Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 (13) Kr 25/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 113/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22. Juli 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rückforderung von DM 7.246,61 überzahlten Krankengeldes.
Die 1954 geborene Klägerin war seit dem 19.10.1995 wegen multipler Sklerose arbeitsunfähig krank. Sie bezog von der Beklagten ab 30.11.1995 Krankengeld in Höhe eines Tagessatzes von DM 77,80. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 15.02.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.05.1995. Die Rente werde ab 01.04.1996 in Höhe von DM 1.796,68 gezahlt, die Nachzahlung für die Zeit vom 01.05.1995 bis 31.03.1996 vorläufig einbehalten.
Mit einem Fax vom 25.04.1996 meldete die Beklagte bei der BfA einen Erstattungsanspruch nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) i.V.m. § 50 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) an. Die BfA teilte der Beklagten mit Schreiben vom 30.04.1996 - bei der Beklagten eingegangen am 09.05.1996 - mit, ihr Erstattungsanspruch sei nicht berücksichtigt worden. An die Klägerin sei am 04.04.1996 ein Nachzahlungsbetrag von DM 7.246,61 angewiesen worden. Denn bei Bescheiderteilung sei der Erstattungsanspruch der Beklagten noch nicht geltend gemacht und auch aus dem Rentenantrag nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Rentenberechtigte Leistungen von der Beklagten bezogen habe. Mit Schreiben vom 13.05.1996 bezifferte die Beklagte ihren Erstattungsanspruch auf insgesamt DM 7.246,61.
Die Beklagte wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 13.05.1996 - laut Rückschein zugestellt am 17.05.1996 - an die Klägerin: Bei Zubilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente ende der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Klägerin habe am 30.11.1995 unterschrieben, Änderungen über Rentenbezug usw. der Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Dies sei nicht geschehen. Sie werde gebeten, den Anspruch aus der Rentennachzahlung in Höhe von DM 7.246,61 an die Beklagte zu überweisen. Die Klägerin antwortete (Schreiben vom 24.05.1996), sie habe die Rentennachzahlung zur Deckung von Verpflichtungen verwandt und somit gutgläubig verbraucht. Am Tage des Eingangs des Rentenbescheides habe sie persönlich die Schaltersachbearbeiterin der Beklagten hierüber unter richtet. Diese habe ihr erklärt, die Sache sei jetzt in Ordnung, weitere Nachricht würde die Klägerin von der BfA erhalten. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, Belege (z.B. Kontoauszüge) über die Verwendung der Rentennachzahlung einzureichen. Die Klägerin erklärte, sie sei nicht verpflichtet, der Beklagten Belege über die Verwendung der Rentennachzahlung vorzulegen. Dieses Schreiben (vom 12.06.1996) enthält folgenden handschriftlichen Zusatz: "Den geliehenen Betrag von 7.300,-- DM dankend erhalten". Es folgt eine nicht leserliche Unterschrift. Die Beklagte wiederholte daraufhin ihre Rückzahlungsaufforderung mit Schreiben vom 08.07.1996. Nach nochmaliger rechtlicher Prüfung sei sie zum Ergebnis gekommen, dass ihr der Erstattungsanspruch zustehe. Soweit die Klägerin durch den vorgelegten Vermerk geltend mache, sie habe eine Verbindlichkeit getilgt, habe sich durch diese Verfügung ihr Vermögensstand nicht geändert. Zwar stehe ihr das Geld nicht mehr zur Verfügung, sie sei aber von einer Verbindlichkeit in gleicher Höhe nunmehr befreit. Zu einem anderen Ergebnis könnte die Beklagte bei ihrer Abwägung unter Umständen kommen, wenn die Klägerin einen Vermögensschaden dartäte. Die Klägerin bat mit Schreiben vom 24.07.1996, ihr weitere Briefe dieser Art zu ersparen, da das Vorgehen der Beklagten bei ihr einen akuten Schub der multiplen Sklerose ausgelöst habe. Die Beklagte