L 18 V 1/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 V 39/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 1/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.11.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist nur noch, ob der Klägerin Berufsschadensausgleich (BSchA) unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens des höheren Dienstes zusteht.

Die am 1940 geborene Klägerin bezieht aufgrund eines im November 1952 gestellten Antrages von dem Beklagten Beschädigtenversorgung wegen eines auf der Flucht aus Schlesien erlittenen schweren Ohrleidens mit nachfolgender Schwerhörigkeit. Sie besuchte die Volksschule von 1947 bis 1955, anschließend die Berufsschule bis 1959 und war 1957/58 als Sprechstundenhilfe-Anlernling beschäftigt. Von 1959 bis 1963 war sie in einer Uhren- und Schmuckgroßhandlung zunächst als kaufmännischer Lehrling, dann als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Von 1964 bis 1967 war sie Angestellte bei der Kreissparkasse B. , wo sie nach dem Dienstzeugnis vom 31.03.1967 vertretungsweise auch in der Telefonvermittlung eingesetzt wurde. Nach Heirat des Landwirts M. G. und Geburt eines Kindes löste sie ihr Arbeitsverhältnis zum Ende Januar 1967 auf und war fortan mithelfendes Familienmitglied im Betrieb ihres Ehemannes.

Bei der Klägerin war das Ohrleiden zunächst mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH bewertet (Bescheid vom 16.04.1956), dann mit Bescheid vom 09.09.1975 idF des Widerspruchsbescheides vom 09.04.1976 unter Ablehnung einer besonderen beruflichen Betroffenheit als Frau eines Landwirts mit 40 vH. Zuletzt waren bei der Klägerin aufgrund eines Urteils des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 13.06.1980 (Az: L 10 V 471/77) ab 01.06.1975 mit Bescheid vom 05.08.1980 Schädigungsfolgen mit einer MdE von 50 vH festgestellt. Die Schädigungsfolgen wurden mit Bescheid vom 10.10.1980 wie folgt bezeichnet: 1. Mittelgradige Schwerhörigkeit auf der rechten Seite und hochgradige Schwerhörigkeit auf der linken Seite bei Tympanoplastik beiderseits und leichten vestibulären Störungen. 2. Reizlose Narbe an der rechten Halsseite.

Auf einen Antrag vom 24.09.1980 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 01.12.1980 und Widerspruchsbescheid vom 08.07.1981 der Klägerin BSchA als schwerbeschädigte Hausfrau.

Mit Antrag vom 06.12.1989 begehrte die Klägerin die Rücknahme des Bescheides vom 01.12.1980 idFd Widerspruchsbescheides vom 08.07.1981 (Gewährung von Hausfrauen-BSchA) im Wege des § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) und begehrte eine Einstufung in den höheren Dienst, da sie ohne Schädigungsfolgen den Beruf einer Kinderärztin ergriffen hätte. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.03.1993 und Teilabhilfebescheid vom 28.06.1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1993 mit der Begründung ab, es sei nicht wahrscheinlich, dass sie ohne Schädigungsfolgen das Berufsziel einer Kinderärztin erreicht hätte. Der Beklagte wies darauf hin, dass die - an sich sachgerechte - Einstufung in das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A5/A6 bzw A8 zu einem geringeren Zahlbetrag als der (bislang) gewährte Hausfrauen-BSchA führen würde.

In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 11.03.1993 und den Teilabhilfebescheid vom 28.06.1993 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1993 aufzuheben und ihr Normal-Berufsschadensausgleich zu gewähren und dabei davon auszugehen, dass sie ohne die Schädigung den Beruf einer Kinderärztin hätte ergreifen können.

Das SG hat den Nervenarzt Dr.L. (psychiatrisches Gutachten vom 30.07.1998) gehört, der bei der Klägerin eine psychische Störung (verursacht durch die anerkannten Schädigungsfolgen) nicht feststellen konnte. Das psychologische Zusatzgutachten vom 10.03.1998 des Dipl.-Psychologen K. ist nur von einer geringfügigen Erhöhung der Gesamtintelligenz der Klägerin von 2 - 3 IQ-Einheiten bei Nichtvorliegen einer Hörschädigung ausgegangen und hat der Klägerin gute persönliche Voraussetzungen (wie Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, Geduld, Zähigkeit) für ein erfolgreiches Studium attestiert. Er hat aber Zweifel an der erfolgreichen Bewältigung eines naturwissenschaftlichen Studiums geäußert.

