L 16 KR 169/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 78/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 169/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 5/01 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06. Mai 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Überprüfung der Höhe seiner Krankenversicherungsbeiträge und wendet sich gegen die Beendigung seiner Mitgliedschaft bei der beklagten Krankenkasse.

Der Kläger, dem ab dem 01.02.1980 Altersrente bewilligt wurde, ist seit Mai 1980 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Mit formlosem Bescheid vom 07.02.1994 erhöhte die Beklagte den monatlichen Versicherungsbeitrag von 234,34 DM auf 242,60 DM und schätzte, nachdem der Kläger den Nachweis seiner Einkommensverhältnisse abgelehnt hatte, mit weiterem Bescheid vom 31.05.1994 den Monatsbeitrag ab dem 01.06.1994 auf 350,56 DM.

Die Widersprüche des Klägers, mit denen er geltend machte, er müsse als Mitglied der Krankenversicherung der Rentner -KVdR- behandelt werden, wies die Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 25.08.1994 zurück.

Der Kläger, der zunächst weiterhin einen Monatsbeitrag von 234,34 DM gezahlt hatte, verringerte diesen ab Oktober 1994 auf 151,80 DM, weil er nach seiner Auffassung seit Jahren überhöhte Beiträge gezahlt habe. Nachdem die Beklagte den Kläger wiederholt auf seine Verpflichtung zur Zahlung höherer Beiträge und die Folgen einer Beitragsschuld hingewiesen hatte, teilte sie ihm mit Schreiben vom 18.11.1994 sowie 06.03.1995 mit, dass seine Mitgliedschaft zum 15.11.1994 erloschen sei.

Nachdem der Kläger sich zunächst auf den Standpunkt gestellt hatte, dass die Fehlerhaftigkeit der Beitragsfestsetzung so offenkundig sei, dass es einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 25.08.1994 nicht bedürfe, beantragte er mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.09.1996 die Überprüfung des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1994 nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -. Er machte geltend, er habe bereits 1984/1985 entsprechende Angaben gemacht, die durch eine Sachbearbeiterin der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen worden seien. Er sei daher guten Glaubens gewesen, dass Beiträge nur aus der von ihm bezogenen Altersrente zu zahlen seien. Für eine Schätzung der Beiträge im Jahre 1994 habe daher kein Anlass bestanden. Mit Bescheid vom 04.03.1997 wies die Beklagte den Antrag zurück, weil der Widerspruchsbescheid vom 25.08.1994 den Sachverhalt zutreffend erfasst und gewürdigt habe. Im Rahmen des Überprüfungsantrages sei nur Bekanntes vorgetragen worden, so dass eine Rücknahme der früheren Entscheidung nicht möglich sei.

Der Kläger legte am 01.04.1997 unter Bezugnahme auf den bereits ausführlich vorgetragenen Sachverhalt Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.1996 zurückwies, da keine Gründe aufgezeigt oder Beweismittel vorgetragen worden seien, die eine Rücknahme des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1994 erlaubten.

Der Kläger hat am 26.05.1997 vor dem Sozialgericht - SG - Düsseldorf Klage erhoben auf Aufhebung des Überprüfungsbescheides unter Weitergewährung des Krankenversicherungsschutzes. Er hat die Auffassung vertreten, er sei durch die Beklagte nicht ordnungsgemäss darüber belehrt worden, dass die Nichtzahlung von Teilbeiträgen zu einem Erlöschen der Mitgliedschaft führen könne. Im übrigen habe er zulässiger Weise die Aufrechnung mit Beitragserstattungsansprüchen erklärt. Schliesslich verstoße seine Nichtaufnahme in die KVdR infolge der zum 01.01.1993 in Kraft getretenen Gesetzesregelung gegen Verfassungsrecht, worüber beim Bundesverfassungsgericht - BVerfG - bereits Grundsatzverfahren anhängig seien.

