S 17 SO 46/17 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 46/17 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 111/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Tätigkeit von mehr als einem Jahr nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügigG/EU liegt auch vor, soweit ein Wechsel zwischen zwei Beschäftigungen stattgefunden hat und es sich um eine kurzzeitige, sozialübliche Unterbrechung handelt. Es muss weder eine ununterbrochene Beschäftigung vorliegen noch beide Beschäftigungen nahtlos aneinander anknüpfen.

2. Eine kurzzeitige, sozialübliche Unterbrechung liegt vor, soweit beide Beschäftigungen noch in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.

3. Ein enger zeitlicher Zusammenhang liegt regelmäßig vor, soweit die weitere Beschäftigung in einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen nach Ende der vorhergehenden Beschäftigung aufgenommen wurde. Dabei handelt es sich jedoch um keine starre zeitliche Grenze, vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind von den Beteiligten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII.

Die 1982 geborene Antragstellerin ist polnische Staatsangehörige. Sie zog am 01.01.2014 zusammen mit ihren damaligen Lebensgefährten in eine gemeinsame Wohnung in C-Stadt. Vorher wohnte sie seit dem 04.03.2006 mit ihrem damaligen Ehemann in D-Stadt, Polen; diese Ehe wurde am 02.11.2015 geschieden.

Die Antragstellerin war ausweislich einer Übersicht der deutschen Rentenversicherung vom 10.02.2014 bis 07.03.2014, 31.03.2014 bis 31.07.2014, 08.09.2014 bis 31.10.2014, 23.01.2015 bis 14.10.2015 sowie vom 06.01.2016 bis 04.02.2016 als Lager- und Industriehelferin in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin in dem Zeitraum vom 23.01.2015 bis 14.10.2015 wurde dabei mit Schreiben vom 13.10.2015 zum 15.11.2015 gekündigt. Insgesamt ergaben sich damit 498 Tage bzw. 512 Tage sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen der Antragstellerin, die ausweislich des Lebenslaufes der Antragstellerin jeweils bei dem gleichen Arbeitgeber stattfanden.

Die Agentur für Arbeit bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 14.12.2016 Leistungen i. H. v. 16,52 EUR täglich vom 09.03.2016 bis 13.04.2016 sowie i. H. v. 15,97 EUR täglich vom 29.09.2016 bis 26.11.2016 und 03.12.2016 bis 23.01.2017.

Die Klägerin befand sich am 21.10.2016 in der 10. Schwangerschaftswoche. Der behandelnde Gynäkologe stellte als voraussichtlichen Geburtstermin den 20.05.2017 fest. Mutterschutz sollte danach am 08.04.2017 beginnen.

Die Antragstellerin hatte Auseinandersetzungen mit ihrem Freund, sodass sie sich am 02.12.2016 entschloss, nach A-Stadt ins Frauenhaus zu ziehen. Zu diesem Zweck schloss sie an diesem Tag mit dem Frauenhaus A-Stadt einen Mietvertrag über ein möbliertes Zimmer ab. Die Miete betrug bis zum 31.12.2016 6,00 EUR täglich sowie ab dem 01.01.2017 6,50 EUR täglich.

Die Antragstellerin beantragte am 02.12.2016 bei den Beigeladenen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Sie verfügte über kein Vermögen; Arbeitslosengeld sollte beantragt werden. Der Beigeladene teilte ihr mit Bescheid vom 29.12.2016 mit, dass sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II ausgeschlossen sei. Da das Bundessozialgericht mit Urteilen von 03.12.2015 und 20.10.2016 jedoch entschieden habe, dass möglicherweise Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII zu gewähren seien, leitete er den Antrag an den zuständigen Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch XII weiter.

Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 07.02.2016 Leistungen zur vorübergehenden Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 02.12.2016 bis 09.03.2017 i. H. v. insgesamt 1.004,29 EUR sowie Fahrtkosten für die Rückreise nach Polen i. H. v. 75,-EUR. Im Übrigen lehnte er den Antrag der Antragstellerin ab. Er war der Ansicht, dass die Antragstellerin aus Polen nach Deutschland zu dem Zwecke eingereist sei, um Sozialhilfe zu erlangen bzw. zum Zweck der Arbeitssuche erfolgt sei. Die Antragstellerin sei bei der Einreise nach Deutschland nicht in der Lage gewesen, ihren Aufenthalt aus Deutschland aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Der Antragsgegner war der Ansicht, dass ein Anspruch auf laufende Leistungen der Sozialhilfe nicht gegeben sei.

Er könne jedoch Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gewähren, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt sei. Die Gewährung von Sozialhilfe als Ermessensleistungen käme in eng begrenzten Ausnahmefällen wie etwa in Form von Überbrückungsleistungen, welche insbesondere die Übernahme der Kosten für die Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts in Deutschland umfasse, in Betracht. In Abwägung des Interesses der Antragstellerin zur Sicherung des Lebensunterhalts und dem öffentlichen Interesse am sparsamen Umgang mit öffentlichen Geldern bewilligte er die oben genannten Leistungen. Die Gewährung darüber hinausgehende Leistungen lehnte er ab.

Die Antragstellerin legte mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 02.03.2017 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Der Widerspruch richtete sich zunächst gegen die Befristung der Leistungsgewährung bis zum 09.03.2017. Sie behauptete, dass sie seit dem 09.03.2016 unfreiwillig arbeitslos sei. Sie sei zudem wegen der derzeit bestehenden Schwangerschaft nicht in der Lage eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Zudem sei sie durch die Zuflucht im Frauenhaus ebenfalls an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert. Sie war der Ansicht, dass ein EU-Bürger nach mehr als einjähriger Erwerbstätigkeit über die Dauer von insgesamt zwei Jahren seine Arbeitnehmereigenschaft behalte. Sie sei wegen ihrer Schwangerschaft und den damit verbundenen regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen dringend auf die weitere Leistungsgewährung angewiesen.

Das Girokonto der Antragstellerin wies am 02.03.2017 einen Sollsaldo von 2,47 EUR auf. Am 08.03.2017 ging ein Betrag von 1.000,-EUR in Form einer Unterstützungszahlung der Bundesstiftung Mutter und Kind des pro familia Landesverbands Hessen auf dem Konto der Antragstellerin ein.

Der Antragsgegner zahlte zwischenzeitlich Beträge an die Krankenkasse der Antragstellerin für Januar und Februar 2017 sowie die Mietkosten für Februar 2017 nach. Er teilte dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 21.03.2017 abschließend telefonisch mit, dass keine weitere Leistungsgewährung erfolgen wird. Die Antragsgegnerin leitete im Anschluss ein Verfahren zur Aberkennung der Freizügigkeit ein und hörte die Antragstellerin dazu an.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24.03.2017 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim erkennenden Gericht gestellt.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 27.03.2017 den zuständigen Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch II beigeladen.

Die Antragstellerin widersprach der Ansicht des Antragsgegners, dass sie zum Zwecke der Erlangung von Sozialhilfe oder zur Arbeitssuche nach Deutschland eingereist sei. Grund für die Einreise sei vielmehr das Zusammenleben mit ihrem Freund gewesen. Dass sie nicht zum Zwecke der Erlangung von Sozialhilfe eingereist sei, ergäbe sich aus den ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Sie habe selbst für ihren Unterhalt gesorgt. Der Antrag im Dezember 2016 sei lediglich aus dem Grunde erfolgt, dass sie vor ihrem gewalttätigen Freund in das Frauenhaus geflüchtet sei.

Sie ist der Ansicht, dass sie ein Aufenthaltsrecht aus der Arbeitnehmereigenschaft, welches sich aus der 16-monatigen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung folge, besitze und nicht zum Zwecke der Arbeitssuche. Ihr sei das Aufenthaltsrecht von der zuständigen Ausländerbehörde noch nicht entzogen worden. Die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II sei nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen. Zumindest greife jedoch ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Ein Anspruchsausschluss nach § 23 Abs. 3 SGB XII bestehe nicht. Zudem sei die Klägerin seit dem 09.03.2017 nicht mehr krankenversichert, der Versicherungsschutz wirke nach § 19 Abs. 2 SGB V maximal einen Monat nach.