teilte der Klägerin danach mit Bescheid vom 10.09.1996 mit, die von der Klägerin angeführten Argumente seien nicht rechtserheblich. Die Verpflichtung zur Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Geldbeträge richte sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und speziell danach, ob der erhaltende Betrag bis zum Zeitpunkt der Rückforderung bereits gut gläubig verbraucht worden sei. Hierfür sei die Klägerin den Beweis bis zum heutigen Tage schuldig geblieben. Diese Tatsachenlage gehe zu ihren Lasten. Die Rückforderung werde nach wie vor aufrechterhalten. Dieser Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
Den hiergegen am 11.10.1996 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.1997 zurück. Bei einer Überzahlung von Krankengeld gemäß § 50 SGB V habe die Krankenkasse grundsätzlich einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach den §§ 103 ff. SGB X. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei derjenige zur Herausgabe verpflichtet, der durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt habe. Dass die Leistungsgewährung durch ein fehlerhaftes Handeln erfolgt sei, bleibe hierfür unerheblich. Die Verpflichtung zur Herausgabe sei gem. § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert sei. Diesen Nachweis habe die Klägerin aber nicht erbracht. Sie habe zwar mit ihrem Schreiben vom 12.06.1996 einen handschriftlichen Vermerk mit unleserlicher Unterschrift ohne Datum vorgelegt. Nähere Angaben zu den Bedingungen des Leihvertrages sowie zur Person des Verleihers habe sie jedoch trotz mehrfacher Aufforderung nicht gemacht. Des Weiteren sei der Klägerin kein Vermögensschaden entstanden, ihr Vermögensbestand habe sich durch die Rückzahlung der Verbindlichkeit nicht geändert. Die Rentennachzahlung sei der Klägerin am 04.04.1996 angewiesen worden, die Rückzahlungsaufforderung der Beklagten habe sie am 17.05.1996 erhalten. Nachweise über einen zwischenzeitigen Verbrauch des Geldes habe die Klägerin bislang nicht vorgelegt. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 18.03.1997 zugestellt.
Hiergegen hat die Klägerin am 02.04.1997 Klage erhoben und wieder holt, sie habe die Beklagte nach Zugang des Rentenbescheides unverzüglich informiert. Die Sachbearbeiterin der Beklagten habe ihr sinngemäß erklärt, es sei soweit alles in Ordnung, alles weitere erfahre die Klägerin von der BfA. Sie hat weiter vorgetragen, sie sei im Laufe ihrer langen Erkrankung immer wieder gezwungen gewesen, die finanzielle Unterstützung ihrer Mutter in Anspruch zu nehmen. Diese Geldzuwendungen habe sie aus der Rentennachzahlung zurückgezahlt. Zu der Überzahlung sei es durch ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten und nicht etwa falsche Angaben oder arglistige Täuschung der Klägerin gekommen. Die Klägerin sehe es deshalb auch nicht ein, dass sie jetzt durch eine Rückzahlungsverpflichtung erneut in die Situation kommen sollte, von einem Geldinstitut Geld zu leihen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.09.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1997 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat schriftsätzlich vorgebracht, die Rückzahlung geliehener Geldbeträge an die eigene Mutter stelle keinen gutgläubigen Verbrauch dar. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte dürfe einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt nicht zurücknehmen, sei nicht zutreffend. Die Voraussetzungen für die Rücknahme auch für die Vergangenheit habe der Gesetzgeber in § 45 SGB X geregelt. Vorliegend beziehe sich die Beklagte auf Abs. 2 Nr. 3 dieser Vorschrift. Die Klägerin habe auch um die Unrechtmäßigkeit des Doppelbezuges von Sozialleistungen gewußt. Denn sie sei in der AOK- Geschäftsstelle Bielefeld erschienen, um den Rentenbezug anzuzeigen.
