L 16 KR 171/23

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 691/21
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 KR 171/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Abrechenbarkeit von Zusatzentgelten durch Besondere Einrichtungen vor dem Hintergrund der „Vereinbarung zur Bestimmung von Besonderen Einrichtungen für das Jahr 2019 (VBE 2019)“.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. März 2023 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.481,56 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2020 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens der ersten und der zweiten Instanz.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.481,56 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Dabei geht es um die Frage, ob die Klägerin berechtigt war, das Zusatzentgelt ZE 131.02 (9-201e: Hochaufwändige Pflege von Kleinkindern oder von Kindern und Jugendlichen: 101 oder mehr Aufwandpunkte) iHv 6.481,56 € abzurechnen.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) – (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Das Krankenhaus ist als Fachkrankenhaus für neurologische Frührehabilitation der Phase B (BAR) für Kinder und Jugendliche bis zu einem Alter von maximal 21 Jahren  in den Landeskrankenhausplan des Landes Brandenburg aufgenommen.

Bei dem Krankenhaus handelt es sich um eine Besondere Einrichtung iSd Vereinbarung zur Bestimmung von Besonderen Einrichtungen für das Jahr 2019 (VBE 2019) zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), dem Verband der Privaten Krankenversicherung eV und der Deutschen Krankenhausgesellschaft eV (DKG) gemäß § 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Die Herausnahme aus der DRG-Abrechnung für das Jahr 2019 erfolgte aufgrund des Antrags der Rechtsvorgängerin der Klägerin (H   GmbH) vom 26. September 2018.

Diese vereinbarte im November 2018 für das Krankenhaus mit den Krankenkassen (Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 KHG) die Budgetvereinbarung für das Jahr 2019 (Budget-V). Vertragsgegenstand war nach § 1 Abs. 1 Budget-V:

„Gegenstand dieses Vertrages ist insbesondere die Vereinbarung des Erlösbudgets, der Summe der Bewertungsrelationen, der Zu- und Abschläge, der sonstigen Entgelte und der Mehr-/Mindererlösausgleiche (vgl. § 11 Abs. 1 KHEntgG) für die vollstationären und teilstationären Leistungen des Krankenhauses i.S.d. § 1 Abs. 1 KHEntgG für den Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019 soweit nachfolgend kein abweichender Zeitraum bestimmt wird.“

Nach § 5 Abs. 1 Budget-V wurde ein tagesgleicher Pflegesatz iHv 481,00 € (ohne Ausgleich) für 11.188 Berechnungstage für die neurologische Frührehabilitation in der Phase B ohne Beatmung und ein tagesgleicher Pflegesatz iHv 760,95 € (ohne Ausgleiche) für die neurologische Frührehabilitation mit Beatmung vereinbart. Nach § 13 Abs. 1 Budget-V wurde die Behandlung mit Blutgerinnungsfaktoren über die Zusatzentgelte ZE2019-97, ZE2019-137, ZE2019-138 oder ZE2019-139 abgebildet. In der Anlage 2 zur Budget-V (E3 Aufstellung der nach § 6 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) krankenhausindividuell verhandelten Entgelte; E3.2 Aufstellung der Zusatzentgelte 2019 – Hämophilie) sind die verhandelten Preise für die genannten Zusatzentgelte aufgeführt.

Mit Genehmigungsbescheid vom 11. Dezember 2018 genehmigte das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (im Folgenden: Ministerium) nach § 18 Abs. 5 KHG die vereinbarten Pflegesätze und die im Einzelnen in der Anlage 2 der Budget-V aufgeführten Entgelte nach § 6 Abs. 1 KHEntgG.

