L 17 U 157/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 144/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 157/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 331/00 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der beklagte Rheinische Gemeindeunfallversicherungsverband der zuständige Unfallversicherungsträger ist und der klagenden Landesunfallkasse dementsprechend Erstattungsansprüche zustehen.

Der Beklagte gewährte dem 1939 geborenen Versicherten H ... F ... Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles, den er am 23.06.1954 bei seiner Tätigkeit in der chemischen Reinigung der Textilingenieurschule K ... erlitten hat. Diese Einrichtung wurde mit Wirkung vom 01.08.1971 in die Fachhochschule Niederrhein integriert und ging damit in die Trägerschaft des Landes NRW über.

Mit Schreiben vom 22.06.1983 begehrte der Beklagte von der Klägerin die Anerkennung ihrer Zuständigkeit ab 01.08.1971. Dies erkannte die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin mit Schreiben vom 07.09.1983 an und übernahm ab 01.05.1984 die Zahlung der laufenden Verletztenrente an den Versicherten. Mit Schreiben vom 25.02.1985 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er doch für die Entschädigung zuständig sei und erstattete ihr am 09.04.1985 die mit Schreiben vom 07.03.1985 geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 3272,60 DM für die Zeit vom 01.05.1984 bis 30.04.1985.

Nach erneuter Änderung seiner Rechtsauffassung verlangte der Beklagte wiederum die Übernahme der Unfallast und die Erstattung der seit August 1971 erbrachten Versicherungsleistungen. Nachdem die Klägerin dies abgelehnt hatte, erhob der Beklagte am 31.07.1987 Klage bei dem Sozialgericht - SG - Düsseldorf (S 16 U 39/89). Mit Schriftsatz vom 07.12.1990 gab die Klägerin folgendes Teilanerkenntnis ab:

"erklärt sich die Klägerin grundsätzlich für die Entschädigung des Arbeitsunfalls zuständig und erkennt Erstattungsansprüche in folgendem Umfang an:

a) Für die Zeit vom Ablauf des Geschäftsjahres der Abgabe des Entschädigungsfalles an die Klägerin bis zu Rücknahme des Falles durch den Beklagten gemäß § 112 SGB X i.V.m. § 668 RVO in entsprechender Anwendung.

b) Für die Zeit ab Rücknahme des Entschädigungsfalles im Dezember 1985 gemäß § 105 SGB X, wobei davon ausgegangen wird, daß die Ausschlußfrist des § 111 SGB X zumindest durch das Schreiben des Beklagten vom 23.12.1985 gewahrt ist."

Nachdem der Beklagte dieses Teilanerkenntnis im Erörterungstermin vom 13.10.1992 angenommen hatte, verurteilte das SG die Klägerin, dem Beklagten die ab dem 01.01.1979 für die Entschädigung des Arbeitsunfalles des Versicherten geleisteten Aufwendungen zu erstatten und wies die Klage im übrigen ab (Urteil vom 15.09.1993). In dem anschließenden Berufungsverfahren (L 17 U 161/93) schlossen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 20.04.1994 einen Vergleich dahingehend, daß die Klägerin den Erstattungsanspruch des Beklagten für die Zeit ab 01.01.1983 dem Grunde nach anerkannte und die Beteiligten sich darüber einig waren, daß damit der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt war.

Die Klägerin, die die laufende Rentenzahlung an den Versicherten bereits zum 01.04.1994 übernommen hatte, erstattete dem Beklagten in Ausführung des Vergleiches am 22.09.1995 für die Zeit vom 01.01.1983 bis zum 31.03.1994 einen Betrag von 40.746,-- DM.

Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteile vom 05.10.1995 - 2 RU 34/94 - (SozR 3-2200 § 653 Nr. 2 = SGb 1996, 280 ff.) und 14.12.1995 - 2 RU 40/94 - entschieden hatte, dass mangels einer Rechtsgrundlage die Unfallast bei der Übernahme eines Unternehmens nicht von der Beklagten auf die Klägerin übergeht, forderte die Klägerin im Februar 1996 die von ihr erbrachten Entschädigungsleistungen zurück und begehrte die Übernahme der laufenden Rentenzahlungen durch den Beklagten. Der Beklagte lehnte dies im Juli 1996 unter Berufung auf die Wirksamkeit des Teilanerkenntnisses und des gerichtlichen Vergleichs ab.

Am 30.08.1996 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, bei den verfolgten Ansprüchen handele es sich um neue Ansprüche aufgrund veränderter rechtlicher Verhältnisse, für deren Beurteilung ausschließlich die Vorschriften über den Übergang der Unfalllast und die §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) maßgebend seien. Für den Fall, daß dieser Argumentation nicht gefolgt werden könne, hat sie das Teilanerkenntnis angefochten, das Fehlen der Geschäftsgrundlage geltend gemacht und die Fortsetzung des Verfahrens begehrt. Hilfsweise hat sie den Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vergleichs vom 20.04.1994 und dessen Anpassung in analoger Anwendung des § 59 SGB X geltend gemacht.

Durch Urteil vom 15.05.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihr am 29.05.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.06.1998 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, bei dem früheren und dem jetzigen Streitverfahren handele es sich um verschiedene Streitgegenstände mit der Folge, daß der Vergleich einschließlich des Teilanerkenntnisses von vornherein unbeachtlich seien. Bei dem vorangegangenen Streitverfahren habe es sich um einen reinen Erstattungsstreit gehandelt, während nunmehr die Zuständigkeit streitig sei. Außerdem seien das Anerkenntnis und der Vergleich entweder gem. §§ 779, 306, 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig oder wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse anpassungsbedürf tig gemäß § 59 SGB X. Schließlich sei die Berufung auf die Bindungswirkung des Prozeßvergleichs einschließlich des Anerkenntnisses auch rechtsmißbräuchlich nach § 242 BGB und § 86 SGB X.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.05.1998 auf zuheben und festzustellen, daß der Beklagte für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Versicherten H ... F ... zu ständig und dementsprechend verpflichtet ist, die laufende Rentenzahlung zu übernehmen, die am 22.09.1995 veranlaßte Erstattung in Höhe von 40.746,-- DM rückgängig zu machen und die am 01.04.1994 bis zur Übernahme der laufenden Rentenleistung erbrachten Entschädigungsleistungen gemäß § 105 SGB X zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Klärung der Zuständigkeit sei auch Streitgegenstand des Vorprozesses gewesen. Das Teilanerkenntnis habe die Zuständigkeit geregelt, so daß Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Landessozialgericht lediglich der Umfang des ihm zustehenden Erstattungsanspruchs gewesen sei. Das Teilanerkenntnis und der Prozeßvergleich seien auch wirksam, so daß kein Erstattungsanspruch der Klägerin bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akte des Verfahrens S 16 U 39/89 (SG Düsseldorf)/L 17 U 161/93 (LSG NRW) sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Feststellung der Zuständigkeit des Beklagten zur Entschädigung des Arbeitsunfalls des Versicherten H ... F ... noch steht ihr ein Erstattungsanspruch zu.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind lediglich noch das Feststellungsbegehren gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und die Erstattungsforderung. Soweit die Klägerin schriftsätzlich die Nichtigkeit des Teilanerkenntnisses sowie des Prozessvergleichs geltend gemacht und deshalb die Fortsetzung des damaligen Klage- und Berufungsverfahrens begehrt hatte, hat sie in der mündlichen Verhandlung diesen Antrag nach Hinweis des Senats auf die Aussichtslosigkeit des Begehrens nicht mehr aufrechterhalten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Zuständigkeit des Beklagten zur Entschädigung des Arbeitsunfalls des Versicherten H ... F ... und Rückerstattung des Betrages von 40.746,00 DM. Denn dieses Begehren war entgegen der Ansicht der Klägerin bereits Streitgegenstand des früheren Verfahrens S 16 U 39/89 (SG Düsseldorf)/L 17 U 161/93 (LSG) [Vorprozeß], so daß die erneute Klage unzulässig ist. In dem Vorprozeß hatte der Beklagte in seiner Klageschrift von 29.07.1987 und seinem Schriftsatz vom 29.12.1987 neben einem bezifferten Erstattungsbegehren für die Zeit bis Dezember 1987 auch beantragt, festzustellen, daß die Klägerin zuständiger Versicherungsträger für den Versicherten H ... F ... sei und sämtliche bereits erbrachten Leistungen zu erstatten habe. Entsprechend diesem Antrag hatte der Beklagte auch eine Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG erhoben. Das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 07.12.1990 abgegebene Anerkenntnis bezieht sich ebenfalls aus drücklich auf die Zuständigkeit. Denn die Klägerin hat in die sem Schriftsatz ausgeführt, daß sie sich "grundsätzlich für die Entschädigung des Arbeitsunfalls zuständig erklärt und die erhobenen Erstattungsansprüche in folgendem Umfang", der dann noch näher bezeichnet wurde, anerkennt. Das Teilanerkenntnis umfaßt somit nach seinem eindeutigen Wortlaut die - auch logisch vorrangige - Frage, welcher Versicherungsträgerüberhaupt zuständig ist.