Das SG hat die Klage auf Gewährung eines höheren BSchA mit Urteil vom 10.11.1998 abgewiesen und eine Einstufung in den höheren Dienst bei der Berechnung des BSchA mit der Begründung abgelehnt, die naturwissenschaftliche Intelligenz hätte auch ohne die Schädigung nicht ausgereicht, um ein naturwissenschaftliches Studium mit Wahrscheinlichkeit erfolgreich abzuschließen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 23.12.1998 Berufung eingelegt. Sie hat eine Neuberechnung des BSchA auf der Grundlage des Vergleichsberufs einer Kinderärztin begehrt.

Der Senat hat die Schulzeugnisse der Klägerin beigezogen und eine Auskunft des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus eingeholt zu der Frage, ob die bei der Klägerin mit Bescheid vom 16.04.1956 anerkannten Schädigungsfolgen diese gehindert hätten, in Bayern eine Reifeprüfung abzulegen. Das Ministerium hat in seinem Schreiben vom 28.03.2000 vier Möglichkeiten der Klägerin, die allgemeine Hochschulreife zu erwerben, aufgeführt, nämlich den Besuch eines Gymnasiums, Abiturprüfung für sogenannte Privatschüler, Abendgymnasium und Begabtenprüfung. Bei der Abiturprüfung hätten die Auswirkungen der Schwerhörigkeit bei der Prüfung berücksichtigt werden können.

Der Senat hat sodann von dem Direktor der Stiftung zur Förderung hör-sprachgeschädigter Kinder und Jugendlicher, W. , D. , - nach Beiziehung von Schülerbögen der Klägerin - ein fachpädagogisches Gutachten vom 08.01.2001/10.12.2001 zu der Frage eingeholt, ob der anerkannte Gehörschaden die Klägerin gehindert hätte, in Bayern eine höhere Schule zu besuchen und das Abitur zu machen. Der Sachverständige D. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der anerkannte Gehörschaden die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gehindert hätte, in Bayern eine höhere Schule zu besuchen und das Abitur zu machen. Die Hörschädigung sei nicht die wesentliche Bedingung dafür gewesen, dass die Klägerin keine höhere Schule besucht habe. Zum Beweis seiner Ansicht hat der Sachverständige elf E-Mails von hörgeschädigten und gehörlosen Menschen vorgelegt, die vor, während und kurz nach der Volksschulzeit der Klägerin in den alten Bundesländern das Regelgymnasium besucht und überwiegend das Abitur bestanden hatten. Der Sachverständige hat auch die Auffassung vertreten, dass mit einem gut angepassten Taschenhörgerät mit Knochenleitungshörern sich die Hörsituation der Klägerin hätte entscheidend verbessern lassen.

Der Beklagte hat eine ausreichende Versorgung der Klägerin mit einem Hörgerät auf einem Gymnasium für möglich gehalten (Schriftsätze vom 07.06.2001 und 21.03.2002 und HNO-ärztliche Stellungnahmen des Dr.N. vom 21.05.2001, 13.02.2002 und 11.03.2002).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Bayreuth vom 10.11.1998 abzuändern und den Bescheid vom 01.12.1980 idF des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1981 zurückzunehmen sowie den Bescheid vom 11.03.1993 und den Teilabhilfebescheid vom 28.06.1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1993 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei der Berechung des BSchA das Durchschnittseinkommen für höhere Beamte ab 01.01.1985 zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Bay reuth vom 10.11.1998 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakten des Beklagten, die Archivakten des SG Bayreuth S 9 V 256/76, S 6 V 573/81, S 5 V 178/86, S 5 V 89/88, S 5 V 45/94, S 5 V 46/94 sowie die Archivakte des LSG L 10 V 197/88 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach dem vor dem Senat gestellten Antrag der Klägerin ist nur noch streitig, ob ihr ein BSchA unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens eines höheren Beamten zusteht. Die Klägerin erfüllt die hierfür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht.

Nach § 30 Abs 3 BVG erhält ein rentenberechtiger Beschädigter, dessen Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, wegen des Einkommensverlustes BSchA. Den Einkommensverlust definiert § 30 Abs 4 BVG als Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluss der Schulausbildung erlittenen Schädigung - also auch im vorliegenden Fall - zu ermitteln ist, hat nicht der Gesetzgeber, sondern die dazu in § 30 Abs 14 Buchst b BVG ermächtigte Bundesregierung in der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) bestimmt: Das Vergleichseinkommen richtet sich nach den Besoldungsgruppen des Bundesbesoldungsgesetzes (§ 2 Abs 1 Satz 2; § 7 Abs 1 Satz 1 BSchAV). In welche dieser Besoldungsgruppen der Beschädigte einzustufen ist, entscheidet sich nach seiner Veranlagung und seinen Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse. Bei vermutlichem Abschluss einer Hochschulausbildung ist das in § 4 Abs 1 für Beamte des höheren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen maßgeblich.

