L 23 SO 236/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 SO 2516/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 236/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 14/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Az. der Zurückverweisung:L 23 SO 20/20 ZVW
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Gewährung von ergänzenden Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) ab Juni 2007.

Der 1936 geborene Kläger ist mit Frau I F verheiratet, von der er seit 1982 getrennt lebt. Er bezog eine Altersrente in Höhe von 535,80 netto monatlich im Juni 2007 sowie 538,67 Euro netto ab Juli 2007 und ab Juli 2011 i.H.v. 565,49 Euro.

Seit November 1982 bewohnt der Kläger zusammen mit Frau B W eine 71,22 m2 große Zweizimmerwohnung, deren Mieterin allein Frau W ist. Seit dem 1. August 1983 wird der Kläger bei der Hausverwaltung als Untermieter geführt. Für die Wohnung war im Jahre 2007 eine Miete in Höhe von 404,53 Euro zuzüglich Vorauszahlungen für die Betriebskosten in Höhe von 138,88 Euro und für die Wärmeversorgung in Höhe von 91,33 Euro, mithin eine Gesamtmiete in Höhe von 634,74 Euro im Monat zu zahlen. Die Mietkosten waren im Oktober 2011 auf 730,23 Euro gestiegen (Grundmiete: 457,23 Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 143,86 Euro, Vorauszahlung für die Wärmeversorgung: 129,23 Euro).

Im November 2002 hatte der Kläger erstmals beim Beklagten die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) beantragt und im Antragsbogen, der auch von Frau W unterschrieben worden war, das Feld "Partner(in) in eheähnlicher Gemeinschaft” mit blauer Farbe angekreuzt. Im Antrag auf unbare Zahlung hatte er die Überweisung der Leistungen auf ein Konto der Frau W beantragt. Auf eine entsprechende Nachfrage des Beklagten erklärte der Kläger, Frau W sei nicht bereit, ihre finanziellen Verhältnisse offen zu legen, da sie einen streng finanziell getrennten Haushalt führten.

Der Kläger hatte ferner eine zwischen ihm und Frau W geschlossene schriftliche Vereinbarung vorgelegt, die auf den 15. Juli 2002 datiert und mit "Untermietvertrag" überschrieben ist. In dieser heißt es " ...seit Einzug (1982) [ ][ist] folgendes vereinbart und vollzogen worden: Zu der von Frau W gemieteten Wohnung [ ...] zahlt Herr F 50 % der gesamten Kosten (Betriebskosten, Heizkosten, Grundmiete) hinzu. Weiterhin ist zwischen den Parteien vereinbart, dass alle weiteren die Wohnung betreffenden Kosten und der Lebensunterhalt ebenfalls zu jeweils 50 % geteilt werden."

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Mai 2003 hatte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem GSiG mit der Begründung abgelehnt, dass das Einkommen des Klägers den sich aus dem Regelsatz und der Hälfte der Miete errechneten Bedarf um 28,99 Euro überschreite.

Am 18. Juni 2007 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII. Dabei erklärte er wiederum, Frau W - seine Vermieterin - lehne die Offenlegung ihrer finanziellen Verhältnisse weiterhin ab, da sie einen streng getrennten finanziellen Haushalt führten. Im Antragsbogen wurde das Wort "Lebenspartner/in” unterstrichen und angegeben, dass die Hauptmieterin bzw. Lebensgefährtin Angaben ablehne. Im Antrag auf unbare Zahlung wurde erneut die Überweisung der Leistungen auf ein Konto von Frau W beantragt. Mit Bescheid vom 12. Juli 2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er unter anderem vortrug, er habe das Wort "Lebenspartnerin” im Antragsbogen unterstrichen, da er den Antrag habe vollständig ausfüllen müssen und die einzige Alternative "Ehepartner" gewesen sei. Zudem vertrat er die Auffassung, dass eine Lebensgemeinschaft zweier Menschen noch keine Wirtschaftsgemeinschaft begründe. Der Kläger legte ferner eine Erklärung von Frau W vom 5. September 2007 vor, in der diese ausführte, nicht bereit zu sein, den Kläger zu unterstützen, das gelte insbesondere für seinen Lebensunterhalt. Sie lehne es auch ab, in diesem Zusammenhang Unterlagen auszuhändigen oder vorzulegen.