In der Zeit vom 6. November 2019 bis zum 25. Dezember 2019 wurde der bei der Beklagten versicherte, am 9. Juli 2004 geborene, J S (im Folgenden: Versicherter) im Krankenhaus der Klägerin vollstationär behandelt (Hauptdiagnose: G93.1: Anoxische Hirnschädigung). Am 6. März 2020 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung des Versicherten einen Betrag iHv 30.828,19 € in Rechnung. Dieser setzte sich zusammen aus dem Posten Akutleistung in der Phase B, Menge: 49 (24.346,63 €) und dem Posten Hochaufwändige Pflege von Kleinkindern oder Kindern, Menge: 1, 6. November 2019 (6.481,56 €).

Am 13. März 2020 wies die Beklagte die Rechnung vollständig zurück. Das Pflegezusatzentgelt sei mit den Tagessätzen der Frühreha-Phase B abgegolten. Die Klägerin wurde um eine Korrektur der Rechnung gebeten. Dies erfolgte jedoch nicht.

Mit ihrer am 29. Dezember 2021 erhobenen Klage hat die Klägerin die Zahlung des vollständigen Rechnungsbetrages begehrt. Sie sei berechtigt, das ZE 131.02 abzurechnen. Dies ergebe sich deutlich aus § 3 VBE 2019. Der Abrechnung stünde nicht entgegen, dass das ZE 131.02 nicht gesondert vereinbart und deshalb weder in der Budget-V noch in dem Genehmigungsbescheid des Ministeriums genannt sei. Anders als die dort aufgeführten Zusatzentgelte habe es beim ZE 131.02 keiner krankenhausindividuellen Vereinbarung bedurft, weil dafür im Fallpauschalenkatalog 2019 ein Festbetrag iHv 6.481,56 € ausgewiesen sei. Auch in inhaltlicher Hinsicht seien die Voraussetzungen für eine Abrechnung erfüllt.

Mit Teilanerkenntnis vom 20. Februar 2023 hat die Beklagte die Forderung iHv 24.346,63 € (nebst Zinsen) anerkannt. Die Klägerin hat das Anerkenntnis angenommen.

