Beauftragt ein Fliesenlegeunternehmen zur Erfüllung seiner Aufträge mit Generalunternehmern Fliesenleger als Einzelunternehmer sind diese trotz fehlender Weisungen als abhängig beschäftigt anzusehen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Fliesenlegeunternehmens eingegliedert sind, ohne selbst unternehmerisch Einfluss nehmen zu können und ohne unternehmerischen Risiken ausgesetzt zu sein.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich im Berufungsverfahren nur noch gegen eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung einschließlich Umlagen für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2013 in Höhe von 56.641,24 Euro.
Die Klägerin ist eine seit dem 1. Juli 2003 aus zwei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die ein Fliesenlegerunternehmen betreibt. Der allein geschäftsführende Gesellschafter war auch selbst als Fliesenleger auf den Baustellen tätig.
In den noch streitigen Jahren 2012 und 2013 schloss die Klägerin mit Generalunternehmern Verträge hinsichtlich durchzuführender Fliesenlegearbeiten einschließlich der vorbereitenden Tätigkeiten für Großprojekte, bei denen unterschiedliche Fliesenlegearbeiten in großer Anzahl zu verrichten waren. Diese Großprojekte befanden sich in und um Berlin. Die Gesellschafter der Klägerin nahmen auf den Großbaustellen regelmäßig an den wöchentlichen Baubesprechungen mit ihren Auftraggebern und den anderen Gewerken teil. Die Klägerin beschäftigte in dieser Zeit drei festangestellte Mitarbeiter. Sofern es der Klägerin nicht möglich war, die von ihr gegenüber den Generalunternehmern eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen innerhalb der vorgegebenen Zeit mit ihren festangestellten Mitarbeitern zu erfüllen, beauftragte sie die Beigeladenen zu 4) bis 7) mit der Durchführung notwendiger Arbeiten; wobei die Beigeladenen zu 5) bis 7) überwiegend Fliesenlegearbeiten erbrachten und der Beigeladene zu 4) vorbereitende Aufgaben übernahm wie Grundierungen von Wänden, Abdichtungen und Reinigen der zu fliesenden Räume. Über die Annahme oder Ablehnung der Aufträge konnten die Beigeladenen zu 4) bis 7) frei entscheiden.
Der Beigeladene zu 4) war für die Klägerin bis zum 30. Juni 2013, der Beigeladene zu 5) bis zum 18. März 2013, der Beigeladene zu 6) bis zum 28. Februar 2013 und der Beigeladene zu 7) bis zum 31. Dezember 2013 tätig.
Hinsichtlich der an die Beigeladenen zu 4) bis 7) erteilten Aufträge gab es keine schriftlichen Absprachen. In der Regel erfolgte die Absprache zu Umfang und Art des Auftrages, Fertigstellungsdatum und Vergütung nach telefonischer Vorabsprache auf der Baustelle. Mit den Beigeladenen zu 5) und 6) vereinbarte die Klägerin eine Vergütung nach qm-Zahl, die Vergütung der Beigeladenen zu 4) und 7) erfolgte nach Stundenanzahl; die Vergütungshöhe pro Arbeitsstunde war nicht projektabhängig. Bei der Durchführung des Auftrages waren die Beigeladenen zu 4) bis 7) jeweils für ihren Aufgabenbereich und die jeweils ihnen zugeordneten Räume/Etagen (nach eigenen Angaben „kleine Teilbaustellen“) eigenständig tätig, eine Zusammenarbeit mit den festangestellten Mitarbeitern der Klägerin oder den anderen Beigeladenen fand bei der Durchführung der Aufgaben nicht statt. Die Beigeladenen arbeiteten mitunter zeitgleich in bestimmten Projekten für die Klägerin. Die konkreten Arbeitstage und Arbeitszeiten waren nicht vorgegeben, der der Klägerin benannte Fertigstellungstermin musste jedoch auch von den für sie tätigen Beigeladenen zu 4) bis 7) eingehalten werden. Absprachen zur Gewährung von Urlaub erfolgten nicht. Sofern einer der Beigeladenen zu 4) bis 7) krank war, teilte er dies der Klägerin mit, die je nach Dringlichkeit jemand anderen mit der Fertigstellung beauftragte; ein Ersatz wurde durch die Beigeladenen zu 4) bis 7) nicht gestellt. Der geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin kontrollierte den Fortschritt der Arbeiten und vergewisserte sich über deren Qualität. Das für die Durchführung der Arbeiten notwendige Baumaterial, wie Fliesen und Bauchemie, bestellte die Klägerin entsprechend den Anforderungen ihres Auftraggebers bei Großhändlern, mit denen sie über Rahmenvereinbarungen verfügte, und stellte dieses den Beigeladenen zu 4) bis 7) durch Lieferung des Großhändlers direkt an die Baustelle zur Verfügung. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) setzten zur Durchführung des Auftrages ihre eigenen Werkzeuge wie Fliesenschneider, Bohrmaschinen sowie Schleif- und Polierwerkzeug ein. Diese transportierten sie durch ihre eigenen Fahrzeuge (Transporter bzw. Kastenwagen) zur Baustelle. Die Abnahme der Arbeiten erfolgte direkt durch die Auftraggeber der Klägerin. Für Mängel in der Ausführung hafteten die Beigeladenen zu 4) bis 7) durch unbezahlte Nacharbeit.
