L 7 AS 184/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 1210/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 184/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


1. Als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV ist anzusehen, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet erweisen.

2. Auch eine geringfügige Beschäftigung im Umfang von teilweise nur wenigen Wochenstunden kann in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Vorliegens ordnungsgemäßer schriftlicher Arbeitsverträge, der Dauer und der Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die durch entsprechende Gehaltsbescheinigungen nachgewiesen ist, zum Ergebnis führen, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit im Sinne des Art. 45 AEUV zu bejahen ist. 
 


I.    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2023 insoweit aufgehoben, als es den Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 aufgehoben hat. Die Klage wird insoweit abgewiesen. Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2023 und des Bescheides des Beklagten vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 wird die Verurteilung des Beklagten für die Zeit vom 20. bis 31. Juli 2020 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.    Der Beklagte hat den Klägern 7/8 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. 

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Juli 2020 sowie über die Bewilligung entsprechender Leistungen für die Zeit vom 1. August 2020 bis 28. Februar 2021.

Die 1997 geborene Klägerin zu 1. reiste nach eigenen Angaben am 26. Dezember 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist die Mutter des 2019 geborenen Klägers zu 2. Beide sind bulgarische Staatsangehörige. Der Kläger zu 2. ist der Sohn des späteren Ehemannes der Klägerin zu 1., Herr K., ebenfalls bulgarischer Staatangehöriger. Die Heirat erfolgte am 17. März 2021. Die Klägerin zu 1. und ihr späterer Ehemann lebten zuvor nicht dauerhaft zusammen. Dem späteren Ehemann der Klägerin wurden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2019 bis 31. Oktober 2020 (Bescheid vom 23. Dezember 2019) sowie vom 1. November 2020 bis 31. Oktober 2021 (Bescheide vom 13. Oktober und 21. November 2020) gewährt. 

Die Klägerin zu 1. war in der Zeit vom 10. Januar bis 28. Februar 2019 bei der H. Reinigung Service GmbH zu einem Monatslohn von 450 Euro beschäftigt. Ihr wurde eine wöchentliche Arbeitszeit von 8,75 Stunden bescheinigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Kündigung der Klägerin zu 1. In der Zeit vom 6. bis 31. Mai 2019 übte sie 10,65 Stunden wöchentlich eine Tätigkeit als Reinigungskraft bei der G. Blanco Dienstleistungen GmbH für einen Monatslohn von 450 Euro aus. Die Beschäftigung endete aufgrund der Kündigung der Arbeitgeberin. Anschließend gab die Klägerin unter Vorlage des Arbeitsvertrags vom 9. Juli 2019 an, bei der Firma M. Gebäudereinigung GmbH als Reinigungskraft beschäftigt zu sein. Der Beklagte bewilligte ihr für die Zeit vom 1. bis 28. Februar 2019 sowie vom 6. Mai 2019 bis 31. Januar 2020 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 17. Mai 2019, 18. und 22. Juli 2019). Im Änderungsbescheid vom 13. November 2019 wurde der mit der Klägerin zu 1. in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Kläger zu 2. berücksichtigt. Im Weiterbewilligungsantrag vom 16. Dezember 2019 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2020 erklärte die Klägern zu 1., sie erziele kein Einkommen (Ziffer 3.2 des Antrags).

Mit Bescheid vom 10. Januar 2020 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit von Februar bis Juli 2020. Der Klägerin zu 1. bewilligte er monatliche Leistungen in Höhe von 400,57 Euro. Dabei ging er von einem Regelbedarf von 432 Euro, einer Grundmiete von 140 Euro sowie Nebenkosten von 33,35 Euro aus. Unter bedarfsmindernder Berücksichtigung von Einkommen der Klägerin zu 1. in Höhe von insgesamt 348 Euro (Erwerbseinkommen von 160 Euro abzüglich des Freibetrags von 112 Euro sowie 300 Euro Elterngeld) - verteilt auf beide Kläger - legte der Beklagte einen Regelbedarf von 227,22 Euro und einen Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von 173,35 Euro zugrunde. Dem Kläger zu 2. bewilligte der Beklagte monatlich Leistungen in Höhe von 280,13 Euro. Dabei ging er von einem Regelbedarf von 250 Euro, einer Grundmiete von 140 Euro sowie Nebenkosten von 33,35 Euro aus. Unter bedarfsmindernder Berücksichtigung von Einkommen der Klägerin zu 1. legte er einen Regelbedarf von 106,78 Euro und einen Bedarf für KdU von 173,35 Euro zugrunde.
Mit Änderungsbescheid vom 19. Februar 2020 bewilligte der Beklagte vorläufig für die Zeit vom 1. März bis 31. Juli 2020 der Klägerin zu 1. Leistungen in Höhe von 559,23 Euro sowie dem Kläger zu 2. in Höhe von 424,77 Euro monatlich wegen höheren Bedarfs für KdU (Bedarf für Grundmiete jeweils 250 Euro, für Nebenkosten jeweils 75 Euro). 
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 20. Mai 2020 kürzte der Beklagte die monatlichen Leistungen für die Zeit von Juni bis Juli 2020 wegen Kindergelds um 204 Euro. Die monatlichen Leistungen an die Kläger betrugen insgesamt 780 Euro.
Die M. Gebäudereinigung GmbH teilte dem Beklagten mit Email vom 29. Mai 2020 mit, die Klägerin zu 1. habe zwar von ihr einen Arbeitsvertrag vom 9. Juli 2019 erhalten, sie sei aber nicht zum Arbeiten erschienen und habe sich auch nicht mehr gemeldet. 
Mit Bescheid vom 12. Juni 2020 entzog der Beklagte die bewilligten Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 2020 wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), da die Klägerin zu 1. trotz Belehrung über die Rechtsfolgen fehlende Unterlagen (Gehaltsabrechnungen für Juli 2019 bis Januar 2020 oder zumindest Quittungen über eine Barzahlung des Gehalts) nicht vorgelegt habe. Hiergegen legte die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 19. Juni 2020 Widerspruch ein. 
Mit Bescheid vom 30. Juni 2020 hob der Beklagte die Leistungsbewilligungen (Bescheide vom 10. Januar 2020, 19. Februar 2020 und 20. Mai 2020) ab dem 1. Juli 2020 unter Hinweis auf einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ganz auf. 