Mit Urteil vom 22.07.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei nicht rechtswidrig, denn der Beklagten stehe der geltend gemachte Rückforderungsanspruch zu. Der angefochtene Bescheid enthalte zwei Verfügungssätze, nämlich zum einen die Aufhebung der Krankengeldbewilligung und zum anderen die Erstattungsverpflichtung der Klägerin. Dies ergebe sich durch eine zulässige Auslegung nach dem Zweck des Bescheides. Daraus gehe hervor, dass die Beklagte die erst nachträglich bekannt gewordene Rentengewährung zum Anlaß genommen habe, die zur Krankengeldzahlung führenden Bescheide aufzuheben und das überzahlte Krankengeld zurückzunehmen. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Beklagte die Rechtsgrundlagen nicht genannt habe. Maßgebend sei vielmehr, dass der Klägerin die für die Entscheidung tragenden maßgeblichen Gesichtspunkte aufgezeigt worden seien. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Krankengeldbewilligung sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Mit der Rentenbewilligung vom 15.02.1995 sei eine nachträglich wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Vorliegend handele es sich auch nicht um einen sog. atypischen Fall, der eine Ermessensentscheidung gebiete. Die Klägerin gerate insbesondere durch ihre Rückzahlungsverpflichtung nicht in grobe finanzielle Bedrängnis. Die jeder Rückzahlung innenwohnende und damit gerade typische Härte, werde durch Stundungs-, Erlass- und Niederschlagungsmöglichkeiten sowie die Verrechnungsgrenzen nach den §§ 52 und 51 Abs. 2 SGB I abgemildert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidung des Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 30.07.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.08.1998 Berufung eingelegt. Das Urteil des Sozialgerichts Detmold sei unzutreffend. Ein Rückforderungsanspruch der Beklagten scheitere an einer fehlenden Aufhebungsentscheidung. Die Beklagte sei in ihrem Bescheid von einer falschen Ermächtigungsgrundlage ausgegangen. Eine Rücknahme der Krankengeldbewilligung nach dem einschlägigen § 48 SGB X sei nicht erfolgt. Ferner hätte es wegen der besonderen Fallkonstellation einer Ermessensentscheidung der Beklagten bedurft. Vorliegend sei ein atypischer Fall gegeben. Die Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, erstattungspflichtig zu werden und im Vertrauen darauf das überzahlte Geld ausgegeben. Sie habe sich auf die Auskunft der Sachbearbeiterin der Beklagten verlassen, die Beklagte regele alles mit der BfA. Im Rentenbescheid sei vermerkt gewesen, die BfA werde Nachzahlungen solange einbehalten, bis die Ansprüche anderer Stellen geklärt seien. Demgegen über seien der Beklagten grobe Fehler unterlaufen. Sie habe es wegen eines hausinternen Versehens versäumt, rechtzeitig einen Erstattungsanspruch anzumelden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.07.1998 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie vertritt die Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien nicht alleine deshalb rechtswidrig, da die materielle Anspruchsgrundlage nicht genannt werde. In den angefochtenen Bescheiden werde hinreichend deutlich, dass die Grundlage für die Krankengeldzahlung durch die nachträgliche Rentenbewilligung entfallen sei. Für die Klägerin seien die Bewilligungsbescheide nicht in dieser Form erkennbar ge wesen, da die Auszahlung von Krankengeld über die Vorlage der betreffenden Auszahlungsscheine erfolgt sei. An die Zurücknahme der früheren Bewilligungsentscheidungen dürften deshalb auch keine größeren Anforderungen gestellt werden.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid vom 10.09.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1997 verpflichtet wird, das überzahlte Krankengeld in Höhe von DM 7.246,61 an die Beklagte zurückzuzahlen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10.09.1996 wiederholt die zuvor schon mit Schreiben vom 13.05. und 08.07.1996 klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebrachte Forderung, die Klägerin möge das überzahlte Krankengeld zurückzahlen. Zutreffend zitiert wird gleichzeitig die Norm des § 50 SGB V, wonach der Krankengeldanspruch mit Beginn des Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente endet. Die Klägerin hat auch tatsächlich ab 01.05.1995 durch die rückwirkende Rentenbewilligung Einkommen erzielt, das zum Wegfall des Krankengeldanspruches nach § 50 SGB V führt. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt. Durch die rückwirkende Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass der das Krankengeld bewilligenden Verwaltungsakte vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten. Hierüber besteht auch kein Streit.