Welches Einkommen ein Beschädigter ohne die Schädigung wahrscheinlich erzielt hätte, ergibt sich im Allgemeinen aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und mit dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte (§ 30 Abs 5 Satz 1 BVG). Das Gesetz fordert damit eine Prognose des wahrscheinlich nach der Schädigung eingetretenen weiteren Berufsweges unter Berücksichtigung aller bis dahin erkennbar gewordenen einschlägigen Gesichtspunkte. Es stellt damit auf den volljährigen Soldaten ab, der durch eine im Militärdienst erlittene Schädigung aus dem bis dahin zurückgelegten Berufsleben herausgerissen worden ist. Bei einem minderjährigen Schüler dagegen gibt es noch keine berufliche Entwicklung, die sich weiterdenken ließe. Statt einer Prognose des nach Abschluss der Schulausbildung wahrscheinlich ergriffenen Berufs fordert die BSchAV deshalb - nach den in § 7 Abs 1 Satz 2 genannten Kriterien - lediglich eine Prognose über den vermutlichen Schulabschluss. Das Durchschnittseinkommen wird dann - ähnlich wie bei Selbständigen (§ 5 Abs 1 BSchAV) - aus der Beamtenbesoldung entnommen, einem gestuften und berufsübergreifenden Vergütungssystem, innerhalb dessen die maßgebliche Besoldungsgruppe sich im Wesentlichen nach dem jeweils erreichten Schul-(oder Hochschul-)Abschluss richtet (BSG SozR 3 3642 § 8 Nr 9). § 7 Abs 1 BSchAV lässt einen Ausbruch aus dem Beamtenbesoldungssystem auch dann nicht zu, wenn - wie hier - eine verletzte Beschädigte erst nach einem jahrzehntelangen Berufslebens einzustufen ist. In einem solchen Fall ließe sich der ohne die Schädigung vermutlich zurückgelegte Berufsweg zwar nach dem tatsächlich gezeigten Arbeits-, Ausbildungs- und Aufstiegswillen und dem tatsächlichen Berufserfolg einigermaßen verlässlich nachzeichnen. Einem solchen Verfahren steht aber nicht nur die eindeutige Verweisung des § 2 Abs 1 Satz 2 BSchAV entgegen, wonach das Durchnittseinkommen in diesen Fällen nach § 7 BSchAV ermittel "wird". Dagegen spricht auch, dass der Schüler-BSchA gegenüber dem Normal-BSchA keine Notlösung und deshalb nicht nur dann anzuwenden ist, wenn eine Einstufung nach den §§ 3 bis 5 BSchAV nicht erfolgen kann (vgl aaO mwN). Es handelt sich vielmehr um eine von den allgemeinen Einstufungsregeln abweichende Sondervorschrift, die - wenn ihre Anwendbarkeit feststeht - als abschließende Regelung auch allein maßgeblich bleibt (BSG SozR 3640 § 7 Nr 1).

Ein tatsächlich zurückgelegtes jahrzehntelanges Berufsleben kann aber dennoch nicht unberücksichtigt bleiben, wenn erst an dessen Ende über den Antrag auf BSchA zu entscheiden ist. In einem solchen Fall werden die nach § 7 Abs 1 Satz 2 BSchAV maßgeblichen Kriterien, die Veranlagung des Beschädigten und seine Fähigkeiten, auch nach den trotz der Schädigung tatsächlich gezeigten beruflichen Leistungen und Erfolgen zu bestimmen sein, sofern sie überzeugende Rückschlüsse auf den vermutlich erreichten Bildungsabschluss zulassen (aaO und BSG SozR 3-3642 § 9 Nr 3).

Der Bescheid vom 01.12.1980 ist rechtens. Eine Rücknahme dieses Bescheides gemäß § 44 SGB X kommt nicht in Betracht. Der Beklagte hat bei dem Erlass des Verwaltungaktes das Recht nicht unrichtig angewandt. Er ist auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Der Verwaltungsakt ist deshalb nicht für die Vergangenheit zurückzunehmen und über den BSchA ist nicht neu zu entscheiden. Der Beklagte ist in seinem angefochtenen Bescheid vom 11.03.1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1993 zu Recht davon ausgegangen, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass die Klägerin ohne Schädigungsfolgen das Berufsziel einer Kinderärztin erreicht hätte.