Der Beklagte führte daraufhin am 9. Oktober 2007 einen Hausbesuch in der Wohnung des Klägers durch, über den ein Protokoll vom 11. Oktober 2007 gefertigt wurde. Diesem zufolge handelte es sich um eine Zweizimmerwohnung mit einem Wohnzimmer nebst Essecke und einem Schlafzimmer mit einem Kleiderschrank und einem Doppelbett, das für zwei Personen hergerichtet war. Im Kleiderschrank seien die Textilien beider Herrschaften untergebracht gewesen. Eine Trennung von Gegenständen jeglicher Art in der Wohnung sei nicht erkennbar gewesen, auch eine räumliche Trennung habe nicht vorgelegen. In einem "Zusatz zum Prüfbericht vom 11.10.2007" (Schreiben vom 13. Juni 2008) teilt der Prüfdienstmitarbeiter mit, dass er den geöffneten Kleiderschrank in Augenschein habe nehmen dürfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2008 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2008 erhob der Kläger am 18. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 51 SO 433/08. In der mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2011 hörte die 51. Kammer Frau W als Zeugin zu der Frage an, ob zwischen ihr und dem Kläger eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe. Dabei legte diese eine schriftliche Erklärung vor, ausweislich derer sie nicht willens und in der Lage sei, den Kläger zu unterhalten. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie, den Kläger nicht unterstützen zu können und zu wollen, eine Zeugenvernehmung sei nicht notwendig; notfalls müsse der Kläger ausziehen, so einfach sei das für sie. Mit Urteil vom 10. Oktober 2011 wies die 51. Kammer des Sozialgerichts Berlin die Klage ab. Dagegen legte der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) zum Aktenzeichen L 15 SO 275/11 ein. In diesem Berufungsverfahren legte er als Darlehen bezeichnete Vereinbarungen mit Frau W aus April 2008 über 2.000,00 Euro, aus November 2008 über 1.000,00 Euro, aus Dezember 2009 über 1.350,00 Euro, aus Dezember 2010 über 1.600,00 Euro und aus Dezember 2011 über 1.100,00 Euro vor.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem 15. Senat des LSG am 17. Juli 2014 erklärte der Beklagte, den Bescheid vom 12. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2008 aufzuheben und über den Antrag des Klägers vom 18. Juni 2007 erneut zu entscheiden. Der Kläger nahm dieses Teilanerkenntnis des Beklagten an und die Berufung im Übrigen zurück. Die auch zu diesem Termin als Zeugin geladene Frau W überreichte Unterlagen, aus denen die Höhe ihrer Renteneinkünfte seit 2002 ersichtlich ist. Danach betrug ihre Nettorente ab 1. Juli 2007 monatlich 1.047,81 Euro, ab 1. Juli 2011 monatlich 1.088,40 Euro. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf Blatt 245 bis 270 des Verwaltungsvorgangs. Bereits am 31. Oktober 2011 hatte der Kläger beim Beklagten einen Neuantrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gestellt.

Der Beklagte lehnte den Antrag vom 31. Oktober 2011 mit Bescheid vom 13. Januar 2012 ab. Dagegen legte der Kläger am 25. Februar 2012 mit nicht unterschriebenem Fax-Schreiben Widerspruch ein. Auf den Einwand des Beklagten, dass der per Fax übersandte Widerspruch aus seiner Sicht aufgrund der fehlenden Unterschrift unwirksam sei, teilte der Kläger mit, das Fax sei ihm jedenfalls zuzuordnen, hilfsweise beantrage er Überprüfung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und höchsthilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheides vom 13. Januar 2012 mit der Begründung ab, dass der Ablehnungsbescheid vom 13. Januar 2012 im Ergebnis rechtmäßig sei. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2013 zurück.

Der Kläger hat mit Klageschrift vom 1. Oktober 2013 am 2. Oktober 2013 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben, mit der er sich zunächst gegen den Bescheid vom 13. Januar 2012 und den Bescheid vom 18. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2013 gewandt hat.

Mit Bescheid vom 11. September 2014 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 18. Juni 2007 auf Gewährung von ergänzenden Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII mit der Begründung ab, zwischen dem Kläger und Frau W bestehe eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit der Folge, dass das Renteneinkommen der Frau W, das deren eigenen Grundsicherungsbedarf übersteige, auf den Bedarf des Klägers anzurechnen sei. Im Ergebnis verfügten der Kläger und Frau W über ein ihren aus den Regelsätzen und den tatsächlichen Mietkosten bestehenden Bedarf übersteigendes Einkommen in Höhe von 381,80 Euro im Monat.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 1. Oktober 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Düsseldorf vom 30. September 2005 - S 35 AS 146/05 - aus, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten bereits deswegen rechtswidrig sei, weil er noch verheiratet sei und deshalb nicht gleichzeitig in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft leben könne. Eine entgegengesetzte Auffassung verstoße gegen Artikel 6 des Grundgesetzes und § 5 Ehegesetz. Darüber hinaus nehme er Bezug auf sein gesamtes Vorbringen in dem vorangegangenen Prozess.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2014 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.

Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 2014, eingegangen noch im Dezember 2014, Klage zum SG Berlin erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 begehrt. Das SG Berlin hat diese Klage als Klageänderung im hiesigen Verfahren angesehen und für sachdienlich erachtet. Die Beteiligten haben in der Folge zum Inhalt dieser Bescheide verhandelt.

Mit Bescheid vom 24. April 2015 hat der Beklagte den Bescheid vom 13. Januar 2012 und den Bescheid vom 18. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2013 aufgehoben.

Der Kläger hat vor dem SG den Antrag gestellt, den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab dem 1. Juni 2007 ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII zu gewähren.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Bescheide beantragt, die Klage abzuweisen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2016 abgewiesen.

Streitgegenständlich sei nur noch der Bescheid des Beklagten vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014.

Die Klageänderung sei zulässig, der Beklagte habe sich auf die geänderte Klage eingelassen. Zudem sei die Klageänderung sachdienlich.

Die zulässige Klage habe in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung ergänzender Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII ab dem 1. Juni 2007.

Der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt hilfebedürftig gewesen, weil unter Einbeziehung des Einkommens der Frau W kein im Rahmen des SGB XII berücksichtigungsfähiger Bedarf an ergänzenden Leistungen der Grundsicherung im Alter beim Kläger verbleibe.

Zwischen dem Kläger und Frau W bestehe eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, die über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehe. Dem stehe nicht bereits die fortbestehende Ehe des Klägers mit Frau I F entgegen. Auch wenn der Kläger wegen des Fortbestehens dieser Ehe gegenwärtig keine neue Ehe eingehen könne, bedeute dies angesichts des mehr als dreißigjährigen Getrenntlebens von seiner Ehefrau nicht, dass er nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft leben könne. Der ausschließlich monogame Charakter der von dem Kläger und Frau W gelebten Lebensgemeinschaft stehe durch die fehlende Scheidung der Ehe des Klägers nicht in Frage.

Für das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau W spreche zunächst die mehr als dreißigjährige Dauer des Zusammenlebens in der gemeinsamen Wohnung. Dem Umstand, dass der Kläger lediglich Untermieter von Frau sei, komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Auch ein Ehegatte müsse nicht Mitmieter einer Wohnung sein. Im Falle des Todes des Mieters trete der Ehegatte, der selbst nicht Mieter der Wohnung sei, nach § 563 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in das Mietverhältnis ein, wenn er mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Haushalt geführt habe. In gleicher Weise trete eine Person im Falle des Todes des Mieters nach § 563 Absatz 2 Satz 4 BGB in das Mietverhältnis ein, die mit dem verstorbenen Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt habe.

Hinzu komme, dass die gesamten Einkünfte des Klägers auf ein Konto überwiesen werden, über das allein Frau W verfügungsberechtigt sei. Damit sei nicht nur die von dem Kläger vorgetragene Sicherstellung des Geldeingangs bei Frau W verbunden, sondern darin komme darüber hinaus zum Ausdruck, dass der Kläger Frau W vollumfänglich die Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten anvertraut habe und darauf angewiesen sei, dass diese ihm Gelder zur eigenen Verfügung weiterleite. Darüber hinaus habe der Kläger Frau W selbst als seine Lebenspartnerin bezeichnet. Soweit der Kläger das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft in Abrede stelle, weil er eine solche Gemeinschaft - wie auch an der mit seiner getrennt lebenden Ehefrau vereinbarten Gütertrennung ersichtlich sei - gerade nicht eingehen wolle, sei dieser entgegenstehende Wille im vorliegenden Zusammenhang ebenso unbeachtlich, wie die Bekundungen Frau W in der mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2011 sowie ihre schriftlichen Bekundungen, den Kläger nicht unterhalten zu wollen, da es allein darauf ankomme, ob von den Partnern - für die anders als bei Ehegatten keine gegenseitigen zivilrechtlichen Unterhaltspflichten bestehen - ein Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne. Darüber hinaus führe auch die Vereinbarung einer Gütertrennung im Rahmen von § 43 SGB XII nicht dazu, dass das Einkommen und Vermögen des Ehegatten nicht anzurechnen wäre. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger und Frau W in der schriftlichen Vereinbarung vom 15. Juli 2002 festgehalten hätten, dass nicht nur die Kosten der Wohnung, sondern auch der Lebensunterhalt zu jeweils 50 Prozent aufgeteilt würden, sie von einem gemeinsamen Wirtschaften also gerade selbst ausgegangen seien. Schließlich zeige die von Frau W dem Kläger in den letzten Jahren zugewandten Unterstützungszahlungen, auch wenn diese als Darlehen bezeichnet wurden, dass Frau W entgegen den eigenen Bekundungen das eigene Einkommen tatsächlich nicht zuerst für ihre eigenen Bedürfnisse eingesetzt, sondern vielmehr dem Kläger zur Sicherstellung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung gestellt habe. Ebenso wenig sei es zur Umsetzung der bereits vor fast fünf Jahren angekündigten Auszugsnotwendigkeit des Klägers gekommen. Insgesamt bestätige sich im tatsächlichen Verhalten von Frau W, dass sie sich für den Kläger verantwortlich fühle.

