L 7 AS 2261/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1097/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2261/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es entspricht der Funktion des Jobcenters, sämtliche Aufgaben auch des kommunalen Trägers wahrzunehmen, sofern nicht die Trägerversammlung eine Rückübertragung dieser Aufgaben beschließt. Ohne eine Rückübertragung ist aktiv prozessführungsbefugt für auf § 36a SGB II gestützte Erstattungsstreitverfahren das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung.
2. Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Rückübertragung nach § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. April 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten i.H.v. 1.262,80 Euro einer psychosozialen Betreuung, die während eines Aufenthalts in einem im klagenden Landkreis gelegenen Frauenhaus erfolgt ist.

Die 1983 im L. geborene H. A. N. (künftig nur H.) und ihre am 2006 geborene Tochter Z. (künftig nur Z.) lebten von 2009 bis zum 14. Dezember 2011 zunächst im Gebiet der beklagten kreisfreien Stadt. Wegen Bedrohungen durch ihren Ehemann waren H. und Z. am 15. Dezember 2011 aus der gemeinsamen Wohnung in ein im Stadtgebiet K. gelegenes Frauenhaus geflohen. Nachdem der Ehemann der H. und ihr Bruder ihren Aufenthaltsort herausgefunden hatten, flüchteten H. und Z. am 28. Dezember 2011 in das in B. (Z.) gelegene Frauenhaus des Frauenhaus Z. e.V. (künftig nur Verein). Dort hielten sie sich bis zum 25. Januar 2012 auf. Das Jobcenter Z. gewährte ihnen mit Bescheid vom 5. Januar 2012 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ab dem 26. Januar 2012 hielten sich H. und Z. sodann in einem Frauenhaus in S. auf.

Die Kosten der Unterbringung von H. und Z. für die Zeit vom 28. Dezember 2011 bis 25. Januar 2012 bezifferte der Verein auf insgesamt 1.713,90 Euro (Rechnungen vom 31. Dezember 2011 und 31. Januar 2012 (Blatt 30 und 31 der Kläger-Verwaltungsakte)). Mit Bescheid vom 9. Februar 2012 bewilligte der Kläger H. und Z. für den genannten Zeitraum "entstehende Unterbringungskosten im Frauenhaus B. im Rahmen der Vorschriften des SGB II". Im Bescheid wurde ausgeführt, dass "die im Rahmen der psychosozialen Betreuung entstandenen Kosten gem. § 16a SGB II und die Unterkunftskosten im Rahmen des § 22 SGB II" übernommen würden. Die Abrechnung erfolge direkt mit dem Frauenhaus. Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 machte der Kläger bei der Beklagten u.a. einen Kostenerstattungsanspruch i.H.v. insgesamt 1.262,80 Euro für die Kosten der Betreuung von H. und Z. im Frauenhaus B. im Zeitraum vom 28. Dezember 2011 bis 25. Januar 2012 geltend, wobei der Auszugstag wegen Umzugs in ein anderes Frauenhaus nicht berechnet werde. Mit Antwortschreiben vom 14. Februar 2012 (Blatt 43 der Kläger-Verwaltungsakte) anerkannte die Beklagte ihre Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach - "soweit Leistungen durch den kommunalen Träger im Frauenhaus zu gewähren" seien - und bat um Übersendung der mit dem Frauenhaus getroffenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Nach Mitteilung des Klägers (Schreiben vom 12. März 2012), dass schriftliche Vereinbarungen mit dem Verein nicht bestünden, und Übersendung eines Aktenvermerks des Kreissozialamts vom 5. Mai 2009 ("Betreuungssätze im Frauenhaus Z. für Bewohnerinnen und deren Kinder aus anderen Landkreisen" (Blatt 62 der Kläger-Verwaltungsakte)) an die Beklagte, teilte diese mit (Schreiben vom 21. März 2012), dass sie die bezifferten psychosozialen Betreuungskosten mangels Vereinbarung nach § 17 SGB II nicht erstatten werde.