Am 21. Juli 2020 wurde bei dem Beklagten ein Arbeitsvertrag der Klägerin zu 1. mit der Firma F. Gebäudemanagement vom 20. Juli 2020 eingereicht. Gemäß § 2 des Vertrags wurde dieser auf unbestimmte Zeit geschlossen. Gemäß § 4 des Vertrags erhielt die Klägerin zu 1. eine monatliche Nettovergütung von 10,80 Euro je Arbeitsstunde, nach § 5 des Vertrags betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 6 Stunden. Der Vertrag enthielt außerdem Regelungen zu Krankheit (§ 10) und Urlaub (§ 9). 

Die Klägerin zu 1. legte unter dem 22. Juli 2020 über ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 30. Juni 2020 ein. Den Aufforderungen des Beklagten, Gehaltsbescheinigungen oder Quittungen über erhaltenen Lohn einzureichen, habe sie nicht nachkommen können, da sie vom Arbeitgeber keine Unterlagen erhalten habe. Der Lohn sei in bar ausbezahlt worden. Sie habe dort montags, mittwochs und freitags jeweils ca. eine Dreiviertelstunde die Büroräume des Arbeitgebers gereinigt. Das Arbeitsverhältnis sei bisher nicht gekündigt worden. Jetzt sei sie in Elternzeit. 

Am 29. Juli 2020 erhielt der Beklagte die Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung über die Meldung eines Versicherungsverhältnisses der Klägerin zu 1. ab 20. Juli 2020 bei der Firma F. Gebäudemanagement. 

Der Beklagte lehnte unter Berücksichtigung der Aufnahme der Beschäftigung der Klägerin zu 1. bei der F. Gebäudemanagement ab 20. Juli 2020 mit Bescheid vom 29. Juli 2020 einen Leistungsanspruch unter Hinweis auf das Nichtvorliegen eines Arbeitnehmerstatus ab. Hiergegen legte die Klägerin zu 1. unter dem 18. August 2020 Widerspruch ein.

Die Klägerin zu 1. reichte eine Einkommensbescheinigung vom 7. August 2020 ein, in welcher ihr der Arbeitgeber ab 20. Juli 2020 eine tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit von 1,5 bis 3 Stunden bei einem Nettolohn von 10,80 Euro bestätigte, sowie die Lohnabrechnung für Juli 2020, wonach sie 16,01 Arbeitsstunden bei einem Bruttolohn von 174,19 Euro erbracht hatte. Im August 2020 erzielte sie ausweislich der Lohnabrechnung für 16 Arbeitsstunden 172,80 Euro brutto, ausweislich der Lohnabrechnungen für September und Oktober 2020 jeweils für 18 Arbeitsstunden 194,40 Euro brutto. 

Mit Widerspruchsbescheiden vom 13. Oktober 2020 verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Juni 2020 als unzulässig, da er sich erledigt habe, und wies sowohl den Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 30. Juni 2020 als auch den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2020 als unbegründet zurück. Beide Kläger hätten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
 
Aufgrund der in Eilverfahren ergangenen Beschlüsse vom 7. September 2020 (Az. S 2 AS 984/20 ER) und vom 18. November 2020 (Az. S 2 AS 1140/20 ER) erbrachte der Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 26. August 2020 bis 28. Februar 2021. Das Sozialgericht (SG) stützte sich im Beschluss vom 18. November 2020 auf eine schriftliche Zeugenaussage der Inhaberin der Reinigungsfirma F. Gebäudemanagement, Frau D. F., vom 5. November 2020, wonach die Klägerin auf der Grundlage des Arbeitsvertrags jeweils vier Stunden wöchentlich in einem Drogeriemarkt in B-Stadt eingesetzt war. 

Die Kläger haben am 27. Oktober 2020 Klagen gegen die Bescheide vom 30. Juni 2020 und vom 29. Juli 2020, jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. Oktober 2020, erhoben. Das Klageverfahren gegen den Bescheid vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 ist unter dem Az. S 29 AS 1211/20 geführt worden, das Klageverfahren gegen den Bescheid vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 unter dem Az. S 29 AS 1210/20. Die Klägerin zu 1. hat zur Begründung vorgetragen, dass sie aufgrund der nicht vorhandenen Kinderbetreuungsmöglichkeit für ihren Sohn, den Kläger zu 2., nicht in höherem Umfang einer Arbeit habe nachgehen können. Sie ist der Auffassung, dass dies bei den Umständen des Einzelfalls zu berücksichtigen sei.

Die Klägerin zu 1. hat außerdem Lohnabrechnungen von November und Dezember 2020 sowie Januar 2021 vorgelegt, die jeweils 18 Arbeitsstunden für diese Monate ausweisen sowie einen Bruttolohn von 194,40 Euro für November 2020, 244,40 Euro für Dezember 2020 (194,40 Euro zuzüglich 50 Euro Coronaprämie) und 199,98 Euro für Januar 2021. Ferner hat sie ein Kündigungsschreiben der Firma F. Gebäudemanagement vom 1. Januar 2021 zum 31. Januar 2021 zu den Akten gereicht.

Außerdem hat die Klägerin zu 1. einen bis 31. Juli 2021 befristeten Arbeitsvertrag vom 1. Februar 2021 mit der E.-Dienstleistungen GmbH über eine Einstellung als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von ca. 9 Stunden und einem Bruttostundenlohn von 11,11 Euro eingereicht. Sie hat eine Lohnabrechnung für Februar 2021 vorgelegt, die 36 Arbeitsstunden sowie einen Bruttolohn von 391,96 Euro ausweist. Die Klägerin zu 1. hat das Arbeitsverhältnis mit der Firma E. Dienstleistungen GmbH zum 8. März 2021 fristlos gekündigt. 

Mit Bescheid vom 15. März 2021 hat der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit von März bis Juli 2021 bewilligt. Unter dem 19. April 2021 hat der Beklagte der Klägerin zu 1. mitgeteilt, dass die Leistungen an die Kläger wegen Aufnahme in die Bedarfsgemeinschaft ihres Ehemannes zum 1. Mai 2021 eingestellt würden, und hat mit Bescheid vom 19. April 2021 die Höhe der bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. April 2021 abgeändert. Mit Bescheid vom 21. April 2021 hat der Beklagte die Kläger in der Zeit ab 1. Mai 2021 in der Bedarfsgemeinschaft des Ehemannes der Klägerin zu 1. berücksichtigt und für die in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen in Höhe von insgesamt 1.514,99 Euro gewährt.  

Im gemeinsamen Protokoll zur mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 24. April 2023 zu beiden Klageverfahren ist festgehalten: „Die Beteiligten erklären ihr Einverständnis damit, dass das Verfahren zu dem Az. S 29 AS 1211/20 mit diesem Verfahren gemeinsam verhandelt wird“. Die Beteiligten haben gemeinsame Anträge zu beiden Verfahren gestellt.