Nach Auffassung des Senats ist in der Geltendmachung der Rückforderung vorliegend die entsprechende Rücknahme des leistungsbewilligenden Verwaltungsaktes zu sehen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides hinreichend ihren Willen zum Ausdruck gebracht, an dem das Krankengeld bewilligenden Verwaltungsakt nicht mehr festhalten zu wollen. Zwar fehlt es in dem angefochtenen Bescheid - wie auch in der vorausgegangenen Korrespondenz der Beklagten mit der Klägerin - an einer förmlichen Aufhebungsentscheidung bzw. an der Benennung der einzelnen Bewilligungsentscheidungen. Die Beklagte hat jedoch ihre Aufforderung zur Rückzahlung mit dem zutreffenden Rechtsgrund der Überzahlung, nämlich Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld bei Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente, verbunden. Für die Klägerin war damit erkennbar, dass sich die Beklagte wegen des gesetzlich normierten rückwirkenden Wegfalls des Krankengeldanspruchs an ihre früheren Bewilligungsentscheidungen nicht weiter gebunden fühlte. Etwas anderes hat die Klägerin auch nicht verstanden. Denn sie hat bereits auf das erste Schreiben der Beklagten mit dem Vortrag reagiert (Schreiben vom 24.05.1996), sie habe die Rentennachzahlung gutgläubig verbraucht.
Auch das Bundessozialgericht hat wiederholt entschieden (siehe etwa Urteil vom 10.03.1987 - 3 RK 7/86 - SozR 2-1300 § 50 SGB X Nr. 15 m.w.N.; ähnlich auch das Bundesverwaltungsgericht, siehe Urteil vom 13.12.1984 - 3 C 79/82, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 1985, S. 488 f.), dass in der Geltendmachung einer Rückforderung regelmässig die entsprechende Rücknahme des leistungsbewilligenden Verwaltungsaktes zu sehen ist.
Der vorstehenden Auslegung steht nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass die Beklagte vorliegend ihren Erstattungsanspruch fälschlich auf § 812 BGB statt auf § 50 Abs. 1 SGB X stützt. Denn § 50 Abs. 1 SGB X regelt, dass bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, "soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist". Gesetzliche Rechtsfolge der Aufhebungsentscheidung ist somit die Verpflichtung zur Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen.
Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass vorliegend kein atypischer Fall gegeben ist, der die Beklagte zur Ermessensausübung verpflichten würde. Zwar hat die Beklagte trotz Kenntnis von der Rentenantragstellung der Klägerin durch deren aktenkundige Erklärung von November 1995 den Erstattungsanspruch bei der BfA nicht rechtzeitig angemeldet. Hierin ist jedoch keine Atypik im Sinne der Rechtsprechung begründet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag, die Klägerin habe sich nach Empfang des Rentenbescheides bei der Sachbearbeiterin der Beklagten in Bielefeld erkundigt, wie weiter zu verfahren sei. Denn zu die sem Zeitpunkt konnte die Klägerin nur wiedergeben, was sie aus dem Rentenbescheid wußte: nämlich dass sie erst ab April 1996 laufend Rente gezahlt bekomme und die Nachzahlung für die Zeit vom 01.05.1995 bis 31.03.1996 vorläufig einbehalten werde; über die weitere Verwendung der Nachzahlung werde sie von der BfA Mitteilung erhalten. Der Nachzahlungsbetrag ist dann erst am 04.04.1996 an die Klägerin angewiesen worden. Aufgrund dieser Sachverhaltskonstellation ist nicht erkennbar, welche unzureichende oder unzutreffende Information die Klägerin in diesem Zusammenhang von der Mitarbeiterin der Beklagten erhalten haben könnte.
Die Beklagte hat darüber hinaus mit Erlaß des Bescheides vom 10.09.1996 die Handlungsfrist des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4 SGB X eingehalten. Sie hat innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsache gehandelt, welche die Aufhebung der Leistungsbewilligung rechtfertigt. Denn die zum Wegfall des Krankengeldanspruchs führende Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente erfolgte erst mit Rentenbescheid der BfA vom 15.02.1996; Kenntnis davon erlangte die Beklagte erst im Mai 1996.
Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe nicht damit rechnen müssen, erstattungspflichtig zu werden und im Vertrauen darauf das überzahlte Geld ausgegeben. Denn die hier ein schlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stellt allein auf den Bezug eines zum Wegfall des Anspruchs führenden Einkommens ab und läßt die subjektive Seite völlig unbeachtet. Eine Beschränkung der Herausgabepflicht auf die Bereicherung, wie dies § 818 Abs. 3 BGB im Zivilrecht normiert, ist der Regelungssystematik der §§ 45 und 48 SGB X fremd. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes bzw. die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse ist darüber hinaus für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren mit den vorgenannten Normen im SGB X abschließend geregelt mit der Folge, dass für eine Anwendung der §§ 812 ff. BGB kein Raum ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Streitig ist die Rückforderung von DM 7.246,61 überzahlten Krankengeldes.