Am 17. April 2012 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage auf Zahlung eines Betrags i.H.v. 1.262,80 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen erhoben. Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen hat er die Klage später zurückgenommen (Schriftsatz vom 25. Februar 2013). Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar keine schriftliche Vereinbarung nach § 17 SGB II mit dem Verein vorliege. Die Abrechnung erfolge aber seit Jahren auf Grundlage des Aktenvermerks vom 5. Mai 2009. Dieser beruhe auf einer Vereinbarung mit dem Verein. Die Beklagte ziehe sich auf Formalitäten zurück, was einer zeitnahen "unbürokratischen" Erledigung von Kostenerstattungen entgegenstehe. Im Übrigen habe der Kläger die Aufgaben des kommunalen Trägers nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht auf den Träger nach § 44b SGB II übertragen. In der "Gründungsbegleitenden Vereinbarung zur Bildung und Ausgestaltung einer gemeinsamen Einrichtung gemäß § 44b des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II)" zwischen der Agentur für Arbeit B. und dem Kläger vom 13. Dezember 2010 (Blatt 30 bis 36 der SG-Akte (künftig nur Gründungsvereinbarung)) seien die kommunalen Eingliederungsleistungen auf den kommunalen Träger rückübertragen worden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie sei nicht passiv legitimiert, sondern das Jobcenter D. als gemeinsame Einrichtung i.S.d. § 44b SGB II. Dieses hat das SG mit Beschluss vom 3. Juli 2013 zum Verfahren beigeladen. Der Beigeladene hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die geltend gemachte Forderung ohne gültige Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nicht nachvollzogen werden könne. Es sei weder ersichtlich, welche Kosten überhaupt abgerechnet worden seien, noch sei die Höhe der Tagessätze nachvollziehbar. Mit Einverständnis der Beteiligten hat das SG sodann ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage mit Urteil vom 7. April 2014 abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass erhebliche Bedenken hinsichtlich der Prozessführungsbefugnis des klagenden Landkreises bestünden. Aus der vorgelegten Gründungsvereinbarung ergebe sich nicht, dass eine Rückdelegation der kommunalen Eingliederungsleistungen auf den Kläger stattgefunden habe. Aber auch bei unterstellter Prozessführungsbefugnis sei die Klage unbegründet. Bezüglich der Beklagten fehle schon deren Passivlegitimation, weil eine Rückübertragung kommunaler Aufgaben vom Beigeladenen auf den Beklagten nicht stattgefunden habe. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 14. Februar 2012 könne der Kläger keine Ansprüche herleiten. Ein Kostenerstattungsanspruch komme aber auch gegenüber dem Beigeladenen nicht in Betracht, weil schon nicht nachvollzogen werden könne, welche rechtmäßigen Leistungen in welcher Höhe gegenüber H. und Z. auf welcher Grundlage überhaupt erbracht worden seien. Der Aktenvermerk des Klägers vom 5. Mai 2009 entspreche im Übrigen weder formal noch inhaltlich den Anforderungen an eine hinreichende Leistungsvereinbarung i.S.d. § 17 Abs. 2 SGB II.

Am 20. Mai 2014 hat der Kläger gegen das Urteil des SG, welches ihm am 22. April 2014 zugestellt worden ist, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass eine ordnungsgemäße Leistungsbewilligung durch ihn entgegen der Auffassung des SG nachgewiesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. April 2014 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, ihm einen Betrag von 1.262,80 Euro für Kosten der psychosozialen Betreuung der H. A. N. und der Z. A. N. im Frauenhaus des Frauenhaus Z. e.V. in der Zeit vom 28. Dezember 2011 bis 25. Januar 2012 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und verweist auf sein Vorbringen im ersten Rechtszug.

Mit Verfügung des Berichterstatters vom 11. Juli 2014 ist der Kläger aufgefordert worden, Beschlüsse der Trägerversammlung über die Rückdelegation der kommunalen Eingliederungsleistungen gemäß § 11 der Gründungsvereinbarung und schriftliche Vereinbarungen mit dem Verein (Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen) vorzulegen sowie darzulegen, welche Leistungen der psychosozialen Betreuung der H. und Z. tatsächlich erbracht worden seien und woraus sich die Erforderlichkeit dieser Leistungen gerade für die Eingliederung in das Erwerbsleben ergebe.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2014 hat der Kläger das "Protokoll der 1. Trägerversammlung des Jobcenter Z. am 24.01.2011" (Blatt 14 und 15 der Senats-Akte (künftig nur Protokoll)) sowie die Verfügung des Kreissozialamts vom 18. Juni 2013 zur "Erhöhung der Betreuungssätze im Frauenhaus Z. e.V. sowie der Sätze für die Kosten der Unterkunft ab 01.07.2013" (Blatt 16 der Senats-Akte) vorgelegt und erklärt, dass weitere "Vereinbarungen" nicht bestünden. Mit weiterem Schriftsatz vom 5. November 2014 hat der Kläger das Schreiben des Vereins vom 2. September 2014 zum Betreff "Übernahme Frauenhauskosten für H. A. N." (Blatt 20 der Senats-Akte) eingereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Klägers sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Beigeladenen verhandeln und entscheiden, denn der Beigeladene ist ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2016 geladen und in der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens im Termin verhandelt und entschieden werden kann.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere aufgrund der den Senat bindenden Zulassung durch das SG (vgl. § 144 Abs. 3 SGG) statthaft. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des SG war lediglich im Kostenausspruch abzuändern. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann die Erstattung der strittigen Kosten der psychosozialen Betreuung der H. und der Z. im Frauenhaus des Vereins in der Zeit vom 28. Dezember 2011 bis 25. Januar 2012 weder von der Beklagten (Hauptantrag) noch vom Beigeladenen (Hilfsantrag) mit Erfolg beanspruchen, denn er ist nicht (aktiv) prozessführungsbefugt, so dass die Klage bereits unzulässig ist. Aus diesem Grund durfte das SG die Frage der (aktiven) Prozessführungsbefugnis in der angefochtenen Entscheidung auch nicht dahinstehen lassen.