Die Beigeladenen zu 5) und 6) stellten der Klägerin projektbezogene Rechnungen über Pauschalbeträge bzw. Abschlagzahlungen und Schlussrechnungen in jeweils unterschiedlicher Höhe; Material- und Transportkosten wurden nicht ausgewiesen. Die Beigeladenen zu 4) und 7) rechneten auf Stundenbasis (15 Euro/h) ab; der Beigeladene zu 7) ebenfalls projektbezogen, der Beigeladene zu 4) monatsbezogen. Die Klägerin bezahlte die Rechnungen nach Rechnungsstellung direkt an die Beigeladenen zu 4) bis 7). Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen führte die Klägerin für die Beigeladenen zu 4) bis 7) nicht ab, da sie diese – in Übereinstimmung mit den Beigeladenen zu 4) bis 7) – als selbständige Nachunternehmer ansah. Alle für die Klägerin tätigen Beigeladenen hatten ein Gewerbe angemeldet, waren im Besitz einer Handwerkskarte (§§ 18 Abs. 2, 19 Handwerksordnung), versteuerten ihre Einnahmen als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und verfügten über eine eigenständige private Kranken- und Pflegeversicherung. Über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügten die Beigeladenen zu 4) bis 7) nicht. Als Kleinunternehmer waren sie nicht umsatzsteuerpflichtig. Lediglich der Beigeladene zu 5) verfügte über eine eigene, ca. 30 qm große gewerbliche Fläche zur Aufbewahrung von Materialien. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) waren im streitgegenständlichen Zeitraum fast ausschließlich für die Klägerin tätig. Werbung für ihre Tätigkeiten erfolgte über Mund-zu-Mund-Propaganda und Visitenkarten. Die Beigeladenen zu 6) und 7) sind seit 2014 bzw. 2015 für die Klägerin bzw. die R GmbH als festangestellte Mitarbeiter tätig und bekommen nunmehr als solche sowohl Fahrzeuge als auch Werkzeuge und Arbeitskleidung gestellt, sind an vorgegebene Arbeitszeiten gebunden und müssen Urlaub absprechen.
Im Dezember 2012 traf das Hauptzollamt (HZA) Frankfurt (Oder) [Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit – FKS] bei einer Baustellenkontrolle den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin sowie einen Mitarbeiter arbeitend an. Daraufhin führte das HZA eine Prüfung der Geschäftsunterlagen der Klägerin nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung durch (SchwarzArbG). Hierbei stellte sie fest, dass die Klägerin für einen Großteil ihrer Aufträge selbständige Subunternehmer einsetzte. Nach Durchführung weiterer Prüfungen und Befragung der Beigeladenen zu 4) bis 7) bat das HZA die Beklagte im Mai 2013 um Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 4) bis 7). Mit Schreiben vom 3. September 2014 teilte die Beklagte dem HZA mit, dass ihrer Ansicht nach bei allen benannten Personen die Merkmale überwögen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
Mit Schreiben vom 17. August 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie vom HZA im Wege der Amtshilfe mit der Durchführung eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Abs. 1 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit § 2 SchwArbG, § 69 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 beauftragt worden sei und hierfür beabsichtigt sei, die bisherigen Ermittlungsergebnisse des HZA anhand der sichergestellten Unterlagen und Nachweise auszuwerten.
Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 2. Februar 2016 Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich Umlagen (U1, U2 und Insolvenzgeld) für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 in Höhe von 138.299,04 Euro inklusive Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 42.163,00 Euro. Sie stellte fest, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) in ihrer Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlagen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Auswertung der vom HZA vorgelegten Beweise ergeben habe, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) ihre Tätigkeit für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeführt hätten. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Es hätten keine maßgeblichen eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und unternehmerischen Risiken bestanden. Die Auftragnehmer hätten ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft eingesetzt und seien funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig gewesen. Aus den vorgelegten Rechnungen sei ersichtlich, dass sich die Höhe des Gewinns allein nach der Arbeitsdauer gerichtet habe. Ein Unternehmerrisiko habe nicht bestanden, da Material gestellt und lediglich im geringen Umfang bereits vorhandenes, eigenes Werkzeug genutzt worden sei. Wirtschaftliches Verhalten am Markt sei nicht erkennbar. Zwar hätten die Auftragnehmer auch für andere Auftraggeber tätig sein können, jedoch im zu beurteilenden Zeitraum ihre Einnahmen weit überwiegend durch die Klägerin erzielt. Der Umstand, dass der einzelne Auftrag auch habe abgelehnt werden können, spreche nicht gewichtig gegen eine abhängige Beschäftigung. Ebenfalls keine Relevanz habe das Kriterium der freien Wahl des Arbeitsortes, da sich dieser aus dem Auftrag (Lage der Immobilie) ergebe. Überdies komme der Anmeldung eines Gewerbes keine Relevanz zu, da das Recht den Typus eines universalen Selbständigen nicht kenne und daher auf die jeweilige Tätigkeit an sich abzustellen sei. Fehlende Weisungen im Einzelfall seien unbeachtlich, es komme auf die funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess an.