Die 1954 geborene Klägerin war seit dem 19.10.1995 wegen multipler Sklerose arbeitsunfähig krank. Sie bezog von der Beklagten ab 30.11.1995 Krankengeld in Höhe eines Tagessatzes von DM 77,80. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 15.02.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.05.1995. Die Rente werde ab 01.04.1996 in Höhe von DM 1.796,68 gezahlt, die Nachzahlung für die Zeit vom 01.05.1995 bis 31.03.1996 vorläufig einbehalten.
Mit einem Fax vom 25.04.1996 meldete die Beklagte bei der BfA einen Erstattungsanspruch nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) i.V.m. § 50 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) an. Die BfA teilte der Beklagten mit Schreiben vom 30.04.1996 - bei der Beklagten eingegangen am 09.05.1996 - mit, ihr Erstattungsanspruch sei nicht berücksichtigt worden. An die Klägerin sei am 04.04.1996 ein Nachzahlungsbetrag von DM 7.246,61 angewiesen worden. Denn bei Bescheiderteilung sei der Erstattungsanspruch der Beklagten noch nicht geltend gemacht und auch aus dem Rentenantrag nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Rentenberechtigte Leistungen von der Beklagten bezogen habe. Mit Schreiben vom 13.05.1996 bezifferte die Beklagte ihren Erstattungsanspruch auf insgesamt DM 7.246,61.
Die Beklagte wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 13.05.1996 - laut Rückschein zugestellt am 17.05.1996 - an die Klägerin: Bei Zubilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente ende der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Klägerin habe am 30.11.1995 unterschrieben, Änderungen über Rentenbezug usw. der Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Dies sei nicht geschehen. Sie werde gebeten, den Anspruch aus der Rentennachzahlung in Höhe von DM 7.246,61 an die Beklagte zu überweisen. Die Klägerin antwortete (Schreiben vom 24.05.1996), sie habe die Rentennachzahlung zur Deckung von Verpflichtungen verwandt und somit gutgläubig verbraucht. Am Tage des Eingangs des Rentenbescheides habe sie persönlich die Schaltersachbearbeiterin der Beklagten hierüber unter richtet. Diese habe ihr erklärt, die Sache sei jetzt in Ordnung, weitere Nachricht würde die Klägerin von der BfA erhalten. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, Belege (z.B. Kontoauszüge) über die Verwendung der Rentennachzahlung einzureichen. Die Klägerin erklärte, sie sei nicht verpflichtet, der Beklagten Belege über die Verwendung der Rentennachzahlung vorzulegen. Dieses Schreiben (vom 12.06.1996) enthält folgenden handschriftlichen Zusatz: "Den geliehenen Betrag von 7.300,-- DM dankend erhalten". Es folgt eine nicht leserliche Unterschrift. Die Beklagte wiederholte daraufhin ihre Rückzahlungsaufforderung mit Schreiben vom 08.07.1996. Nach nochmaliger rechtlicher Prüfung sei sie zum Ergebnis gekommen, dass ihr der Erstattungsanspruch zustehe. Soweit die Klägerin durch den vorgelegten Vermerk geltend mache, sie habe eine Verbindlichkeit getilgt, habe sich durch diese Verfügung ihr Vermögensstand nicht geändert. Zwar stehe ihr das Geld nicht mehr zur Verfügung, sie sei aber von einer Verbindlichkeit in gleicher Höhe nunmehr befreit. Zu einem anderen Ergebnis könnte die Beklagte bei ihrer Abwägung unter Umständen kommen, wenn die Klägerin einen Vermögensschaden dartäte. Die Klägerin bat mit Schreiben vom 24.07.1996, ihr weitere Briefe dieser Art zu ersparen, da das Vorgehen der Beklagten bei ihr einen akuten Schub der multiplen Sklerose ausgelöst habe. Die Beklagte teilte der Klägerin danach mit Bescheid vom 10.09.1996 mit, die von der Klägerin angeführten Argumente seien nicht rechtserheblich. Die Verpflichtung zur Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Geldbeträge richte sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und speziell danach, ob der erhaltende Betrag bis zum Zeitpunkt der Rückforderung bereits gut gläubig verbraucht worden sei. Hierfür sei die Klägerin den Beweis bis zum heutigen Tage schuldig geblieben. Diese Tatsachenlage gehe zu ihren Lasten. Die Rückforderung werde nach wie vor aufrechterhalten. Dieser Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
