S 32 AL 247/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
32
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 32 AL 247/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 29/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine selbstständige Tätigkeit kann auch durch eine vorbereitende Handlung mit Außenwirkung aufgenommen werden, sofern sie nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (Anschluss an BSG, Urteil vom 05.05.2010, Az.: B 11 AL 28/09)

2. Die Prognose der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist nach den erzielten Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit nach Ablauf der ersten sechs Monate zu überprüfen.

3. Die Beklagte kann auch noch im Klageverfahren eine Prognose der Tragfähigkeit anhand der Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung treffen.

4. Die Tragfähigkeit ist nach den individuellen Verhältnissen des Existenzgründers zu bestimmen.

5. Sofern die Beklagte dem Existenzgründer die Förderung seiner selbstständigen Tätigkeit in einer Eingliederungsvereinbarung zusagt, kommt bei Vorliegen weiterer Umstände eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht.
Der Bescheid vom 14.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteil, dem Kläger Gründungszuschuss dem Grunde nach zu gewähren.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Gründungszuschusses.

Der Kläger war nach seinem Studium als Diplom-Wirtschaftsinformatiker und verschiedenen Praktika in der Wirtschafsprüfung bei C. in der Schweiz tätig, um dort nationale und internationale Unternehmen im Aufbau und Prüfung der Risiko- und Kontrollstrukturen zu unterstützen. Im Anschluss leitete er in der Konzernrevision bei D. Financial Prüfungen in den Bereichen Datenschutz, Outsourcing, Geldwäsche und IT Sicherheit.

Seine letzte Tätigkeit kündigte der Kläger zum 30.09.2013. Er meldete sich zum 28.02.2014 arbeitssuchend und stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Im Antragsformular bestätigte der Kläger den Erhalt des Merkblattes für Arbeitslose. Mit Bescheid vom 20.03.2014 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.10.2013 – 23.12.2013 für 12 Wochen fest und minderte den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage. Mit Bescheid vom 25.03.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28.02. – 29.11.2014, insgesamt für 270 Tage.

Der Kläger teilte in einem Beratungsgespräch mit einer Arbeitsvermittlerin der Beklagten am 17.03.2014 mit, dass er plane sich zum 01.07.2014 im Bereich Revision selbstständig zu machen. Nach dem Vermerk der Arbeitsvermittlerin wurde dem Kläger u. a. der Antrag Gründungszuschuss sowie der dazugehörende Flyer ausgegeben und über weitere Beratungsmöglichkeiten informiert. Während dieses Beratungsgespräches schloss der Kläger mit der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen.

Am 02.06.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf die Gewährung eines Gründungszuschusses für seine selbstständige Tätigkeit als freiberuflicher Volks- und Betriebswirt sowie Wirtschaftsinformatiker, in dem er die Richtigkeit seiner Angaben versichert und sich verpflichtet, alle leistungserheblichen Änderungen der Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Dem Antrag war die Stellungnahme des Steuerberaters des Klägers nebst Businessplan beigefügt.

Im Businessplan legte der Kläger dar, dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als externer Dienstleister im Bereich der IT-Revision, dem Notfallmanagement, dem Datenschutz, der E-Commerce-Strategie sowie der Prävention wirtschaftskrimineller Handlungen bestehe. Er wies monatliche Lebenshaltungskosten i. H. v. 2.331,50 EUR aus. Dabei legte er Kosten für seine Wohnung inklusive aller Nebenkosten i. H. v. 760,00 EUR sowie für die Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 310,00 EUR zugrunde. Zusätzlich legt er Beiträge zu den anderen Sozialversicherungen i. H. v. 291,50 EUR zugrunde.

Zudem ergab sich aus dem Businessplan für die ersten drei Monate einen betrieblichen Gesamtkapitalbedarf i. H. v. 5.181,00 EUR; diesen Kapitalbedarf wollte der Kläger über ein Bankguthaben i. H. v. 2.000,-EUR sowie Sacheinlagen i. H. v. 2.000,-EUR decken, sodass eine Unterdeckung von 1.181,00 EUR bestand. Nach der Umsatz- und Rentabilitätsvorschau ergaben sich für die ersten sechs Monate bei einem Umsatz von 5.000,-EUR sowie Betriebsausgaben von 4.020,-EUR einen Gewinn von 980,-EUR für die ersten sechs Monate. Der monatliche Gewinn betrug danach 163,33 EUR. In den kommenden Jahren sollte sich der monatliche Gewinn auf 1.500,-EUR im Jahre 2015, auf 2.500,-EUR im Jahre 2016 und auf 3.333,33 EUR im Jahre 2017 steigern. Der Steuerberater kam in seiner Stellungnahme vom 15.05.2014 zu dem Ergebnis, dass die Existenzgründung des Klägers tragfähig sei.