Die Antragstellerin reiste vom 13.04.2017 bis 19.04.2017 gemeinsam mit ihrem ehemaligen Freund nach Polen; die Kosten für diese Reise brachte ihr Freund auf. Dort schloss sie mit ihm am 14.04.2017 die Ehe. Sie ist der Ansicht, dass der Beigeladene für die Leistungsgewährung ab dem 19.04.2017 zuständig ist, da nun eine Beendigung des Aufenthalts der Antragstellerin nicht mehr zu befürchten sei. Sie ist der Ansicht, dass es sich bei der Unterstützungszahlung der Bundesstiftung Mutter und Kind des pro familia Landesverbands Hessen um eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege handele.

Am 11.04.2017 bekam die Antragstellerin Einkommenssteuer i. H. v. 161,30 EUR erstattet. Ihr Ehemann bezog Arbeitslosengeld i. H. v. 692,70 EUR monatlich; Nachweise über das Einkommen und Vermögen ihres Ehemanns in Form von Kontoauszügen legte die Antragstellerin für den Zeitraum ab dem 13.04.2017 nicht vor.

Die Antragstellerin beantragt,
1. den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch XII zu gewähren. Hilfsweise,
2. den Beigeladenen zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen und auszuzahlen

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, dass Leistungen für die Antragstellerin nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen seien. Es greife lediglich ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche, sodass der Leistungsausschluss greife. Eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 FreizügG/EU ergäbe sich zudem nicht aus der Arbeitnehmereigenschaft, da die Antragstellerin bereits seit dem 05.02.2016 arbeitslos ist. Ein Verlängerungstatbestand nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU greife nicht, da das Aufenthaltsrecht nur bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit greife. Dafür sei jedoch eine ununterbrochene und durchgängige Tätigkeitsdauer erforderlich. Bei unfreiwilliger durch die Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit nach weniger als ein Jahr Beschäftigung bleibe das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU für die Dauer von sechs Monaten unberührt. Diese Frist sei jedoch bereits am 04.08.2016 abgelaufen. Zudem bestehe ein fünfjähriger Aufenthalt in Deutschland, da die Klägerin erst im Januar 2014 nach Deutschland eingereist sei. Der Antragsgegner bestreitet zudem die örtliche Zuständigkeit, da er davon ausgeht, dass sich die Antragstellerin nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich aufhalte.

Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen des Antragsgegners an, stellt jedoch keinen eigenen Antrag. Er ist der Ansicht, dass die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen ist. Sie besitze keinen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU. Er ist der Ansicht, dass die Antragstellerin weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Zudem ist er der Ansicht, dass nach der Heirat zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft bestehe. Diese könne auch bei Ehen ohne gemeinsamen räumlichen Lebensmittelpunkt vorliegen, sodass auch das Einkommen und Vermögen des Ehemanns zu berücksichtigen seien. Nach seiner Ansicht sei die Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen.

II.

Vorliegend richtet sich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da in der Hauptsache die statthafte Klageart die Leistungsklage ist und die Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt begehrt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 938, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund.

Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind - unter Beachtung der Grundsätze der objektiven Beweislast - glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -); die richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a. a. O., Rn. 16b). Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage allerdings nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen.

I. Der Antrag der Antragstellerin richtet sich nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG, da der Antragsteller die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw. Sozialhilfe für den Zeitraum 24.03.2017 bis 30.05.2017 begehrt.