Das SG hat mit Urteil vom 24. April 2023 den Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 20. Juli 2020 bis zum 28. Februar 2021 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Ferner hat es den Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 aufgehoben. Die an die Beteiligten versandte Urteilsausfertigung ist nur mit dem Az. S 29 AS 1210/20 versehen. Der Tatbestand enthält die Feststellung, die Verfahren zu den Az. S 29 1210/20 und S 29 AS 1211/20 seien verbunden und gemeinsam verhandelt worden. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, dass kein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB II vorliege. Der Leistungsausschluss greife nicht ein, wenn neben dem aus dem Zweck der Arbeitsuche abgeleiteten Aufenthaltsrecht ein weiteres Aufenthaltsrecht bestehe. Ein solches ergebe sich für die Klägerin zu 1. ab dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme am 20. Juli 2020 aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) als Arbeitnehmerin. Die wesentlichen Kriterien der Annahme eines Arbeitsverhältnisses i. S. d. Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) seien erfüllt. Die Klägerin habe während der Vertragsdauer auf Weisung der Firma F. Gebäudemanagement Leistungen erbringen müssen. Sie sei sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht abhängig von den Weisungen der Arbeitgeberin gewesen und habe für diese Tätigkeit eine geregelte Vergütung erhalten. Auch habe sie Anspruch auf den gesetzlichen Urlaub gehabt. Der Vertrag habe Regelungen für den Fall der Krankheit enthalten. Die Beschäftigung sei durch den Arbeitgeber angemeldet worden, der die Dauerhaftigkeit des Beschäftigungsverhältnisses bestätigt und eine Erhöhung des Arbeitsumfangs in Aussicht gestellt habe. Bereits aufgrund dieser Kriterien sei nicht von einer untergeordneten Tätigkeit auszugehen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin regelmäßig 4 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin alleinerziehende Mutter eines zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme neun Monate alten Säuglings gewesen sei. Der EuGH habe in seinen Entscheidungen den besonderen Schutz der Beziehung des Kindes zu den Eltern betont (Hinweis auf EuGH, Urteil vom 18. November 2020 - C-462/19 - und Urteil vom 19. September 2013 - C-5/12), der sich insbesondere auch aus Art. 6 Grundgesetz (GG), Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 18 AEUV ergebe (Hinweis auf Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte <EGMR>, Urteil vom 13. Juni 1979 - 6833/74). Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthalte eine wertentscheidende Grundsatznorm für den gesamten Bereich des das Eltern-Kind-Verhältnis betreffenden privaten und öffentlichen Rechts, die alle staatlichen Gewalten binde (Hinweis auf BVerfGE 4, 52 (57) = NJW 1954, 1761; BVerfGE 21, 132 (138) = NJW 1967, 492; BK GG/Jestaedt/Reimer Art. 6 Abs. 2 und 3 RdNr. 163; BerlKomm GG/Burgi Art. 6 Abs. 2 und 3 RdNr. 128). Auch Art. 6 Abs. 4 GG, aus dem der Anspruch der Mutter auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft folge, enthalte eine derart wertentscheidende Grundsatznorm. Vor diesem Hintergrund erkenne das GG an, dass Mutterschaft nicht nur eine Privatangelegenheit darstelle, sondern dass die Erfüllung der mit ihr verbundenen Aufgaben im Interesse der Gemeinschaft liege (Hinweis auf BVerfGE 88, 203 <258 f.> = NJW 1993, 1751; zu Folgen dieses Gemeinschaftsinteresses BK GG/Seiler Art. 6 Abs. 4 RdNr. 69 ff.). Diese Grundsätze seien bei der Auslegung des Arbeitnehmerbegriffes im Rahmen der Leistungsbewilligung nach dem SGB II als Maßstäbe heranzuziehen. Für den vorliegenden Fall ergebe sich, dass es weder im Interesse des Kindeswohls liege noch den Anforderungen an den Schutz der Mutter-Kind-Beziehung entspreche, hielte man in Fällen der alleinerziehenden Elternschaft eines Säuglings an den in der Rechtsprechung anerkannten Richtwerten von 10 Stunden Arbeitszeit pro Woche fest. Die Klägerin habe glaubhaft dargestellt, dass sie als alleinerziehende Mutter aufgrund der Betreuung ihres neun Monate alten Sohnes keine Beschäftigung in einem höheren Umfang habe ausüben können. Erst nachdem die Klägerin mit ihrem Ehepartner zusammengezogen sei, den sie zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme noch nicht gekannt habe, habe sie einer umfangreicheren Beschäftigung nachgehen können, da das Kind dann von dem Ehemann als zusätzlicher Bezugsperson habe betreut werden können. 

Für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 sei kein Anspruch begründbar. Es greife der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB II, wonach u. a. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, von Leistungen ausgeschlossen seien. Insofern sei die Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf Urteil vom 19. Juni 2014 - C-507/12; zuletzt auch LSG Sachsen, Urteil vom 6. Dezember 2022 - L 4 AS 939/20) berücksichtigt. Die Mutterschutzfrist der Klägerin habe am 12. Oktober 2019 begonnen und mit Ablauf des 7. Dezember 2019 geendet. Die sich daran anschließende Fortwirkung des Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügigG/EU könne keinen Anspruch ab dem 1. Juli 2020 begründen, da die sechs Monate im Anschluss an die Mutterschutzfrist zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichen gewesen seien.

Hiergegen hat der Beklagte am 2. Juni 2023 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, lediglich zu dem Aktenzeichen S 29 AS 1210/20 sei ein Urteil ergangen, nicht aber zu dem Aktenzeichen S 29 AS 1211/20. Bei der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. April 2023 habe zwar Einverständnis damit bestanden, beide Verfahren gemeinsam zu verhandeln, ein Verbindungsbeschluss sei aber nicht erfolgt. Allein schon deshalb sei eine Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 durch das SG ausgeschlossen. Leistungen nach dem SGB II seien auch nicht ab dem 20. Juli 2020 zu bewilligen. Bei der Tätigkeit der Klägerin zu 1. für die Firma F. Gebäudemanagement handele es sich um eine unwesentliche und untergeordnete Tätigkeit. Ein Arbeitnehmerstatus habe nicht vorgelegen. Tatsächlich habe die Klägerin zu 1. im Juli 2020 16 Stunden, im August 2020 16 Stunden und im September 2020 18 Stunden gearbeitet. Dies entspreche nicht den Vorgaben im Arbeitsvertrag, wöchentlich 6 Stunden zu arbeiten. Die Klägerin zu 1. sei lediglich als Aushilfe auf Abruf beschäftigt gewesen. Sie habe keinen festen Arbeitsplatz gehabt. Auch sei die Klägerin zu 1. verpflichtet gewesen, andere Arbeiten - auch an anderen Orten - auszuführen. Fehl gehe der Verweis der Klägerin zu 1. darauf, keine Kinderbetreuung gefunden zu haben und deshalb die Arbeitszeit nicht aufstocken zu können. Neben den Klägern habe auch der Kindsvater und zukünftige Ehemann, Herr K., im Hause C-Straße in A-Stadt gewohnt. Herr K. hätte durchaus die Kinderbetreuung übernehmen können, dies sei aber nicht geschehen. Auch habe sich die Klägerin zu 1. erst am 7. Dezember 2020 auf der Seite „Kindernet A-Stadt“ als Betreuungssuchende registrieren lassen. Auch dies spreche nicht dafür, dass die Klägerin zu 1. an einer zeitnahen Aufstockung ihrer Arbeitszeit interessiert gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2023 aufzuheben und die Klagen abzuweisen. 