Mit Bescheid vom 14.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab, da der Kläger nicht über einen Restanspruch Arbeitslosengeld von 150 Tagen verfüge. Im Anschluss erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten telefonisch nach dem Grund für die Ablehnung auf Grund fehlender Anspruchstage. Er teilte mit, dass er mit seiner Arbeitsvermittlerin selbst das Datum der Gründung ausgerechnet habe. Er war der Ansicht, einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 151 Tagen zu haben.

Mit Schreiben vom 24.07.2014 hat der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass er seine selbstständige Tätigkeit bereits am 28.06.2014 aufgenommen habe. Zum Nachweis legt er ein Schreiben des Finanzamtes Offenbach am Main I vom 22.07.2014 vor, indem ihm seine neue Steuernummer für seine seit dem 28.06.2014 aufgenommene Tätigkeit mitgeteilt wurde. Er begründete seinen Widerspruch zudem damit, dass der ursprüngliche Planungstermin vom 01.07.2014 mit seiner Arbeitsvermittlerin im Beratungsgespräch am 17.03.2014 als Grundlage für die weiteren Abläufe festgelegt wurde. Da er keine Reaktion auf seinen Antrag von der Beklagten erhielt, habe er am 26.06.2014 eine E-Mail mit einer Sachstandsanfrage übersandt. Auf diese E-Mail habe er am gleichen Tag eine mündliche Zusage seitens der Arbeitsvermittlerin erhalten, dass der Gründungszuschuss gewährt würde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger verfüge lediglich über eine Restanspruchsdauer von 149 Tagen. Der Vortrag zur früheren Aufnahme sei erst nach Erhalt des Ablehnungsbescheides behauptet worden, als dem Kläger bewusst geworden sei, dass ihm kein Restanspruch von 150 Tagen zustehe. Gegenüber seiner Arbeitsvermittlerin habe der Kläger immer den 01.07.2014 als Datum für die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit genannt. Dieses Datum habe er zudem in seinen Anträgen angegeben. Das Schreiben des Finanzamtes würde keine andere Bewertung rechtfertigen, da bereits nicht ersichtlich sei, wann der Kläger gegenüber dem Finanzamt das Datum genannt habe. Zudem seien ausschließlich die gegenüber der Beklagten genannten Daten relevant. Eine Zusage in schriftlicher Form gäbe es nicht. Es könne dahinstehen, ob ein Beratungsfehler seitens der Arbeitsvermittlerin vorläge.

Der Kläger hat mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10.10.2014 dagegen Klage erhoben.

Im Klageverfahren behauptet der Kläger, dass er seine selbstständige Tätigkeit bereits am 28.06.2014 aufgenommen zu haben, da er an diesem Tag ein Gespräch mit einem künftigen Geschäftspartner geführt habe. In dem Gespräch sei ausdrücklich der Stundensatz vereinbart worden, der für die zukünftigen Beratungsleistungen zugrunde gelegt wurde. Dies sei sein erster Auftrag gewesen und die Basis für die Gründungsphase. Er behauptet, dass er vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit den Businessplan verfasst habe, die Unterlagen zur Anmeldung der selbstständigen Tätigkeit beim Finanzamt Anfang Juni 2014 und die Tragfähigkeitsbescheinigung bei dem Steuerberater vorgelegt habe sowie seine Gründung bei früheren Kollegen der E. Bank ab Mai 2014 beworben habe.