II. Für den Zeitraum 24.03.2017 bis 09.04.2017 besteht bereits kein Anordnungsgrund der Antragstellerin. Durch den Zufluss der Unterstützungsleistung der Bundesstiftung Mutter und Kind i. H. v. 1.000,-EUR ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen für diesen Zeitraum wesentliche Nachteile abzuwenden sind. Zwar mag es nach den Regelungssystemen des Sozialgesetzbuch II und Sozialgesetzbuch XII nicht um zu berücksichtigendes Einkommen handeln, jedoch können von diesem Betrag sowohl der Lebensunterhalt der Antragstellerin als auch die Kosten der Unterkunft für diesen Zeitraum getragen werden, sodass vor diesem Hintergrund bereits keine Eilbedürftigkeit ersichtlich ist. Für den nachfolgenden Zeitraum scheitert der Anspruch jedoch bereits entgegen der Ansicht des Antragsgegners und des Beigeladenen nicht an dem fehlenden Anordnungsgrund. Insofern streiten die Beteiligten um existenzsichernde Leistungen für eine schwangere Frau. Vor diesem Hintergrund drohten bei jedenfalls bezüglich des bei Antragstellung ab dem 10.04.2017 fehlenden Krankenversicherungsschutzes der Antragstellerin als auch der elementaren Existenzsicherung wesentliche Nachteile, die durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung hätten abgewendet werden können.

III. Dabei ist vorliegend zwischen verschiedenen Zeiträumen und Sozialleistungsträgern zu unterscheiden. Der Antragstellerin steht für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gegen den Beigeladenen kein Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) zu. Sie ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a) bzw. b) SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II für den Zeitraum 24.03.2017 bis 12.04.2017 ausgeschlossen (dazu unter 1.). Ein Anspruch ab dem 13.04.2017 bis zum 19.04.2017 steht nach § 7 Abs. 4a SGB II ihr Aufenthalt in Polen und damit ihre Ortsabwesenheit entgegen (dazu unter 2.). Ein Anspruch nach dem § 7 SGB II steht zudem ab dem 13.04.2017 die nicht nachgewiesene Bedürftigkeit entgegen (dazu unter 3.).

1. Die Antragstellerin ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a) bzw. b) SGB II für den Zeitraum 24.03.2017 bis 12.04.2017 von Leistungen ausgeschlossen, da sie über kein Aufenthaltsrecht bzw. lediglich über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche verfügt. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU besteht ein Aufenthaltsrecht bei unfreiwilliger, durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Vorliegend konnte die Antragstellerin keine Tätigkeit von mehr als einem Jahr vorweisen. Dabei ist zwar nicht erforderlich, dass es sich um eine ununterbrochene Beschäftigung handelt. Vielmehr wird man mehrere Beschäftigungen zusammenrechnen können (so auch BeckOK AuslR/Tewocht FreizügG/EU, § 2 Rn. 52). Dabei ist zur Gewährleistung der Effektivität der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch keine Nahtlosigkeit zu verlangen (so auch Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 31.03.2016, Az.: S 18 AS 4381/15; Revision anhängig beim Bundessozialgericht unter Az.: B 4 AS 17/16 R). Jedoch müssen diese Beschäftigungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei der Begriff des "engen zeitlichen Zusammenhang" nicht durch eine starre zeitliche Grenze definiert werden kann, sondern die Umstände des Einzelfalls dafür ausschlaggebend sind. Regelmäßig wird der enge zeitliche Zusammenhang in einem Zeitraum von 4 - 6 Wochen liegen, kann jedoch im Einzelfall auch enger oder weiter ausgelegt werden. Die Vorschriften über das Bestehen des Freizügigkeitsrechts sind insoweit weit auszulegen um den europarechtlichen Grundfreiheiten so weit wie möglich Geltung zu verschaffen (Anschluss an SG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.2016, Az.: S 18 AS 4381/15 - juris - Rn. 16). Zur Begründung ist darauf zu verweisen, dass auch systematische Erwägungen gegen das Erfordernis einer durchgängigen Beschäftigung von mehr als einem Jahr sprechen, denn eine ununterbrochene Erwerbstätigkeit wird lediglich Art. 17 Abs. 1 lit. C RL 2004/38 EG in einem anderen Kontext ausdrücklich verlangt, in Art. 7, 14 RL 2004/38 EG nicht. Insofern ergibt sowohl der Wortlaut der Richtlinie als auch von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU kein eindeutiges Bild, sodass aus systematischen und teleologischen Erwägungen eine weite Auslegung der "Tätigkeit von mehr als einem Jahr" vorzunehmen ist (Anschluss an Leopold in jurisPK-SGB II, § 7 SGB II Rn. 99.12).