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen. 

Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig. Anschlussberufung haben sie nicht eingelegt. 

Durch Beschluss vom 13. Februar 2025 hat der Senat die Stadt Frankfurt am Main zum vorliegenden Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. 


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig und von dem Beklagten form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. 
Die Berufung ist teilweise begründet. Das Urteil des SG vom 24. April 2023 war insoweit aufzuheben, als es den Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 aufgehoben hat, da der Aufhebungsbescheid für diesen Zeitraum rechtmäßig erging. Die Klage war insoweit abzuweisen. Die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 20. bis 31. Juli 2020 war aufzuheben, da durch die vom SG zu Recht vorgenommene Aufhebung des Aufhebungsbescheides vom 30. Juni 2020 für die Zeit vom 20. bis 31. Juli 2021 die ursprünglichen Leistungsbewilligungen bis 20. bis 31. Juli 2021 wiederauflebten und keine Verurteilung zur einer bereits bewilligten Leistung erfolgen darf. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet und war zurückzuweisen, da die Kläger ab dem 1. August 2020 einen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II haben, dem kein Leistungsausschluss entgegensteht. Das Urteil des SG und der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 waren insoweit abzuändern. 

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des SG vom 24. April 2023, der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 (früheres erstinstanzliches Az. S 29 AS 1211/20) sowie der Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 (früheres erstinstanzliches Az. S 29 AS 1210/20).  

Der Beklagte dringt mit seinem Einwand, wegen Fehlens eines förmlichen Verbindungsbeschlusses (und damit einer wirksamen rechtlichen Verbindung) sei lediglich zu dem Az. S 29 AS 1210/20 ein Urteil ergangen, nicht aber zu dem Az. S 29 AS 1211/20, nicht durch. 
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die im Ermessen des Gerichts stehende Verfahrensverbindung gemäß § 113 Abs. 1 SGG durch förmlichen Beschluss (§ 142 Abs. 1 i. V. m. § 134 Abs. 1 SGG) und nicht durch richterliche Verfügung zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 11 AL 14/18 R - RdNr. 13; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 113 RdNr. 3 m. w. N). Ist nur zur gemeinschaftlichen Verhandlung verbunden, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um eine Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung oder nur um eine vorübergehende Maßnahme zur Vereinfachung handeln sollte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1956 - I ZR 82/55 - NJW 1957,183; BAG, Urteil vom 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - juris RdNr. 22; BFH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - X B 192, 193/08 - juris RdNr. 22 m. w. N.; Guttenberger in jurisPK, SGG, 2. Aufl. 2022, § 113 RdNr. 22; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 147 RdNr. 12). Nach Auffassung des BVerwG kommt einer nur tatsächlich gemeinsamen Verhandlung der Streitsachen nicht die Wirkung einer rechtlichen Verfahrensverbindung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2011 - 4 BN 38/11 - juris RdNr. 2). Vorliegend fehlt es an einem förmlichen Verbindungsbeschluss. 
Zu einer ähnlichen Verfahrenskonstellation wie der vorliegenden, in der das SG die weiteren Klageverfahren zunächst nur durch akteninterne, den Beteiligten mitgeteilte Verfügung, nicht jedoch durch förmlichen Beschluss zusammengeführt hatte, hat das BSG mit Urteil vom 27. Juni 2019 - B 11 AL 14/18 R - juris RdNr. 13 ausgeführt: „Unabhängig davon, ob eine Verbindung in der gemeinsamen Verhandlung in einem Termin und Entscheidung durch lediglich ein Urteil gesehen werden kann, wofür auch der in den Urteilsgründen des SG erteilte Hinweis des Gerichts zu einer Prozessverbindung sprechen könnte, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass eine fehlerhafte Verbindung Einfluss auf den Inhalt der Sachentscheidung des Berufungsgerichts gehabt haben könnte (vgl. für den Fall der unterlassenen Verbindung im Berufungsverfahren BSG vom 17. Juni 2009 - B 6 KA 36/08 B - juris RdNr. 14). Ohnehin war die Berufung zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Einlegung bezogen auf jedes der Verfahren statthaft und überstieg den Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) von jeweils 750 Euro.“
Vorliegend hat das erstinstanzliche Gericht erkennbar die Entscheidungsreife beider Verfahren angenommen. Die Verbindung ist darin zu sehen, dass aufgrund gemeinsamer Verhandlung und Stellung gemeinsamer Anträge für beide Verfahren in einem Termin lediglich ein Urteil ergangen ist, wofür auch der im Tatbestand des Urteils enthaltene Hinweis des Gerichts auf eine Prozessverbindung spricht. Der Beklagte hat der vom SG beabsichtigten Entscheidung über beide Verfahren im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht widersprochen, sondern für beide Verfahren Klageabweisung beantragt.  Eine vorherige Anhörung der Beteiligten vor der Verbindung ist in der Regel nicht notwendig (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 113 RdNr. 3 m. w. N). 

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Rechtsprechung des BSG die o. g. Möglichkeit nur als eröffnet ansieht, wenn die Berufung zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Einlegung bezogen auf jedes der Verfahren statthaft ist und den Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) von jeweils 750 Euro übersteigt, sind diese Voraussetzungen auch hinsichtlich der Berufung des Beklagten bezogen auf das (frühere) Verfahren mit dem Az. S 29 AS 1211/20 gegeben. Die den beiden Klägern für Juli 2020 bewilligten Leistungen beliefen sich laut Änderungsbescheid vom 20. Mai 2020 auf 780 Euro (monatlicher Gesamtbetrag). Aufgrund der vollständigen Aufhebung dieses Bescheides durch das SG für Juli 2020 ist der Beklagte im Umfang von 780 Euro beschwert und der Beschwerdewert von 750 Euro erreicht.

