L 8 KR 180/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 516/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 180/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 24/21 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2020 wird zurückgewiesen.    

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Im Streit steht die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die 1936 geborene Klägerin steht seit 1. März 2001 im Bezug von Altersrente und ist bei den Beklagten im Rahmen der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung sowie der hieran anknüpfenden sozialen Pflegeversicherung versichert. Seit dem 1. April 2002 erfüllt die Klägerin aufgrund einer Gesetzesänderung die zuvor nicht vorliegenden Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Nachdem sie von den Beklagten hierauf sowie die wesentlichen Unterschiede zwischen der KVdR und der bis dahin bestehenden freiwilligen Mitgliedschaft hingewiesen wurde, übte die Klägerin mit Erklärung vom 8. März 2002 ihr Wahlrecht dahingehend aus, in der freiwilligen Versicherung verbleiben zu wollen. Der monatliche Beitrag der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung wurde von den Beklagten nachfolgend unter alleiniger Berücksichtigung beitragspflichtiger Einnahmen aus den Rentenbezügen der Klägerin festgesetzt; zuletzt mit Bescheid vom 21. Juni 2016 mit Wirkung ab dem 1. Juli 2016 aufgrund der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Rentenanpassung auf insgesamt monatlich 93,22 €. 

Mit Bescheid vom 21. September 2016 änderten die Beklagten die Beitragsfestsetzung mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 ab und setzten unter erstmaliger Berücksichtigung beitragspflichtiger Einnahmen der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen i.H.v. 3.596,05 € den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung auf 638,74 € und zur Pflegeversicherung auf 96,38 € (insgesamt 735,12 €) fest. Zur Begründung der Änderung der Einstufung führten die Beklagten aus, dass das festzusetzende Einkommen der Klägerin bislang falsch beurteilt worden sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie sei als Rentnerin in der KVdR versichert und daher seien ihre privaten Einkünfte nicht zu berücksichtigen. Mit Schreiben vom 15. November 2016 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass aufgrund eines Rundungsfehler die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen falsch berechnet worden seien und sich zutreffend auf 3.596,04 € beliefen. Hieraus ergäben sich allerdings keine Auswirkung auf die Beitragshöhe. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 setzten die Beklagte mit Wirkung zum 1. Januar 2017 die monatlichen Beiträge zur Pflegeversicherung aufgrund des geänderten Beitragssatzes auf 104,58 € fest. Bei unverändertem Beitrag zur Krankenversicherung betrug die festgesetzte Beitragshöhe insgesamt 743,32 €. Mit Bescheiden vom 9. März 2017 wurde der Bescheid vom 22. Dezember 2016 abgeändert und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unter zusätzlicher Besichtigung des nunmehr bestehenden Anspruchs der Klägerin auf Witwenrente sowie der jeweils mitgeteilten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträgen mit Wirkung vom 1. Januar 2017 auf insgesamt monatlich 800,47 € sowie ab dem 1. April 2017 insgesamt monatlich 795,56 festgesetzt. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die in der Verwaltungsakte befindlichen Beitragsbescheide Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 wiesen die Beklagten den Widerspruch zurück. 

Am 30. März 2017 hat die Klägerin hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.

Im Laufe des Klageverfahrens sind die monatlichen Gesamtbeiträge von den Beklagten mit Bescheid vom 28. Dezember 2017 für das Jahr 2018 auf 809,31 €, mit Bescheid vom 16. Januar 2019 ab 1. Januar 2019 auf 852,20 €, mit Bescheid vom 23. Juli 2019 ab 1. Juli 2019 auf 853,07 €, mit Bescheid vom 10. Januar 2020 ab 1. Januar 2020 auf 880,90 €, mit Bescheid vom 19. August 2020 ab 1. Juli 2020 auf 881,29 € sowie mit Bescheid vom 13. Januar 2021 ab 1. Januar 2021 auf 909,11 € festgesetzt worden. 