Soweit die Klägerin meint, die Zuständigkeit des Versicherungsträgers sei zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses nicht mehr streitig und deshalb auch nicht Gegenstand des Teilanerkenntnisses gewesen, verkennt sie, dass ein Anerkenntnis im Gegensatz zum Vergleich gerade keine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis voraussetzt. Die Zuständigkeit wurde gerade deshalb anerkannt, weil die Klägerin insoweit seinerzeit keine Zweifel hatte. Folglich wurde der Rechtsstreits des Vorprozesses hinsichtlich der Zuständigkeit des Versicherungsträgers und der Erstattungsansprüche für die Zeit ab 01.01.1984 durch das angenommene Anerkenntnis gemäß § 101 Abs. 2 SGG erledigt. Gegenstand des Berufungsverfahrens (L 17 U 161/93) war somit lediglich der Umfang des Erstattungsanspruchs, d.h. inwieweit er auch Zeiten vor dem 01.01.1984 betraf. Nur insoweit hat auch der gerichtliche Vergleich vom 20.04.1994 eine Regelung getroffen. Da mithin nach alledem der Streitgegenstand des Vorprozesses mit dem des jetzigen Klageantrags identisch ist, ist die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags und des Rückerstattungsbegehrens unzulässig.

Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, daß die Rechtsprechung des BSG sich hinsichtlich des Übergangs der Unfall last bei Übernahme eines Unternehmens im Zuständigkeitsbereich von Eigenunfallversicherungsträgern zwischenzeitlich geändert hat (Bejahend Urteil vom 12.06.1989 - 2 RU 53/87 - = HV-INFO 1989, 2016; verneinend Urteile vom 05.10.1995 - 2 RU 34/94 = SozR 3-2200 § 653 RVO Nr. 2 und vom 14.12.1995 - 2 RU 40/94 -). Es entspricht der herrschenden Meinung, daß die Änderung der Rechtsprechung keine Auswirkung auf die Rechtskraft hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Auflage, § 141 Anm. 9a m.w.N.). Dann kann, da der Prozeßvergleich und das angenommene Anerkenntnis den Rechtstreit in der Hauptsache gemäß § 101 SGG erledigen, sie Vollstreckungstitel gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG sind und sie deshalb in ihrer Wirkung einem Urteil gleichstehen (vgl. BSG Breithaupt 1962, 536; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit - Kommentar zum SGG -, § 101 Anm. 31), die Änderung der Rechtsprechung aber auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Erledigung des Rechtstreits durch Vergleich und Anerkenntnis haben. Ein insoweit angestrebte nochmalige gerichtliche Entscheidung setzte vielmehr voraus, daß der Vorprozeß fortgesetzt werden könnte. Dies ist hier jedoch mangels Unwirksamkeit des Vergleichs nicht möglich, so daß die Klägerin nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Verhandlung zutreffend keine Fortsetzung des vorprozessualen Klage- und Berufungsverfahrens mehr begehrt hatte.