Damit liegt eine rechtwirksame Verbindung beider Verfahren vor. 

Leistungsansprüche über den 28. Februar 2021 hinaus sind nicht Streitgegenstand, da den Klägern mit Bescheid vom 15. März 2021 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von März bis einschließlich April 2021 bewilligt wurden (Bescheide des Beklagten vom 15. März 2021 und 19. April 2021) und ihnen ab Mai 2021 Leistungen im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft des Ehemannes der Klägerin zu 1. gewährt wurden (Bescheid des Beklagten vom 21. April 2021). 

2. Ihre Ansprüche verfolgen die Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i. V. m. § 56 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 SGG). Sie ist gerichtet auf die Aufhebung der Bescheide vom 30. Juni und 29. Juli 2020, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020, auf Erteilung eines Bewilligungsbescheides sowie auf Leistungen nur, soweit die Kläger diese nicht bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erhalten haben. Für die Zeit vom 1. bis 25. August 2020 hat der Beklagte noch keine Leistungen erbracht, insoweit ist die Leistungsklage statthaft. Mit der Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsaktes wird zugunsten der Kläger ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der für die Zeit vom 26. August 2020 bis 21. Februar 2021 bereits gezahlten Leistungen geschaffen; denn die einstweilige Anordnung verliert mit der endgültigen Entscheidung ihre Rechtswirkungen (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2022 - B 7/14 AS 79/20 R - juris RdNr 11 m. w. N.). 

Der Kläger zu 2. ist auch klagebefugt. Zwar sind sowohl der Aufhebungsbescheid vom 30. Juni 2020 als auch der Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2020, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020, nur an die Klägerin zu 1. adressiert. Zumindest aus der Begründung der Widerspruchsbescheide vom 13. Oktober 2020 unter Heranziehung der Bewilligungsbescheide ergibt sich jedoch, dass auch für den Kläger zu 2. Leistungen aufgehoben bzw. abgelehnt wurden (s. hierzu auch die Ausführungen unter 3 a), und dieser durch die Bescheide beschwert ist.

3. Der Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 ist für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 rechtmäßig, für die Zeit vom 20. bis 31. Juli 2020 rechtswidrig ergangen. 
 
a) Der nur an die Klägerin zu 1. adressierte Aufhebungsbescheid vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 ist formell rechtmäßig. Er ist hinreichend bestimmt (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) i. V. m.  § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)). Dabei genügt es, wenn aus dem gesamten Inhalt der Bescheide einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann. Ausreichende Klarheit besteht auch dann, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris RdNr. 25 ff). Vorliegend ergibt sich zumindest aus der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 unter Heranziehung der Bewilligungsbescheide, dass die Leistungsbewilligung auch für den Kläger zu 2. aufgehoben wurde.
b) aa) Der Aufhebungsbescheid vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 ist für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 auch materiell rechtmäßig ergangen. 
Auf welcher Rechtsgrundlage die Aufhebung der Bewilligungsbescheide durch Bescheid vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 für die Zeit ab 1. Juli 2020 erfolgte, hat der Beklagte nicht näher ausgeführt, außer dass er von einem Nichtbestehen des materiell-rechtlichen Leistungsanspruchs ausging. Dies allein steht hier der Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht entgegen. Die für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes in Betracht kommenden §§ 45, 48 SGB X sind auf dasselbe Ziel gerichtet (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris RdNr. 23). Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt demgegenüber, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist. Die Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsaktes voneinander ab. Das BSG sieht sogar ein Auswechseln der Rechtsgrundlagen der §§ 45, 48 SGB X als zulässig an, soweit nicht Vertrauensgesichtspunkte einer Befugnis zur Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit entgegenstehen und eine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris RdNr. 23 m. w. N.). Eine Aufhebung für die Vergangenheit liegt hier nicht vor, sondern erst für die Zeit ab dem 1. Juli 2020. Die die Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 10. Januar, 19. Februar und 20. Mai 2020 sind jedenfalls für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 rechtswidrig. 
Der Beklagte hat für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 zu Recht die Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide aufgehoben, da diese aufgrund eines fehlenden materiellen Aufenthaltsrechts der Klägerin zu 1. gemäß § 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU und damit bestehenden Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im o. g. Zeitraum rechtswidrig sind. Andere materielle Aufenthaltsrechte, die einem Leistungsausschluss in diesem Zeitraum entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. 
Vorliegend sind Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Leistungen nach dem SGB II §§ 7 ff., 19 ff. SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften vom 30. November 2019 (BGBl. I 2019, 1948), für die Zeit ab 1. Januar 2021 in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung des Regelbedarfes und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I 2020, 2855).
Die erwerbsfähige Klägerin zu 1. (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II) hatte im streitgegenständlichen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie war entsprechend der Leistungsberechnung des Beklagten auch hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II); für weiteres als in den Bewilligungsbescheiden berücksichtigtes Einkommen oder Vermögen ergeben sich keine Anhaltspunkte. Für den Kläger zu 2. kommt als minderjähriges, dem Haushalt der Klägerin zu 1. angehörendes Kind ein Anspruch auf Sozialgeld in Betracht (§ 7 Abs. 3 Nr. 4, §§ 19 Abs. 1 Satz 2, 23 SGB II).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (Buchst. a) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt (Buchst. b) und deren Familienangehörige von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 kann sich die Klägerin zu 1. nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU oder andere materielle Aufenthaltsrechte berufen. Daher sind die Kläger für die Zeit vom 1. bis 19. Juli 2020 von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. 
Nach § 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des FreizügigG/EU und anderer Vorschriften, BGBl I 2014, 1922 vom 2. Dezember 2014) sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen.
Ein Arbeitsverhältnis i. S. des Art. 45 AEUV der Klägerin zu 1. auf der Grundlage des Arbeitsvertrags mit der M. Gebäudereinigung GmbH vom 9. Juli 2019 ist nicht nachgewiesen.