Den hiergegen am 11.10.1996 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.1997 zurück. Bei einer Überzahlung von Krankengeld gemäß § 50 SGB V habe die Krankenkasse grundsätzlich einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach den §§ 103 ff. SGB X. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei derjenige zur Herausgabe verpflichtet, der durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt habe. Dass die Leistungsgewährung durch ein fehlerhaftes Handeln erfolgt sei, bleibe hierfür unerheblich. Die Verpflichtung zur Herausgabe sei gem. § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert sei. Diesen Nachweis habe die Klägerin aber nicht erbracht. Sie habe zwar mit ihrem Schreiben vom 12.06.1996 einen handschriftlichen Vermerk mit unleserlicher Unterschrift ohne Datum vorgelegt. Nähere Angaben zu den Bedingungen des Leihvertrages sowie zur Person des Verleihers habe sie jedoch trotz mehrfacher Aufforderung nicht gemacht. Des Weiteren sei der Klägerin kein Vermögensschaden entstanden, ihr Vermögensbestand habe sich durch die Rückzahlung der Verbindlichkeit nicht geändert. Die Rentennachzahlung sei der Klägerin am 04.04.1996 angewiesen worden, die Rückzahlungsaufforderung der Beklagten habe sie am 17.05.1996 erhalten. Nachweise über einen zwischenzeitigen Verbrauch des Geldes habe die Klägerin bislang nicht vorgelegt. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 18.03.1997 zugestellt.
Hiergegen hat die Klägerin am 02.04.1997 Klage erhoben und wieder holt, sie habe die Beklagte nach Zugang des Rentenbescheides unverzüglich informiert. Die Sachbearbeiterin der Beklagten habe ihr sinngemäß erklärt, es sei soweit alles in Ordnung, alles weitere erfahre die Klägerin von der BfA. Sie hat weiter vorgetragen, sie sei im Laufe ihrer langen Erkrankung immer wieder gezwungen gewesen, die finanzielle Unterstützung ihrer Mutter in Anspruch zu nehmen. Diese Geldzuwendungen habe sie aus der Rentennachzahlung zurückgezahlt. Zu der Überzahlung sei es durch ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten und nicht etwa falsche Angaben oder arglistige Täuschung der Klägerin gekommen. Die Klägerin sehe es deshalb auch nicht ein, dass sie jetzt durch eine Rückzahlungsverpflichtung erneut in die Situation kommen sollte, von einem Geldinstitut Geld zu leihen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.09.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1997 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat schriftsätzlich vorgebracht, die Rückzahlung geliehener Geldbeträge an die eigene Mutter stelle keinen gutgläubigen Verbrauch dar. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte dürfe einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt nicht zurücknehmen, sei nicht zutreffend. Die Voraussetzungen für die Rücknahme auch für die Vergangenheit habe der Gesetzgeber in § 45 SGB X geregelt. Vorliegend beziehe sich die Beklagte auf Abs. 2 Nr. 3 dieser Vorschrift. Die Klägerin habe auch um die Unrechtmäßigkeit des Doppelbezuges von Sozialleistungen gewußt. Denn sie sei in der AOK- Geschäftsstelle Bielefeld erschienen, um den Rentenbezug anzuzeigen.