Die Klägerin hat die Klage damit begründet, dass Aspekte des Vertrauensschutzes der Änderung der Einstufung durch die Beklagten entgegenstehen würden. Die Beklagten könnten die Änderung der Beitragseinstufung nicht auf eine Rechtsgrundlage stützen. Die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden § 48 SGB X seien nicht erfüllt, da es keine Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen gegeben habe; die Beklagte habe die bereits seit dem Jahre 2002 bestehende Einnahmesituation der Kläger der lediglich falsch beurteilt. Bei der Beratung zu einem möglichen Wechsel des Versicherungsverhältnisses im Jahre 2002 hätten die Beklagten zudem die tatsächlichen Nachteile der Fortführung der freiwilligen Versicherung gegenüber der Klägerin nicht deutlich genug aufgezeigt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Juni 2020 abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 21. September 2016 und 22. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 und des Folgebescheids vom 16. Januar 2019 seien rechtmäßig. Die Beklagten seien gemäß § 45 SGB X dazu berechtigt gewesen, mit Bescheid vom 21. September 2016 die Einstufung der Klägerin mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 zu ändern. Danach dürfe ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig sei unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Vorliegend sei die Beitragseinstufung der Klägerin durch die Beklagte bis zum 21. September 2016, zuletzt festgestellt durch Bescheid vom 21. Juni 2016, fehlerhaft gewesen. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB V werde die Beitragsbemessung für freiwillig Krankenversicherte einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Von den Beklagten sei zunächst nicht berücksichtigt worden, dass auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen beitragspflichtige Einnahmen im Sinne des § 240 SGB V und der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler seien. Insoweit sei der Bescheid vom 21. Juni 2016 rechtswidrig gewesen. Vorliegend sei von den Beklagten in dem Bescheid vom 21. September 2016 darauf hingewiesen worden, dass die bisherige Beitragseinstufung durch sie falsch beurteilt worden sei und sich daher die Einstufung zum 1. Oktober 2016 ändere. Damit sei es für die Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig erkennbar gewesen, dass von den Beklagten die vorherigen Bescheide betreffend die Einstufung der Klägerin vollständig aufgehoben worden sei. Des Weiteren sei auch die Frist des § 45 Abs. 3 SGB X eingehalten worden. Gemäß § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X könne ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Der Bescheid vom 21. September 2016, in dem die bisherige Einstufung der Klägerin aufgehoben wurde, sei drei Monate nach dem letzten Bescheid vom 21. Juni 2016 erfolgt. Der Rücknahme der bisherigen Beitragseinstufung der Klägerin stehe auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der bisherigen Entscheidungen der Beklagten entgegen. Die Regeltatbestände des § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X, bei deren Vorliegen das Vertrauen in der Regel schutzwürdig sei, seien hier nicht gegeben. Folglich sei gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X die Schutzwürdigkeit des Vertrauens durch eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsakts festzustellen. Im Rahmen der Abwägung sei zu beachten, dass es sich bei dem zurückgenommenen Verwaltungsakt um einen solchen mit Dauerwirkung handele. Im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung liege ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Rücknahme vor, da das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands durch die stärkere Belastung der Allgemeinheit höher einzuschätzen sei als bei der Gewährung einmaliger Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 P 8/01 R). Für das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin spreche insbesondere der Umstand, dass die aufgehobene Beitragseinstufung durch die Beklagten über einen langen Zeitraum bestanden habe und von den Beklagten über einen langen Zeitraum, trotz Kenntnis der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, an der fehlerhaften Einstufung festgehalten worden sei. Dennoch überwiege hier das öffentliche Interesse an der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts. Bei der Beitragseinstufung handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Durch die Nichtberücksichtigung von erheblichem Einkommen der Klägerin durch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sei eine erhebliche Belastung und Ungleichheit der Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten entstanden. Dieser Belastung und Ungleichbehandlung der Solidargemeinschaft könnten rein finanzielle Interessen der Klägerin nicht entgegengesetzt werden. Darüber hinaus sei zu beachten, dass vorliegend die rechtswidrige Beitragseinstufung der Beklagten durch Bescheid vom 21. September 2016 erst mit Wirkung zum 1. Oktober 2016, mithin mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben worden sei. Die Klägerin habe damit, trotz der in der Vergangenheit zu niedrig festgesetzten Beitragseinstufungen, keine Nachteile für die Vergangenheit erlitten. Letztlich hätten die Beklagten ihre fehlenden Ermessenserwägungen im Rücknahmebescheid vom 21. September 2016 gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X im Klageverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt, indem sie das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Herstellung des rechtmäßigen Zustands und der Gleichbehandlung mit anderen freiwillig versicherten Mitgliedern den Vorrang vor dem Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Begünstigung eingeräumt hätten. Soweit die Klägerin geltend mache, dass die seinerzeitige Beratung der Beklagten zu einem möglichen Wechsel des Versicherungsverhältnisses im Jahre 2002 nicht ausführlich genug gewesen sei, könne auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid von 14. März 2017 Bezug genommen werden. Das Gericht schließe sich den Ausführungen der Beklagten an, wonach die Informationspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin seinerzeit nur auf die aktuelle Gesetzeslage und nicht mögliche zukünftige Gesetzesänderungen beschränkt gewesen sei. Zudem sei die Klägerin durch die Beklagten darauf hingewiesen worden, dass Mieteinkünfte bei einer freiwilligen Mitgliedschaft im Gegensatz zu einer Pflichtversicherung beitragspflichtig seien. Die Klägerin habe sich gleichwohl explizit für den Verbleib in der freiwilligen Versicherung entschieden. Der Klägerin sei es seinerzeit unbenommen gewesen, weitergehende Beratungen und Vergleichsberechnungen in Anspruch zu nehmen.