Mit Urteil vom 21. März 2023 hat das Sozialgericht (SG) Potsdam die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, das ZE 131.02 abzurechnen. § 3 Satz 3 VBE 2019 stelle eindeutig klar, dass zusätzlich zu den Entgelten nach § 3 Satz 1 und 2 VBE 2019 nur Zusatzentgelte nach den Katalogen der Anl. 2, 4, 5 und 6 der FPV 2019 abgerechnet werden dürften. Damit lasse zwar die VBE die grundsätzliche Abrechnungsmöglichkeit von Zusatzentgelten zu, jedoch werde diese durch die individuell vereinbarte Budget-V zwischen den Beteiligten eingeschränkt. Ausweislich des Vertragsgegenstandes nach § 1 Budget-V sollten mit der Budget-V die Zu- und Abschläge und die sonstigen Entgelte vereinbart werden. Durch die Aufzählung werde nach Auffassung der Kammer deutlich, dass, soweit darüber hinaus keine Regelung in der Vereinbarung zu den Zusatzentgelten getroffen wurde, diese mit den Pflegetagessätzen abgegolten sein sollten. Insofern wirke dieses individuelle Budget-V gegenüber der VBE 2019 spezieller und § 3 Abs. 1 Satz 3 VBE 2019 gebe darüber hinaus im vorliegenden Fall keine zusätzliche Abrechnungsmöglichkeit. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck einer solchen Budget-V, nach dem ein Krankenhaus mit einem Spezialgebiet aufgrund fehlender Mischkalkulation die Finanzierung sicherstellen wolle. Gleichzeitig solle die Gesamtfinanzierung, wie sie auch im § 2 der Budget-V bezeichnet werde, gerade für alle Beteiligten einen gewissen finanziell sicheren Rahmen geben. Die tagesbezogenen Pflegesätze sollten die aufgrund der grundsätzlich schon von der Behandlung des Versicherten bei Frührehabilitation der Phase B bedingten aufwändigen Pflege insgesamt abdecken. Damit sei daneben kein Raum für die zusätzliche Abrechnung des ZE 131.02.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die rechtlichen Erwägungen des SG seien nicht haltbar. Unter ausführlicher Darstellung der Regelungssystematik der Besonderen Einrichtungen im Gefüge der Krankenhausfinanzierung weist sie zunächst darauf hin, dass es sich bei dem streitgegenständlichen ZE 131.02 nicht um ein krankenhausindividuell zu vereinbarendes Zusatzentgelt nach § 6 Abs. 1 KHEntgG, sondern um ein bundeseinheitlich kalkuliertes Zusatzentgelt iSd § 9 Abs. 1 Ziff. 2 KHEntgG handele. Diese bundeseinheitlichen Zusatzentgelte dürften nach § 5 Abs. 1 FPV 2019 zusätzlich zu den Fallpauschalen und Entgelten nach § 6 Abs. 1 KHEntgG abgerechnet werden. Durch das ZE 131.02 werde ein erhöhter Mehraufwand abgegolten, der jedoch nicht bei jedem Patienten anfalle. Entsprechend könne ein „normales“ Krankenhaus neben der durch den OPS-Code 8-552 (Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation) angesteuerten DRG bei entsprechendem hochaufwändigem Pflegebedarf zusätzlich das ZE 131.02 abrechnen. Insofern sei die Annahme des SG, dass die tagesbezogenen Pflegesätze eine hochaufwändige Pflege bereits mit abdeckten, nicht haltbar. Die Abrechnung des ZE 131.02 sei auch nicht durch die Budget-V ausgeschlossen. Die Regelung in § 1 Budget-V gebe lediglich den Regelungsinhalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG deklaratorisch wieder. Aus § 3 Abs. 1 Satz 3 VBE 2019 ergebe sich deutlich, dass neben den vereinbarten Entgelten nach den Sätzen 1 und 2 Zusatzentgelte abgerechnet werden könnten. Die Besonderen Einrichtungen iSd § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG sollten nicht benachteiligt, sondern privilegiert werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. März 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.481,56 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird, sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich erhobene (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hinsichtlich der Vergütung des Zusatzentgeltes ZE 131.02 iHv 6.481,56 € nebst Zinsen aufrechterhält, ist begründet.

Die echte Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr, vgl ua Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R –, juris Rn. 9; BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R –, juris Rn. 12) und begründet.

Rechtsgrundlage des von der Klägerin wegen der stationären Behandlung des Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V iVm § 17b KHG und § 7 KHEntgG. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – abgesehen von einem Notfall – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; vgl. ua BSG, Urteil vom 28. August 2024 – B 1 KR 33/23 R –, juris Rn. 12).

Der Anspruch wird grundsätzlich auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen - FPVn) konkretisiert. Der GKV-Spitzenverband und der Verband der Privaten Krankenversicherung eV gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPVn auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG (vgl. ua BSG, Urteil vom 19. November 2019 – B 1 KR 6/19 R –, juris Rn. 10, mwN).

Zudem vereinbaren die Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KHEntgG einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte nach § 17b Abs. 1 Satz 7 KHG einschließlich der Vergütungshöhe. § 17b Abs. 1 Satz 7 KHG gibt vor: Soweit dies zur Ergänzung der Fallpauschalen in eng begrenzten Ausnahmefällen erforderlich ist, können die Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG Zusatzentgelte für Leistungen, Leistungskomplexe oder Arzneimittel vereinbaren, insbesondere für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren oder für eine Dialyse, wenn die Behandlung des Nierenversagens nicht die Hauptleistung ist. Die bundeseinheitlich – auch der Höhe nach vereinbarten – Zusatzentgelte sind in den Anlagen 2 (Zusatzentgelte-Katalog) und 5 zur FPV aufgeführt. Dort findet sich ua auch das hier streitgegenständliche ZE 131 (Hochaufwändige Pflege von Kleinkindern oder von Kindern und Jugendlichen), welches – differenziert nach Aufwandpunkten – in der Anlage 5 mit 2.921,05 € (bis zu 100 Aufwandpunkte) bzw. 6.481,56 € (ab 101 Aufwandpunkte) beziffert ist. Dagegen sind die Zusatzentgelte für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren (ua ZE 2019-97) in den Anlagen 4 und 7 aufgeführt. Geregelt sind dort nur die Zusatzentgelte an sich. Die Verhandlung der Preise bleibt den Vertragspartnern nach § 11 KHEntgG vorbehalten (§ 5 Abs. 2 Satz 1 FPV). Sofern keine Preise vereinbart werden, sind für jedes Zusatzentgelt 600,00 € abzurechnen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 FPV).