Mit Urteil vom 22.07.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei nicht rechtswidrig, denn der Beklagten stehe der geltend gemachte Rückforderungsanspruch zu. Der angefochtene Bescheid enthalte zwei Verfügungssätze, nämlich zum einen die Aufhebung der Krankengeldbewilligung und zum anderen die Erstattungsverpflichtung der Klägerin. Dies ergebe sich durch eine zulässige Auslegung nach dem Zweck des Bescheides. Daraus gehe hervor, dass die Beklagte die erst nachträglich bekannt gewordene Rentengewährung zum Anlaß genommen habe, die zur Krankengeldzahlung führenden Bescheide aufzuheben und das überzahlte Krankengeld zurückzunehmen. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Beklagte die Rechtsgrundlagen nicht genannt habe. Maßgebend sei vielmehr, dass der Klägerin die für die Entscheidung tragenden maßgeblichen Gesichtspunkte aufgezeigt worden seien. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Krankengeldbewilligung sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Mit der Rentenbewilligung vom 15.02.1995 sei eine nachträglich wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Vorliegend handele es sich auch nicht um einen sog. atypischen Fall, der eine Ermessensentscheidung gebiete. Die Klägerin gerate insbesondere durch ihre Rückzahlungsverpflichtung nicht in grobe finanzielle Bedrängnis. Die jeder Rückzahlung innenwohnende und damit gerade typische Härte, werde durch Stundungs-, Erlass- und Niederschlagungsmöglichkeiten sowie die Verrechnungsgrenzen nach den §§ 52 und 51 Abs. 2 SGB I abgemildert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidung des Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 30.07.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.08.1998 Berufung eingelegt. Das Urteil des Sozialgerichts Detmold sei unzutreffend. Ein Rückforderungsanspruch der Beklagten scheitere an einer fehlenden Aufhebungsentscheidung. Die Beklagte sei in ihrem Bescheid von einer falschen Ermächtigungsgrundlage ausgegangen. Eine Rücknahme der Krankengeldbewilligung nach dem einschlägigen § 48 SGB X sei nicht erfolgt. Ferner hätte es wegen der besonderen Fallkonstellation einer Ermessensentscheidung der Beklagten bedurft. Vorliegend sei ein atypischer Fall gegeben. Die Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, erstattungspflichtig zu werden und im Vertrauen darauf das überzahlte Geld ausgegeben. Sie habe sich auf die Auskunft der Sachbearbeiterin der Beklagten verlassen, die Beklagte regele alles mit der BfA. Im Rentenbescheid sei vermerkt gewesen, die BfA werde Nachzahlungen solange einbehalten, bis die Ansprüche anderer Stellen geklärt seien. Demgegen über seien der Beklagten grobe Fehler unterlaufen. Sie habe es wegen eines hausinternen Versehens versäumt, rechtzeitig einen Erstattungsanspruch anzumelden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.07.1998 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie vertritt die Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien nicht alleine deshalb rechtswidrig, da die materielle Anspruchsgrundlage nicht genannt werde. In den angefochtenen Bescheiden werde hinreichend deutlich, dass die Grundlage für die Krankengeldzahlung durch die nachträgliche Rentenbewilligung entfallen sei. Für die Klägerin seien die Bewilligungsbescheide nicht in dieser Form erkennbar ge wesen, da die Auszahlung von Krankengeld über die Vorlage der betreffenden Auszahlungsscheine erfolgt sei. An die Zurücknahme der früheren Bewilligungsentscheidungen dürften deshalb auch keine größeren Anforderungen gestellt werden.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid vom 10.09.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1997 verpflichtet wird, das überzahlte Krankengeld in Höhe von DM 7.246,61 an die Beklagte zurückzuzahlen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10.09.1996 wiederholt die zuvor schon mit Schreiben vom 13.05. und 08.07.1996 klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebrachte Forderung, die Klägerin möge das überzahlte Krankengeld zurückzahlen. Zutreffend zitiert wird gleichzeitig die Norm des § 50 SGB V, wonach der Krankengeldanspruch mit Beginn des Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente endet. Die Klägerin hat auch tatsächlich ab 01.05.1995 durch die rückwirkende Rentenbewilligung Einkommen erzielt, das zum Wegfall des Krankengeldanspruches nach § 50 SGB V führt. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt. Durch die rückwirkende Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass der das Krankengeld bewilligenden Verwaltungsakte vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten. Hierüber besteht auch kein Streit.