Der Begriff des Arbeitnehmers im Freizügigkeitsrecht ist als autonomer Begriff des Gemeinschaftsrechts unionsrechtlich zu bestimmen (BSG, Urteil vom 9. März 2022 - B 7/14 AS 91/20 R - RdNr. 21 m. w. N.) und nicht eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - C-46/12 - juris RdNr 39 m. w. N.). Als Arbeitnehmer i. S. des Art. 45 AEUV ist anzusehen, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet erweisen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitnehmerstatus besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-432/14 <Bio Philippe August SARL> juris RdNr. 22 m. w. N.). Ob die Tätigkeit als tatsächlich und echt angesehen werden kann, hängt von einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses ab (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2010 - C-14/09 <Genc> juris RdNr. 26; EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-432/14 <Bio Philippe August SARL> juris RdNr. 24 m. w. N.). Dabei ist insbesondere auf die Arbeitszeit, den Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung, die Vergütung der Gegenleistung für die Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und dessen Regelungen sowie die Beschäftigungsdauer abzustellen (BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 18/17 R - juris RdNr. 20 m. w. N). Bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung sind als weitere Gesichtspunkte auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - C-14/09 <Genc> juris RdNr. 27). Nicht alle einzelnen dieser Merkmale müssen schon je für sich dafür genügen, die Arbeitnehmereigenschaft zu begründen; maßgeblich ist ihre Bewertung in der Gesamtschau (BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 18/17 R - juris RdNr. 20 m. w. N). 

Aufgrund widersprüchlicher Angaben der Klägerin und ihres Arbeitgebers M. Gebäudereinigung GmbH zum Vollzug des bei der Beklagten vorgelegten Arbeitsvertrags vom 9. Juli 2019 ist diesbezüglich ein tatsächliches und echtes Arbeitsverhältnis i. S. des Art. 45 AEUV nicht erwiesen. Die Klägerin konnte ihre Angaben zu geleisteter Arbeit und erhaltenem Lohn nicht durch Vorlage entsprechender Lohnbescheinigungen oder Quittungen belegen. Insoweit kann sie sich nicht auf einen Arbeitnehmerstatus berufen, nachdem der Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass die Klägerin nach Erhalt des schriftlichen Arbeitsvertrags nicht mehr erschienen sei und sich nicht mehr gemeldet habe. 

Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH - bei einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis - das Erfordernis der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Merkmal des Arbeitnehmerbegriffs ausnahmsweise entfallen ist. Für Erziehende in Elternzeit bzw. Elternurlaub, deren Arbeitsverhältnis nach nationalem Recht ruht, gilt, dass Arbeitnehmer im Elternurlaub während dieses Urlaubs Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts bleiben (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2007 - C-116/06 - <Kiiski> juris RdNr. 32; EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - C-12/17 - <Dicu> juris RdNr. 35; BSG, Urteil vom 9. März 2022 - B 7/14 AS 91/20 R - Juris RdNr. 23 ff). Hier mangelt es jedoch - wie oben ausgeführt - schon am Nachweis eines (fortbestehenden) Arbeitsverhältnisses bei der M. Gebäudereinigung GmbH, als die Klägerin zu 1. nach der Geburt des Klägers zu 2. Elterngeld bezog. Eine für die Klägerin zu 1. günstigere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 19. Juni 2014 - C-507/12 <Saint Prix> juris -, wonach Art. 45 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine Frau, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgibt, die „Arbeitnehmereigenschaft" im Sinne dieser Vorschrift behält, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt ihres Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Stelle findet. Zwar hängen danach die Arbeitnehmereigenschaft i. S. des Art. 45 AEUV und die sich aus ihr ergebenden Rechte nicht unbedingt vom tatsächlichen Bestehen oder Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses ab (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-507/12 <Saint Prix> juris RdNr. 37; BSG, Urteil vom 9. März 2022 - B 7/14 AS 91/20 R - Juris RdNr. 22). Von einer derartigen schwangerschaftsbedingten Aufgabe der Erwerbstätigkeit bzw. der Arbeitssuche wegen körperlicher Belastungen kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden, da weder eine Erwerbstätigkeit i. S. des Art. 45 AEUV (auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 9. Juli 2019) bzw. eine Arbeitssuche im maßgeblichen Zeitraum noch deren Aufgabe wegen körperlicher Belastungen nachgewiesen ist.  

Ein materielles Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1. ergibt sich auch nicht aus einem nachwirkenden Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU (in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19. August 2007, BGBl. I 2007, 1970), da im Juli 2020 keine Fortwirkung der Stellung als Arbeitnehmerin mehr bestand. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU sieht bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung lediglich für sechs Monate ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht vor, während § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit ein zeitlich unbegrenztes Fortwirken der Arbeitnehmereigenschaft bewirkt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. April 2019 - C-483-17 <Neculai Tarola> juris RdNr. 44). Letzteres Freizügigkeitsrecht setzt allerdings voraus, dass der Unionsbürger innerhalb eines angemessenen Zeitraums zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates fähig ist und hierfür zur Verfügung steht (vgl. EuGH, Urteil vom 11. April 2019 - C-483-17 <Neculai Tarola> juris RdNr 40 m. w. N.). Die Voraussetzungen dieser nachwirkenden Freizügigkeitsrechte liegen bei der Klägerin zu 1. nicht vor. 

Das nach dem Arbeitsverhältnis mit der F. Dienstleistungen GmbH vom 6. bis 31. Mai 2019 bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit (bescheinigt durch die Bundesagentur für Arbeit am 18. Juli 2019) regulär für sechs Monate - bis 30. November 2019 - fortwirkende Aufenthaltsrecht war im Juli 2020 bereits abgelaufen. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Ablauf der sechsmonatigen Frist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU in richtlinien- und verfassungskonformer Auslegung für die Dauer des unionsrechtlich bestimmten Mutterschaftsurlaubs gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 92/85/EWG, also während der Schutzfristen bzw. Beschäftigungsverbote sowohl vor als auch nach der Geburt gehemmt gewesen wäre (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 6. Dezember 2022 – L 4 AS 939/20 - juris Leitsatz Nr. 3 und RdNr. 105 ff), würde sich das nachwirkende Aufenthaltsrecht nicht bis Juli 2020 erstrecken. 

Die Klägerin zu 1. war vor Juli 2020 auch nicht mindestens ein Jahr beschäftigt gewesen, so dass sie sich nicht gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU auf ein länger nachwirkendes Freizügigkeitsrecht berufen kann. Nachgewiesen sind bis Juli 2020 lediglich Beschäftigungen in der Zeit vom 10. Januar bis 28. Februar 2019 und vom 6. Mai bis 31. Mai 2019. 

Eine Freizügigkeitsberechtigung als Nichterwerbstätige scheidet aus, weil die Kläger nicht über ausreichende Existenzmittel verfügten, um ihren Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 4 FreizügG/EU). Ferner kann sich die Klägerin zu 1. nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 4a FreizügG/EU (als Daueraufenthaltsberechtigte, die sich seit mindestens fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat) stützen. Die Klägerin war nach eigenen Angaben erst am 26. Dezember 2018 in das Bundesgebiet eingereist.