Die Antragstellerin übte jedoch selbst bei weitester Auslegung lediglich über Tätigkeiten in einem engen zeitlichen Zusammenhang von jeweils 8 Monaten im Jahr 2014 sowie 9 Monaten im Jahre 2015 und einem Monat im Jahr 2016 aus. Es stehen insofern die letzte Beschäftigung im Jahre 2014 sowie die erste Beschäftigung im Jahr 2015 und die letzte Beschäftigung im Jahre 2015 sowie die letzte Beschäftigung im Jahre 2016 nicht mehr in einem engen zeitlichen Zusammenhang. Nach dem Sinn und Zweck soll das Freizügigkeitsrecht nicht dadurch erlöschen, sofern zwischen zwei Tätigkeiten lediglich eine kurzzeitige, sozialübliche Unterbrechung besteht, weil lediglich dann eine Tätigkeit von mehr als einem Jahr besteht. Eine solche kurzzeitige, sozialübliche Unterbrechung ist vor dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU, der auf eine zeitnahe Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zielt, jedenfalls im Regelfall - Ausnahmen sind vorliegend nicht vorgetragen - dann nicht mehr gegeben, sofern die Unterbrechung länger als sechs Wochen dauert. Die jeweilige Arbeitnehmerin aus dem europäischen Ausland wird auch nicht schutzlos gestellt, vielmehr erlangt sie durch die jeweilige Tätigkeit ein Freizügigkeitsrecht von der Dauer von sechs Monaten, in der grundsätzlich Aussicht besteht, eine erneute Beschäftigung zu finden. Dies gilt insofern auch, sofern man sogar den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Beschäftigungen im Jahre 2015 und 2016 bejahen würde, da jedenfalls diese Zeitspanne auch nicht mehr als 10 Monate betrug und somit auch vor diesem Hintergrund keine Tätigkeit von mehr als einem Jahr besteht.

Die Antragstellerin ist auch erst im Januar 2014 nach Deutschland eingereist, sodass sie die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU nicht erfüllt. Auch die Voraussetzungen nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU sind nicht erfüllt.

2. Die Antragstellerin war in den Zeitraum 13.04.2017 bis 19.04.2017 ungenehmigt ortsabwesend, sodass sie in diesem Zeitraum nach § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sind. Insofern kann das Gericht auch keinen wichtigen Grund erkennen, der eine Hochzeit in Polen erforderlich machte. Auch in Deutschland kann durchaus die Ehe geschlossen werden.

3. Die Antragstellerin hat für den Zeitraum 13.04.2017 bis zum 30.05.2017 nicht nachgewiesen, dass sie bedürftig war. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts scheitert der Anspruch der Antragstellerin jedoch nicht an der fehlenden Antragstellung. Vielmehr wird der Antrag im Eilverfahren auch als Antrag nach § 37 SGB II auszulegen haben.