1. Die Klage ist zwar als allgemeine Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Ein Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern ist ein Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt und vorliegend auch nicht erfolgt ist. Damit war die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich und die Einhaltung einer Klagefrist nicht erforderlich (vgl. dazu nur Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Mai 2000 - B 3 KR 33/99 R - (juris Rdnr. 14)).

2. Dem Kläger fehlt indes die (aktive) Prozessführungsbefugnis.

a) Die Prozessführungsbefugnis - zu unterscheiden von der Beteiligtenfähigkeit nach § 70 SGG - ist die Berechtigung, einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen zu führen, also als richtiger Kläger zu klagen (aktive Prozessführungsbefugnis) oder als richtiger Beklagter verklagt zu werden (passive Prozessführungsbefugnis; siehe nur BSG, Urteile vom 23. Mai 2012 - B 14 AS 190/11 R - (juris Rdnr. 13) und - B 14 AS 156/11 R - (juris Rdnr. 12), beide m.w.N.). In der Regel fällt sie mit der Aktiv- bzw. Passivlegitimation in der Sache zusammen, es sei denn, Rechte eines Dritten können in zulässiger Prozessstandschaft verfolgt werden (BSG a.a.O.; Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rdnr. 11; Leitherer in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 69 Rdnr. 4). Die Prozessführungsbefugnis ist Prozessvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BSG, Urteil vom 11. Dezember 1973 - 2 RU 252/72 - (juris Rdnr. 24); Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 70 Rdnr. 48). Sie fehlt namentlich dann, wenn der Kläger ein materielles Recht in eigenem Namen geltend macht, das einem Dritten zusteht und kein Fall einer gewillkürten oder gesetzlichen Prozessstandschaft vorliegt; die Klage ist dann unzulässig (statt vieler nur BSG a.a.O. (juris Rdnr. 25); Keller a.a.O., Vorbem. vor § 51 Rdnr. 15; Straßfeld a.a.O.).

So liegt der Fall hier: Der Kläger begehrt nach seinem Vortrag die Erstattung erbrachter kommunaler Eingliederungsleistungen nach § 16a Nr. 3 SGB II auf Grundlage der Erstattungsnorm des § 36a SGB II. Bei diesem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch handelt es sich im Ausgangspunkt um ein Recht der Kommune, das mit ihrer Trägerschaft für die Leistungen nach § 16a SGB II (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) korrespondiert, für die Erstattung verlangt werden kann (BSG, Urteile vom 23. Mai 2012 - B 14 AS 190/11 R - (juris Rdnr. 14) und - B 14 AS 156/11 R - (juris Rdnr. 13)). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist indes das Jobcenter Z. als gemeinsame Einrichtung i.S.d. § 44b SGB II zum 1. Januar 2011 von Gesetzes wegen als Rechtsnachfolger an die Stelle der bis dahin zuständigen Träger getreten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. August 2013 - B 14 AS 1/13 R - (juris Rdnr. 14); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Mai 2015 - L 12 AS 1955/14 - (juris Rdnr. 66)). Gemäß § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II bilden die Träger - also nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise - im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine gemeinsame Einrichtung (hier: Jobcenter Z.). Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr (§ 44b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II). Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben nach außen gehört auch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber anderen Trägern. Dieses umfassende Verständnis der Aufgabenübertragung folgt aus § 44b SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung und der grundgesetzlich verankerten Aufgabenzuständigkeit der gemeinsamen Einrichtung (vgl. Art. 91e Abs. 1 Grundgesetz (GG)) unabhängig von einer Übertragung der jeweiligen Aufgabe im Einzelfall. Es entspricht der Funktion eines Jobcenters (§ 6d SGB II), sämtliche Aufgaben auch des kommunalen Trägers wahrzunehmen, sofern nicht die Trägerversammlung gemäß § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 44b Abs. 4 SGB II eine Rückübertragung dieser Aufgaben beschließt (BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 - B 14 AS 156/11 R - (juris Rdnr. 13); Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 36a Rdnr. 10, Stand: 13. Juli 2015; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 36a Rdnr. 30, Stand: November 2013; vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 6. April 2016 - L 11 AS 355/15 - (juris Rdnr. 17)). Aktiv prozessführungsbefugt und damit richtiger Kläger in einem auf § 36a SGB II gestützten Erstattungsstreitverfahren ist danach grundsätzlich - wenn keine Rückübertragung auf den kommunalen Träger erfolgt ist - das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung (Aubel a.a.O.; Krauß a.a.O.; vgl. auch BSG a.a.O.; LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Dies folgt im Übrigen vorliegend auch aus der Gründungsvereinbarung, denn dort ist in § 7 Abs. 3 Satz 1 geregelt, dass "die gemeinsame Einrichtung die Forderungen der Vereinbarungspartner gegenüber Dritten geltend macht". Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fehlt dem Kläger somit die (aktive) Prozessführungsbefugnis.