Gegen das ihm am 11. August 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. September 2016 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. September 2005 (S 35 AS 146/05), wonach Partner einer "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" nicht sein könne, wer noch anderweitig verheiratet ist.

Der Kläger hat ferner Unterlagen aus Prozessen vor dem Landgericht Berlin und Kammergericht sowie vor dem Verwaltungsgericht Berlin zur Akte gereicht sowie mitgeteilt, dass er kein eigenes Konto besitze. Auskünfte über Konten von Frau W könne er nicht geben, diese sei nicht bereit ihm Unterlagen auszuhändigen. Im Übrigen stehe auch sein Untermietvertrag mit Frau W einem eheähnlichen Verhältnis entgegen, denn nicht jedes Untermietverhältnis dürfe einer Verantwortungs- und oder Einstandsgemeinschaft gleichgestellt werden.

Im Übrigen rügt er, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung über die Leistungsablehnung und auch das SG lediglich von Indizien ausgegangen seien, anstatt Frau W als Zeugin zu hören. Diese habe wiederholt ihren fehlenden Willen bekundet, ihn zu unterhalten. Insoweit müsse auch für sie gelten: "Nein heißt nein." Der Kläger zitiert insoweit zur Untermauerung seiner Auffassung eine Entscheidung des SG Dresden vom 14. Juni 2005 - S 23 A 332/05 ER -, wonach eine eheähnliche Gemeinschaft nicht bestehe, wenn der vermögende Partner allenfalls zu einer darlehensweisen Überbrückungshilfe bereit sei.

Es sei auch nie geklärt worden, ob Frau W überhaupt in der Lage sei, zu seinem Lebensunterhalt beizutragen. Falsch seien auch die Feststellungen, dass der Prüfdienst bei einem unangemeldet durchgeführten Hausbesuch festgestellt habe, dass er und Frau W nur über einen gemeinsamen Kleiderschrank verfügten. In der Wohnung befinde sich nämlich eine Schrankwand, hinter der sich ein Raum von fast 3 m² Größe verberge, in dem sich Kleidungsstücke befunden hätten, die der Prüfer bei unvoreingenommenem Prüfen auch vorgefunden hätte. Im Übrigen gebe es auch auf derselben Etage, ca. 2 m entfernt von der Wohnungstür eine Kammer von 3,24 m² Größe als Ersatz für einen Kellerraum. In dieser habe sich auch ein Kleiderschrank befunden. "Was sich in diesem Kleiderschrank befindet überlässt der Beschwerdeführer der hiesigen Beschwerde der Fantasie des Lesers".

Er habe auch nicht Frau W seine finanziellen Angelegenheiten anvertraut, nur weil er sein Einkommen auf deren Konto überweisen lasse. Er und Frau W hätten lediglich vor 14 Jahren (2002) einen Untermietvertrag vereinbart. Dieser sei weder ein Ehevertrag noch ein Vertrag über ein eheähnliches Verhältnis. Der Abschluss eines Untermietvertrages spreche gerade gegen das Vorliegen eines eheähnlichen Verhältnisses, weil in einem solchen üblicherweise keine Untermietverträge geschlossen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Berufungsschriftsatz vom 5. September 2016 (Blatt 217 - 233 der Gerichtsakte - GA) sowie die Schreiben vom 14. Oktober 2016 nebst Anlagen (GA Blatt 300 - 311) und vom 20. Juli 2017 (GA Blatt 337 - 340) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, Frau B W als Partei, hilfsweise als Zeugin, zu vernehmen sowie mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz vom 20. Juli 2017 wörtlich,

zu überprüfen, ob in dem hiesigen Sozialgerichtsverfahren vorliegenden vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 23 SO 236/16 die Klagegründe aus meiner Klageschrift vom 1.10.2013 zur Beurteilung vorlagen.