Die Klägerin zu 1. kann sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach der Günstigkeitsregelung des § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU (bis 23. November 2020: § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU) berufen. Dies erfordert ein Aufenthaltsrecht mit längerfristiger Bleibeperspektive, wie es sich z. B. aus den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung ergeben kann (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris RdNr. 28 f; BSG, Urteil vom 18. Mai 2022 - B 7/14 AS 27/21 R - juris RdNr. 21). Hierfür ergaben sich im Juli 2020 noch keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Auch aus § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU (bis 23. November 2020: § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU) i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (analog) und Art. 18 Abs. 1 AEUV lässt sich nach aktueller Rechtslage und der Rechtsprechung des erkennenden Senats kein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1. ableiten (vgl. erkennender Senat, Beschluss vom 9. August 2023 - L 7 AS 196/23 B ER - juris RdNr 37 ff m. w. N.; so auch Hess. LSG, Beschluss vom 29. Juli 2021 - L 6 AS 209/21 B ER - juris RdNr. 140 ff.). Nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis unter weiteren Voraussetzungen zu erteilen. In der Rechtsprechung der Landessozialgerichte und der Literatur ist umstritten, ob § 11 Abs. 1 Satz 11 a. F. FreizügG/EU i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (analog) und Art. 18 Abs. 1 AEUV dem sorgeberechtigten Elternteil eines wegen der Begleitung des anderen Elternteils nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigten minderjährigen Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht vermitteln kann. Unter Auseinandersetzung mit der abweichenden Rechtsprechung hat der erkennende Senat dies verneint (vgl. hierzu näher erkennender Senat, Beschluss vom 9. August 2023 - L 7 AS 196/23 B ER - juris RdNr. 39 m. w. N.). 
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist mit EU-Recht vereinbar (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2022 - B 7/14 AS 27/21 R - juris RdNr. 22 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH). 
Das BSG sieht das Regelungsregime des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a und b SGB II und § 23 Abs. 3, Abs. 3a SGB XII in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung als verfassungskonform an. Danach verletzt der Leistungsausschluss den betroffenen Personenkreis insbesondere nicht in seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022 - B 4 AS 2/21 R - juris RdNr. 34 ff). Ob der durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta umschriebene sachliche Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta in diesen Fällen eröffnet ist, kann nach Auffassung des BSG dahinstehen, da sich aus der hier allein in Betracht kommenden Gewährleistung des Art 1 EU-Grundrechtecharta (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-709/20 - juris RdNr. 93) keine weitergehenden Rechte als aus dem Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022 - B 4 AS 2/21 R - juris RdNr. 46).
bb) Der Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 30. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 ist jedoch für die Zeit vom 20. bis 31. Juli 2021 materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung sind für diese Zeit nicht mehr gegeben, weil die Leistungsbewilligung zu Recht erfolgt ist. Dem Leistungsanspruch der Kläger steht kein Leistungsausschluss entgegen.   
Für die Zeit ab dem 20. Juli 2020 steht der Klägerin zu 1. Nach § 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin i. S. d. Art. 45 AEUV zu.  

Nach der Rechtsprechung des EuGHs kann zwar der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübte Tätigkeit nur untergeordnet und unwesentlich ist (EuGH, Urteil vom 26.  Februar 1992 - C-357/89 <Raulin> RdNr. 14; EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - C-14/09 <Genc> juris RdNr. 26). Es ist auch berücksichtigungsfähig, ob der Arbeitnehmer auf Abruf beschäftigt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - C-357/89 <Raulin> RdNr. 14). Allerdings bedarf es immer einer Gesamtbetrachtung aller Umstände der Rechtssache, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und die des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-413/01 <Ninni-Orasche> juris RdNr. 27). Der Gesamtbewertung ist mit Rücksicht auf einschlägige Rechtsprechung des EuGHs ein weites Verständnis zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 18/17 R - juris RdNr. 20 m. w. N.). 

Da die Rechtsprechung des EuGH für den Arbeitnehmerbegriff allein auf die objektiven Kriterien, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf Rechte und Pflichten kennzeichnen, abstellt (EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-413/01 <Ninni-Orasche> juris RdNr 24; EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - C-46/12 - juris RdNr 40; BSG Urteil vom 27. Januar 2021 - B 14 AS 25/20 R - juris RdNr 23 m. w. N.), ist nicht ersichtlich, dass außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegende persönliche Umstände wie Kindererziehung, die Einfluss auf den Umfang der Arbeitstätigkeit haben können, zusätzlich bei der Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft zu berücksichtigen sind. Anderes kann allenfalls gelten, sofern die Vorschriften des europäischen oder daraus abgeleiteten nationalen Rechts Abweichendes regeln (zum ausnahmsweise Entfallen des Erfordernisses der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Merkmal des Arbeitnehmerbegriffs für Erziehende in Elternzeit bzw. Elternurlaub vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2007 - C-116/06 <Kiiski> juris RdNr. 32; EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - C-12/17 <Dicu> juris RdNr. 35). Diese Frage musste der Senat jedoch nicht abschließend entscheiden, da für die Zeit ab 20. Juli 2020 nach der Gesamtbewertung bereits aufgrund der übrigen Umstände von einer Arbeitnehmertätigkeit auszugehen ist. 

Zwar handelt es sich bei der vorliegenden Fallkonstellation hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit um einen Grenzfall, bei einer Gesamtbewertung ist die Arbeitnehmereigenschaft jedoch für die hier streitgegenständliche Zeit ab 20. Juli 2020 bis 28. Februar 2021 zu bejahen: Die Klägerin hat im Zeitraum vom 20. Juli 2020 bis 28. Februar 2021 durchgängig in Arbeitsverhältnissen gestanden. Sie hat in der Zeit von 20. Juli 2020 bis 31. Januar 2021 Leistungen auf Weisung der Firma F. Gebäudemanagement erbracht, in der Zeit vom 1. bis 28. Februar 2021 auf Weisung der E.-Dienstleistungen GmbH, und auf Grundlage der jeweiligen Arbeitsverträge die Zahlung einer Vergütung als Gegenleistung für die erbrachten Leistungen erhalten. Damit liegen die Grundmerkmale eines Arbeitsverhältnisses vor. In den Arbeitsverträgen existieren auch Regelungen über Ansprüche auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 9 und 10 des Arbeitsvertrags mit der F. Gebäudemanagement vom 20. Juli 2020, § 6 und 8 des Arbeitsvertrags mit der E.-Dienstleistungen GmbH vom 1. Februar 2021). Die Arbeitsverhältnisse waren zur Sozialversicherung angemeldet. 