Der Gerichtsbescheid ist am 10. Juni 2020 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 26. Juni 2020 am Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, das Sozialgericht habe in seiner Entscheidung zu Unrecht darauf abgestellt, dass die Änderung der Beitragsfestsetzung auf der Rechtsgrundlage des § 45 SGB X beruhe. Diese Bestimmung betreffe ausschließlich begünstigende Verwaltungsakte. Die Festsetzung von Beiträgen stelle allerdings keine Begünstigung dar. Die Änderung der Beitragsfestsetzung hätte daher nur aufgrund der Rechtsgrundlage des § 48 SGB X erfolgen können, dessen Tatbestandsmerkmale jedoch nicht erfüllt seien, da nach Erlass der ursprünglichen Beitragsbescheide keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten sei, welche die erfolgte Änderung der Beitragsfestsetzung hätte begründen können.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2020 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 21. September 2016, 22. Dezember 2016 und vom 9. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Dezember 2017, 16. Januar 2019, 23. Juli 2019, 10. Januar 2020, 19. August 2020 und 13. Januar 2021 insoweit abzuändern, als darin beitragspflichtige Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nehmen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug.

Der Senat hat die Entscheidung über die Berufung mit Beschluss vom 1. Dezember 2020 auf den Berichterstatter übertragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern ohne mündliche Verhandlung ergehen, da der Senat durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen hat (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG). 

Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main sowie die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. 

Das Sozialgericht hat zunächst zutreffend dargelegt, dass neben dem ausdrücklich mit Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 21. September 2016 sowie dem hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid auch die während des Verfahrens ergangenen weiteren Beitragsbescheide gemäß § 96 SGG zum Gegenstand der Klage geworden sind. Im erstinstanzlichen Verfahren wurden vom Sozialgericht allerdings die Beitragsbescheide vom 9. März 2017 und vom 28. Dezember 2017 nicht in den sinngemäß wiedergegebenen Antrag der Klägerin aufgenommen. Diese aktenkundigen, während des Verfahrens ergangenen Beitragsbescheide sind gemäß § 96 ebenfalls zum Gegenstand des Verfahrens geworden, was seitens des Senats bei der gebotenen Auslegung des Berufungsantrags entsprechend berücksichtigt worden ist. Gleiches gilt für die weiteren, im Berufungsverfahren ergangenen Beitragsbescheide.