Vorliegend handelt es sich um ein Krankenhaus, welches nach der VBE 2019 als Besondere Einrichtung eingestuft wurde. Nach § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG können Besondere Einrichtungen, deren Leistungen insbesondere aus medizinischen Gründen, wegen einer Häufung von schwerkranken Patienten oder von Patienten mit Behinderungen oder aus Gründen der Versorgungsstruktur mit den Entgeltkatalogen noch nicht sachgerecht vergütet werden, aus dem Vergütungssystem ausgenommen werden; unabhängig davon, ob die Leistungen mit den Entgeltkatalogen sachgerecht vergütet werden, ist bei Palliativstationen oder -einheiten, die räumlich und organisatorisch abgegrenzt sind und über mindestens fünf Betten verfügen, sowie bei Krankenhäusern, die in die in § 17 Abs. 1 Satz 14 KHG genannte Liste aufgenommen sind, für das der Veröffentlichung der Liste folgende Kalenderjahr, dafür ein schriftlicher oder elektronischer Antrag des Krankenhauses ausreichend. Die Vertragsparteien auf Bundesebene haben dazu Näheres in der VBE 2019 geregelt (vgl. § 17b Abs. 2 KHG; BVerwG, Urteil vom 21. April 2023 – 3 C 11/21 –, juris Rn. 22). Dass das Krankenhaus der Klägerin nach Maßgabe dieser Regelungen als Besondere Einrichtung anzusehen ist, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG sieht vor, dass für Leistungen, die noch nicht mit den DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelten sachgerecht vergütet werden können, und für Besondere Einrichtungen nach § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG fall- oder tagesbezogene Entgelte oder in eng begrenzten Ausnahmefällen Zusatzentgelte vereinbaren, sofern die Leistungen oder Besonderen Einrichtungen nach Feststellung der Vertragsparteien nach § 9 KHEntgG oder in einer Verordnung nach § 17b Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 KHG von der Anwendung der DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelte ausgenommen sind.

Das Krankenhaus der Klägerin ist damit „aus dem Vergütungssystem ausgenommen“ – bzw. von der „DRG-Abrechnung“ (vgl. § Budget-V) – und unterfällt insofern den Entgeltregelungen der VBE 2019. § 3 (Entgelte für besondere Einrichtungen) der VBE 2019 sieht in Abs. 1 folgende Regelung vor:

„Nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes können für die Leistungen besonderer Einrichtungen fall- oder tagesbezogene Entgelte vereinbart werden. Dabei können auch fallbezogene Entgelte vereinbart werden, die der Abgrenzung der DRG-Fallpauschalen entsprechen, jedoch mit einer anderen Vergütungshöhe abgerechnet werden. Zusätzlich zu den Entgelten nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur Zusatzentgelte nach den Katalogen der Anlagen 2, 4, 5 und 6 der FPV 2019 abgerechnet werden. Palliativstationen oder -einheiten nach § 1 Abs. 3 dürfen die Zusatzentgelte ZE 60, ZE 130, ZE 131 und ZE 145 der Anlage 2 der FPV 2019 nicht in Verbindung mit den nach § 3 Abs. 1 Satz 1 für das Jahr 2019 vereinbarten Entgelten abrechnen.“

Entsprechend hat die Klägerin mit den in § 11 KHEntgG genannten weiteren Vertragspartnern in der Budget-V tagesbezogene Entgelte iHv 481,00 € bzw. 760,95 € vereinbart (vgl. § 5 Budget-V). Diese tagesbezogenen Entgelte wurden für den hier streitgegenständlichen Behandlungsfall zwischenzeitlich – wie abgerechnet – iHv 24.346,63 € gezahlt.