Der Senat entnimmt dem Vorbringen des Klägers in der Sache den Antrag,

das Urteil des SG Berlin vom 28. Juli 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, ab dem 1. Juni 2007 ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält die Gründe der angefochtenen Entscheidung für zutreffend. Das vom Kläger zitierte Urteil des SG Düsseldorf sei schon deswegen nicht anwendbar, weil es einerseits aus dem Bereich der Rechtsprechung bezüglich SGB II-Leistungen stamme und andererseits dort über einen nicht vergleichbaren Sachverhalt entschieden worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der Gerichtsakten sowie der Gerichtsakten der Verfahren S 51 SO 433/08 - L 15 SO 275/11 - L 15 SO 167/13 ER/L 15 B 253/08 SO PKH und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Bände Sozialhilfeakten), die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässig geänderte Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2014, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ab dem 1. Juni 2007 zu gewähren, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich der Bescheid des Beklagten vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014. Nur über diesen liegt eine Entscheidung des Sozialgerichts vor, nur dessen Aufhebung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht beantragt.

Die zunächst vom Kläger angefochtenen Bescheide vom 13. Januar 2012 und 18. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2013 hat der Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2015 aufgehoben. Eine Entscheidung über den am 31. Oktober 2011 gestellten Leistungsantrag des Klägers über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ab Oktober 2011 liegt mithin nicht mehr vor und ist gegebenenfalls nachzuholen. Das Vorbringen des Klägers bezüglich der Rechtmäßigkeit der aufgehobenen Bescheide vom 13. Januar 2012, 18. Juli 2013 und 9. September 2013 ist daher für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich und findet keine Berücksichtigung.

Ob das Sozialgericht zu Recht die gegen den Bescheid vom 11. September 2014 gerichtete Klage von Anfang an nicht als unter einem gesonderten Aktenzeichen zu erfassende Klage hat eintragen lassen, sondern als Erweiterung der zunächst erhobenen Klage gewertet hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte im weiteren Verlauf des hiesigen Rechtsstreits vor dem Sozialgericht in Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung umfangreich und ausschließlich noch sich zur Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11. September 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 geäußert und damit die ursprüngliche Klage gemäß § 99 SGG geändert (Kläger) bzw. gemäß § 99 Abs. 2 SGG in die Klageänderung eingewilligt (Beklagter). Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass diese Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG zulässig war.

Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG).

Streitgegenständlicher Zeitraum ist aufgrund der erneuten Antragstellung des Klägers am 31. Oktober 2011, die gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 SGB XII auf den Ersten des Monats (Oktober 2011) zurückwirkt, der Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis zum 30. September 2011.

Wehrt sich der Hilfebedürftige gegen einen Bescheid, mit dem - wie hier mit dem ersten auf den Antrag vom 18. Juni 2007 ergangenen Ablehnungsbescheid vom 12. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2008 - die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt worden ist, so ist - bei wie hier zeitlich unbefristetem Antrag - zunächst zwar die gesamte Zeit bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Stellt der Betroffene zwischenzeitlich jedoch - wie hier am 31. Oktober 2011 - einen neuen Antrag, so erledigt sich der angefochtene Bescheid für den Zeitraum, der von dem neuen Bescheid erfasst wird. Der neue Bescheid wird nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R - juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 62/08 R - juris Rn. 17).

Der Kläger hat aus den vom Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil dargestellten Gründen, denen der Senat vollumfänglich folgt (§ 153 Abs. 2 SGG), keinen Anspruch auf Gewährung ergänzender Leistungen nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGB XII. Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Kläger während des gesamten Zeitraums - vom 1. Juni 2007 bis zum 30. September 2011 - nicht hilfebedürftig war.

Der Kläger kommt zwar seit seiner Antragstellung im Juni 2007 aufgrund seines Alters dem Grunde nach als Leistungsberechtigter für Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Betracht. Er war jedoch zu keinem Zeitpunkt hilfebedürftig, weil nach § 43 Abs. 1 SGB XII das Einkommen der Frau W zu berücksichtigen ist.

Nach § 43 Absatz 1 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung ist Einkommen und Vermögen des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach dem SGB XII übersteigen, nach den §§ 19 und 20 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen. Gemäß § 43 Absatz 1 SGB XII in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung ist Einkommen und Vermögen des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft zu berücksichtigen, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27 a SGB XII übersteigen.

Der Kläger lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit Frau W in einer sogenannten eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne von § 20 SGB XII.

Eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne von § 20 SGB XII liegt vor, wenn sie als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt, über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus geht und von den Partnern einer solchen Gemeinschaft ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann, zwischen ihnen also eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft besteht (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87, Rn.92 und 96, bei Juris). Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten vergleichbar. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bedarf einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Entscheidend ist das Gesamtbild der feststellbaren Beweisanzeichen. Zu diesen gehören etwa das Bestehen einer Wohngemeinschaft mit einem gemeinsamen Hausstand, die lange Dauer des Zusammenlebens, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner, die Verfügungsmacht über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners, ein gemeinsames Girokonto und die vertraglich vereinbarte gegenseitige Unterstützung in Anlehnung an Unterhaltspflichten, wie sie zwischen Ehegatten bestehen.

Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger und der Frau W aus den vom Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil dargestellten Gründen vor. Der Senat nimmt vollumfänglich auf die vom SG dargelegten Gründe Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 4 SGG).

Das vom Kläger für seine Auffassung herangezogene Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. September 2005 (S 35 AS 146/05), das im Übrigen völlig vereinzelt geblieben ist und dem in der sozialrechtlichen Literatur, insbesondere den Kommentierungen zu § 20 SGB XII und § 7 SGB II, keiner der Kommentatoren folgt (vgl. dazu Hänlein, in: Gagel, 62. Ergänzungslieferung Juni 2016, Rn.47 zu § 7 SGB II; Grube, in: Grube, Wahrendorf, 5. Auflage 2014, Rn.21 zu § 20 SGB XII; Groth, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, 41. Edition mit Stand April 2016, Rn.4 a zu § 20 SGB XII), ist nicht geeignet, den aus der umfassenden Gesamtwürdigung aller Indizien folgenden Schluss des Sozialgerichts, dass im vorliegenden Fall eine so genannte nichteheliche Lebensgemeinschaft des Klägers mit Frau W besteht, zu erschüttern.

Nach Auffassung des SG Düsseldorf könne eine Person bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gleichzeitig in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und in eine Ehe leben. Der Schutz der Ehe aus Art. 6 GG gebiete es, neben der Ehe keine andere rechtsverbindliche Partnerschaft des Ehegatten zuzulassen. Wenn der Gesetzgeber einer verheirateten Person zusätzlich unterhaltsrechtliche Pflichten aus einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auferlegen würde, so würde er auch die bestehende Ehe des verheirateten Partners stören, denn er könnte damit die bestehende Trennung der Eheleute vertiefen oder bestärken. Der Gesetzgeber dürfe einem (eventuell nur vorübergehend) in Trennung lebenden Verheirateten nicht gegen dessen Willen eine weitere Unterhaltsverpflichtung aufzwingen. Damit würde er erheblich in die Rechte von dessen Ehefrau eingreifen [sic!]. Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

In Literatur und Rechtsprechung ist vielmehr allgemein anerkannt, dass Personen, die (noch) verheiratet sind, mit einer dritten Person in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben können. Denn jedenfalls nach einer Scheidung stünden der Eingehung der Ehe zwischen den Partnern keine rechtlichen Hindernisse mehr entgegen. Entscheidend ist insoweit, dass der Zweck der §§ 20, 27 SGB XII, den Nachrang der Sozialhilfe herzustellen, ohne Einbeziehung derartiger Gemeinschaften nicht verwirklicht werden könnte (Voelzke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 20 SGB XII, Rn. 24; VG Gera v. 16. 1. 2004 - 6 E 2561/03 GE, Rn 28; Schoch, in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 20 Rn 7; Neumann in: Hauck/Noftz, SGB, 09/15, § 20 SGB XII, Rn. 12). Schließlich greift die in § 20 angeordnete Rechtsfolge nicht in die (noch) von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Ehe ein, sondern knüpft an ein selbstbestimmtes Verhalten des Hilfe Suchenden und seines Partners an (VGH Mannheim v. 16. 11. 1995 - 6 S 3171/94, Rn 16-18).