Er ist der Ansicht, dass ausweislich der sozialgerichtlichen Rechtsprechung die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit vorliege, soweit eine entsprechend nach außen gerichtete Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht vorliege. Er bestreitet, dass dafür nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte abrechenbare Leistungen vorliegen müssten. Gerade zu Beginn einer Selbstständigkeit müssten viele Tätigkeiten ohne Vergütung zum Zwecke der Werbung von Klienten angenommen werden. Er ist der Ansicht, dass auf eine Tätigkeit als Revisor nicht auf eine vertiefte Kenntnis der sozialgerichtlichen Rechtsprechung geschlossen werden könne. Er ist der Ansicht, dass Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren nicht erweitert werden können.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 14.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2014 Gründungszuschuss dem Grunde nach zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2014 zu verurteilen, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide. Sie ist der Ansicht, dass der Kläger selbst in der Lage gewesen sein müsste, bei sorgfältiger Kenntnisnahme des Informationsmaterials die Restanspruchsdauer zu ermitteln, die notwendig gewesen wäre, um Anspruch auf die begehrten Leistung zu haben. Zudem hätte der Kläger der Beklagten die frühere Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt. Durch das Merkblatt für Arbeitslose sei der Kläger auch darüber informiert gewesen, dass Arbeitslosengeld regelmäßig für 30 Tage pro Kalendermonat berechnet und gezahlt werde. Der Kläger konnte dem Bewilligungsbescheid vom 25.03.2014 auch entnehmen, dass ihm bis zum 29.11.2014 Arbeitslosengeld bewilligt worden war.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger Nachweise darüber erbringen müsste, welche Arbeitseinsätze er vor dem 01.07.2014 wem in Rechnung gestellt und versteuert habe. Zudem ist sie der Ansicht, dass auf Grund der jahrelangen Tätigkeit des Klägers als Revisor ihm zuzutrauen wäre, dass er nicht Arbeitslosengeld für Tage in Anspruch nehme, an denen er gar nicht arbeitslos gewesen sei.

Sie ist der Ansicht, dass eine nachträgliche Vorverlegung der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit auf Grund einer möglichen Falschberatung seitens der Beklagten sowie die damit einhergehende Erhöhung der Tage, für die ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestand, nicht erfolgen könne; eine Fingieren von Tagen mit Anspruch auf Arbeitslosengeld sei rechtlich nicht möglich. Zudem sei die Tragfähigkeit des Gründungsvorhabens nicht belegt worden.

Ausweislich des eingereichten Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2014 versteuerte der Kläger Einkünfte aus seiner selbstständigen Tätigkeit i. H. v. 2.291,-EUR. Das Gericht führte einen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.05.2017 durch. In diesem Termin legte der Kläger seinen Steuerbescheid für das Jahr 2015 vor; daraus ergab sich für das Jahr 2015 versteuerte Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. H. v. 27.443,-EUR.

Das Gericht hat mit Schreiben vom 09.08.2017 auf die von ihm vorgenommene Auslegung des Begriffes "Tragfähigkeit" hingewiesen. Der Kläger hat zudem seine Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung nachgewiesen, welche sich auf 305,20 EUR bzw. 566,44 EUR und 99,50 EUR beliefen. Mietkosten habe er im Jahre 2015 nicht gehabt, da er bei Familie und Freunden unentgeltlich übernachten konnte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht den von dem Kläger benannten Zeugen vernommen; insofern wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Streitgegenständlich ist der Anspruch auf Gründungszuschuss nach § 93 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für den Zeitraum vom 28.06.2014 bis 28.12.2014.

B. Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Statthafte Klageart ist hinsichtlich des Hauptantrags die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG und hinsichtlich des Hilfsantrag die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1, 2 SGG.

C. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht einen Beteiligten auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilen, soweit nach § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Einerseits begehrt der Kläger ausweislich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags eine Leistung nach § 54 Abs. 4 SGG. Zwar besteht grundsätzlich kein gebundener Anspruch auf die Gewährung von Gründungszuschuss, allerdings liegt im Falle des Klägers – wie noch auszuführen ist – sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen als auch eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Es ist insofern wahrscheinlich, dass der Höhe nach ein Geldbetrag zu zahlen sein wird (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 130 Rn. 2c).

D. Die Klage ist auch begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 14.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Ihm steht auf Grund einer Ermessensreduzierung auf Null ein gebundener Anspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss nach § 93 SGB III zu.

Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III), der Existenzgründer der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung nachweist (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III). Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III hat der Arbeitnehmer zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute) vorzulegen.

Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift, da darunter alle Versicherten fallen, die durch Aufnahme einer hauptberuflichen, selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden. Er hat zudem eine Stellungnahme eines Steuerberaters vorgelegt, wonach seine Existenzgründung tragfähig ist. In der Rechtsprechung ist bereits entschieden, dass auch ein Steuerberater eine fachkundige Stelle darstellen kann (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2014, Az.: L 18 AL 155/12 – juris – Rn. 22). Der Kläger hat zudem durch sein Studium zum Diplom-Wirtschaftsinformatiker, seiner Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung bei C. sowie in der Konzernrevision bei D. Financial ausreichend nachgewiesen, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in diesem Bereich verfügt.