Die nachfolgenden Ausführungen zur Wirksamkeit des Vergleichs bzw. Anerkenntnisses dienen deshalb allein dazu, die Richtigkeit dieses prozessualen Verhaltens der Klägerin nochmals zu verdeutlichen und einen weiteren Rechtstreit zu vermeiden.

Bei Streit über die Wirksamkeit eines Prozeßvergleichs bzw. Anerkenntnisses ist das alte Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen bzw. das Anerkenntnis angenommen wurde, vor dem Gericht, vor dem das Verfahren anhängig war, fortzusetzen (BSGE 7, 279; BSG vom 22.01.1965 - 10 RV 167/60 -; Rohwer-Kahlmann, aaO. § 101 SGG Anm. 30; Meyer-Ladewig, aaO. § 101 SGG Anm. 17, 17 a). Dies bedeutet, daß der 17. Senat nur über die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs entscheiden könnte und für die Entscheidung über die Wirksamkeit des Anerkenntnisses zunächst die 16. Kammer des SG Düsseldorf zuständig wäre.

Der am 20.04.1994 geschlossene Prozeßvergleich ist wirksam. Ein Prozeßvergleich stellt nach herrschender Meinung eine Prozeßhandlung der Beteiligten und gleichzeitig einen materiell-rechtlichen Vertrag dar (vgl. zu dieser Doppelnatur BSGE 19, 112, 115; Meyer-Ladewig aaO. § 101 SGG Anm. 3; Rohwer-Kahlmann, aaO. § 101 SGG Anm. 6). Hier ist der Vergleich weder prozeßrechtlich noch materiell-rechtlich unwirksam. Mängel der Prozeßhandlung sind weder ersichtlich, noch von der Klägerin geltend gemacht worden. Durch die Erklärungen der Beteiligten in der Berufungsverhandlung am 20.04.1994 sollte die Ungewiß heit darüber beseitigt werden, ob und inwieweit dem Beklagten auch für die Zeit vor dem 01.01.1984 Erstattungsansprüche zustehen. Dieser Streit ist von den Beteiligten im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt worden.

Die somit als Vergleich anzusehende Vereinbarung ist aber auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Insbesondere verstößt der Vergleich nicht gegen § 101 Abs. 1 SGG. Danach können die Beteiligten einen Vergleich nur schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können (vgl. BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8; Meyer-Ladewig, aaO. § 101 SGG Anm. 7a; Rohwer-Kahlmann, aaO. § 101 SGG Anm. 16). Ein Versicherungsträger darf sich also nicht zur Gewährung von Leistungen verpflichten, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Gleichwohl ist ein materiell-rechtlich unrichtiger Prozeßvergleich nicht ohne weiteres unwirksam. Denn es muß zwischen der Zulässigkeit und der Wirksamkeit eines materiell-rechtlich fehlerhaften Prozeßvergleichs unterscheiden können. Das "Verfügen-können" i.S. des § 101 SGG deckt sich nicht mit dem "Verfügen-dürfen" (BSG SozR § 101 SGG Nrn. 8 und 9; BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8).