Der Senat kann sich nicht davon überzeugen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass eine (wirksame) Rückübertragung i.S.d. § 44b Abs. 4 SGB II hinsichtlich der Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 36a SGB II gegenüber anderen Trägern vom Jobcenter Z. auf den Kläger stattgefunden hat. Aus der vom Kläger vorgelegten Gründungsvereinbarung ergibt sich lediglich, dass "Agentur und Landkreis sich darin einig sind, dass durch Beschluss der Trägerversammlung die kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II zur Durchführung an den Landkreis rückdelegiert werden sollen" (§ 11 der Gründungsvereinbarung). Einen entsprechenden Beschluss der Trägerversammlung nach § 44c Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II hat der Kläger nicht vorgelegt und auch nicht einmal substantiiert behauptet, dass und wann ein solcher Beschluss mit Stimmenmehrheit (§ 44c Abs. 1 Satz 7 SGB II) gefasst worden sein soll. Die Gründungsvereinbarung ist nicht einmal im Ansatz geeignet, eine diesbezügliche Beschlussfassung zu belegen, denn in ihr wird lediglich zwischen den Vertragspartnern, der Agentur für Arbeit und dem Kläger, vereinbart, dass die Trägerversammlung einen entsprechenden Beschluss fassen "soll". Die Vereinbarungsparteien selbst sind gar nicht die Trägerversammlung und daher nicht befugt, eine Entscheidung nach § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II zu treffen. Unabhängig davon befasst sich § 11 der Gründungsvereinbarung alleine mit der "Durchführung der kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II", der hier relevante Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II ist indes unter die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 der Gründungsvereinbarung zu subsumieren. Denn die Geltendmachung von Forderungen der Träger gegenüber Dritten - die nach der Gründungsvereinbarung bei der gemeinsamen Einrichtung verbleibt - ist dort ausdrücklich geregelt. Nach diesem Normverständnis kann die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 36a SGB II gegenüber Dritten nicht als "Durchführung der kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II" verstanden werden, denn dafür fehlt gerade im Hinblick auf die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 der Gründungsvereinbarung jeglicher Anhalt.

Bereits aus diesem Grund ist das erst im Berufungsverfahren vorgelegte Protokoll schon nicht geeignet, eine Beschlussfassung der Trägerversammlung nach § 44c Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II zu belegen. Unabhängig davon ergibt sich aus dem Protokoll für den vorliegend alleine relevanten Zusammenhang auch lediglich, dass "die Träger einstimmig an der gründungsbegleitenden Vereinbarung vom 13.12.2010 festhalten und diese auch für die Zeit ab 01.01.2011 für gültig und bindend erklären" (Ziffer 1 Abs. 2 des Protokolls). Eine mit Mehrheit der Stimmen erfolgte Beschlussfassung der Trägerversammlung, dass der Kläger in Abweichung zu § 7 Abs. 3 Satz 1 der Gründungsvereinbarung und in Abweichung des § 44b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II für die Zeit ab dem 1. Januar 2011 die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach § 36a SGB II im eigenen Namen wahrnimmt, lässt sich dem Protokoll an keiner Stelle entnehmen. Eine entsprechende klare, unmissverständliche und ausdrückliche Willensäußerung der Trägerversammlung - nicht der Träger - wäre aber schon deshalb erforderlich, weil die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 der Gründungsvereinbarung geradezu dafür streitet, dass eine Übertragung der Geltendmachung von Erstattungsforderungen nach § 36a SGB II durch den kommunalen Träger nicht erfolgt ist und auch gar nicht erfolgen sollte. Dazu hat sich der Kläger im Berufungsverfahren indes nicht einmal erklärt, sondern kommentarlos das Protokoll vorgelegt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er sich darauf zurückgezogen, dass er unter Hinweis auf die übersandten Unterlagen "meine", die Trägerversammlung habe einen entsprechenden Übertragungsbeschluss gefasst. Dass dies unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen nicht ansatzweise geeignet ist, dem Senat die erforderliche Überzeugungskraft zu verschaffen, bedarf keiner weiteren Begründung.