Unstreitig hat er zudem eine selbstständige Tätigkeit als freiberuflicher Betriebs- und Volkswirt sowie Wirtschaftsinformatiker aufgenommen und dadurch seine Beschäftigungslosigkeit beendet. Der Kläger hat insofern in der mündlichen Verhandlung am 07.12.2017 dazu ausgeführt, dass er durchgängig in den Bereichen IT-Beratung, Datenschutz und Revision tätig ist. Diese Bereiche entsprachen den im Businessplan beabsichtigten Tätigkeiten im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, dass er diese Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt hat. Vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit hat der Kläger Arbeitslosengeld bezogen, sodass zudem ein entsprechender Zahlungsanspruch bestand. Es sind für das Gericht zudem keine Ausschlussgründe nach § 93 Abs. 3 SGB III erkennbar.

Er hat zudem nach Überzeugung des Gerichts bereits am 28.06.2014 die selbstständige Tätigkeit aufgenommen, sodass bei ihm zu diesem Zeitpunkt noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestand, dessen Dauer mehr als 150 Tagen betrug (dazu unter I.). Zudem erweist sich seine aufgenommene selbstständige Tätigkeit als tragfähig (dazu unter II.). Weiterhin ist bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen (dazu unter III.).

I. Voraussetzung des Anspruches auf Gründungszuschuss ist, dass die Dauer des noch bestehenden Anspruches auf Arbeitslosengeld noch 150 Tage beträgt. Die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld hätte bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit am 01.07.2014 nur 149 Tage betragen. Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger jedoch bereits am 28.06.2014 seine selbstständige Tätigkeit aufgenommen.

Dabei wird eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wurde (Kuhnke in jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 93 SGB III, Rn. 16). Vorbereitungshandlungen können jedoch nur dann bereits als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar dazu bestimmt sind, hieraus den Lebensunterhalt bestreiten zu können. (Kuhnke in jurisPK-SGB III, aaO). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt in Vorbereitungshandlungen dann eine Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, Urteil vom 05. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R – Rn. 19). Diese Voraussetzungen seien erforderlich, um die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung zu gewährleisten (BSG, aaO). Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (BSG, Urteil vom 05. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R – Rn. 18).

Anhaltspunkte für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit können dabei die Anmietung von Gewerbe- oder Geschäftsräumen und deren Ausstattung (Telefon, Fax, Internetauftritt), die Bestellung von Waren oder Produktionsmitteln, Außenwerbung, Buchhaltung, Rechnungslegung, Einrichtung von Geschäftskonten und die Kundenwerbung darstellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass derartige Gesichtspunkte nicht losgelöst vom Maßnahmeplan einerseits und der konkreten Umsetzung der Planung bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit andererseits gesehen werden kann, um eine Zuordnung zu Vorbereitungshandlungen und der tatsächlichen Aufnahme abzugrenzen. Die Abgrenzung hat dabei im Einzelfall danach zu erfolgen, ob durch die Vorbereitungshandlung alleine eine Außenwirkung nach außen erfolgt ist oder es sich um reine Vorbereitungshandlungen ohne Außenwirkungen handelt.

Der Beklagten ist in der Hinsicht Recht zu geben, dass in einer rückwirkenden Anmeldung eines Gewerbes keine ernsthaften und unmittelbaren Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkungen liegen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2010, Az.: L 18 AL 160/09 – juris– Rn. 25). Dies muss entsprechend für eine rückwirkende Zuteilung einer Steuernummer durch das Finanzamt gelten. Zudem hat die Befragung des Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2017 ergeben, dass er vor dem 28.06.2014 keinen Gebrauchtwagen gekauft oder angemietet hat, keine Telekommunikationsverträge abgeschlossen hat, keine Versicherungsverträge oder Verträge zu Marketing und Werbung abgeschlossen hat.

Jedoch hat er sich bereits am 28.06.2014 mit dem Zeugen einen Vertrag über eine Tätigkeit für das Unternehmen des Zeugen geschlossen. Insofern haben der Kläger und der Zeuge übereinstimmend ausgesagt, dass sie an diesem Tag miteinander telefoniert haben. Beide haben übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der Kläger dem Zeugen die Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit an diesem Tag mitgeteilt hat. Zudem haben sie an diesem Tag bereits den Stundensatz von 62,50 EUR vereinbart. Das Gericht hält insofern die getroffenen Aussagen des Klägers und des Zeugen für glaubhaft. Diese waren detailreich, widerspruchsfrei und authentisch. Trotz der längeren Geschäftsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Zeugen hatte das erkennende Gericht nicht den Eindruck, dass die Aussagen von beiden abgesprochen wirkten, sondern sie waren aus sich selbst heraus schlüssig.