Jedoch bildet sie mit ihrem Ehemann - worauf der Beigeladene hingewiesen hat - eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II. Insofern hängt die Einstufung als Bedarfsgemeinschaft nicht davon ab, ob die Antragstellerin mit ihrem Ehemann bereits zusammengezogen ist. Sie lebte insbesondere nicht von ihrem Ehemann seit der Heirat dauernd getrennt. Ein "dauerndes Getrenntleben" liegt nicht schon bei räumlicher Trennung vor, sondern lediglich dann, wenn einer der Ehepartner die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt und das Eheband lösen will (so Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Juni 2010 - L 6 AS 494/10 B ER -, Rn. 13, juris). Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie mit ihrem Ehemann nach einer Wohnung sucht, sodass bereits eine Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht vorliegt. Insofern war bei der Antragstellerin auch das Einkommen und Vermögen ihres Ehegatten zu berücksichtigen. Sie war insofern beweispflichtig. Insofern ist anerkannt, dass auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der objektiven Beweislast gilt. Danach trägt bei objektiver Beweislosigkeit nach Ausschöpfung aller Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts diejenige die Folgen der Nichtfeststellbarkeit einer Tatsache, die aus dieser Tatsache ein Recht herleiten möchte (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Auflage 2016, III. Kapitel, Rn. 27).

Die Antragstellerin war insoweit hinsichtlich ihrer Bedürftigkeit in diesem Zeitraum beweisbelastet. Trotz der gerichtlichen Schreiben vom 24.04.2017, 03.05.2017 und 18.05.2017 hat die Antragstellerin keine Nachweise über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihres Ehemanns für den Zeitraum vom 20.04.2017 bis 30.05.2017 vorgelegt. Alleine die Vorlage des Bescheides über die Bewilligung von Arbeitslosengeld sowie der Mitteilung, dass der Ehemann in einer Obdachlosenunterkunft in Darmstadt wohnt, ist zur Belegung der Bedürftigkeit nicht ausreichend. Dazu hätten laufende Kontoauszüge des Kontos des Ehemanns vorgelegt werden müssen, insbesondere da im Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit ein weiteres Konto angegeben ist, auf welches die Überweisung des Arbeitslosengeldes erfolgte, und welches nicht mit dem Konto der Antragstellerin identisch ist. Nach Ansicht des Gerichts bildet die Antragstellerin mit ihrem Ehemann zudem bereits ab dem 13.04.2017 eine Bedarfsgemeinschaft, da beide an diesem Tag gemeinsam nach Polen gereist sind, um dort zu heiraten.

III. Ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Hilfe zum Lebensunterhalt scheitert daran, dass die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch einfachgesetzlich nicht gegeben sind. Hilfe zum Lebensunterhalt ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können (§ 19 Abs. 1 i. V. m. § 27 SGB XII).

1. Ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ist bereits nicht durch § 21 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Das Bundessozialgericht hat jedoch bereits in seiner Entscheidung vom 03.12.2015, Az: B 4 AS 44/15 R, entschieden, dass die Anwendungssperre des § 21 SGB XII nicht nur bei Erwerbsfähigkeit, sondern auch bei anderen Leistungsausschlüssen dem Grunde nach nicht greift. Danach gilt im Grundsatz für die Systemzuweisung auf Grund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystems des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird. Dies gelte für den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entsprechend.

2. Durch die Neuregelung des § 23 SGB XII durch den Gesetzgeber ab dem 29.12.2016 ist die Antragstellerin auch im Bereich des Sozialgesetzbuch XII nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von Leistungen nach diesem Gesetzbuch, insbesondere von Leistungen im Ermessenswege ausgeschlossen. Es wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter II. 1. verwiesen.

