). Die öffentliche Empfehlung wird danach mit der Veröffentlichung der jeweiligen Impfempfehlung der STIKO im Epidemiologischen Bulletin (EB) des Robert Koch-Instituts (RKI) wirksam. Darüber hinaus werden alle Impfungen mit zugelassenen Impfstoffen gegen Influenzaerkrankungen empfohlen, welche die jeweils aktuellen von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization <WHO>) empfohlenen Antigenkombinationen aufweisen und arzneimittelrechtlich zugelassen sind.

 

(2) Die STIKO hat in ihrem EB Nr. 41 vom 12.10.2009 die Impfung gegen das Influenza A Virus (H1N1) u.a. für alle Personen ab dem Alter von sechs Monaten bis 24 Jahren empfohlen (vgl. dort S. 404) und diese Empfehlung in der Aktualisierung vom 24.11.2009 (EB Nr. 50 vom 14.12.2009, S. 514) aufrechterhalten, wobei für Kinder von sechs Monaten bis neun Jahren nur eine halbe Erwachsenendosis empfohlen wurde (vgl. EB Nr. 50 S. 519).

 

(a) Bei dem verwandten Impfstoff handelt es sich ferner um eine seit dem 01.10.2009 – auch für die Impfung von Kindern – in Europa zugelassene Grippeschutzimpfung gegen die Schweinegrippe (H1N1). Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäische Arzneimittelagentur (Euopean Medicines Agency <EMA>) hat am 24.09.2009 eine positive Empfehlung für die H1N1-Stammanpassung des Impfstoffes Pandemrix ausgesprochen. Die Europäische Kommission ist der Empfehlung gefolgt und hat die Anpassung des Impfstoffs Pandemrix der Firma GlaxoSmithKline (GSK) an den neuen Influenza-Stamm A (H1N1) mit dem 01.10.2009 genehmigt.

 

(b) Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte und anderweitigem Vortrages geht der Senat ferner davon aus, dass die ärztliche Sorgfaltspflicht bei Verabreichung der Impfung beachtet und – insbesondere, da es sich um einen Kinderarzt handelte – auch die Kinderdosis verimpft worden ist. Eine Einverständniserklärung der Eltern lag vor.

 

(3) Die Impfung erfolgte in der Kinderarztpraxis in J. und damit im Zuständigkeitsbereich des zuständigen MAGS Nordrhein-Westfalen.

 

b) Ferner steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin jedenfalls seit Sommer 2015 an einer Dauererkrankung in Form einer Narkolepsie Typ 1 (mit Kataplexien <ICD 10: G47.4>) leidet.

 

Diese Diagnose ist durch die Liquordiagnostik während des stationären Aufenthaltes der Klägerin im N. Cc. vom 22. bis 25.06.2015 mit einem Hypocretin von 78 pg/ml labortechnisch und während des stationären Aufenthalts in der Klinik V. in D. vom 30.11. bis 02.12.2015 auch polysomnographisch und im Multiplen Schlaf-Latenz-Test (MSLT) gesichert worden.

 

c) Eine bei der Klägerin entstandene Impfkomplikation im Sinne des zweiten Gliedes der Kausalkette steht zur Überzeugung des Senates hingegen nicht fest. Der Vollbeweis ist nicht erbracht.

 

Es müssen sowohl der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie zudem und in Abgrenzung eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschaden, vorliegen (BSG Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris, Rn. 36, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2012, L 6 VJ 1702/12, juris, Rn. 26; zur abweichenden Terminologie in der Rechtsprechung des BSG nach dem BSeuchG, wonach als Impfschaden die über die übliche Impfreaktion hinausgehende Schädigung, also das zweite Glied der Kausalkette, bezeichnet wurde: BSG, Urteile vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84 und 9a RVi 4/84, jeweils juris; Saarl. LSG, Urteil vom 17.11.2021, L 5 VE 7/17, juris, Rn. 204ff.).

 

Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind (BSG Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 38).

 

aa) Dabei ist die Feststellung einer Impfkomplikation auch weiterhin erforderlich (a.A. noch BayLSG, Urteil vom 28.07.2011, L 15 VJ 8/09, juris; BayLSG, Urteil vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, juris, Rn. 36 m.w.N). Jedoch entspricht die Annahme einer dergestaltigen Erleichterung des Zugangs zu Sozialen Entschädigungsleistungen für Impfschäden nicht der gesetzlichen Systematik des Sozialen Entschädigungsrechts. Der Gesetzgeber ist einem solchen Ansinnen auch weiterhin nicht gefolgt und hat bei der Fassung des ab 01.01.2024 geltenden § 24 SGB XIV an der bisherigen eingrenzenden Systematik (sowie auch an den Begrifflichkeiten des IfSG) ohne inhaltliche Änderung festgehalten und sie in das neue Soziale Entschädigungsrecht übertragen (Karl in: Schmidt, SGB XIV, § 24 Rn. 64 ff., 70). Das Vorliegen der Primärschädigung muss demnach – weiterhin – positiv im Vollbeweis festgestellt werden (vgl. Karl a.a.Helios Klinik, Rn. 70, m.w.N.; BayLSG, Urteil vom 02.05.2023, L 15 VJ 5/19, juris, Rn. 87; insgesamt: BSG, Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B, juris; BSG, Beschluss vom 18.06.2018, B 9 V 1/18 B, juris, BSG, Beschluss vom 02.02.2024, B 9 V 10/23 B, juris, Rn. 9, 11; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2014, L 1 VE 12/09, juris; Senat, Urteil vom 01.07.2016, L 13 VJ 19/15, juris).