Dadurch hat diese Vorbereitungshandlung Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet. Dies kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass im Anschluss an dieses Telefonat der Kläger für das Unternehmen des Zeugen über 1 ½ Jahre selbstständig tätig war. Die vorbereitende Maßnahme war zudem nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet. Nach der Aussage des Zeugen umfasste das Aufgabengebiet des Klägers während der selbstständigen Tätigkeit für das Unternehmen des Zeugen Sicherheitsaspekte, Datenschutz und Prozessoptimierung. Ausweislich des Businessplans des Klägers sollte der Schwerpunkt der Existenzgründung des Klägers im Bereich der IT-Revision, dem Notfallmanagement, dem Datenschutz, der E-Commerce-Strategie sowie der Prävention wirtschaftskrimineller Handlungen bestehen. Ausweislich der Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist das Unternehmen des Klägers im Bereich IT-Beratung, Datenschutz und Revision tätig. Insofern war die vorbereitende Maßnahme nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ausdrücklich auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet.

Nach der Auffassung des Bundessozialgerichts soll die Vorbereitungshandlung allerdings nicht auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sein, sofern der Existenzgründer im Anschluss an die vorgenommenen Vorbereitungshandlungen über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben sein sollte (BSG, Urteil vom 05. Mai 2010, Az.: B 11 AL 28/09 R – juris – Rn. 20). Sowohl Kläger als auch Zeugen haben insoweit bestätigt, dass der Kläger nicht sofort mit seiner Tätigkeit für dessen Unternehmen unmittelbar starten konnte, da sich der Zeuge noch in Urlaub befunden hatte. Dabei ist allerdings auf die Sommerferien für Nordrhein-Westfalen abzustellen, da das Unternehmen des Zeugen seinen Sitz und auch der Zeuge selbst dort seinen Wohnsitz hat. Die Angaben des Zeugen sind auch in der Hinsicht zutreffend, da im Jahre 2014 die Sommerferien in der Zeit vom 07.07.2014 bis zum 19.08.2014 lagen, sodass das Gericht diese Angaben für glaubhaft und nachvollziehbar hält. Insofern war die ggf. gegebene Untätigkeit des Klägers insofern nicht vom Willen des Klägers abhängig. Der Kläger war zudem auch bereits gar nicht untätig, sondern er hat seine selbstständige Tätigkeit beim Finanzamt Offenbach angezeigt, welche ihm daraufhin eine Steuernummer zugeordnet hat, sodass der Anspruch des Klägers aus diesem Grund nicht ausgeschlossen ist.

Insofern hat der Kläger durch die Vorbereitungshandlung bereits am 28.06.2014 eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen, da diese Maßnahme Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet hat und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet war. Dadurch bestand bei dem Kläger noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld, welcher jedenfalls noch mindestens 150 Tage betrug.

II. Die Existenzgründung des Klägers ist auch tragfähig. Tragfähigkeit einer Existenzgründung liegt vor, sofern sie dem jeweiligen Antragsteller eine Existenzgrundlage schafft, die ihn unabhängig von dem Bezug von Sozialleistungen macht (Jüttner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriù, Sozialgesetzbuch III, Arbeitsförderung, Großkommentar, 6. Auflage 2016, § 93 Rn. 44). Eine Überprüfung der Tragfähigkeit hat auch noch im Klageverfahren zu erfolgen, sodass die Beklagte trotz Bejahung der Tragfähigkeit im Widerspruchsbescheid noch auf die fehlende Tragfähigkeit im Klageverfahren berufen kann (dazu unter 1.). Der Kläger hat jedoch diese Prognose im Klageverfahren erfolgreich widerlegen können. Dabei ist nach Auffassung des Gerichts die seitens der Beklagten gestellte Prognose nach Ablauf der ersten sechs Monate und somit nach Ablauf der Anlaufphase zu überprüfen. Bei der Überprüfung der Prognose ist entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts Darmstadt nicht auf einen pauschalen Betrag abzustellen, bei dem in jedem Fall Tragfähigkeit anzunehmen ist. Vielmehr ist zu Beurteilung der Frage, ob es dem jeweiligen Existenzgründer gelingt, unabhängig von Sozialleistungen zu leben, von dessen individuellen Verhältnissen auszugehen (dazu unter 2.).

1. Das erkennende Gericht hat bereits durch Urteil vom 16.03.2017, Az.: S 32 AL 179/14, entschieden, dass sich die Beklagte auch noch im Klageverfahren auf die fehlende Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit berufen kann. Sie ist insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, wenn sie im Widerspruchsbescheid pauschal die Tragfähigkeit bejaht hat oder – wie hier – dazu gar keine Ausführungen gemacht hat und diese Einschätzung sodann im Klageverfahren revidiert hat. Bei dem Merkmal der Tragfähigkeit handelt es sich um ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal, welches das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat. Dabei ist weder die Beklagte noch das Gericht an die Einschätzung der fachkundigen Stelle gebunden (Anschluss an SG Darmstadt, Urteil vom 08.07.2013, Az.: S 1 AL 276/11). Daraus folgend ist das Gericht ebenfalls nicht an die ursprüngliche Einschätzung der Beklagten gebunden, sondern es kann die Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit von Amts wegen überprüfen, sofern die Beklagte während des Klageverfahrens ihre ursprüngliche Prognose revidiert oder überhaupt erst trifft.

