Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.03.2024 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren die Aufhebung der Bescheide vom 09.11.2021 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.03.2022, mit denen der Beklagte die Leistungsgewährung teilweise aufhob und Erstattung jeweils vom Kläger und der Klägerin forderte.
Die Kläger sind verheiratet und bezogen in den Jahren 2019, 2020 und 2021 zusammen mit den gemeinsamen Kindern U. (geboren am 00.00.0000) und T. (geboren am 00.00.0000) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnten zunächst eine Wohnung in der M.-straße in C. (Warmmiete 668,64 €: Kaltmiete 436,64 €, Betriebskosten 129,88 €, Heizkosten 102,12 €) und zogen zum 01.06.2019 in eine Wohnung in der I.-straße in C. (Warmmiete 1.084 €: Kaltmiete 864 €, Betriebskosten 80 €, Heizkosten 140 €). Die Kläger erhielten (gemeinsam mit den Kindern) vom Beklagten Unterkunftskosten i.H.v. monatlich 1.752,64 €.
Nachdem der Beklagte im August 2019 feststellte, dass Bedarfe für Unterkunft und Heizung für zwei Wohnungen gewährt wurden, hob er nach Anhörung der Kläger die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum von Januar 2020 bis September 2021 teilweise i.H.v. je 3.520,16 € auf und forderte vom Kläger und der Klägerin die Erstattung jeweils dieses Betrages (Bescheide vom 09.11.2021, Widerspruchsbescheide vom 14.03.2022).
Dagegen haben die Kläger fristgerecht Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben mit der Begründung, es liege keine grobe Fahrlässigkeit vor.
Die Kläger haben beantragt,
die Bescheide vom 09.11.2021 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.03.2022 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat nach Anhörung der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage mit Urteil vom 20.03.2024 abgewiesen. Die Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.09.2021 seien rechtswidrig, da die Kläger sowohl die Miete für die bis zum 31.05.2019 bewohnte Wohnung in der M.-straße in C. als auch - zusätzlich - die Unterkunftskosten für die Wohnung in der I.-straße in C., die seit Juni 2019 angemietet war, erhalten hätten. Die Kläger hätten grob fahrlässig keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bescheide im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung gehabt. Die Bewilligungsbescheide hätten im letzten Abschnitt der Berechnungsbögen „Höhe der monatlich zustehenden Leistungen nach Berücksichtigung von Einkommen in Euro“ bei KdU-Miete/Eigentum die Gesamtkosten von 1.752,64 € ausgewiesen, während die Kläger aber nur verpflichtet waren, 1.084 € an ihren Vermieter zu zahlen. Die Rechtswidrigkeit sei unter Zugrundelegung einfachster Überlegungen erkennbar gewesen. Die Kläger seien hierzu nach ihren persönlichen Verhältnissen und Umständen in der Lage gewesen. Hierfür sei der Eindruck von den Klägern in der mündlichen Verhandlung und die Auswertung der Verwaltungsakte entscheidend gewesen. Grobe Fahrlässigkeit habe vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des SG vom 20.03.2024 Bezug genommen.
Gegen das am 29.04.2024 zugestellte Urteil haben die Kläger am 29.04.2024 Berufung eingelegt. Sie verfolgen ihr Begehren weiter. Es liege keine grobe Fahrlässigkeit vor. Die Kläger seien im Umgang mit Bescheiden nicht geübt.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.03.2024 zu ändern und die Bescheide vom 09.11.2021 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.03.2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 13.03.2025 abgelehnt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Gelegenheit zur Stellungnahme bestand bis zum 08.04.2025. Die Kläger haben innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme abgegeben.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gewesen.
II.
Der Senat konnte, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil der Fall keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine weitere mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 09.11.2021 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.03.2022, mit denen der Beklagte die Leistungsgewährung für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.09.2021 für die Kläger teilweise aufgehoben und die Erstattung von je 3.520,16 € vom Kläger und der Klägerin gefordert hat.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide vom 09.11.2021 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.03.2022 sind rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Voraussetzungen des § 40 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X lagen vor. Danach muss ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.09.2021 waren rechtswidrig. Die Kläger sind zum 01.06.2019 aus der Wohnung in C., W.-straße (Unterkunftskosten 668,64 € [Kaltmiete 436,64 €, Betriebskosten 129,88 €, Heizkosten 102,12 €]) ausgezogen und in die Wohnung in C., I.-straße (Unterkunftskosten 1.084 € [Kaltmiete 864 €, Betriebskosten 80 €, Heizkosten 140 €]) eingezogen, haben aber ausweislich der Auflistung in den Berechnungsbögen zu den Bescheiden (fortlaufend weiter) die Miete für beide Unterkünfte bewilligt und überwiesen erhalten.