 

bb) Der in § 2 Nr. 11 IfSG verwandte Begriff der "gesundheitlichen Schädigung" bezieht sich auf den Erstschaden (Primärschaden), also denjenigen Schaden, der sich als direkte Folge aus der Impfung (oder Maßnahme der spezifischen Prophylaxe) ergibt. Im Sinne des Gesetzes ist nach § 2 Nr. 11 IfSG ein Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.

 

(1) Die Definition des § 2 Nr. 11 IfSG stellt insofern klar, dass nicht jede das Wohlbefinden beeinträchtigende Reaktion auf eine Impfung oder Prophylaxe-Maßnahme in den Schutzbereich des Versorgungsrechts einbezogen ist, sondern nur über das übliche Ausmaß einer Folgereaktion hinausgehende Schäden berücksichtigt werden. Von der gesundheitlichen Schädigung ist damit die bloße Impfreaktion abzugrenzen (Meßling in: Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 60 IfSG, Rn. 62).

 

Die früheren detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen (damals noch als "Impfschaden" bezeichnet) bei Schutzimpfungen in Nr. 57 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in den Jahren 1983 bis 2005, die als antizipierte Sachverständigengutachten angesehen wurden, sind allerdings seit Ende 2006 aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nicht mehr gültig (Rundschreiben des BMAS vom 12.12.2006 - IV.c.6-48064-3; vgl. auch Nr. 57 AHP). Die seit dem 01.01.2009 an die Stelle der AHP getretene Versorgungsmedizinverordnung und deren Anlage 2 (<VersMedV> und Versorgungsmedizinische Grundsätze <VMG>) enthalten keine detaillierten Angaben mehr zu Impfkomplikationen. Im Zusammenhang mit der Streichung der betreffenden Teile der AHP wurde darauf hingewiesen, dass die beim RKI eingerichtete STIKO nun Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden) entwickelt. Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im EB veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris, Rn 39 ff.; Senat, Urteil vom 15.01.2016, L 13 VJ 27/13, juris, Rn. 25). Vorliegend ist zur Abgrenzung zwischen einer üblichen Impfreaktion und dem Verdacht auf eine mögliche Impfkomplikation auf das EB der STIKO nach § 20 Abs. 2 IfSG Nr. 4/2024, S. 40f zurückzugreifen. Dort hat die STIKO die folgenden Kriterien für übliche, nicht meldepflichtige Impfreaktionen entwickelt:

 

  • für die Dauer von 1 – 3 Tagen (gelegentlich länger) anhaltende Rötung, Schwellung oder Schmerzhaftigkeit an der Injektionsstelle;
  • für die Dauer von 1 – 3 Tagen Fieber < 39,5° C (bei rektaler Messung), Kopf- und Gliederschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein, Übelkeit, Unruhe, Schwellung der regionären Lymphknoten;
  • im Sinne einer „Impfkrankheit“ zu deutende Symptome 1 – 3 Wochen nach der Verabreichung von attentuierten Lebendimpfstoffen: z. B. eine leichte Parotisschwellung, kurzzeitige Arthralgien oder ein flüchtiges Exanthem nach der MMR- oder Varizellen-Impfung oder milde gastrointestinale Beschwerden, z. B. nach der oralen Rotavirus- oder Typhus-Impfung;
  • Ausgenommen von der Meldepflicht sind auch Krankheitserscheinungen, denen offensichtlich eine andere Ursache als die Impfung zugrunde liegt.

 

(2) Unter Einbezug dieser Grundsätze fehlt es bei der Klägerin bereits an einem nach der Impfung aufgetretenen Krankheitsgeschehen, welches als erwiesen anzusehen ist.

 

(a) Eine Impfkomplikation liegt zunächst nicht in dem am 28.06.2013 in der Behandlungsdokumentation des Kinderarztes bei der Klägerin festgehaltenen Schiefhals (Torticollis). Die plötzliche Verrenkung des Halses hat zwar die Sachverständige Y. als mögliches, erstes kataplektische Symptom vermutet. Allerdings hat der Sachverständige O. nachvollziehbar erläutert, dass der Schiefhals keine Bedeutung im Rahmen einer Narkolepsie hat.