Es handelt sich zudem um ein zulässiges Nachschieben von Gründen. Dafür ist dabei zu unterscheiden, ob das Nachschieben von Gründen Ermessenserwägungen oder Tatbestandsvoraussetzungen betrifft. Das Nachschieben von Ermessenserwägungen ist lediglich eingeschränkt möglich, während das Nachschieben von Rechtsgründen oder Tatsachen zulässig ist, sofern sie bei Erlass des Verwaltungsaktes bereits vorlagen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert wird und das Nachschieben die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt (so Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 1. Auflage 2014, § 54 Rn. 148 ff.). Das muss gleichermaßen auch für die Revision einer Prognoseentscheidung gelten (vgl. Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 1. Auflage 2014, § 54 Rn.163). Eine solche Korrektur der ursprünglichen Prognose kann jedenfalls dann erfolgen, soweit sie sich die nun erfolgte Prognoseentscheidung lediglich auf die Unterlagen bezieht, die der Beklagten bei ihrer letzten Verwaltungsentscheidung vorgelegen haben und keine Einbeziehung von im Klageverfahren vorgetragene oder ermittelte Tatsachen in die Prognose erfolgt. Der angefochtene Verwaltungsakt wird insoweit auch nicht in seinem Wesen verändert, da die ursprüngliche Ablehnung, die sich erst auf die nicht erfüllte Anspruchsdauer stützte, nun zusätzlich mit der Verneinung eines weiteren Tatbestandselements begründet wird. Die Rechtsfolge des Verwaltungsaktes – Ablehnung eines Gründungszuschusses – wäre bei fehlender Tragfähigkeit bestehen geblieben. Die Rechtsverteidigung des Klägers wurde dadurch auch nicht beeinträchtigt gewesen, er hat – wie noch zu zeigen ist – die seitens der Beklagten aufgestellte Prognose der fehlenden Tragfähigkeit sogar widerlegt.

2. Die Beurteilung der Tragfähigkeit stellt eine Prognoseentscheidung dar, weil die Entscheidung über die Leistung nach deren Sinn und Zweck, die Sicherung des Lebensunterhalts sowie die soziale Sicherung in der Anfangszeit der Unternehmensgründung zu ermöglichen, zeitnah ergehen muss (Kuhnke in jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 25). Sie unterscheidet sich von dem Vorliegen eines Beurteilungsspielraums, dass auf Grund einer ungesicherten Tatsachengrundlage eine Entscheidung erforderlich ist (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 54 Rn. 31a). Die Prognose ist fehlerhaft, wenn Tatsachen nicht richtig festgestellt oder nicht alle Umstände richtig gewürdigt sind oder die Prognose auf unrichtigem oder unsachlichen Erwägungen beruht (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 128 Rn. 9f).

Diese Prognoseentscheidung ist von der Beklagten auf der Grundlage der Beurteilung durch die fachkundige Stelle zu treffen. Sie ist nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu treffen (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 23.09.2015, Az.: L 2 AL 20/14). Insofern ist bei der Überprüfung der Prognoseentscheidung grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahren, also der Erlass des Widerspruchsbescheides maßgebend (vgl. Kuhnke in jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 34a); dies rechtfertigt sich durch ihren vorausschauenden Charakter. Die Prognose wird nicht alleine dadurch fehlerhaft, soweit sich die tatsächlichen Verhältnisse anders als prognostiziert entwickeln (Kuhnke in juris-PK-SGB III, aaO). Ein späterer Geschehensablauf ist aber u. U. zu berücksichtigen, soweit die Prognose widerlegt wird. Dabei kann von der Schaffung einer ausreichende Lebensgrundlage jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn die fachkundige Stelle schlüssig darlegt, dass der Antragsteller nach der Anlaufphase von sechs Monaten voraussichtlich auf Dauer ein monatliches Bruttoeinkommen erzielt wird, das Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch II ausschließt (so Jüttner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriù, Sozialgesetzbuch III, Arbeitsförderung, Großkommentar, 6. Auflage 2016, § 93 Rn. 49).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ergibt sich aus § 94 Abs. 1, 2 SGB III, dass der Existenzgründer in den ersten sechs Monaten Unterstützung bei der Erzielung seines Lebensunterhalts benötigt (so Link in Eichner/Schlegel, Stand Januar 2016, § 93 Rn. 104). Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber für die Vorgängervorschrift mit einer neunmonatigen Anspruchsdauer davon ausgegangen ist, dass nach neun Monaten sich die Gründung soweit gefestigt und am Markt bewährt hat, dass der Lebensunterhalt (nur) aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann (BT-Drucks. 16/1696, S. 31 zu § 58). Bei der Beurteilung der Tragfähigkeit ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts somit eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob der Existenzgründer nach sechs Monaten in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt durch die selbstständige Tätigkeit selbst zu erzielen (so auch Link in Eichner/Schlegel, aaO).