b) Da der Kläger vorliegend auch nicht als gewillkürter Prozessstandschafter ein fremdes Recht geltend macht, sondern ausdrücklich ein (vermeintlich) eigenes (vgl. dazu nur Leitherer a.a.O., § 69 Rdnr. 4a a.E.; Keller a.a.O., § 54 Rdnr. 11a), ist die Klage mithin mangels (aktiver) Prozessführungsbefugnis des Klägers bereits unzulässig, so dass die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil unbegründet ist. Für eine gewillkürte Prozessstandschaft wäre im Übrigen auch ein eigenes Rechtsschutzinteresse des Klägers (dazu nur Keller a.a.O. m.w.N.) nicht erkennbar, unabhängig davon, dass kein Bedürfnis besteht, von der verfassungsrechtlich vorgegebenen (Art. 91e Abs. 1 GG) und einfachgesetzlich angeordneten Regelwahrnehmungszuständigkeit der gemeinsamen Einrichtung unter Umgehung der Rechte der Trägerversammlung (§ 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und § 44b Abs. 4 SGB II) im Einzelfall abzuweichen.

c) Die Berufung des Klägers war nach alledem zurückzuweisen, ohne dass es auf die übrigen von den Beteiligten aufgeworfenen Streitfragen entscheidungserheblich ankommt.

3. Die Kostenentscheidung des gerichtskostenpflichtigen Verfahrens beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hiernach war die Kostenentscheidung des SG trotz der Erfolglosigkeit der Berufung in der Hauptsache abzuändern. Im Falle eines erfolglos eingelegten Rechtsmittels bleibt die Kostenregelung der Vorentscheidung grundsätzlich gültig. Jedoch ist das Rechtsmittelgericht zu einer Abänderung oder Ergänzung der Kostenentscheidung der Vorinstanz von Amts wegen befugt (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - (juris Rdnr. 30) m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Januar 2016 - L 9 U 1028/15 - (juris Rdnr. 51); Senatsurteil vom 12. Dezember 2013 - L 7 SO 4209/09 - (juris Rdnr. 39); Leitherer a.a.O. § 197a Rdnr. 12; Gutzler in Roos/Wahrendorf, a.a.O., § 197a Rdnr. 37, beide m.w.N.); das Verbot der Reformatio in peius gilt insoweit nicht (BSG a.a.O.). Dementsprechend war hier zu verfahren, weil das SG auch die Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig erklärt und sie dem Kläger auferlegt hat. Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zwar erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die Auferlegung von Kosten des Beigeladenen auf den unterliegenden Beteiligten entspricht indes nach gefestigter Rechtsprechung (etwa BSG, Beschluss vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 33/05 B - (juris Rdnr. 12); Leitherer a.a.O., § 197a Rdnr. 29 m.w.N.) nur dann der Billigkeit, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat und somit ein eigenes Prozessrisiko eingegangen ist. Der Beigeladene hat jedoch - in seiner Eigenschaft als (verfahrensbeteiligter) Beigeladener - auch in der ersten Instanz keinen Antrag gestellt; auf den mit Schriftsatz des Beigeladenen vom 12. Juni 2012 - wohl versehentlich - erklärten Klageabweisungsantrag kann nicht abgestellt werden, denn zu diesem Zeitpunkt war der Beigeladene überhaupt noch nicht verfahrensbeteiligt i.S.d. § 69 Nr. 3 SGG, weil dessen Beiladung erst mit Beschluss des SG vom 3. Juli 2013 erfolgte. Nach Beiladung hat der Beigeladene keinen Sachantrag gestellt. Der Kläger hat daher die erste Instanz betreffend lediglich die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind jedoch von diesem selbst zu tragen. Demgemäß war die Kostenentscheidung des SG abzuändern. Da der Beigelade auch im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat und somit kein Prozessrisiko eingegangen ist, kann er auch insoweit keine Kostenerstattung verlangen.

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor
Rechtskraft
Aus
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