 

(b) Auch im Übrigen kann der Senat kein Krankheitsgeschehen in der näheren zeitlichen Nachfolge der Impfung feststellen, welches mit dieser als Brückensymptom im Zusammenhang steht. Die seitens der Klägerin vorgetragenen spezifischen Schlafstörungen i.S. einer REM-Schlafverhaltensstörung sind für den Zeitraum bis zur ersten Polysomnographie nicht nachgewiesen.

 

(aa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass nur eine Schlafstörung in der REM-Phase (REM-Schlafverhaltensstörung) im Grundsatz geeignet ist, einen Primärschaden in Form eines ersten frühen Symptoms einer Narkolepsie darzustellen, während eine Non-REM-Parasomnie (Schafwandeln) in keinem Zusammenhang mit einer Narkolepsie-Erkrankung steht.

 

Diesbezüglich folgt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen G. und O. unter Einbeziehung ihrer ergänzenden Stellungnahmen und ihrer Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Die erfahrenen Sachverständigen habe ihre jeweiligen Gutachten unter Auswertung sämtlicher, zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Arzt- und Befundberichte sowie etwaiger Vorgutachten und zusätzlich – im Fall von G. – einer ausführlichen ambulanten Untersuchung der Klägerin, sorgfältig und gewissenhaft erstattet. Die aus diesen Feststellungen abgeleiteten medizinischen Erkenntnisse haben die Sachverständigen, soweit der Senat ihnen folgt (dazu sogleich), eingehend und überzeugend begründet und dabei insbesondere den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand der Zustandsbegutachtung berücksichtigt und sie nach dem geltenden Kodiersystem klassifiziert (ICD-10 und DSM-V: BSG, Urteil vom 28.06.2022, B 2 U 9/20 R, juris, Rn. 27; BSG, Beschluss vom 14.12.2022, B 2 U 1/22 B, juris, Rn. 14, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.07.2024, L 3 U 24/20, juris, Rn. 49). Die Gutachten sind in der Fassung ihrer ergänzenden Stellungnahmen und nach Ergänzung im Termin insofern grundsätzlich in sich schlüssig und frei von Widersprüchen.

 

(aaa) Die Sachverständigen haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend ausgeführt, dass „normales“ Schlafwandeln als Non-REM-Parasomnie bezeichnet wird und nicht spezifisch für eine Narkolepsie-Erkrankung ist. Danach ist Schlafwandeln kein bekanntes bzw. assoziiertes Symptom einer Narkolepsie. Dies hat auch die Sachverständige Y. bereits bestätigt. G. hat darauf verweisen, dass Schlafwandeln bei bis zu 10% der Kinder sporadisch auftritt. Eine REM-Schlafverhaltensstörung hingegen ist, wie die Sachverständigen G. und O. übereinstimmend erläutern, bei Kindern äußerst selten und tritt in aller Regel nur im Zusammenhang mit einer relevanten und für die REM-Schlafverhaltensstörung ursächlichen Grunderkrankung auf. Eine REM-Schlafverhaltensstörung tritt dabei bei ca. 1/3 der an Narkolepsie erkrankten Personen auf und ist damit außerhalb der Narkolepsie bei Kindern unter sechs Jahren sehr selten.

 

(bbb) Zu einer sicheren diagnostischen Feststellung der REM-Schlafverhaltensstörung in Abgrenzung zur Non-REM-Schlafstörung bedarf es einer Polysomnographie. Ihre Durchführung bezeichneten die Sachverständigen übereinstimmend als sog. Goldstandard für eine sichere Feststellung.

 

Zudem ist eine Diagnose nach den Ausführungen des Sachverständigen G., der sich O. grundsätzlich anschließt, auch im Rahmen einer ausführlichen, schlafmedizinischen Anamnese möglich. So gibt es verschiedene symptomatische Unterschiede, die durch den zugrundeliegenden unterschiedlichen Mechanismus begründet sind. Die REM-Schlafverhaltensstörung ist eine Störung der Schlaf-Wach-Traumregulation. Dies zeigt sich unter anderem im Inhalt der Träume. In der REM-Phase sind die Träume durch Emotion, Bewegung und Skurrilität charakterisiert. In der Non-REM-Phase sind diese dagegen eher rational, „trocken“, wie Gedanken und eher ohne Emotion oder mit nur wenig Emotionen behaftet. Ferner kann sich ein Patient bei einer REM-Schlafverhaltensstörung an seine Träume erinnern. Bei der Non-REM-Parasomnie ist das nicht der Fall. Auch der Zeitpunkt des Auftretens der Symptome in der Nacht lässt Rückschlüsse auf die Schlafphase zu. Während der Tiefschlaf eher in der ersten Nachthälfte stattfindet, ist der Traumschlaf eher am Ende des Schlafes verortet. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt darin, dass beim Schlafwandeln die Augen typischerweise geöffnet sind, wohingegen während komplexer Handlungen im Rahmen der REM-Schlafverhaltensstörung die Augen geschlossen sind.