Die Kläger hätten bei Anwendung der ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten wissen müssen, dass die gewährten Bedarfe für Unterkunft und Heizung ihnen in dieser Höhe nicht zustanden. Der Beklagte hat die im Rahmen von § 45 Abs. 1 SGB X – neben der Prüfung von Vertrauensschutz – grundsätzlich gebotene Ermessensausübung (vgl. hierzu Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rn. 125) zu Recht unterlassen. Er war gemäß § 40 Abs.1 Nr.1 SGB II i.V.m. 330 Abs. 2 SGB III von der Ausübung von Ermessen entbunden, denn die vom Beklagten und vom Sozialgericht angenommene Fallgruppe des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X lag vor. Hiernach kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Grobe Fahrlässigkeit ist zum Beispiel dann zu bejahen, wenn sich die Rechtswidrigkeit ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben hat oder anhand der Umstände und ganz naheliegender Überlegungen auffallen musste, dass der Bescheid fehlerhaft ist. Maßgebend für das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts (vgl. hierzu Jan Oliver Merten in: Hauck/Noftz SGB X, § 45 SGB 10, Rn. 72).
Den Klägern musste die Rechtswidrigkeit der Bescheide „aufgrund ganz naheliegender Überlegungen“ auffallen. Es war bereits beim Lesen der Berechnungsbögen offensichtlich, dass nicht nur die Kosten für die bis Mai 2019 bewohnte, sondern auch fortlaufend die Bedarfe für die seit Juni 2019 bewohnte Unterkunft aufgeführt wurden und zudem bei der „Höhe der zustehenden Leistungen“ für die KdU 1.752,64 €, d.h. der Betrag nach Addition der Warmmieten für beide Unterkünfte (1.084 € und 668,64 €) ausgewiesen war. Die Kläger konnten somit nur durch Lesen der Bescheide erkennen, dass sie vom Beklagten über 650 € mehr als den gegenüber dem Vermieter monatlich geschuldeten und von den Klägern überwiesenen Mietzins erhielten. Zu keiner anderen Einschätzung führt hingegen der Einwand des Klägers, über keine kaufmännische oder juristische Ausbildung zu verfügen. Zum einen bedarf es lediglich des schlichten Lesens der Bescheide, um den Fehler zu erkennen. Zum anderen hat der Kläger nicht nur den Führerschein erworben, sondern nach Aktenlage auch eine Tätigkeit als selbstständiger Taxifahrer ausgeübt. Die Klägerin hat in Deutschland einen Schulabschluss gemacht, war zudem anschließend berufstätig in abhängiger Beschäftigung. Ergänzend zeigt sich die Fähigkeit, Bescheide zu lesen, zu prüfen und adäquat zu reagieren auch darin, dass die Kläger, denen im Bescheid vom 07.01.2020 wegen fehlender Angaben zu den Unterkunftskosten, Grundsicherung ohne deren Berücksichtigung bewilligt worden sind, auf die Aufforderung zur Mitwirkung vom 07.01.2020 umgehend am 15.01.2020 den Vordruck mit den notwendigen Angaben zu den Unterkunftskosten eingereicht haben, um die zeitnahe Änderung des Bescheides zu ihren Gunsten, d.h. die Bewilligung von Unterkunftskosten zu erreichen. Des Weiteren haben die Kläger umgehend mit Schreiben vom 24.09.2021 darauf hingewiesen, dass entgegen der Anhörung vom 15.09.2021 zu der beabsichtigten Aufhebung und Erstattung der Umzug nicht zum 01.05.2019, sondern erst zum 01.06.2019 stattgefunden hat. Auch daraus folgt, dass die Kläger die Bescheide lesen, den tatsächlichen Sachverhalt erfassen und darauf sachgerecht reagieren können.
Der Erstattungsanspruch des Beklagten ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Auf einen Verbrauch der gewährten Leistungen können sich die Kläger nicht berufen. Der Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB findet im Rahmen sozialrechtlicher Rückgewähr keine Anwendung (vgl. Baumeister in: Schlegel-Voelzke, jurisPK-SGB X, § 50 SGB X, Rn. 94).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.