Den hiergegen am 23. Februar 2016 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2016 als unbegründet zurück. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) seien nach Annahme des Auftrages in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Das Weisungsrecht in Bezug auf Ort, Art und Weise der Tätigkeit ergebe sich aus dem jeweils erteilten Auftrag; die Arbeiten seien in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen auszuführen gewesen. Demgegenüber habe ein maßgebliches Unternehmerrisiko nicht bestanden.
Am 4. Juli 2016 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.
Die von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) beantragte Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Gesellschafter der Klägerin wegen vorsätzlichen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB) für die Beigeladenen zu 4) bis 7) zu Lasten der Beigeladenen zu 1) bis 3) hat das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 28. Januar 2020 (Az: 23 Wi Kls 13/17) abgelehnt. Der objektive Tatbestand des § 266a StGB sei nicht erfüllt, da es sich bei den Beigeladenen zu 4) bis 7) um selbständig Tätige handele. Sie hätten in formeller und vertraglicher Hinsicht alle Kriterien für Selbständige verwirklicht (Gewerbeanmeldung, Handwerkskarte, Versteuerung der Einnahmen, Rechnungslegung); eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin sei nicht ersichtlich. Der Kontakt zur Klägerin habe sich auf die Prüfung der Baustelle und auf die Abstimmung mit anderen Gewerken auf der Baustelle während der Bauausführung beschränkt. Überdies hätten die Gesellschafter der Klägerin nicht vorsätzlich gehandelt.
Auch ein von der Beigeladenen zu 1) gegen die Gesellschafter der Klägerin zivilgerichtlich geltend gemachter Schadenersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung 266a StGB hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 4) und 5) blieb erfolglos. Das Landgericht Magdeburg hat die Klage der Beigeladenen zu 1) mit Urteil vom 12. Juni 2019 (Az. 11 O75/19) mit der Begründung abgewiesen, dass der Tatbestand des § 266a StGB nicht erfüllt sei. Es fehle an der Arbeitnehmereigenschaft sowie an einem vorsätzlichen Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen.
Nach Anhörung des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 4) bis 7) im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. März 2020 und Beiziehung der Gerichtsakten des Landgerichts Magdeburg hat die Beklagte mit Schreiben vom 4. Juni 2020 anerkannt, dass ein Vorsatz bei der Klägerin nicht vorgelegen habe und daher an der Nachforderung von Beiträgen für die Jahre 2010 und 2011 sowie der Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr festgehalten.
Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis am 24. Juni 2020 angenommen.
Mit Urteil vom 5. Mai 2021 hat das Sozialgericht Berlin die weitergehende Klage der Klägerin abgewiesen.