 

Allerdings ist – wie die Sachverständigen G. und O. übereinstimmen einräumen – eine REM-Schlafverhaltensstörung sogar für Fachärzte durchaus nicht zwingend erkennbar. Sie kann z.B. mit einer Alptraumstörung, die sich nach einem gewissen Zeitraum wieder auswachsen kann, verwechselt werden. Erschwert wird die Abgrenzung nach den nachvollziehbaren Erläuterungen von O. bei Kindern zusätzlich dadurch, dass die Symptomatik bei diesen deutlich unspezifischer ist. Die für eine REM-Schlafverhaltensstörung im Erwachsenenalter typische, mit bedrohlichen Träumen assoziierte Gewalt ist bei Kindern eher die Ausnahme. Die Symptome bei Kindern bestehen eher in einem Schleudern von Extremitäten, im Herumrollen, in plötzlichem Schreien oder Weinen in Verbindung mit assoziierten Albträumen oder in anderen unspezifischen Bewegungen. Die Alpträume werden dabei häufig mit einem Abwehrreflex belegt, so dass es nochmals schwieriger ist, dies einzuordnen.

 

Ein Leistungsabfall in der Schule, Müdigkeit am Tag, etc. sind hingegen nach dem Sachverständigen O. bei einer REM-Schlafverhaltensstörung keine zu erwartenden Indizien. Es kann zwar sein, dass es zu wenig erholsamen Tief- bzw. Traumschlaf komme und der Patient tagsüber müder sei (sog. Monotonie Intoleranz = schnell eintretender nachgeholter Schlaf während monotoner Phasen am Tag). Das ist aber nicht zwingend. Es kann durchaus sein, dass dennoch genügend erholsamer Tief- und Traumschlaf vorhanden ist. Zudem greifen gerade am Anfang der Erkrankung, nach G., noch Kompensationsmechanismen. Die Störung variiert ferner in ihrer Intensität.

 

(bb) Diese Ausführungen zugrunde gelegt, steht zur Überzeugung des Senats nicht im Vollbeweis und damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Klägerin in der Zeit nach der Impfung – insbesondere ab Winter 2009/10 – an einer REM-Schlafverhaltensstörung gelitten hat. Die reine Möglichkeit des Bestehens einer Impfkomplikation ist nach den obigen Erläuterungen nicht ausreichend. Ob demgegenüber ein Schlafwandeln i.S. einer Non-REM-Parasomnie bei der Klägerin vorgelegen hat, kann der Senat letztlich offenlassen, denn jedenfalls ist dieses nicht mit einer Narkolepsie assoziiert. Die Nichterweislichkeit einer Impfkomplikation geht zu Lasten der Klägerin, die sich darauf beruft (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16.02.2023, L 1 VE 4/21, juris, Rn. 104).

 

(aaa) Objektive Befunde oder ärztliche Bestätigungen aus der Zeit zwischen dem Impftermin am 18.12.2009 und der Manifestation der Narkolepsie-Erkrankung ab Sommer 2015 existieren nicht; wie auch die Sachverständigen G. und O. in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben. So finden sich in der Behandlungsdokumentation der behandelnden Kinderarztpraxis bereits keinerlei Anhaltspunkte für jedwede Art von Schlafstörungen, obwohl die Klägerin dort im Jahr 2010 am 5.1.2010, 5.2.2010, 18.3.2010, 24.4.2010, 31.5.2010 (neuer Impftermin) und 21.12.2010 vorstellig geworden ist. Fragen zu etwaigen Auffälligkeiten im Schlafverhalten der Klägerin bei den Vorsorgeuntersuchungen U10 und U 11 am 16.01.2012 und 10.02.2014 wurden durch die Eltern gleichfalls verneint.

 

Eine erstmalige Polysomnographie wurde bei der Klägerin im Jahr 2015 durchgeführt. Zwar sind nach den beiden Sachverständigen O. und G. durch die Polysomnographien bei der Klägerin fünf verschiedene ab diesem Zeitpunkt sicher bestätigte Parasomnien festgestellt worden, darunter auch eine REM-Schlafverhaltensstörung. Aus diesem Ergebnis lässt sich allerdings nicht das Vorliegen einer entsprechenden Störung zu einem früheren Zeitpunkt ablesen.