3. Es besteht zudem kein Anspruch der Antragstellerin nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII. Danach besteht ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise der hilfebedürftigen Ausländerin, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat um den Zeitraum zur Ausreise zu überbrücken. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist es innerhalb eines Monats möglich, innerhalb der EU eine angemessene Rückreisemöglichkeit zu finden (BT-Drucks. 18/10211). Der Erhalt von Überbrückungsleistungen setzt jedoch voraus, dass bei der Ausländerin zumindest der Wille zur Ausreise sowie ggf. ein Ausreisetermin vorhanden sein muss (Anschluss an SG München, Beschluss vom 30. Januar 2017, Az.: S 40 AS 3074/16 ER - Rn. 47, juris). Die Antragstellerin ist jedoch zur Durchführung ihrer Heirat nach Polen gefahren und danach unmittelbar nach Deutschland zurückgekehrt. Sie besaß somit gar nicht den Willen, dauerhaft in ihr Heimatland zurückzukehren, sodass sie keine Überbrückungsleistungen erhalten kann. Insofern kommt auch eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 6 1. HS SGB XII nicht in Betracht, da die Gewährung dieser Leistungen an eine Leistungsberechtigung nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII anknüpft, die jedoch nach den vorstehenden Ausführungen nicht gegeben ist. Gleiches gilt für Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 2. HS SGB XII, auch diese Leistungen knüpfen an eine grundsätzlich bestehende Leistungsberechtigung nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII an. Beide Alternativen setzen zudem voraus, dass zur Überwindung eine besondere Härte sowie besondere Umstände vorliegen müssen. Dabei handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich voll überprüfbar sind. Insofern lagen zwar nach Auffassung des Gerichts bei der Antragstellerin auf Grund ihrer Schwangerschaft grundsätzlich besondere Umstände vor, die eine Leistungsbewilligung zur Überwindung besonderer Härte erforderlich gemacht hätten. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen besondere Umstände jedoch nur dann gegeben, sofern der jeweiligen Leistungsberechtigten derzeit die Ausreise in ihr Heimatland unzumutbar oder unmöglich erscheint. Die Antragstellerin konnte jedoch im April 2017 noch nach Polen fahren und dort ihren Freund heiraten, sodass von einer Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Ausreise gerade nicht auszugehen ist.

IV. Insofern ist eine Entscheidung im Rahmen einer Folgenabwägung zu treffen, auch danach waren der Antragstellerin keine Leistungen zuzusprechen.

1. Unter Berücksichtigung den obigen Ausführungen, wonach ein Anspruch nach § 7 Abs. 1 SGB II und § 19 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 27 SGB XII nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen ist und auch ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen nicht in Betracht kommt, sodass ein Anordnungsanspruch nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Jedoch erscheint es möglich, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegt. Insofern war auch nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts von 03.12.2015 (Az.: B 4 AS 44/15 R; B 4 AS 59/13 R) und 16.12.2015 (Az.: B 14 AS 15/14 R; B 14 AS 18/14 R; B 14 AS 33/14 R) immer noch streitig, ob vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG, die Antragsteller auf eine Rückkehr in ihr Heimatland verwiesen werden können. Insofern wird vertreten, dass jedenfalls bei einer verfestigten Aufenthalt die Rückkehrmöglichkeit nicht dem "Ob" der Leistungsgewährung entgegengehalten werden kann (Greiser in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Anhang zu § 23, Rn. 119.6). Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts erklärt Art. 1 Abs. 1 GG die Würde des Menschen unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt sie zu achten und zu schützen. Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenen Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, Az. 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris - Rn. 63). Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu (BVerfG, aaO). Dabei erstreckt sich der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum, kann aber lediglich dem Grunde nach aus der Verfassung abgeleitet werden. Sein genauer Umfang kann jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden, sondern benötigt seine Konkretisierung durch den Gesetzgeber.

Insofern war und ist in der Rechtsprechung umstritten, ob aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG auch ableitbar ist, dass ein Ausländer ohne Aufenthaltsrecht bzw. lediglich mit einem Aufenthaltsrecht alleine zum Zwecke der Arbeitssuche einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen herleiten kann. Ob ein gesamter Leistungsausschluss verfassungsrechtlich zulässig ist, ist verfassungsrechtlich ungeklärt und auch nach der Gesetzesänderung umstritten (SG Dortmund, Beschluss vom 31.01.2017, Az.: S 62 SO 628/16 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017, Az.: L 23 SO 30/17 B ER; a. A. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Februar 2017 - L 8 SO 344/16 B ER - juris - Rn. 41, SG Kassel, Beschluss vom 21.02.2017, Az.: S 12 SO 8/17 ER). Diese umstrittene Rechtsfrage ist auch nicht durch die Änderung des Sozialgesetzbuchs XII sowie weiterer Gesetze mit Wirkung ab dem 29.12.2016 beantwortet worden, sondern wird sich insofern lediglich durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts klären lassen. Für § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hat das Sozialgericht Mainz mit Beschluss vom 18.04.2016, Az.: S 3 AS 149/16 diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt, eine Entscheidung wurde diesbezüglich noch nicht getroffen. Dieselben Rechtsfragen stellen sich auch nach der Änderung des Sozialgesetzbuchs XII.

2. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist der Antragstellerin auf Grund der nicht nachgewiesenen Bedürftigkeit ab dem 13.04.2017 auch nicht im Rahmen einer Folgenabwägung kein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen zuzusprechen. Im Rahmen der Folgenabwägung scheitert jedoch ein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Anspruch für März 2017 an dem fehlenden Anordnungsgrund (dazu unter a)). Für April 2017 ergibt sich aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten durch die Steuererstattung von 161,30 EUR kein Leistungsanspruch (dazu unter b)).

a) Das Gericht ist insoweit der Auffassung, dass in einer Folgenabwägung nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG die Leistungen der Höhe auf das physische Existenzminimum zu begrenzen sind. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 09.02.2010 gehören zur physischen Existenz des Menschen Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rn. 135). Insofern sind die Regelbedarfe nach § 5 Abs. 1 aus den Abteilungen 1 - 3 sowie 6 einzubeziehen. Es ergibt sich somit ein monatlicher Betrag von 187,26 EUR sowie die Kosten für Unterkunft und Heizung. Für März 2017 ergibt sich insoweit ein grundsätzlich bestehender Anordnungsanspruch der Antragstellerin auf Hilfe zum Lebensunterhalt i. H. v. 49,94 EUR sowie für die Kosten der Unterkunft i. H. v. 45,50 EUR. Anzurechenbares Einkommen ist der Antragstellerin für den Zeitraum vom 24.03.2017 bis 31.03.2017 ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge nicht zugeflossen. Insofern kam es auf der vom Bevollmächtigten aufgeworfenen Frage, ob es sich bei der Unterstützungszahlung i. H. v. 1.000,-EUR, die der Antragstellerin am 08.03.2017 zugeflossen ist, um Einkommen handelt, nicht an, da sie jedenfalls nicht im streitgegenständlichen Zeitraum zugeflossen ist.

Jedoch ist auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Erwägungen zu beachten, dass neben dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auch ein Anordnungsgrund vorliegen muss. Zwar kann der Antragstellerin ein Anordnungsgrund für diesen Zeitraum nicht abgesprochen werden, dass die Notlage für den streitgegenständlichen Zeitraum im März 2017 zum Zeitpunkt des gerichtlichen Beschlusses im Eilverfahren nicht mehr besteht. Zur Wahrung von effektivem Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG ist es insofern ausreichend, bei Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen, da sie auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung selbst keinen Einfluss nehmen kann. Jedoch schließt die Unterstützungszahlung der Bundesstiftung Mutter und Kind des pro familia Landesverbands Hessen auf dem Konto der Antragstellerin von 1.000,-EUR auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen einen Anordnungsgrund aus, da insoweit unzumutbare Nachteile für die Antragstellerin nicht dargelegt sind.

b) Für April 2017 würde sich nach den vorstehenden Ausführungen somit ein Leistungsanspruch i. H. v. 74,90 EUR sowie für die Kosten der Unterkunft i. H. v. 78,-EUR ergeben; dem steht jedoch ein anrechenbares Einkommen i. H. v. 161,30 EUR entgegen, sodass der Antragstellerin auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Leistungen für April 2017 zuzusprechen ist. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, dass ihr im Zeitraum vom 01.04.2017 bis 13.04.2017 krankheitsbedingte Kosten entstanden sind. Zudem besaß sie gemäß § 19 Abs. 5 SGB V bis zum 09.04.2017 nachwirkenden Krankenversicherungsschutz, sodass sie jedenfalls auch diesbezüglich keine wesentlichen Nachteile dargelegt hat.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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