In der Sache ist es für den Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht nicht zu beanstanden, dass seitens der Beklagten erstmals mit dem Bescheid vom 21. September 2016 sowie dann fortlaufend in den weiteren Beitragsbescheiden vom 22. Dezember 2016, und 9. März 2017 (diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017) sowie den während des gerichtlichen Verfahrens ergangenen Beitragsbescheiden vom 28. Dezember 2017, 16. Januar 2019, 23. Juli 2019, 10. Januar 2020, 19. August 2020 und 13. Januar 2021 die Einnahmen der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen bei der Ermittlung der Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt worden sind. Vom Sozialgericht wurde in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend auf die gesetzliche Regelung des § 240 SGB V sowie die darauf gestützten „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ hingewiesen, wonach bei der Beitragsbemessung unter anderem auf die einkommenssteuerrechtlich veranlagten Einnahmen freiwillig krankenversicherter Mitglieder aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen abzustellen ist. Die konkrete Höhe der jeweils von den Beklagten der Beitragsberechnung zugrunde gelegten Einnahmen der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen und die Höhe der hieraus resultierenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach Maßgabe der jeweiligen Beitragssätze wurde von der Klägerin mit ihrer Berufung nicht in Abrede gestellt und ist auch seitens des Senats nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid sowie in Ausführung des Sozialgerichts angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen werden.

Die Rechtmäßigkeit der Mitgliedschaft der Klägerin in der freiwilligen Krankenversicherung bzw. die Aufnahme der Klägerin in die KVdR war demgegenüber nicht Gegenstand des Bescheides vom 21. September 2016 sowie der nachfolgenden Beitragsbescheide. Die von der Beklagten hierzu gleichwohl gemachten Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 sind in der Sache nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat sich mit ihrer Wahlrechtserklärung vom 8. März 2002 eindeutig für die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung und gegen die Möglichkeit des Wechsels in die KVdR entschieden. Die Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung wurde anschließend von der Klägerin unbeanstandet bis zum Jahr 2016 durchgeführt. Dies wurde von der Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr in Abrede gestellt, so dass insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid zur fortbestehenden Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung nach entsprechender Ausübung des Optionsrechts gemäß § 9 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V verwiesen und auf die erneute Darlegung verzichtet wird.

Entgegen der Ansicht der Klägerin in der Berufungsbegründung bemisst sich die Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung der Einnahmen der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen im Rahmen der Beitragsfestsetzung ab dem 1. Oktober 2016 nicht nach § 48 SGB X, da der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht eröffnet ist. Die Änderung bestandskräftiger Verwaltungsakte richtet sich nach den Vorgaben der §§ 44 ff. SGB X. Insoweit erscheint zunächst schon fraglich, ob in dem Bescheid vom 21. Juni 2016 bzw. den vorangegangenen Beitragsbescheiden seitens der Beklagten überhaupt eine Regelung hinsichtlich der (Nicht-)Verbeitragung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträgen getroffen worden ist, welche durch den Bescheid vom 21. September 2016 bzw. die nachfolgenden Beitragsbescheide aufgehoben bzw. abgeändert worden ist. Dem Wortlaut des Bescheides vom 21. Juni 2016 lässt sich keine Regelung bezüglich der beitragsrechtlichen Relevanz der Einnahmen der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung sowie ihrem Kapitalvermögen entnehmen. 