Die zulässige Klage sei nach dem angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten vom 4. Juni 2020 unbegründet. Die verbliebene Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 4) bis 7) für die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2013 in Höhe von 56.641,24 Euro sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage des Bescheides sei § 28p Abs. 1 SGB IV. Hiernach sei die Beklagte berechtigt gewesen, den Verwaltungsakt zur Beitragshöhe und zur Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu erlassen. Das Recht zur Überwachung des Umlageverfahrens ergebe sich aus § 10 des Aufwendungsausgleichgesetzes (AAG) in Verbindung mit § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Zu Recht habe die Beklagte der Berechnung der Beiträge die entsprechend den Rechnungen der Beigeladenen zu 4) bis 7) erfolgten Zahlungen der Klägerin an die Beigeladenen zu 4) bis 7) zugrunde gelegt. Es handele sich hierbei um ein Entgelt aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Soweit dies sowohl vom Landgericht Frankfurt (Oder) als auch vom Landgericht Magdeburg anders beurteilt worden sei, binde dies die Kammer mangels entsprechender Norm nicht. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) seien in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als Fliesenleger und Trockenbauer abhängig beschäftigt im Sinne von § 7 SGB IV gewesen. Für die Beurteilung sei maßgeblich auf die mündlichen Vereinbarungen zu den jeweils einzelnen für bestimmte Bauvorhaben erteilten Aufträgen abzustellen, da erst durch diese die Rechtsbeziehungen jeweils hinreichend konkretisiert und eine Arbeitspflicht begründet worden sei. Daher sei die Berechtigung der Beigeladenen zu 4) bis 7), einzelne Aufträge abzulehnen, für die Beurteilung irrelevant. Insoweit unterscheide sich die Situation nicht von derjenigen eines Arbeitnehmers mit einer Mehrzahl kurzfristiger befristeter Arbeitsverträge (Verweis auf BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 12 R 13/10 R). In der Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwögen die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände. Die Beigeladenen hätten auch ohne konkrete Zeitkontrolle und Zeiterfassung einer Weisungsgebundenheit in zeitlicher Hinsicht unterlegen. Hierfür spreche neben ihrem tatsächlichen Tätigkeitsumfang von ca. 40 Stunden in der Woche auch der Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin von den Beigeladenen zu 4) bis 7) informiert wurde, wenn an einzelnen Tagen (krankheits- oder urlaubsbedingt) nicht gearbeitet worden sei. Angesichts der zeitlichen Bindung durch den Auftrag seien die Beigeladenen zu 4) bis 7) nach Annahme eines Auftrages schon rein tatsächlich nicht mehr bzw. kaum in der Lage gewesen, am Markt als selbständige Handwerker aufzutreten. Dementsprechend hätten die Beigeladenen zu 4) bis 7) in den Jahren 2012 und 2013 jeweils auch fast ausschließlich ihre Einnahmen aus den Aufträgen der Klägerin bestritten. Dies erkläre auch, warum eine Bewerbung ihrer Tätigkeit am Markt weder notwendig noch sinnvoll gewesen sei. Da sich die fehlende Freiheit des Arbeitsortes aus der Ortsgebundenheit der Arbeiten ergebe, sei dies kein tragfähiges Indiz für oder gegen eine abhängige Beschäftigung. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) seien aufgrund der Vorgabe der Klägerin, welche Fliesen, welcher Kleber und welche sonstigen Materialien zu verwenden seien, innerhalb des Auftrages weisungsgebunden gewesen. Allein aus dem Umstand, dass die Arbeiten ohne Einzelweisungen und Kontrolle durchgeführt worden seien, ergebe sich keine selbständige Tätigkeit. Ebenso vermöge die Angabe, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) in sich abgeschlossene Vorhaben abgearbeitet hätten und eine Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin nicht stattgefunden habe, die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht zu erschüttern. Vielmehr hätten sich die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 4) bis 7) von denen der Mitarbeiter der Klägerin nicht wesentlich unterschieden. Es hätten keine wesentlichen inhaltlichen Gestaltungsspielräume bei der Erbringung der Arbeitsleistung bestanden; der Arbeitsprozess als solcher und die Rahmenbedingungen seien von der Klägerin vorgegeben gewesen. Auch die Abrechnung nach geleisteten Arbeitsstunden der Beigeladenen zu 4) und 7) spreche für eine abhängige Beschäftigung, da sie ausgehend von der getroffenen Vergütungsregelung keinerlei unternehmerisches Risiko getragen hätten. Aus dem allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung der Aufträge zeitweise seine Arbeitskraft nicht verwerten zu können, folge kein Unternehmerrisiko in Bezug auf die einzelnen Einsätze (Verweis auf BSG, Urteile vom 18. November 2015, B 12 KR 17/13 R und B 12 KR 17/13 R). Die Beigeladenen zu 4) und 7) hätten ihre Arbeitskraft – abgesehen vom irrelevanten Insolvenzrisiko des Auftraggebers – nicht mit dem Risiko eingesetzt, keine Vergütung zu erhalten, da sie diese ohne Rücksicht auf den Erfolg der Tätigkeit allein aufgrund ihrer Tätigkeit erhalten hätten. Dies gelte auch für die Beigeladenen zu 5) und 6). Zwar hätten diese aufgrund der Pauschalkalkulation ihre Verdienstchancen je nach tatsächlichem Zeitaufwand verbessern können, jedoch hätten auch sie lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Das für die Erledigung der Aufträge erforderliche Kapital sei allein von der Klägerin aufgebracht worden, denn sie habe die Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt. Den von den Beigeladenen zu 4) bis 7) eingesetzten eigenen Werkzeugen komme in Relation zum Gesamtaufwand kein maßgebliches Gewicht zu. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) ihre Arbeiten höchstpersönlich erbracht hätten, da sie übereinstimmend angegeben hätten, bei Verhinderung sich zwar abgemeldet, aber keinen Ersatz gestellt zu haben. Nicht relevant für die Beurteilung sei der Umstand, dass keine Lohnfortzahlung bei Urlaub und Krankheit gewährt worden sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 24. März 2016, B 12 KR 20/14 R). Die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Indizien beträfen lediglich die formale Durchführung der Tätigkeit (die Rechnungsstellung, die Versteuerung, die Gewerbeanmeldung) und seien nur Ausdruck der subjektiven Bewertung des Sachverhalts durch die Beigeladenen zu 4) bis 7), welche die inhaltliche Ausgestaltung des konkreten Rechtsverhältnisses nicht berühre und gestalte. Fehler der Berechnung seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mit Änderungsbescheid vom 10. Juni 2021 hat die Beklagte das angenommene Teilanerkenntnis umgesetzt und die Forderung auf einen Betrag in Höhe von 56.641,24 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2013 beschränkt.