Der teilweise geringe Umfang der Arbeitsstunden im Umfang von circa 4 Wochenstunden in der Zeit vom 20. Juli 2020 bis Januar 2021 (jeweils 16 Arbeitsstunden im Juli und August 2020, jeweils 18 Arbeitsstunden im Oktober, November und Dezember 2020 und Januar 2021, 36 Arbeitsstunden im Februar 2021) sowie die teilweise geringe Entlohnung in diesem Zeitraum (im Juli 2020 174,19 Euro, im August 2020 172,80 Euro, von September bis November 2020 jeweils 194,40 Euro monatlich, im Dezember 2020 244,40 Euro, im Januar 2021 199,98 Euro und im Februar 2021 391,96 Euro) sprechen nicht gegen die Annahme eines tatsächlichen und echten Arbeitsverhältnisses.  

Nach der Rechtsprechung des EuGHs steht nicht nur eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden, sondern auch eine wöchentliche Arbeitszeit von 5,5 Stunden einer Gesamtwertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses als tatsächliche und echte Tätigkeit nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - C-14/09 - juris RdNr. 14, 15 ff). Das BSG hat eine Tätigkeit als Handwerkshelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und einem monatlichen Entgelt von 100 Euro im Jahr 2008 als nicht völlig untergeordnet und unwesentlich erachtet (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R - juris RdNr. 3, 18). Ebenso hat es eine Tätigkeit als Reinigungskraft im Hotel mit einer monatlichen Arbeitszeit von 30 Stunden zu einer monatlichen Vergütung i. H. v. 100 Euro bzw. 250 Euro in den Jahren 2011 und 2012 für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft noch als ausreichend befunden (BSG Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 18/17 R - juris RdNr. 21). Des Weiteren bejahte es die Mindestanforderungen bei einer vereinbarten Wochenarbeitszeit von 8 Stunden und einer monatlichen Vergütung von 250 Euro in den Jahren 2014 und 2015 (BSG, Urteil vom 27. Januar 2001 – B 14 AS 25/20 R - juris RdNr. 26). Hingegen wurde eine Beschäftigung als Spülkraft, die sich auf Arbeitseinsätze von lediglich 10 Stunden im Monat beschränkte - verteilt auf 2 Tage mit jeweils 5 Stunden -, und die mit monatlich mit 100 Euro brutto im Jahr 2019 vergütet wurde, als unwesentliche und untergeordnete Tätigkeit eingeordnet, da die Ausgestaltung der Tätigkeit nicht auf eine Eingliederung in den inländischen Arbeitsmarkt schließen lasse (BSG, Urteil vom 29. März 2022 - B 4 AS 2/21 R - juris RdNr. 21). Der erkennende Senat hat in einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Arbeitszeit von 12 Stunden monatlich und einer Bruttovergütung von 102 Euro monatlich - unabhängig von der Dauer der Tätigkeit und trotz Vorliegens eines ordnungsgemäßen schriftlichen Vertrages eine Arbeitnehmereigenschaft - nicht als ausreichend für die Annahme einer tatsächlichen und echten Tätigkeit angesehen (vgl. erkennender Senat, Beschluss vom 18. September 2015 - L 7 AS 431/15 B ER - juris RdNr. 21; Beschluss vom 15. Mai 2017 - L 7 AS 79/17 B ER). 

Nach der schriftlichen Zeugenaussage der Frau D. F. im vom 5. November 2020 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. S 2 AS 1140/20 ER) ist die Klägerin zu 1. für die Firma F. Gebäudemanagement nicht auf Abruf tätig geworden, sondern war regelmäßig dienstags und freitags jeweils zwei Stunden als Reinigungskraft in einem Drogeriemarkt in B-Stadt eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis war unbefristet und auf Dauer ausgerichtet, wenngleich es nach 6 ½ Monaten endete, und die vom SG gehörte Zeugin stellte im November 2020 für die Zukunft einen häufigeren Einsatz der Klägerin zu 1. bei verdichteter Auftragslage in Aussicht. Im Februar 2021 war die Klägerin zu 1. in einem sich nahtlos anschließenden auf 6 Monate befristeten Arbeitsverhältnis bei der E.- Dienstleistungen GmbH ausweislich der Lohnabrechnung 9 Arbeitsstunden wöchentlich tätig und erzielte ein Entgelt von 391,96 Euro brutto. Von der E.- Dienstleistungen GmbH wurde die Klägerin nach Tariflohn bezahlt. All dies führt - unter Berücksichtigung des Vorliegens ordnungsgemäßer schriftlicher Arbeitsverträge, der Dauer und der Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die durch entsprechende Gehaltsbescheinigungen nachgewiesen ist - in der Gesamtbetrachtung im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass im streitgegenständlichen Zeitraum - im Sinne eines Grenzfalls - noch eine tatsächliche und echte Tätigkeit zu bejahen ist. Eine Eingliederung in den inländischen Arbeitsmarkt ist anzunehmen.

Die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 20. bis 31. Juli 2020 war aufzuheben, da durch die vom SG zu Recht vorgenommene Aufhebung des Bescheids für die Zeit vom 20. bis 31. Juli 2021 die ursprünglichen Leistungsbewilligungen für den Zeitraum vom 20. bis 31. Juli 2021 wiederauflebten. Somit erübrigte sich eine Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung von Leistungen für diesen Zeitraum. 

4. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet und war zurückzuweisen, da die Kläger ab dem 1. August 2020 einen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II haben, dem kein Leistungsausschluss entgegensteht. Das Urteil des SG und der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 waren entsprechend abzuändern. 

Der nur an die Klägerin zu 1. adressierte Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 ist zwar formell rechtmäßig und hinreichend bestimmt. Zumindest aus der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 unter Heranziehung der Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide ergibt sich, dass auch für den Kläger zu 2. Leistungen abgelehnt wurden (vgl. hierzu obige Ausführungen unter 3 a).

Der Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2020 ist jedoch materiell rechtswidrig, soweit den Klägern für die Zeit ab 1. August 2020 Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen gewesen wären. Für diesen Zeitraum steht den Klägern ein Leistungsanspruch zu (vgl. hierzu obige Ausführungen unter 3 b bb).  

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Die Entscheidung ergeht insoweit nach Billigkeit. Dabei kann zu berücksichtigen sein, ob der Beigeladene Anträge gestellt hat, und inwieweit er erfolgreich war (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R - juris RdNr. 44; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 193 RdNr. 11a). Die Beigeladene hat im vorliegenden Verfahren keinen Antrag gestellt. 

Die Entscheidung ergeht in Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG). 
 

Rechtskraft
Aus
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