Die Klägerin hat darüber hinaus auch einen Anspruch auf Zahlung des Zusatzentgelts ZE 131.02 iHv 6.481,56 €. Die ordnungsgemäße Leistungserbringung steht dabei zwischen den Beteiligten nicht im Streit (vgl. Schreiben der Beklagten vom 3. November 2023).

Der Abrechnung des ZE 131.02 steht dabei nicht entgegen, dass dieses Zusatzentgelt in der Budget-V nicht gesondert vereinbart wurde.

Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 3 VBE 2019, wonach zusätzlich zu den Entgelten nach den Sätzen 1 und 2 nur Zusatzentgelte nach den Katalogen der Anlagen 2, 4, 5 und 6 der FPV 2019 abgerechnet werden dürfen. Während die Abrechnung der Entgelte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 VBE 2019 eine vorherige Vereinbarung voraussetzt, wird dies für die Abrechnung der Zusatzentgelte in § 3 Abs. 1 Satz 3 VBE 2019 nicht gefordert.

Die Budget-V schränkt die in § 3 Abs. 1 Satz 3 VBE 2019 vorgesehene Abrechenbarkeit der Zusatzentgelte nicht ein. Dass sich die Vertragsparteien der Budget-V nicht über die Regelungen der Abrechnung der Zusatzentgelte in der VBE 2019 hinwegsetzen dürfen, lässt sich auch dem in § 3 Abs. 1 Satz 4 VBE 2019 geregelten Abrechnungsverbot entnehmen. Darin ist ausdrücklich geregelt, dass Palliativstationen oder -einheiten nach § 1 Abs. 3 VBE 2019 im einzelnen genannte Zusatzentgelte der Anlage 2 der FPV 2019 nicht in Verbindung mit den nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VBE 2019 für das Jahr 2019 vereinbarten Entgelten abrechnen dürfen. Eine anderslautende Vereinbarung in einer Budget-V wäre hier nicht möglich. Ob in einer Budget-V umgekehrt – entgegen der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 3 VBE 2019 – ein Abrechnungsverbot von Zusatzentgelten vereinbart werden kann, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn ein solches Abrechnungsverbot enthält die zwischen den Beteiligten abgeschlossene Budget-V nicht.

Allein aus der Nichtvereinbarung von Zusatzentgelten kann nicht geschlossen werden, dass diese grundsätzlich nicht abgerechnet werden dürfen. Dies ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 1 der Budget-V. Dort werden zwar nicht explizit die „Entgelte nach § 6 KHEntgG“, sondern lediglich „Entgelte“ aufgeführt. Durch den ausdrücklichen Verweis auf § 11 Abs. 1 KHEntgG wird nach Auffassung des Senats jedoch deutlich, dass in der Aufzählung in § 1 Abs. 1 Budget-V die Entgelte nach § 6 KHEntgG gemeint sind. In diesem Zusammenhang ist auf den Unterschied zwischen den bundeseinheitlich zu vereinbarenden Entgelten nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KHEntgG und den krankenhausindividuell zu vereinbarenden Entgelten nach § 6 KHEntgG hinzuweisen. Letztere können nur dann abgerechnet werden, wenn sie krankenhausindividuell vereinbart wurden, während die bundeseinheitlich kalkulierten Zusatzentgelte – wie das hier streitige ZE 131.02 – für die Abrechenbarkeit keiner weiteren Vereinbarung bedürfen. Die Tatsache, dass in der Anlage 2 der Budget-V Preise für die Zusatzentgelte für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren vereinbart sind, ist dem Umstand geschuldet, dass diese Zusatzentgelte – anders als das hier streitige ZE 131.02 – hinsichtlich ihrer Höhe krankenhausindividuell zu vereinbaren sind.