Mit Urteil vom 06.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 03.08.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.08.1999 Berufung eingelegt. Er macht geltend, das SG habe die von ihm erklärte Aufrechnung nicht berücksichtigt. Bereits 1985 und 1990 habe er Einkommenserklärungen abgegeben. Ein Beitragsrückstand, der seinen Ausschluss aus der Krankenversicherung der Beklagten rechtfertige, sei daher nicht entstanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Düsseldorf vom 06.05.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 0905.1997 zu verurteilen, den Bescheid vom 31.05.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1994 gemäss § 44 SGB X zurückzunehmen und festzustellen, dass er über den 15. November 1994 freiwillig Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist daraufhin, dass der Kläger bereits 1980 mangels ausreichender Vorversicherungszeiten als freiwilliges Mitglied aufgenommen worden sei. Seine seit 1993 vertretene Auffassung, dass er nur aus seiner Rente Beiträge abzuführen habe, treffe nicht zu, so dass ihm auch kein Aufrechnungsrecht zustehe. Im übrigen seien Gegenstand des Überprüfungsverfahrens allein die Beitragsfestsetzungsbescheide aus dem Jahre 1994.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Berufsrichter des Senats haben nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten von der Möglichkeit der Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gebrauch gemacht, da sie einstimmig der Auffassung sind, dass die Berufung unbegründet ist und es einer mündlichen Verhandlung nicht bedarf.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Beitragsbescheides vom 31.05.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1994 zu.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Vorschrift erlaubt ausnahmsweise die Durchbrechung der Bindungswirkung (§ 77 SGG) unanfechtbarer Verwaltungsakte. Hieraus wird die Beklagte jedoch nicht verpflichtet, uneingeschränkt in eine erneute Sachprüfung des bereits bindend geregelten Sachverhaltes ein zutreten, sondern sie darf sich dann ohne weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen, wenn sich im Rahmen eines Antrages auf einen Zugunstenbescheid nichts ergibt, was für die Unrichtig keit der Vorentscheidung sprechen könnte (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 33). Seinen Zugunstenantrag hat der Kläger aber ausschließlich damit begründet, dass er infolge seines früheren Verhaltens nicht verpflichtet gewesen sei, seine Einkommensverhältnisse erneut nachzuweisen. Diese Angabe hatte der Kläger bereits im Rahmen der zur Überprüfung gestellten Beitragsfestsetzung im Jahr 1994 ebenfalls unter Hinweis auf die Nichtannahme seiner früheren Erklärungen aus den Jahren 1984/1985 durch Mitarbeiter der Beklagten gemacht. In gleicher Weise hatte er sich schon 1994 darauf berufen, dass er nachträglich zu der Erkenntnis gelangt sei, seit Jahren überhöhte Beiträge gezahlt zu haben, da nur seine Rente der Beitragsbemessung habe zugrundegelegt werden dürfen. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf die verfassungsgerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuchs - SGB V - in der Fassung des Artikels 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992 (Bundesgesetzblatt I S. 2266) und des Artikel 56 Abs. 3 Halbsatz 1 des Gesundheits-Reformgesetzes in der Fassung des Artikel 25 Nr. 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes beruft (vgl. dazu Beschlüsse des BVerfGE vom 15.03.2000 - 1 BvL 16 bis 20/96 und 18/97 -), kann dieses offensichtlich keinen Einfluss auf das Versicherungsverhältnis des Klägers haben, da seine Aufnahme in die KVdR bereits 1980 mangels Erfüllung der Vorversicherungszeiten abgelehnt worden ist. Die damals geltende Rechtslage, wonach der Versicherte mindestens die Hälfte der Zeit von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sein mußte, um Zugang zur KVdR zu haben - Krankenversicherungs-Kosten dämpfungsgesetz vom 27.06.1977 (BGBl I S. 1069) -, ist aber vom BVerfG für verfassungsgemäss erachtet worden (vgl. BVerfGE 69, 272). Dass die Beklagte seinerzeit die Vorversicherungszeiten falsch berechnet habe, hat auch der Kläger zu keiner Zeit behauptet. Unter diesen Umständen war die Beklagte aber befugt, sich ohne jede weitere Prüfung auf die Bindungswirkung der früheren Entscheidung zu berufen.