Gegen das ihr am 27. Mai 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Juni 2021 Berufung eingelegt.
Die vom Sozialgericht getroffene Einschätzung, dass es sich bei den Tätigkeiten der Beigeladenen zu 4) bis 7) um eine abhängige Beschäftigung handele, die Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung begründe, sei falsch. Die Ausführungen des Gerichts würden sich auf die Darstellung der Indizien beschränken, die das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht ausschließen, ohne jedoch darzulegen, dass es Indizien gebe, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) seien nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen; sie hätten über eine freie Zeiteinteilung verfügt. Den Beigeladenen zu 4) bis 7) habe es innerhalb des vereinbarten Zeitraums frei gestanden, selbst zu entscheiden, wann sie die Arbeiten erledigen. Die Mitteilung des Nichterscheinens zur Baustelle an die Klägerin sei lediglich informatorisch erfolgt. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Tätigkeiten der Beigeladenen zu 4) bis 7) stets um in sich abgeschlossene Gewerke gehandelt habe. Falsch sei die Annahme des Gerichts, dass die freie Entscheidung, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, für die Beurteilung rechtlich irrelevant sei, denn es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Ablehnung eines Vertrages von einem Arbeitnehmer tatsächlich zum Ausschluss von Folgeverträgen führen würde. Unzutreffend sei auch die Würdigung des Arbeitsortes erfolgt. Zwar sei der Arbeitsort durch den Auftrag vorgegeben gewesen, so dass dieser nach Annahme des Auftrages nicht geändert werden konnte. Jedoch sei der Arbeitsort ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Beigeladenen zu 4) bis 7) gewesen, ob sie den Auftrag annehmen oder ablehnen. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) seien auch einem Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen, indem sie bei nicht fristgemäßer Fertigstellung für eingetretene Verzugsschäden hätten aufkommen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Mai 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2016, dieser in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 4. Juni 2020 (umgesetzt durch Bescheid vom 10. Juni 2021), aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffende und überzeugende Begründung des erstinstanzlichen Urteils. Das Gericht habe die für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Indizien unter Berücksichtigung des Vortrags des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin sowie der Angaben der Beigeladenen zu 4) bis 7) in der mündlichen Verhandlung zutreffend ermittelt sowie gewichtet und in eine Gesamtabwägung eingestellt. Dabei komme zu Recht dem Arbeitsort sowie der Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, kein maßgebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zu, da diese Indizien weder für noch gegen eine abhängige Beschäftigung sprächen. Auch das Risiko, nicht bezahlt zu werden, sei als Indiz neutral, da auch Arbeitnehmer ein Insolvenzrisiko ihres Arbeitgebers zu tragen hätten. Zu berücksichtigen sei nach Ansicht der Beklagten im Wesentlichen, dass bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 4) bis 7) kein Unternehmerrisiko bestanden habe, was für eine selbständige Tätigkeit typisch sei.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des SG Frankfurt (Oder) S 27 KR 97/16 ER sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der - soweit wesentlich - Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladenen zu 1) bis 5) im Verhandlungstermin nicht erschienen sind. Sie sind auf diese Möglichkeit in den Ladungen hingewiesen worden.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zu-lässig. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Mai 2021 und der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2016 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 4. Juni 2020. Der das angenommene Teilanerkenntnis vom 4. Juni 2020 lediglich umsetzende Bescheid vom 10. Juni 2021 ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, denn ihm kommt keine über das angenommene Teilanerkenntnis hinausgehende Regelungswirkung zu (vgl. zur fehlenden Regelungswirkung bloßer Umsetzungsbescheide BSG, Urteil vom 18. September 2003, B 9 V 82/02 B, zitiert nach juris, Rn. 6). Das am 24. Juni 2020 angenommene Teilanerkenntnis vom 4. Juni 2020 hatte gemäß § 101 Abs. 2 SGG unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung. Widerspruch und Klage gegen den bloßen Umsetzungsbescheid vom 10. Juni 2021 wären mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig; eine Einbeziehung des Umsetzungsbescheides in den noch nicht erledigten Teil des Rechtsstreits nach § 96 Abs. 2 SGG ist daher nicht geboten.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG zu Recht abgewiesen. Der noch streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Nachforderung von Beiträgen zu allen Zweigen der Sozialversicherung sowie Umlagen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 4) bis 7) im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2013 von der Klägerin in Höhe von 56.641,24 Euro ist zutreffend erfolgt.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Die Pflicht zur Zahlung der U1- und U2-Umlage folgt aus § 7 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG), die Pflicht zur Zahlung der Insolvenzgeldumlage aus § 358 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Die Voraussetzungen der Erhebung von Beiträgen und Umlagen hinsichtlich der Tätigkeiten der Beigeladenen zu 4) bis 7) für die Klägerin im Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2013 liegen vor, da die Beigeladenen zu 4) bis 7) in diesem Zeitraum in ihrer Tätigkeit für die Klägerin gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt waren.