Die insofern durch das Landessozialgericht Darmstadt zum § 57 SGB III a. F. geäußerte Ansicht, dass hinsichtlich der Beurteilung der Tragfähigkeit nach einer nicht näher definierten Anlaufphase auf den Zeitraum der ersten neun Monate nach Aufnahme der hauptberuflichen, selbstständigen Erwerbstätigkeit abzustellen sei (so LSG Darmstadt, Urteile vom 14.03.2014, Az.: L 9 AL 79/12 und vom 17.08.2015, Az.: L 9 AL 32/13), lehnt das erkennende Gericht vor dem Hintergrund dieser Ausführungen als nicht zutreffend ab. Es vertritt zudem entgegen der in diesen Entscheidungen geäußerten Ansicht des Berufungsgerichts nicht die Auffassung, dass zur Bejahung der Tragfähigkeit mindestens ein Bruttoeinkommen erzielt werden muss, welches dem durchschnittlichen Bruttoeinkommen abhängig Beschäftigter zu mindestens zwei Dritteln entspricht. Vielmehr muss das durchschnittliche Bruttoeinkommen so hoch sein, dass der Selbstständige ohne staatliche Hilfe seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann. Dafür müssen jedoch die individuellen Verhältnisse des Existenzgründers Berücksichtigung finden.

Ausweislich des vorgelegten Steuerbescheides für das Jahr 2015 hat der Kläger ein Jahreseinkommen i. H. v. 27.443,-EUR brutto aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt. Dies ergibt ein monatliches Bruttoeinkommen i. H. v. 2.286,92 EUR, sodass dieser Betrag sogar über den von dem Landessozialgericht angenommene Grenze liegen würde. Bei Betrachtung der individuellen Verhältnisse des Klägers hatte er nach seinen eigenen Angaben keine Mietausgaben im Jahre 2015, da er bei Familie und Freunden übernachtet hatte. Dies erklärte der Kläger damit, dass er bei den Eltern seiner Freundin gewohnt und gearbeitet hatte. Diese haben von ihm keine Miete genommen, sodass ihm keine entsprechenden Unkosten entstanden sind. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung betrugen nach seinen Angaben 305,20 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 07.10.2015 sowie für Oktober und November 2015 i. H. v. 566,44 EUR für die Beiträge zur Krankenversicherung und i. H. v. 99,50 EUR für die Beiträge zur Pflegeversicherung. Das Gericht geht dabei davon aus, dass die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Dezember 2015 ebenfalls 332,97 EUR betrugen oder jedenfalls nicht deutlich höher lagen.

Das Gericht kommt zudem zu keinem anderen Ergebnis, sofern es die Angaben des Klägers aus dem Businessplan seiner Berechnung zu Grunde legt. Danach hatte er angegeben, dass ihm Kosten für seine Wohnung i. H. v. 760,-EUR entstehen, welche auf Grund des Zusammenlebens des Klägers mit seiner Freundin zu halbieren sind. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung würden monatlich 310,-EUR betragen. Bei Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch II würde sich insofern ein Bedarf i. H. v. 391,-EUR für einen alleinstehenden Erwachsenen bzw. i. H. v. 360,-EUR, sofern der Existenzgründer – wie hier – in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Im Ergebnis würde sich ein Bedarf für den Kläger i. H. v. 1.050,-EUR ergeben, welcher auch bei Abzug der gezahlten Steuern sowie der Freibeträge komplett von dem erzielten Einkommen des Klägers aus der selbstständigen Tätigkeit gedeckt werden könnte.