Soweit der Kläger die Feststellung einer Weiterversicherung bei der Beklagten begehrt, fehlt seiner Klage schon das nach § 55 Abs. 1 SGG erforderliche Feststellungsinteresse.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18.11.1994 und 06.03.1995 das Erlöschen der Mitgliedschaft des Klägers festgestellt. Billigt man diesen Schreiben die Qualität von Verwaltungsakten im Sinne des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - zu, weil sie eine Entscheidung im Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts - Beitragsangelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung - mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen für den Kläger beinhaltet haben, sind diese Entscheidungen der Beklagten bindend geworden (§ 77 SGG), da der Kläger gegen sie keinen Widerspruch erhoben hat. Sieht man sie hingegen lediglich als formlose Mitteilungen ohne entsprechende Rechtswirkungen an, so fehlt es an der Durchführung des erforderlichen Verwaltungsverfahren über den Fortbestand des Versicherungsverhältnisses (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 358 Nrn. 4 und 10; SozR 1500 § 55 Nr. 27). Ein solches Feststellungsverfahren ist nicht durch das Überprüfungsverfahren ersetzt worden. Selbst bei Stattgabe des Zugunstenantrages wäre nämlich die Beendigung der Mitgliedschaft nicht beseitigt worden. Bei Rücknahme des Bescheides vom 31.05.1994 bzw. 07.02.1994 hätte die im Jahre 1993 geltende Beitragsfestsetzung in Höhe von 234,34 DM weiterhin Bestand gehabt. Da der Kläger jedoch verbindlich erklärt hatte, auch diesen Betrag in Zukunft nicht mehr zahlen zu wollen, wäre kraft Gesetzes nach § 191 Nr. 3 SGB V die Beendigung der Mitgliedschaft ebenfalls eingetreten. Nur soweit dem Kläger das behauptete Aufrechnungsrecht zugestanden hätte, hätte sich bezüglich seines Beitragsrückstandes etwas anderes ergeben können (vgl. BSG SozR 3-2500 § 191 Nr. 2). Dieses ist jedoch nicht Gegenstand des Überprüfungsverfahrens gewesen, da sich der Zugunstenbescheid ausschließlich auf die Beitragsfestsetzung bezogen hat.

Selbst wenn man aber das Feststellungsinteresse bejahte und die Klage als zulässig ansähe, so wäre die Berufung nicht begründet. Da, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, die Beitragsfestsetzungen in Höhe von 242,60 DM ab 01.01.1994 bzw. 350,56 DM ab 01.06.1994 bindend geworden sind, der Kläger aber für die Zeit vom 01.01. bis 30.09.1994 Beiträge lediglich in Höhe von 234,34 DM und ab Oktober 1994 solche lediglich noch in Höhe von 151,80 DM gezahlt hat, summierte sich der Beitragsrückstand am 15.11.1994 (Fälligkeitstag der Beitragszahlung nach § 18 Abs. 1 der Satzung der Beklagten) auf mehr als zwei Monatsbeiträge. Die Beendigung der Mitgliedschaft nach § 191 Nr. 3 SGB V tritt aber auch in den Fällen ein, in denen die fälligen Beiträge für zwei Monate nur zum Teil gezahlt werden (BSG a.a.O.). Auf diese Rechtsfolge hat die Beklagte den Kläger entgegen dessen Behauptung auch mit Schreiben vom 25.10.1994 ausdrücklich und so rechtzeitig hingewiesen, dass er bis zum 15.11.1994 den Beitragsausgleich noch hätte vornehmen können.

Die von ihm erklärte Aufrechnung geht ins Leere, da die Beitragsfestsetzungen auch für die vergangenen Zeiten bindend geworden sind und dem Kläger daher kein fälliger Beitragserstattungsanspruch zustand, den er zur Aufrechnung hätte stellen können.

Die Berufung mußte daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
Saved