Der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie der Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI). Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 KR 29/19 R, zitiert nach juris, Rn. 12) setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.
Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen und der gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Abstrakte, einzelfallüberschreitende Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder sind daher grundsätzlich nicht – auch nicht im Sinne einer „Regel-Ausnahme-Aussage“ – möglich (BSG, Urteil vom 23. April 2024 , B 12 BA 9/22 R, zitiert nach juris, Rn. 14, m.w.N.)
Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 KR 29/19 R, zitiert nach juris, Rn. 13 m.w.N.)
Zur Überzeugung des Senats haben das Sozialgericht und die Beklagte zu Recht entschieden, dass im Falle der Beigeladenen zu 4) bis 7) diejenigen typusbildenden Merkmale überwiegen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Insbesondere die Eingliederung in den Betrieb der Klägerin und fehlende, ins Gewicht fallende Merkmale für eine Selbständigkeit wie ein Unternehmerrisiko und unternehmerische Freiheit geben im Rahmen der Gesamtwürdigung den Ausschlag für das Vorliegen von Beschäftigung.
Ausgangspunkt für die vorzunehmende Gesamtwürdigung sind zunächst die vertraglichen Regelungen, welche der Tätigkeit zugrunde liegen. Vorliegend haben die Klägerin und die Beigeladenen zu 4) bis 7) keine schriftlichen, ihre Rechtsbeziehungen regelnden Verträge geschlossen. Aus der formalen Durchführung der Tätigkeit (Rechnungslegung, keine Anmeldung zur Sozialversicherung, Versteuerung der Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit bei den Beigeladenen zu 4) bis 7, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, keine Vereinbarung zu Urlaubsansprüchen) ergibt sich, dass die Klägerin und die Beigeladenen übereinstimmend von dem Vorliegen selbständiger Tätigkeit ausgegangen sind. Diesem übereinstimmenden Willen kommt aber nur dann Bedeutung zu, wenn sich aus der vorzunehmenden Abwägung kein Überwiegen der Indizien in Richtung abhängige Beschäftigung ergibt, denn die Beteiligten können über die rechtliche Einordnung einer Person – als selbständig oder beschäftigt – nicht im Wege der Privatautonomie entscheiden (ständige Rechtsprechung BSG, vgl. Urteil vom 28. Mai 2008, B 12 KR 13/07 R, zitiert nach juris, Rn. 16; Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R, zitiert nach juris, Rn. 19; zuletzt Urteil vom 23. April 2024, B 12 BA 9/22 R, zitiert nach juris, Rn. 15 und 17 m.w.N.).
Kein maßgebliches Indiz für die vorzunehmende Beurteilung ist, dass es den Beigeladenen zu 4) bis 7) frei stand, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Da die Übernahme einzelner Aufträge individuell vereinbart wurde und kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorlag, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestanden. Außerhalb der Einzeleinsätze liegt schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende „entgeltliche“ Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung besteht, Tätigkeiten für den Auftraggeber auszuüben, und dieser umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 KR 29/19 R, zitiert nach juris, Rn. 14). Auf die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Annahme und Ablehnung eines Auftrages kommt es daher nicht an. Diese Einschätzung ändert sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht dadurch, dass der Inhalt des Auftrages, wie insbesondere der sich aus dem Auftrag ergebende Einsatzort, für die Beigeladenen zu 4) bis 7) ein wichtiges Kriterium für die Annahme oder die Ablehnung eines Auftrages war.
Vor diesem Hintergrund ist auch die fehlende Bestimmungsmöglichkeit über den Arbeitsort nicht als Indiz in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Der konkrete Einsatzort ergab sich aus den Vorgaben des Auftrages selbst und war damit nach Annahme des Auftrages nicht disponibel. Er war damit weder Ausfluss eines arbeitgebertypischen Weisungsrechts, noch Kennzeichen der Freiheit eines selbständigen Unternehmers.
Für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung während der einzelnen Aufträge spricht, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) in die von der Klägerin zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Generalunternehmer geplanten Abläufe mit den von ihr zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln eingegliedert war, ohne selbst unternehmerischen Einfluss nehmen zu können und ohne unternehmerischen Risiken ausgesetzt zu sein.