Das Sozialgericht Düsseldorf verkennt in der zitierten Entscheidung bereits, dass es sich bei der so genannten nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht um eine neben der Ehe bestehende "rechtsverbindliche Partnerschaft" handelt, die verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Auch werden den Mitgliedern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft keine unterhaltsrechtlichen Pflichten auferlegt, wie das Sozialgericht Düsseldorf meint. Vielmehr umschreibt der Begriff "nichteheliche Lebensgemeinschaft" lediglich tatsächliche Lebensumstände, die dadurch gekennzeichnet sind, dass zwischen den Beteiligten eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft - gleichsam wie in einer Ehe - besteht. Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist bereits zu den Vorläuferregelungen des § 20 SGB XII durch das BVerfG konkretisiert worden und wird im Sinne einer auf Dauer angelegten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft verstanden (BVerfG v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3.; Voelzke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 20 SGB XII, Rn. 19). Erfasst werden danach neben der jedenfalls erforderlichen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft Gemeinschaften, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nach der Entscheidung des BVerfG ist eine Vergleichbarkeit mit nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten (nur) gegeben, wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse einsetzen (Voelzke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 20 SGB XII, Rn. 19). Erst durch dieses Verständnis kommt die eheähnliche Gemeinschaft der Ehe "nahe" und rechtfertigt eine Angleichung durch § 20 Satz 1 SGB XII.

Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Einzelfall nach den zutreffenden Wertungen aller Gesamtumstände durch das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung, denen der Senat vollumfänglich folgt (§ 153 Abs. 2 SGG), vor.

Der Einwand des Klägers, dass die Entscheidungen des Beklagten und des Sozialgerichts nur auf Indizien beruhten, verfängt nicht. Das BVerfG hat sich in der Entscheidung vom 17. November 1992 (a.a.O.) auch zu der Frage der Feststellung der Merkmale einer eheähnlichen Gemeinschaft geäußert. Es hat darauf hingewiesen, dass das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungs-gemeinschaft in wesentlicher Hinsicht auf inneren Tatsachen beruht, auf die in Zweifelsfällen nur anhand von objektiven Hilfstatsachen (Indizien, Hinweistatsachen) geschlossen werden kann. Es ist folglich anhand von objektiv vorliegenden Tatsachen zu ermitteln, ob der Schluss auf eine innere Bindung im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft gerechtfertigt ist. Als solche Hinweistatsachen hat das BVerfG z.B. die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen, angesehen. Die genannten Indizien sind weder abschließend, noch müssen sie kumulativ vorliegen, sondern der Sozialhilfeträger bzw. das Gericht muss sich seine Überzeugung aufgrund einer Bewertung der vorliegenden Tatsachen bilden.

Was die Beteiligten selbst angeben, etwa dass sie - wie im vorliegenden Fall - entgegen der objektiv feststellbaren Umstände nicht bereit seien, füreinander einzustehen, kann insoweit keine Bedeutung haben. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine eheähnliche Gemeinschaft jederzeit ohne ein rechtlich geregeltes Verfahren aufgelöst werden kann. Ohne rechtlichen Hinderungsgrund kann der nicht verheiratete Partner jederzeit sein bisheriges Verhalten ändern und sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen verwenden. Wenn sich der Partner entsprechend verhält, so besteht, worauf das Bundeverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung vom 17. November 1992 hinweist, eine eheähnliche Gemeinschaft nicht oder nicht mehr. Die einzelnen Partner entscheiden also selbst über den Bestand der Gemeinschaft. Allerdings muss diese Entscheidung in äußeren Umständen hinreichend klar dokumentiert sein. Das stellt das BVerfG mit der Aussage klar, die beschriebene Verhaltensänderung werde in der Regel mit der Auflösung der Wohngemeinschaft verbunden sein (BVerfGE 87, 234, 265; Neumann in: Hauck/Noftz, SGB, 09/15, § 20 SGB XII, Rn. 13). Ein derartiges Verhalten ist aber im vorliegenden Fall weder durch den Kläger noch durch Frau W erfolgt.

Worauf bereits das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat, verhält sich Frau W gerade nicht so, dass sie ihr Einkommen ausschließlich zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse verwendet. Vielmehr setzt sie offensichtlich ihr Einkommen und Vermögen - mindestens seit dem Eintritt des Klägers ins Rentenalter (im Jahr 2002) auch zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Klägers ein.

Dass den im Berufungsverfahren zum Az. L 15 SO 275/11 eingereichten mit "Darlehen" überschriebenen Vereinbarungen aus April 2008, November 2008, Dezember 2009, 2010 und 2011 ernsthafte, mit einer Rückzahlungsverpflichtung belegte Darlehensverträge zu Grunde liegen, ist nicht glaubhaft. Dagegen spricht bereits die Formulierung in den Vereinbarungen, mit dem jeweils gewährten Betrag "hat Herr F seinen Lebensunterhalt finanziert". Aus dieser Formulierung ist bereits ersichtlich, dass die "Darlehensverträge" im Nachhinein und im Hinblick auf das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin gefertigt wurden und ihnen keine zivilrechtlich verbindliche Rückzahlungsverpflichtung zugrunde liegt. Im Übrigen liegt bereits deswegen kein zivilrechtlich wirksamer Darlehensvertrag (§ 488 BGB) vor, weil die Mindestinhalte eines Darlehensvertrages durch die eingereichten "Vereinbarungen" nicht erfüllt sind. Gemäß § 488 BGB wird durch den Darlehensvertrag der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Bei den eingereichten "Vereinbarungen" handelt es sich eher um Bescheinigungen darüber, dass zu früheren Zeiten angebliche Darlehensverträge geschlossen worden sein sollen. Zu diesen tatsächlichen Darlehensverträgen liegen aber keinerlei substantiierte Angaben vor.