Nach Auffassung des Senats ist in der Geltendmachung der Rückforderung vorliegend die entsprechende Rücknahme des leistungsbewilligenden Verwaltungsaktes zu sehen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides hinreichend ihren Willen zum Ausdruck gebracht, an dem das Krankengeld bewilligenden Verwaltungsakt nicht mehr festhalten zu wollen. Zwar fehlt es in dem angefochtenen Bescheid - wie auch in der vorausgegangenen Korrespondenz der Beklagten mit der Klägerin - an einer förmlichen Aufhebungsentscheidung bzw. an der Benennung der einzelnen Bewilligungsentscheidungen. Die Beklagte hat jedoch ihre Aufforderung zur Rückzahlung mit dem zutreffenden Rechtsgrund der Überzahlung, nämlich Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld bei Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente, verbunden. Für die Klägerin war damit erkennbar, dass sich die Beklagte wegen des gesetzlich normierten rückwirkenden Wegfalls des Krankengeldanspruchs an ihre früheren Bewilligungsentscheidungen nicht weiter gebunden fühlte. Etwas anderes hat die Klägerin auch nicht verstanden. Denn sie hat bereits auf das erste Schreiben der Beklagten mit dem Vortrag reagiert (Schreiben vom 24.05.1996), sie habe die Rentennachzahlung gutgläubig verbraucht.
Auch das Bundessozialgericht hat wiederholt entschieden (siehe etwa Urteil vom 10.03.1987 - 3 RK 7/86 - SozR 2-1300 § 50 SGB X Nr. 15 m.w.N.; ähnlich auch das Bundesverwaltungsgericht, siehe Urteil vom 13.12.1984 - 3 C 79/82, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 1985, S. 488 f.), dass in der Geltendmachung einer Rückforderung regelmässig die entsprechende Rücknahme des leistungsbewilligenden Verwaltungsaktes zu sehen ist.
Der vorstehenden Auslegung steht nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass die Beklagte vorliegend ihren Erstattungsanspruch fälschlich auf § 812 BGB statt auf § 50 Abs. 1 SGB X stützt. Denn § 50 Abs. 1 SGB X regelt, dass bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, "soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist". Gesetzliche Rechtsfolge der Aufhebungsentscheidung ist somit die Verpflichtung zur Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen.
Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass vorliegend kein atypischer Fall gegeben ist, der die Beklagte zur Ermessensausübung verpflichten würde. Zwar hat die Beklagte trotz Kenntnis von der Rentenantragstellung der Klägerin durch deren aktenkundige Erklärung von November 1995 den Erstattungsanspruch bei der BfA nicht rechtzeitig angemeldet. Hierin ist jedoch keine Atypik im Sinne der Rechtsprechung begründet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag, die Klägerin habe sich nach Empfang des Rentenbescheides bei der Sachbearbeiterin der Beklagten in Bielefeld erkundigt, wie weiter zu verfahren sei. Denn zu die sem Zeitpunkt konnte die Klägerin nur wiedergeben, was sie aus dem Rentenbescheid wußte: nämlich dass sie erst ab April 1996 laufend Rente gezahlt bekomme und die Nachzahlung für die Zeit vom 01.05.1995 bis 31.03.1996 vorläufig einbehalten werde; über die weitere Verwendung der Nachzahlung werde sie von der BfA Mitteilung erhalten. Der Nachzahlungsbetrag ist dann erst am 04.04.1996 an die Klägerin angewiesen worden. Aufgrund dieser Sachverhaltskonstellation ist nicht erkennbar, welche unzureichende oder unzutreffende Information die Klägerin in diesem Zusammenhang von der Mitarbeiterin der Beklagten erhalten haben könnte.
Die Beklagte hat darüber hinaus mit Erlaß des Bescheides vom 10.09.1996 die Handlungsfrist des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4 SGB X eingehalten. Sie hat innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsache gehandelt, welche die Aufhebung der Leistungsbewilligung rechtfertigt. Denn die zum Wegfall des Krankengeldanspruchs führende Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente erfolgte erst mit Rentenbescheid der BfA vom 15.02.1996; Kenntnis davon erlangte die Beklagte erst im Mai 1996.
Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe nicht damit rechnen müssen, erstattungspflichtig zu werden und im Vertrauen darauf das überzahlte Geld ausgegeben. Denn die hier ein schlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stellt allein auf den Bezug eines zum Wegfall des Anspruchs führenden Einkommens ab und läßt die subjektive Seite völlig unbeachtet. Eine Beschränkung der Herausgabepflicht auf die Bereicherung, wie dies § 818 Abs. 3 BGB im Zivilrecht normiert, ist der Regelungssystematik der §§ 45 und 48 SGB X fremd. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes bzw. die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse ist darüber hinaus für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren mit den vorgenannten Normen im SGB X abschließend geregelt mit der Folge, dass für eine Anwendung der §§ 812 ff. BGB kein Raum ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.
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