 

(bbb) Das Vorliegen einer REM-Schlafverhaltensstörung lässt sich auch nicht aufgrund der retrospektiven fremd-anamnestischen Angaben der Eltern mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Zwar ist eine Diagnose – wie ausgeführt – grundsätzlich auch im Rahmen einer (Fremd-)Anamnese denkbar, dies nach Angabe der Sachverständigen unter Umständen auch noch Jahre später. Dazu bedarf es allerdings zunächst eines erheblichen Sachverstandes, wie die Gutachter bemerkt haben, und selbst dann ist die auf eine Anamnese gestützte Diagnostik gerade bei Kindern aufgrund der bei ihnen bestehenden Besonderheiten erheblich erschwert. Hinzukommt vorliegend, dass den diesbezüglich heranzuziehenden klägerischen Angaben bzw. maßgeblich elterlichen Angaben im Verlauf der Schilderungen gerade nicht sicher entnommen werden kann, dass und wie sich das Schlafverhalten der Klägerin nach der Impfung verändert hat. Stattdessen ist in der Chronologie auffällig, dass sich die dargelegten Symptomatiken immer weiter verstärken, je später eine Befragung erfolgt.

 

(aaaa) Der zeitlich erste Hinweis auf ein auffälliges Schlafverhalten der Klägerin findet sich im Rahmen des Berichtes der Klinik V. über den stationären Aufenthalt zur polysomnographischen Untersuchung der Klägerin vom 30.11. bis 02.12.2015. Dort berichtet die Mutter der Klägerin im Rahmen der Anamnese, dass sie bei der Klägerin nach der Impfung 2009 ein Schlafwandeln beobachtet habe. Die dortige Chefärztin H. wies auf einen möglichen Zusammenhang der Narkolepsie mit der Impfung hin, sah den Abstand zwischen der Impfung und dem Erstauftraten der Symptome jedoch als recht lang an. Zu dem vorgetragenen Schlafwandeln, welches nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zudem kein mit einer Narkolepsie assoziiertes Merkmal ist, äußerte sie sich nicht. Noch in den Berichten des U.-Hospitals vom 22.06.2015 und 28.08.2015 finden sich hingegen keine Angaben zu einem auffälligen Schlafverhalten nach der Impfung.

 

(bbbb) In der Folge ab 2015 haben die Eltern in weiten Teilen übereinstimmend von einem Schlafwandeln der Klägerin seit Winter 2009/10 für einen Zeitraum von ca. zwei bis drei Jahren, d.h. bis ca. 2013, berichtet. Aus der Erinnerung war ihnen eine exaktere zeitliche Eingrenzung nicht möglich. Der Beginn der Schlafstörung nach der Impfung wurde demgegenüber stets als sicher angegeben. Ihre weiteren Angaben liefern dann auch kein konsistentes Bild zu Art und Umfang der Schlafstörungen für den Zeitraum zwischen Ende 2009 und ca. 2013. So wurden noch im Antrag auf Anerkennung des Impfschadens vom 14.11.2015 sowie im Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung vom 09.12.2015 konkret gestörter Nachtschlaf mit vielen und z.T. langen Wachphasen, schlafbezogene Halluzinationen und Albträume beschrieben. Bei der Befragung durch die Landesobermedizinalrätin E. am 30.03.2016 wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin nach der Impfung begonnen habe zu schlafwandeln. Die Klägerin sei mit offenen Augen, nach den Sachverständigen typisch für normales Schlafwandeln, in einem merkwürdigen Bewusstseinszustand ca. eine Stunde nach dem Zubettgehen aufgestanden und durch die Wohnung gelaufen, habe sich hingesetzt und gebrabbelt. Bei der Anamnese durch die Sachverständige Y. am 27.03.2018 wurde mitgeteilt, dass schon zwischen der Impfung und der Diagnose der Narkolepsie Auffälligkeiten bei der Klägerin vorgelegen hätten. Der Nachtschlaf sei gestört gewesen, sie sei nachts immer wieder aufgestanden, in der Wohnung herumgelaufen und habe in einer unverständlichen Sprache gesprochen.

 