Darüber hinaus kann angeführt werden, dass in § 3 Budget-V geregelt ist, dass das Krankenhaus der Klägerin aus der „DRG-Abrechnung“ herausgenommen wird. Die DRGs sind die den Großteil der Vergütung ausmachenden Fallpauschalen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 KHEntgG. Eine Herausnahme aus dem weiteren Vergütungssystem, ua der Zusatzentgelte, ist davon nicht umfasst.

Dafür, dass die ansonsten mit dem Zusatzentgelt ZE 131.02 vergütete hochaufwändige Pflege bereits bei den tagesbezogenen Entgelten mitkalkuliert wurde, liegen keinerlei Nachweise vor. Das ZE 131.02 soll einen zusätzlichen Pflegeaufwand abdecken und fällt nicht in jedem Behandlungsfall an. Nicht jeder Patient ab Beginn des 7. Lebensjahres bis zum Ende des 18. Lebensjahres verursacht einen solchen Mehraufwand. Entsprechend kann auch das ZE 131.02 neben einer DRG, die durch den OPS-Code 8-552 (Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation) angesteuert wird, abgerechnet werden. Wie von Seiten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nochmals betont wurde, wird das ZE 131.02 auch im Krankenhaus der Klägerin nicht regelhaft, sondern individuell bei entsprechendem Bedarf abgerechnet.

Zutreffend ist, dass sich das in der Budget-V vereinbarte Erlösbudget iHv 8.117.043 € (vgl. §§ 2, 6 Budget-V) allein auf die Pflegetagessätze bezieht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG (in der hier anzuwendenden Fassung vom 11. Dezember 2018 – aF) umfasst das von den Vertragsparteien nach § 11 Abs. 1 KHEntgG zu vereinbarende Erlösbudget für voll- und teilstationäre Leistungen die Fallpauschalen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG und die Zusatzentgelte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHEntgG. Bei letzteren handelt es sich um die nach § 9 KHEntgG bundeseinheitlich vorgegeben Zusatzentgelte, worunter auch das hier streitgegenständliche ZE 131.02 fällt. Dass im Erlösbudget der Budget-V auch die Zusatzentgelte für die Behandlung von Blutern nicht aufgeführt sind, entspricht § 4 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG aF, wonach diese Zusatzentgelte nicht vom Erlösbudget umfasst sind. Das Erlösbudget stellt jedoch keine Abrechnungsobergrenze dar. Vielmehr wird nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 KHEntgG aF ein Über- oder Unterschreiten des Erlösbudgets mit Mehr- oder Mindererlösen ausgeglichen. Die nicht erfolgte Einbeziehung von bundeseinheitlich kalkulierten Zusatzentgelten in das Erlösbudget kann – ebenso wie eine zu geringe vereinbarte Menge an prognostizierten Zusatzentgelten – vor diesem Hintergrund deshalb nicht zu einem Abrechnungsverbot hinsichtlich der Zusatzentgelte führen. Soweit von Seiten der Beklagten in der Berufungserwiderung angeführt wird, dass das Formular E2 (vgl. Anlage 1 zum KHEntgG) bewusst nicht verwendet worden sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn daraus ergibt sich letztlich nur, was auch mit Blick auf das Erlösbudget schon deutlich wird, nämlich, dass die bundeseinheitlichen Zusatzentgelte nicht mit einkalkuliert wurden.

Der Zinsanspruch folgt aus § 18 Abs. 5 des zwischen den Beteiligten weiterhin geltenden Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung idF der Ergänzungsvereinbarung vom 8. Oktober 1996 (Krankenhausbehandlungsvertrag), wonach das Krankenhaus ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz berechnen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz; sie ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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