Jedenfalls soweit Meinungsverschiedenheiten, die in der Frage des bestehens eines Rechtsverhältnisses oder der sich daraus ergebenen Ansprüche und Verpflichtungen hervorgetreten sind, durch eine vergleichsweise Regelung ganz oder teilweise beigelegt werden, ist die Regelung wirksam, auch wenn sie inhaltlich dem objektiven Recht widerspricht. Die Unwirksamkeit eines Vergleichs ist nur dann anzunehmen, wenn sein Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot (vgl. §§ 134, 138 BGB) verstößt, nicht aber, soweit sein Inhalt mit sonstigen materiell-rechtlichen Vorschriften ganz oder teilweise im Widerspruch steht (vgl. Meyer-Ladewig. aaO. sowie die in § 58 SGB X normierten Nichtigkeitsgründe). Denn nicht jede zwingende Norm des Verwaltungsrechts oder Sozialrechts hat die Bedeutung eines Verbotsgesetzes im Sinne von § 134 BGB (BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8). Der Umstand, dass das BSG bei einem vergleichbaren Sachverhalt durch Urteile vom 05.10.1995, 14.12.1995 (aaO.) entschieden hat, nach den Regelungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei die Klägerin nicht zur Erstattung verpflichtet, da kein Übergang der Unfallast eingetreten sei, hat in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen der RVO jedoch nicht die Bedeutung eines Verbotsgesetzes. Denn § 58 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 134 BGB erfasst nur schwerwiegende Verstöße. Entscheidend kommt es auf die Konsequenzen an, die die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Vergleichs jeweils hätte. Als schwerwiegend ist ein Verstoß insbesondere dann zu bezeichnen, wenn seine Folgenlosigkeit die faktische Geltungskraft der in Frage stehenden Norm untergraben würde (vgl. Freischmidt in Hauck, Kommentar zum SGB X, § 58 SGB X Anm. 12). Dies kann bei den hier vorliegenden Vergleich, der einen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01.01.1983 bis 31.12.1983 festlegt, nicht bejaht werden. Es handelt sich bei dieser Regelung um einen "normalen" auf fehlerhafte Auslegung von Rechtsnormen beruhenden Mangel, der die Wirksamkeit des Vergleichs regelmäßig nicht berührt (vgl. dazu Freischmidt in Hauck, aaO.; Krasney in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 58 SGB X Anm. 5 m.w.N.).

Gleiches gilt auch für das Anerkenntnis. Denn es hat ebenso wie der Prozessvergleich eine Doppelnatur (BSG SozR § 101 SGG Nr. 3; Rohwer-Kahlmann, aaO. § 101 SGG Anm. 37; Meyer-Ladewig, aaO. § 101 SGG Anm. 21) und der Begriff des "Verfügen-könnens" ist ebenso auszulegen wie beim Prozeßvergleich (vgl. Rohwer-Kahlmann, aaO. § 101 SGG Anm. 38 m.w.N.).

Soweit die Klägerin die Nichtigkeit des Vergleichs bzw. des Anerkenntnisses gemäß § 306 BGB schriftsätzlich geltend gemacht hat, liegen diese Voraussetzungen ebenfalls nicht vor. Ob einem Sozialleistungsträger ein Tun verboten ist oder ob er rechtlich nicht in der Lage ist, es zu tun, sind zwei Fragestellungen, die eng beianderliegen und sich ggfs. decken (vgl. Freischmidt in Hauck, aaO. § 58 SGB X Anm. 14). Der Umstand, daß die Rechtsprechung des BSG bis Oktober 1995, wie oben dargelegt, in vergleichbaren Fällen einen Erstattungsanspruch bejaht hat, macht die Schwierigkeit der Auslegung der einschlägigen rechtlichen Normen deutlich und schließt die Nichtigkeit des 1994 geschlossenen Vergleichs sowie des Anerkenntnisses gemäß § 306 BGB aus.

Eine Nichtigkeit gemäß § 142 BGB scheidet ebenfalls aus. Denn zum einen lag bei der Klägerin lediglich ein unbeachtlicher Rechtsirrtum vor und zum anderen ist die Anfechtung nicht unverzüglich erklärt worden.

Der Vergleich ist auch nicht gemäß §§ 58 Abs. 1, 54 SGB X i.V.m. § 779 BGB unwirksam. Denn der Irrtum muß sich dabei auf Umstände beziehen, die nicht ungewiss waren. Ein Irrtum über einen ungewissen Punkt, wie hier das Bestehen eines Erstattungsanspruchs, ist unerheblich (vgl. Freischmidt in Hauck, aaO. § 54 SGB X Anm. 23 m.w.N.; Krasney in Kasseler Kommentar § 54 SGB X Anm. 14), da es gerade Zweck des Vergleichs ist, ein Zurückgreifen auf die Umstände auszuschließen, über die man sich verglichen hat.