Selbst wenn dem Bescheid vom 21. Juni 2016 implizit die Entscheidung der Beklagten beigemessen werden könnte, von der Verbeitragung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträgen abzusehen, waren die Beklagten berechtigt, diese rechtswidrige Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft abzuändern. Dabei ist zu beachten, dass die Aufhebung bzw. Abänderung von Bescheiden, die bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen sind, ausschließlich in den §§ 44 und 45 SGB X geregelt ist, während sich der Anwendungsbereich des § 48 SGB X auf die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung wegen einer Änderung der Rechts- oder Sachlage beschränkt (vgl. Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Stand: 23. März 2020, Rn. 46). Von der Klägerin wurde insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass hinsichtlich ihrer Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträgen und deren rechtliche Relevanz für die Beitragserhebung im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 21. September 2016 keine Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eingetreten ist, so dass der Anwendungsbereich des § 48 SGB X vorliegend nicht eröffnet ist. Hierauf kommt es vorliegend allerdings auch nicht an, da die Beklagten aufgrund der Regelungen der §§ 44 und 45 SGB X berechtigt waren, die Einnahmen der Klägerin bei der Beitragsberechnung ab dem 1. Oktober 2016 zu berücksichtigen. Soweit sich bei der Beitragsfestsetzung in dem vorangegangenen Bescheid vom 21. Juli 2016 mit der Rechtsauffassung der Klägerin um einen ausschließlich belastenden Verwaltungsakt gehandelt haben sollte, kann dieser ohne weiteres bereits nach der Regelung des § 44 Abs. 2 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden, ohne dass es hierfür der Beachtung der in § 45 SGBX geregelten Vertrauensgesichtspunkte bedarf. Danach ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, soweit nicht die in § 44 Abs. 1 SGB X genannten, vorliegend nicht einschlägigen Voraussetzungen für die Rücknahme rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit vorliegen. 

Allerdings handelt es sich bei der Nichtberücksichtigung gesetzlich relevanter Einnahmen im Rahmen der Beitragsfestsetzung um eine begünstigende Maßnahme, so dass es sich bei dem Bescheid vom 21. Juni 2016 - einen entsprechenden Regelungsgehalt vorausgesetzt - um einen Verwaltungsakt mit sowohl belastender Wirkung (Beitragsfestsetzung in Höhe von monatlich 93,22 €) als auch begünstigender Wirkung (Absehen von der Festsetzung von Beiträgen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträgen) handeln würde. Bei der Einordnung von Verwaltungsakten, die sowohl begünstigend als auch belastend sind, ist zunächst anhand des Verfügungssatzes zu überprüfen, ob es sich gleichzeitig um eine rechtliche Begünstigung und Belastung handelt oder die Begünstigung rein tatsächliche nachteilige Folgen zeitigt. Handelt es sich gleichzeitig um begünstigende und belastende Regelungen, ist weiter entscheidend, ob die Regelungen trennbar sind. Für diesen Fall muss der begünstigende Teil nach § 45 SGB X und der nicht begünstigende Teil nach § 44 SGB X zurückgenommen werden (Schütze in von Wulffen § 45 SGB X Rz 23; siehe dazu auch BSG Urteil vom 13. August 2014 - B 6 KA 38/13 R, juris). Handelt es sich um eine unteilbare Regelung mit begünstigenden und belastenden Elementen, ist das mit dem Rücknahmeverfahren verfolgte Ziel entscheidend: Wird eine Besserstellung erstrebt, weil die Begünstigung hinter dem Antrag des Ausgangsverfahrens zurückbleibt ist, hat eine Rücknahme nach § 44 SGB X zu erfolgen. Entsprechen Begünstigung und Belastung indessen dem ursprünglich gestellten Antrag und will die zuständige Behörde die Begünstigung zurücknehmen oder verringern, ist § 45 SGB X die richtige Norm für die Rücknahme. Im Zweifel dürfen gleichzeitig begünstigende und belastende Verwaltungsakte nur nach § 45 SGB X zurückgenommen werden, um den durch diese Vorschrift vermittelten Vertrauensschutz nicht zu unterlaufen (Schütze, in: von Wulffen, § 45 SGB X Rz 23, Merten in: Hauck/Noftz, SGB, 04/18, § 45 SGB X, Rn. 31-33).

Zu dem hiernach eröffneten Anwendungsbereich des § 45 SGB X ist vom Sozialgericht umfassend und zutreffend dargelegt worden, dass die von den Beklagten vorgenommene Regelung mit ausschließlicher Wirkung für die Zukunft nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 SGB X kein Vertrauensschutz der Klägerin entgegensteht und von den Beklagten auch die in § 45 Abs. 3 SGB X genannten Fristen eingehalten worden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auch insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug und verzichtet auf eine erneute Darlegung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung zur Hauptsache.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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