Bei Berücksichtigung dieser Werte ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger sich aus seiner freiberuflichen Tätigkeit eine Existenzgrundlage geschaffen hat, die ihm ermöglichen, unabhängig von dem Bezug von Sozialleistungen zu leben. Das Gericht kann insofern nicht erkennen, dass bei dem Kläger während der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweiten Buch (SGB II) vorgelegen hat. Es ergäbe sich zudem bei der Höhe dieses Einkommens auch kein Anspruch nach dem Wohngeldgesetz, selbst wenn das Gericht die von dem Kläger im Businessplan genannten 760,-EUR für die Kosten der Unterkunft sowie die dort ebenfalls genannten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 310,-EUR berücksichtigt. Insofern erweist sich die im Klageverfahren gestellte Prognose der Beklagten als fehlerhaft, da ihre Prognose auf unrichtigen Erwägungen beruht und sie dafür Tatsachen herangezogen hat, welche nicht heranzuziehen waren. Wie nämlich bereits ausgeführt, durften gerade nicht die Zahlen der ersten sechs Monate für die Prognoseentscheidung herangezogen werden.

III. § 93 SGB III eröffnet der Beklagten auf der Rechtsfolgenseite grundsätzlich Ermessen, sodass die Gericht grundsätzlich nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG das Ermessen der Behörde lediglich darauf überprüfen, ob die Beklagte von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat (Ermessensnichtgebrauch), ob sie die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessen überschritten sind (Ermessensüberschreitung) oder ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensmissbrauch). Des Weiteren liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Deshalb haben die Tatsacheninstanzen in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, ob die Behörde die Tatsachen, die sie ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend und vollständig ermittelt hat (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. April 2017 – L 9 AL 49/14 –, Rn. 49, juris).

Vorliegend hat die Beklagte auf Grund des Umstandes, dass sie bereits einen Anspruch auf Gründungszuschuss tatbestandlich verneint hat, kein Ermessen ausgeübt. Grundsätzlich hätte damit lediglich ein Bescheidungsurteil ergehen können. Allerdings ist im Falle des Klägers das der Beklagten grundsätzlich zustehende Ermessen auf Null reduziert, sodass dem Kläger sogar ein gebundener Anspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss zusteht und die Beklagte nur diese eine mögliche Entscheidung hätte treffen dürfen. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte auf Antrag des Klägers im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes sogar zur Gewährung von Gründungszuschuss zu verurteilen, ein Bescheidungsurteil wäre nicht ausreichend rechtsschutzintensiv gewesen.

Die Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich daraus, dass die Beklagte mit dem Kläger in der Eingliederungsvereinbarung vom 17.03.2014 als Ziel die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit vereinbart hatte. Insofern ist anerkannt, dass in einem solchen Fall das der Beklagten zustehende Ermessen auf Null reduziert sein kann (SG Mannheim, Urteil vom 23. August 2012, Az.: S 14 AL 2139/12 – juris – Rn. 27). Sie kann sich in der Hinsicht nicht auf den Vermittlungsvorrang nach § 4 SGB III berufen. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass bei dem Kläger aus der selbstständigen Tätigkeit eine Eigenleistungsfähigkeit besteht, welche die Beklagte dazu berechtigen würde. Nach der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts kann eine Eigenleistungsfähigkeit im Rahmen des Ermessens in der ersten Förderphase nur Berücksichtigung finden, wenn aus der selbstständigen Tätigkeit selbst von Anfang an voraussichtlich derartige Gewinne erwirtschaftet werden, dass die Förderung mittels Gründungszuschuss nicht notwendig ist, um die Gründungsphase zu überbrücken (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. März 2016, Az.: L 7 AL 99/14 – juris – Rn. 42). Ausweislich des von dem Kläger zur Akte gereichten Steuerbescheides für das Jahr 2014 erzielte er in den ersten sechs Monaten seiner selbstständigen Tätigkeit ein Einkommen i. H. v. 2.291,-EUR, sodass bei dem Kläger keine Eigenleistungsfähigkeit bestand. Hinzu kommt, dass dem Kläger nach seinem unbestrittenen Vortrag seitens der Beklagten auch die Gewährung von Gründungszuschuss mündlich zugesagt wurde (vgl. dazu insoweit Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014, Az.: L 18 AL 236/13 – juris – Rn. 23). Diese Aspekte zusammengenommen ergibt aus der Sicht des Gerichts eine Ermessensreduzierung auf Null, sodass der Beklagten keine Entscheidung möglich bliebe, als den Gründungszuschuss zu gewähren. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte zur Leistung zu verurteilen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Berufung brauchte nach §§ 143, 144 SGG nicht zugelassen werden, da der geltend gemachte Anspruch insgesamt den Betrag von 750,-EUR übersteigt.
Rechtskraft
Aus
Saved