Auch die von Frau W wegen angeblich mangelnder Beteiligung des Klägers an den Kosten der Unterkunft schriftlich vorgetragene Kündigung des angeblichen "Untermietvertrages" mit dem Kläger hat sie während der langen Jahre nicht in die Tat umgesetzt. Ihre immer wieder gegen über dem Sozialgericht - auch schriftlich - geäußerte Bekräftigung, nicht für den Kläger einstehen zu wollen, wird von ihr offensichtlich nicht gelebt.

Die entgegenstehenden zur Akte gereichten schriftlichen Bekundungen der Frau W sind demgegenüber unbeachtlich. Insofern gilt, dass nur solche Hinweistatsachen berücksichtigt werden dürfen, die von den persönlichen Erklärungen der Betroffenen unabhängig sind. Dieses Gebot folgt bereits aus der Verantwortung der Verwaltung für den Gesetzesvollzug und dem sozialrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Der Sozialhilfeträger muss sich anhand von äußeren, objektiven Umständen selbst vom Bestehen einer Einstandsgemeinschaft überzeugen (VGH Mannheim v. 14. 4. 1997 - 7 S 1816/95, Rn. 28 - NDV-RD 1998, 35). Entgegenstehenden Erklärungen der Betroffenen kommt in der Regel keine durchgreifende Bedeutung zu (VGH Kassel v. 27. 3. 1992 - 9 TG 1112/89, Rn. 1; OVG Hamburg v. 22. 3. 1990 - Bs IV 92/90, Rn. 6). Auch eine bloße Erklärung des Unterstützenden, er habe mit "Nothelferintention" gehandelt, ist keinesfalls ungeprüft und ungeachtet etwa entgegenstehender Anhaltspunkte der Beurteilung zugrunde zu legen (OVG Lüneburg v. 26. 1. 1998 - 12 M 345/98, Rn. 36; Neumann in: Hauck/Noftz, SGB, 09/15, § 20 SGB XII, Rn. 14). Aus diesen Gründen war auch eine Vernehmung der Frau W als Zeugin entbehrlich. Eine Vernehmung der Frau W als "Partei" kam ohnehin nicht in Betracht, da sie nicht Beteiligte - untechnisch: Partei - des vorliegenden Rechtsstreits ist. Beteiligte am Verfahren sind gemäß § 69 SGG Kläger, Beklagter oder Beigeladener.

Im Übrigen hat Frau W den Kläger anlässlich des bei ihr durchgeführten Hausbesuches im Jahr 2007 selbst als ihren "Lebenspartner" bezeichnet, hat sie den Antragsbogen, mit dem der Kläger erstmalig Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz beantragt hat (14. November 2002), als "Partnerin" mitunterschrieben. Sie wurde ferner vom Kläger auf diesem Antragsbogen bevollmächtigt, als "Partnerin einer eheähnlichen Gemeinschaft" Grundsicherungsbescheide entgegenzunehmen.

Nach dem Gesamtergebnis der Würdigung aller vorliegenden Tatsachen und Indizien ist daher vom Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau W auszugehen.

Danach haben der Beklagte und auch das Sozialgericht zu Recht bei der Bedarfsberechnung des Klägers das Einkommen der Frau W in die Berechnung miteinbezogen.

Zutreffend hat danach das SG festgestellt, dass mit dem ihren eigenen - aus den jeweiligen hälftigen tatsächlichen Mietkosten sowie dem jeweiligen Regelsatz der Regelbedarfsstufe 2 bestehenden - Bedarf übersteigenden Renteneinkommen der Frau W, das auf den sich in gleicher Weise berechnenden Hilfebedarf des Klägers ebenso wie sein eigenes Einkommen anzurechnen ist, kein im Rahmen des SGB XII berücksichtigungsfähiger Bedarf an ergänzenden Leistungen der Grundsicherung im Alter bei diesem verbleibt. Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auch insoweit auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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