Dann wurde hingegen am 10.12.2018 äußerst detailliert bei dem die Klägerin auch behandelnden Sachverständigen G. erläutert, dass der Schlaf der Klägerin einige Wochen nach der Impfung plötzlich viel schlechter geworden sei, sie angefangen habe, intensiv zu träumen und davon oft davon aufgewacht sei. Sie habe oft Albträume gehabt und habe das Gefühl des „Fallens“ im Traum erlebt. Nachts sei sie dann plötzlich schlafgewandelt, sei in der Wohnung umhergelaufen. Die Mutter habe oft ein Sprechen oder Schreien im Schlaf bemerkt. Auch habe die Klägerin im Schlaf um sich geschlagen und gestikuliert. Wenn sie dann geweckt worden sei und habe sie von einem Albtraum berichtet. Sie habe häufig von „dunklen Gestalten“ geträumt, die sie angegriffen hätten. Das Schlafwandeln sei nach einigen Jahren weniger geworden, die anderen Störungen seien im Wesentlichen geblieben. Ab Mai 2015 sei es dann zu einer verstärkten Müdigkeit und Kopfschmerzen gekommen, der Nachtschlaf sei auch wieder „anders“ geworden. Bereits die Landesobermedizinalrätin E. verwies in ihrer Stellungnahme vom 29.03.2019 darauf, dass von schlechterem Schlaf, intensiven Träumen, Albträumen mit Aufwachen, Sprechen, Schreien und Umsichschlagen im Schlaf zuvor – auch auf Nachfrage – nie die Rede gewesen sei. Der Sachverständige G. hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, dass er glaube, was seine Patienten ihm berichteten. Allerdings ergeben sich die entsprechenden Angaben gerade nicht aus seinen, durch den Senat beigezogenen Behandlungsunterlagen der Klägerin, sondern wurden erst im Rahmen der Begutachtung nach § 109 SGG durch ihn erhoben. Diesbezüglich hat er seiner Stellung als Sachverständiger entsprechend Angaben zu verobjektivieren und zu verifizieren. Der weitere Hinweis, dass die ergänzenden Angaben der Eltern jeweils „abgewürgt“ worden seien, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Eltern wurden mehrfach sowohl im Verwaltungs- wie im Gerichtsverfahren befragt und haben sich zudem auch schriftlich geäußert und hatten insofern die Gelegenheit vollumfänglich gehört zu werden. Zudem stand mit H. auch bereits Ende 2015 eine fachkompetente Schlafmedizinerin zur Erhebung der Anamnese zu einer möglichen früheren REM-Schlafverhaltensstörung zur Verfügung. Dennoch findet sich auch in dem entsprechenden Entlassungsbericht nur ein Hinweis auf ein „Schlafwandeln“.

 

Im Rahmen der Zeugenvernehmung der Eltern der Klägerin unter dem 17.07.2020 hat der Vater der Klägerin dann auch erklärt, dass er nicht mehr genau wisse, wann das unruhige Schlafen und das Schlafwandeln losgegangen seien. Er schätze, das sei um Weihnachten 2009 herum gewesen. Die Klägerin sei herbeigelaufen, habe gelacht und etwas gebrabbelt. Manchmal habe sie auch nur im Bett geschrien oder gesprochen. Das sei über mehrere Jahre gewesen mit möglichen Pausen von wenigen Tagen oder einer Woche. Sowohl das Schlafwandeln als auch das Schreien in der Nacht hätten nach zwei bis drei Jahren aufgehört. Auch die Mutter der Klägerin hat auf ein auffälliges Schlafverhalten ca. ab Weihnachten 2009 verweisen. Plötzlich sei die Klägerin mehrfach aufgestanden und durch die Gegend gelaufen, habe Schränke geöffnet, gebrabbelt und gegrinst. Teilweise habe sie auch nachts laut aufgeschrien. Das sei ca. drei Jahre so gegangen und habe sich dann aber gegeben – sowohl das auffällige Schlafverhalten als auch das Schlafwandeln.

 

Abgesehen von der sich im Verlauf verändernden und maßgeblich verstärkenden Symptomatik ist dem Senat nicht eingängig, dass keine zeitnahen Befundungen stattgefunden haben. Dies gilt gerade, wenn der Senat die Schilderungen in 2018 bei G. zugrunde legt. Obgleich die Klägerin nach dem 18.12.2009 bis einschließlich Mai 2010 und dann wieder ab Dezember 2010 bis Februar 2011 monatliche Besuche bei ihrem Kinderarzt absolviert hat, finden sich keinerlei Hinweise auf ein derart dramatisch verändertes Schlafverhalten. Auch bei den Vorsorgeuntersuchungen wurde auf konkrete Nachfrage zum Schlafverhalten nichts erwähnt. Dies wird aus Sicht des Senates nur dann mit dem elterlichen Hinweis, dass sie die Schlafstörungen für normales kindliches Verhalten gehalten hätten, erklärbar, wenn die geschilderte Symptomatik jedenfalls bei weitem nicht das Ausmaß erreicht hat, wie nachfolgend behauptet worden ist.

 

Hinzu kommt, dass nach den Aussagen der Eltern sich die Schlafstörungen der Klägerin ca. drei Jahre nach der Impfung gaben und ein beschwerdefreies Intervall folgte. Erst mit Manifestation der Narkolepsie in 2015 seien wieder Schlafstörungen aufgetreten. Diese Unterbrechung der Schlafstörungen spricht gerade dagegen, dass auch schon vor Manifestation der Narkolepsie eine REM-Schlafverhaltensstörung vorgelegen hat. Denn eine mit einer fortschreitenden Grunderkrankung wie der Narkolepsie assoziierte REM-Schlafverhaltensstörung bildet sich unbehandelt in der Regel nicht wieder zurück, wenn sie einmal vorliegt. Allenfalls kann sie in der Intensität variieren. Auch in diesem Punkt stimmen die Sachverständigen O. und G. überein.

 

(ccc) Weitere Ermittlungsmöglichkeiten stehen dem Senat nicht zur Verfügung.