Soweit die Klägerin geltend macht, die Geschäftsgrundlage für den Vergleich und das Anerkenntnis sei entfallen und der Klageantrag insoweit ein Kündigungs- bzw. Anpassungsbegehren enthält, ist ein neues Verfahren einzuleiten (vgl. Meyer-Ladewig, aaO. § 101 SGG Anm. 17 b; Rohwer-Kahlmann, aaO. § 101 SGG Anm. 32; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 101 SGG Anm. 1 c), so daß die Klage insoweit zwar zulässig, jedoch unbegründet ist. Gemäß § 59 Abs. 1 SGB X kann, sofern sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluß des Vertrages so wesentlich verändert haben, daß einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse verlangen, oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Dabei sind die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesenen Verhältnisse von den Verhältnissen zu unterscheiden, die zum Gegenstand der vertraglichen Regelung gemacht, also zum Vertragsinhalt erhoben worden sind (vgl. Freischmidt in Hauck, aaO. § 59 SGB X Anm. 7). Das Bestehen der Erstattungspflicht wurde hier jedoch gerade zum Vertragsbestandteil, so daß eine Anpassung wegen Änderung der Rechtsprechung ausscheidet. Anderenfalls wäre der Sinn und Zweck des Vergleichs, die Ungewissheit endgültig zu beseitigen, verfehlt. Gleiches gilt auch für das Anerkenntnis, dass die Zuständigkeit endgültig regeln sollte. Überdies war den Beteiligten bei Vergleichsabschluss und Abgabe des Anerkenntnisses bekannt, daß insoweit weitere Rechtstreite anhängig waren. Gleichwohl haben sie den Vergleich ohne jeglichen Vorbehalt geschlossen und das Anerkenntnis uneingeschränkt abgegeben. Schließlich könnte bezüglich des Vergleichs auch eine "Unzumutbarkeit" im Sinne von § 59 SGB X nicht bejaht werden. Denn aufgrund des Vergleichs wurde lediglich eine Erstattungspflicht für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.1983 begründet. Unter Berücksichtigung der relativ geringfügigen Zahlungen in Höhe von insgesamt etwa 3.000,00 DM liegt jedoch keine Unzumutbarkeit vor.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Verhalten des Beklagten auch nicht rechtsmißbräuchlich. Er ist insbesondere nicht nach § 86 SGB X verpflichtet, die Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Rückerstattungs- und Erstattungsansprüche so zu behandeln, als sei er der zuständige Unfallversicherungsträger. Gemäß § 86 SGB X sind die Leistungsträger verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem SGB eng zusammenzuarbeiten. Die Rechtsprechung (BSG SozR 1300 § 101 Nr. 2; BSG SozR 4100 § 105b Nr. 6) hat diese Vorschrift dahingehend ausgelegt, daß sie zumindest die Verpflichtung umfaßt, bei widerstreitenden gegenseitigen Interessen auch die Belange des anderen Sozialleistungsträgers angemessen zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nur für das Vorliegen einzelner Leistungsvoraussetzungen für die Erstattungsansprüche und ist auf Status entscheidungen - wie hier - wegen deren erheblich weiterreichenden Bedeutung vor allem deshalb nicht zu übertragen, weil dadurch der von der Vorschrift bezweckte Interessenausgleich zwischen den am Erstattungsverfahren beteiligten Träger nicht erreicht werden kann (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 SGG Nr. 15).

Nach alledem sind der Vergleich und das Anerkenntnis nicht nachträglich weggefallen, so daß die Klägerin weiterhin der zu ständige Unfallversicherungsträger ist und ihr weder Rückerstattungs- noch Erstattungsansprüche gegenüber dem Beklagten zustehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlaß, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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