Die Beigeladenen zu 4) bis 7) waren nach Annahme eines Auftrages in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Sie wurden von der Klägerin zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Generalunternehmer im gleichen Gewerk wie die weiteren Mitarbeiter und die Gesellschafter der Klägerin eingesetzt. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) erbrachten keine von der Tätigkeit der Klägerin abgrenzbare Leistung oder besondere Teilmengen der Gesamtleistung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Angabe, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) jeweils eigene kleine Teilbaustellen zu bearbeiten hatten. Denn aus der Gesamtschau der vorliegenden Unterlagen und den Angaben der Beteiligten ergibt sich nicht, dass der genaue Teilbereich (und nicht nur abstrakt der Umfang der zu fliesenden Fläche) der jeweiligen Einzeltätigkeit der Beigeladenen zu 5) bis 7) bereits bei Auftragserteilung personenbezogen konkretisiert wurde; mithin bereits klar war, welches Geschoss bzw. welcher Raum durch wen zu fliesen war. Hiergegen sprechen bereits die konkreten Vergütungsvereinbarungen nach qm oder Stundenzahl. Auch der Umstand, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) nach ihren übereinstimmenden Angaben im Falle ihrer Verhinderung zwar den geschäftsführenden Gesellschafter informierten, aber keinen Ersatz stellen mussten, spricht gegen die Annahme, dass bereits bei Auftragsannahme die konkreten Teilbaustellen personenbezogen festgelegt waren und für die Annahme einer Eingliederung in die Betriebsstruktur der Klägerin, da die ausgefallenen Arbeiten sodann durch Mitarbeiter oder die Gesellschafter der Klägerin durchgeführt wurden. Für den Beigeladenen zu 4) ergibt sich die Eingliederung bereits daraus, dass seine Tätigkeit überwiegend in der Vor- und Nachbereitung der Räume bzw. Flächen bestand, die von den Mitarbeitern der Klägerin oder den Beigeladenen zu 5) bis 7) zu fliesen waren. Nicht gegen eine Eingliederung spricht, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) in ihrem konkreten Tätigkeitsbereich mit den weiteren Mitarbeitern der Klägerin nicht zusammen gearbeitet haben, denn ein arbeitsteiliges Zusammenwirken war – außerhalb der Bauvorbereitung durch den Beigeladenen zu 4) – bei der Tätigkeit als Fliesenleger nicht erforderlich. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) waren in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden und damit ihrer Entscheidungshoheit und den regulatorischen Bindungen des Gesamtprojektes unterworfen. Sie waren bei der Ausübung ihrer Tätigkeit davon abhängig, dass die von der Klägerin beschafften Materialien (Fliesen und Bauchemie) vorhanden und für sie zugänglich waren.
Nicht ausschlaggebend für die Beurteilung ist, dass die Klägerin den Beigeladenen zu 4) bis 7) keine Einzelanweisungen erteilte und die Beigeladenen zu 4) bis 7) innerhalb der Ausführung des Auftrages keinen Weisungen zur Arbeitszeit unterlagen, da der Inhalt und der zeitliche Rahmen der Tätigkeit aufgrund der jeweils vereinbarten Einzelaufträge formal Gegenstand einer gegenseitigen Vereinbarung wurde, so dass es keiner einseitigen Weisungen bedurfte. Denn nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben kann sich die eine abhängige Beschäftigung kennzeichnende persönliche Abhängigkeit auch ohne Weisungsabhängigkeit allein aus der Eingliederung in den Betrieb ergeben (BSG, Urteil vom 23. April 2024, B 12 BA 9/22 R, zitiert nach juris, Rn. 23). Dies gilt zudem für Tätigkeiten, die – wie hier bei den Beigeladenen zu 5) bis 7) als Fliesenleger – mit fachlicher Selbständigkeit bei der Aufgabenerledigung verbunden sind. Dennoch kann die Tätigkeit fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Vorliegend ergibt sich die Prägung im Wesentlichen aus dem Auftrag der Klägerin gegenüber dem Generalunternehmer und den von ihr in diesem Rahmen beschafften Materialien, die von den Beigeladenen zu 4) bis 7) einzusetzen waren.