 

(ddd) Bereits eingedenk der obigen Ausführungen, wonach aus dem Vortrag der Eltern kein konsistentes Bild von Art und Umfang möglicher Schlafstörungen gewonnen werden kann, kommt eine Beweiserleichterung nach § 15 KOVVfG nicht in Betracht. Zudem wird nicht verkannt, dass es sich zur Anwendbarkeit dieser Norm grds. um eigene Angaben der Klägerin handeln müsste (BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R, juris, Rn.12).

 

d) Letztlich fehlt es im vorliegenden Fall auch an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der Kausalität zwischen der Impfung mit Pandemrix am 18.12.2009 und der Manifestation der Narkolepsie Typ 1 bei der Klägerin im Jahr 2015. Die Voraussetzungen für die Feststellung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs liegen weder nach § 61 Satz 1 IfSG <dazu unter aa)> noch nach § 61 Satz 2 IfSG im Sinne einer „Kann-Versorgung“ <dazu unter bb)> vor.

 

(aa) Es spricht nicht mehr dafür als dagegen i.S. einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit (§ 61 Satz 1 IfSG), dass die Entstehung der bei der Klägerin diagnostizierten Narkolepsie nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft auf die Impfung vom 18.12.2009 zurückzuführen ist.

 

Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist der Pathomechanismus einer Narkolepsie Typ 1 als grundsätzlich geklärt anzusehen. Soweit die beiden Sachverständigen G. und O. dies eingeschränkt haben, verwiesen sie darauf, dass überhaupt nur wenige Erkrankungen in der Medizin als „vollends“ geklärt anzusehen sind. Es existiert jedoch vorliegend nach ihren überzeugenden Bekundungen ein gefestigtes international anerkanntes Entstehungsmodell, das mittlerweile durch eine große Zahl von Studien bestätigt ist. Danach – vereinfacht dargestellt – führt, eine vorhandene genetische Prädisposition dann, wenn sie auf bestimmte Umweltfaktoren oder Trigger trifft, zu einer Störung des Immunsystems mit der Folge, dass die Nervenzellen des Betroffenen konkrete Botenstoffe nicht mehr herstellen und auf diese Weise Nervenzellen zerstört werden. Einen dieser Trigger kann die Pandemrix-Impfung darstellen.

 

(aaa) Ausgeschlossen werden können zunächst als mögliche Trigger nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und den nachvollziehbaren Erläuterungen beider Sachverständiger, die zudem auch durch die eingeholte Expertise des M. gestützt sind, die Streptokokken-Infektionen der Klägerin. Auch die genetische Prädisposition allein ist – ohne weiteren Umweltfaktor oder Trigger – nicht verursachend.

 

Möglich ist nach den Angaben der Sachverständigen indes, dass die Klägerin an einer ideopatischen (d.h. spontan aufgetretenen) Narkolepsie erkrankt ist, bei der die Ursache unbekannt ist. Einen Biomarker, mit dem man die Fälle einer idiopathischen Narkolepsie von einer post-Pandemrix-Impfung Narkolepsie unterscheiden kann, gibt es nicht. Ebenso wenig existieren klinische Unterscheidungsmerkmale zwischen diesen Formen.

 

Dabei ist selbst die Abwesenheit von Alternativerklärungen allerdings nicht maßgebend. Es fehlt an einer Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (vgl. zum Unfallversicherungsrecht: BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris, Rn. 20; Senat, Urteil vom 26.02.2021, L 13 VS 61/20, juris, Rn. 40).

 

(bbb) Auch, wenn demnach die Pandemrix-Impfung grundsätzlich ein entsprechender Trigger für eine Narkolepise-Erkrankung sein kann, ist dieser kausale Zusammenhang im Fall der Klägerin nicht wahrscheinlich.

 

Unstreitig lässt sich die Frage der Kausalität vorliegend alleine anhand der Zeitspanne zwischen der Impfung und dem Erkrankungsausbruch bzw. dem Auftreten etwaiger Brückensymptome beurteilen, so die Sachverständigen G. und O. wie auch zuvor die Sachverständige Y.. Auch H. nahm bereits auf den erheblichen zeitlichen Abstand im vorliegenden Fall Bezug. In Studien – so die Sachverständigen übereistimmend – ist die Krankheit nach einer Pandemrix-Impfung in der Regel binnen zwei bis acht Monaten ausgebrochen. An anderer Stelle wird ein Häufigkeitszeitraum von einem bis vierzehn Monaten genannt. Diese Angaben werden gestützt durch die vorliegenden statistischen Daten, wonach eine statistische Häufung der Narkolepsie Erkrankungen nur in einem Zeitfenster von ca. maximal zwei Jahren nach der Impfung besteht. Nach einer Veröffentlichung des M. vom 18.07.2016 ergab sich aus einer in Schweden durchgeführten retrospektiven Studie, dass das Risiko, nach einer Pandemrix-Impfung an Narkolepsie zu erkranken, in einem Zeitfenster von drei Monaten nach der Impfung um mehr als das 10-fache erhöht war. In einer weiteren schwedischen Studie aus 2013 zeigte sich, dass 19 von 28 Kindern erste Narkolepsie-Symptome innerhalb von zwölf Wochen nach der Impfung aufwiesen. In einer finnischen retrospektiven Kohortenstudie ergab sich ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Kinder für den Zeitraum von zwei Jahren nach der Gabe von Pandemrix, in Norwegen erkrankten 42 von 58 geimpften Kindern innerhalb von sechs Monaten nach der Impfung – im zweiten Jahr nach der Impfung hatten die Inzidenzen wieder den Vor-Pandemiewert erreicht.