Zum einen ist die Klägerin nicht mit Wahrscheinlichkeit infolge der erlittenen Schädigung in ihrem beruflichen Werdegang behindert worden. Die Schädigungsfolgen waren nicht die wesentliche Ursache für den Nichtabschluss einer Hochschulausbildung. Die Schädigungsfolgen hätten die Klägerin nicht gehindert, in Bayern die Reifeprüfung abzulegen, die überhaupt erst eine Hochschulausbildung ermöglicht hätte. Dies ergibt sich für den Senat aus dem überzeugenden pädagogischen Gutachten des Sachverständigen D ... Der Sachverständige hat in kritischer Würdigung der vom Senat zur Verfügung gestellten Akten, insbesondere der ärztlichen Gutachten und Befundberichte, des Gutachtens des Dipl.Psychologen K. vom 10.03.1998 und der amtlichen Schreiben, der vorliegenden Schulzeugnisse und Schülerbögen sowie mehrerer Schreiben und Stellungnahmen der Klägerin festgestellt, dass der anerkannte Gehörschaden die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gehindert hätte, in Bayern eine höhere Schule zu besuchen und das Abitur zu machen. Der Sachverständige sieht die wesentliche Ursache für den Nichtbesuch weiterführender Schulen nicht in der Schwerhörigkeit der Klägerin als solcher, sondern in dem sozialen Umfeld der Klägerin, das sie nicht wegen ihrer Schwerhörigkeit gefördert hat. Dabei handelt es sich aber um allgemeine Lebensumstände, die den Schädigungsfolgen nicht ursächlich zugerechnet werden können. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Berufsschuljahr 1958/1959 nach den Ohroperationen die normale Umgangssprache der Lehrkräfte rechts auf 3 Meter und links auf 6 Meter Entfernung hören konnte, und deshalb in dieser Zeit eine begabungsgemäße Beschulung mit Einschränkungen möglich war. Diese Einschränkungen hätte die Klägerin bei der ihr eigenen Begabung - gute Leistungen im Absehen der Sprache vom Mund, enormer Fleiß und überdurchschnittliche Aufmerksamkeit - ausgleichen können. Die vom Sachverständigen veranlassten E-Mails von hörgeschädigten und gehörlosen Menschen zeigen, dass hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern nicht nur die Volksschule als Alternative in den 50 er Jahren geblieben ist. So besuchte bespielsweise Prof. Dr.G., mittel- bis hochgradig schwerhörig, von 1955 bis 1964 das Regelgymnasium und lehrt heute an einer deutschen Universität. Frau R., geboren 1954, von Geburt an gehörlos, besuchte das Regelgymnasium und ist heute Ärztin an einem Klinikum, Abt. für Psychisch Kranke und Hörgeschädigte. Der Sachverständige hat auch zu Recht auf die Möglichkeit des zweiten Bildungsweges hingewiesen, die die Klägerin nicht in Anspruch genommen hat. Dies wäre nach den Versäumnissen nach der Volksschulzeit eine durchaus realistische Alternative gewesen. Auch hätte sich mit einem gut angepassten Taschenhörgerät in den 50iger Jahren mit Knochenleitungshörern die Hörsituation entscheidend verbessern lassen, worauf auch der beratende HNO-Arzt der Beklagten, Dr.N. , in überzeugender Weise hingewiesen hat. So hat ausweislich der Beschädigtenakte bei der Kägerin im Jahr 1960 offensichtlich die Möglichkeit sowohl einer stereophonen Versorgung über die Luftleitung als auch die Versorgung mit einem Knochenleitungshörer bestanden. Zum anderen ist unter Berücksichtigung des von der Klägerin tatsächlich jahrzehntelang zurückgelegten Berufslebens - zunächst als kaufmännische Angestellte und dann als mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft - nicht davon auszugehen, dass sie ohne die Schädigungsfolgen vermutlich einen Hochschulabschluss erreicht hätte. Der von der Klägerin tatsächlich eingeschlagene Berufsweg lässt nicht den Rückschluss auf ein Hochschulstudium zu.

Es ist nach alledem für den Senat nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit belegt, dass die Schädigungsfolgen der Klägerin den von ihr im Jahr 1989 erstmals angegebenen beruflichen Aufstieg verhindert haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision iS des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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