Aufgrund der Eingliederung der Beigeladenen zu 4) bis 7) in die von der Klägerin und den regulatorischen Rahmenbedingungen eines Großbauprojekts vorgegebene Ordnungsstruktur kommt der Frage, inwieweit noch Raum für eigene unternehmerische Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit mit entsprechenden Chancen und Risiken verbleibt, maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung zu (BSG, a.a.O. Rn. 25). Vorliegend verblieb den Beigeladenen zu 4) bis 7) nach Annahme der Einzelaufträge keine maßgebliche Unternehmerfreiheit. Sie hatten keinen wesentlichen eigenen Spielraum zur unternehmerischen Gestaltung ihrer Tätigkeit. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) hatten im Wesentlichen ihre eigene Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Anders als die Klägerin konnten sie nicht durch unternehmerisches Geschick (zum Beispiel beim Einkauf der Arbeitsmaterialien) ihren Gewinn steigern. Aufgrund der Höhe der Vergütung war es den Beigeladenen zu 4) bis 7) lediglich rechtlich möglich, eigene Arbeitnehmer mit der Ausführung der Tätigkeit zu beauftragen. Ein Gewinn hätte sich für sie hieraus unter Berücksichtigung der von ihnen erzielten Einnahmen angesichts des in den Jahren 2012 und 2013 geltenden Mindestlohns im Baugewerbe in Höhe von 10,25 Euro (Bundesländer Ost) bzw. 13,55 Euro (Berlin) zuzüglich ihrerseits zu zahlender Sozialabgaben nicht ergeben. Zwar hatten die Beigeladenen zu 4) bis 7) weitgehende Freiheit bei der Gestaltung und Verteilung ihrer Arbeitszeit, jedoch waren sie auch insoweit nach Annahme des jeweiligen Einzelauftrages an die Vorgaben des konkreten Auftrages und die Rahmenvorgaben der Bauzeiten des Großbauprojektes gebunden. Überdies ist den vorgelegten Rechnungen zu entnehmen, dass der Umfang der Tätigkeiten der nach Stunden abrechnenden Beigeladenen zu 4) und 7) faktisch einer Vollzeitbeschäftigung entsprach, die keinen großen Gestaltungsspielraum für eine eigenen Arbeitszeitgestaltung erkennen lässt. Die Beigeladenen zu 4) bis 7) trugen auch kein maßgebliches unternehmerisches Risiko. Sie hatten weder Vorhaltekosten zu tragen, noch (außerhalb des Insolvenzrisikos) einen Verdienstausfall zu fürchten. Die Beigeladenen zu 4) und 7) erhielten einen festen Stundenlohn für geleistete Einsatzstunden. Für die Beigeladenen zu 5) und 6) bestand keine wesentliche Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätten beeinflussen können. Lediglich in geringem Umfang setzten die Beigeladenen zu 4) bis 7) eigene Betriebsmittel (Werkzeuge und Auto) ein, deren Beschaffung nicht allein auf die hier streitigen Aufträge bezogen war. Der Vorhaltung einer eigenen Betriebsstätte bzw. eigener Lagerräume bedurfte es für die maßgeblichen Tätigkeiten für die Klägerin in den Jahren 2012 und 2013 nicht. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkret verrichteten Tätigkeit ankommt, ist das Risiko der Beigeladenen zu 4) bis 7), keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, für die Frage ihres Status in dieser Tätigkeit irrelevant. Denn aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteil vom 24.10.2023, B 12 R 9/21 R, zitiert nach juris, Rn. 21). Ein maßgebliches Unternehmerrisiko folgt auch nicht aus der Haftung im Rahmen der Mängelgewährleistung, da sich diese vorliegend auch nur auf die Arbeitskraft bezieht, also die mögliche Verpflichtung, ohne Bezahlung im Rahmen der Mängelbeseitigung tätig zu sein, da das Material von der Klägerin gestellt wurde. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Beigeladenen zu 4) bis 7) einer wesentlichen Haftung für Verzögerungsschäden ausgesetzt waren. Hiergegen spricht bereits, dass die Klägerin im Falle der Verhinderung der Beigeladenen zu 4) bis 7) die anfallenden Arbeiten selbst durch ihre Mitarbeiter erledigen ließ und die Beigeladenen zu 4) bis 7) ein solches Risiko weder gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren benannt haben, noch das behauptete Risiko durch den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung minimiert haben. Dass die beigeladenen Fliesenleger auch für andere Auftraggeber tätig werden durften, spricht ebenfalls nicht für ihre Selbstständigkeit im Rahmen der Einzelaufträge. Auch wenn ein Wettbewerbsverbot grundsätzlich für Arbeitnehmer typisch ist, stellt dessen Fehlen kein Indiz für eine Selbstständigkeit der Beigeladenen dar (BSG, Urteil vom 12. Juni 2024, B 12 BA 8/22 R, zitiert nach juris, Rn. 23; Urteil vom 31.3.2017, B 12 R 7/15 R, Rn. 49).
Die Beklagte hat die nachgeforderten Beiträge und Umlagen unter Berücksichtigung der an die Beigeladenen zu 4) bis 7) im jeweiligen Monat gezahlte Vergütung auch rechtmäßig festgesetzt. Fehler hinsichtlich des Umfangs oder der Höhe sind weder erkennbar noch von der Klägerin geltend gemacht worden (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab BSG, Urteil vom 7. Juni 2018, B 12 KR 1/17 R, zitiert nach juris, Rn. 25).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).