 

Die Manifestation der Narkolepsie erfolgte im Fall der Klägerin jedoch erst nach ca. 5,5 Jahren. Vor dem Zeitpunkt der Diagnosestellung sind keine ersten Symptome im Sinne von Brückensymptomen bei der Klägerin für den Senat objektiviert erkennbar. Das Auftreten von Kataplexien, einer nachweisbaren Symptomatik einer REM-Schlafverhaltensstörung oder zumindest das Auftreten von Tagesschläfrigkeit lässt sich nicht vor 2015 im Vollbeweis feststellen.

 

Angesichts dessen haben beide Sachverständigen dann übereinstimmend auf Nachfrage des Senates in der mündlichen Verhandlung – wie bereits auch zuvor schon O. in seinen schriftlichen Ausführungen – bekundet, dass der große zeitliche Abstand zwischen der Impfung im Jahr 2009 und der Erstmanifestation der Narkolepsie im Jahr 2015 einen kausalen Zusammenhang allenfalls als möglich erscheinen lässt, nicht aber als wahrscheinlich. Soweit beide Sachverständigen, insbesondere G., insoweit zuvor eine Verursachung der Narkolepsie-Erkrankung der Klägerin durch die Impfung vom 18.12.2009 für wahrscheinlich gehalten haben, beruhte dies auf der nicht verobjektivierbaren Annahme von Brückensymptomen, wie sie klägerischerseits vorgetragen worden sind.

 

Der Senat schließt nicht aus, dass es sich um eine individuelle Variabilität handelt und Kompensationsmechanismen dafür gesorgt haben können, dass sich der Zeitraum, bis zu dem sich die Narkolepsie im Vollbild zeigt, bei der Klägerin verlängert hat. Je länger – so die Sachverständigen – die Zeitspanne jedoch ist, desto unwahrscheinlicher wird der Zusammenhang. Die – dann vorliegend nur noch verbleibende – bloße Möglichkeit einer Verursachung ist indes nicht ausreichend, um einen Anspruch nach § 61 Abs. 1 Satz 1 IfSG zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, 9 RV 610/66, juris, Rn, 14; BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, jeweils juris).

 

(bb) Die Klägerin kann sich auch nicht auf die sog. Kann-Versorgung gemäß § 61 Satz 2 IfSG berufen. Danach gilt, dass wenn Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 anerkannt werden kann. Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden, § 61 Satz 2, 3 IfSG.

 

Fehlt es hingegen schon am Nachweis einer unmittelbaren Impfkomplikation oder ist die Wahrscheinlichkeit der Kausalität schon aus anderen Gründen zu verneinen (vgl. zum zeitlichen Zusammenhang LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.08.2017, L 7 VE 7/14, juris, Rn. 44), so liegen die Voraussetzungen der Kann-Versorgung nach § 61 Satz 2 IfSG nicht vor, denn dann ist nicht (lediglich) die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft ungewiss (Hessisches LSG, Urteil vom 16.02.2023, L 1 VE 4/21, juris, Rn. 110). Ansonsten könnte jede Erkrankung eines Geimpften, deren Entstehung und Verlauf in der medizinischen Wissenschaft nicht abschließend geklärt ist, grundsätzlich eine Kann-Versorgung begründen, auch wenn sie zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt nach der Impfung aufträte. Eine solche Sichtweise führte aber im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr, die durch die Möglichkeit der Kann-Versorgung gerade nicht gewollt ist (BSG, Urteil vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80, juris, Rn. 23; Senat, Urteil vom 15.06.2012, L 13 VJ 59/11, juris, Rn. 37f).

 

Im vorliegenden Fall fehlt es – neben einer Impfkomplikation – zudem an der für die Kann-Versorgung geforderten Ungewissheit über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft. Denn nach den Aussagen der Sachverständigen, insbesondere von G., ist der Pathomechanismus der Narkolepsie durch ein international anerkanntes Modell als grundsätzlich geklärt anzusehen. Überdies ist die Kausalität der Impfung im Fall der Klägerin nicht wegen einer Ungewissheit, sondern wegen des für eine wahrscheinliche Verursachung erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Impfung und der Krankheitsmanifestation zu verneinen.

 

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 193 Abs. 1 Satz 1, 183 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

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