Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 7. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die begehrte gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des in der Erhebung des gerichtlichen Antrags auf Eilrechtsschutz vom 13. August 2021 zu sehenden Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Juli 2021 in der Fassung des Bescheides vom 2. September 2021 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht ergehen kann.
Rechtlicher Maßstab für die Beurteilung des vorliegenden Antrages ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Denn die in dem Bescheid vom 21. Juli 2021 in der Fassung des Bescheides vom 2. September 2021 verlautbarte Verrechnung iSd § 52 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) vollzieht sich in der Form eines Verwaltungsaktes (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 7. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R – juris – Rn 40; BSG – GrS – vom 31. August 2011 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4).
Der Widerspruch des Antragstellers hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG jedoch ua bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG ist indes nicht einschlägig (was zur Folge hätte, dass nur die aufschiebende Wirkung der – hier noch nicht erhobenen – Anfechtungsklage entfällt, nicht aber die des noch nicht abschließend beschiedenen Widerspruchs). Die „Anforderung von Beiträgen (…) einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten“ iSd § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfasst nicht nur die Geltendmachung einer Geldforderung, sondern alle Verwaltungsakte, die zur Realisierung des behördlichen Anspruchs auf Beiträge, Umlagen bzw öffentliche Abgaben ergehen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl § 86a Rn 13a; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht <LSG>, Beschluss vom 14. Februar 2011 – L 5 R 17/11 B ER – juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. März 2016 – L 1 R 471/15 B ER – juris; aA LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Juni 2016 – L 3 R 394/15 B ER – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2009 – L 21 B 1829/08 R ER – juris, wonach § 86a Abs. 2 Nr 3 SGG einschlägig sei). Die Verrechnung iSv § 52 SGB I stellt keine Herabsetzung oder Entziehung der Rentenleistung iSv § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG dar, sondern führt zur Erfüllung des geschuldeten Anspruchs auf Rentenzahlung im Umfang der Verrechnung (§§ 52, 51 SGB I, § 389 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>; vgl auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO Rn 14).
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch – wie hier – keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über diese Anordnung hat das Gericht zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen. Wegen des mit dem Verwaltungsakt verbundenen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen hat diese Abwägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Die für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist insoweit eine adäquate Ausprägung dieser Garantie und ein fundamentaler Grundsatz öffentlich-rechtlicher Streitverfahren in Anfechtungssachen. Allerdings gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist daher ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Der Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken. Geltung und Inhalt dieser Leitlinien sind nicht davon abhängig, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes einer gesetzlichen oder einer behördlichen Anordnung entspringt (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 21. März 1985 - 2 BvR 1642/83 – juris – Rn 19; Beschluss vom 10. April 2001 - 1 BvR 1577/00 – juris – Rn 13 mwN).
In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung daher in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernsthafte Zweifel liegen vor, wenn nach summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts- oder Tatfragen auslösen, also im Hauptsacheverfahren ein Erfolg wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO § 86a Rn 27a mwN). Dafür spricht die Erwägung, dass durch § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG im Wege einer typisierenden Abwägung das Vollzugsrisiko bewusst auf den Adressaten verlagert worden ist, also dem öffentlichen Interesse an dem Sofortvollzug der Vorrang gegenüber dem entgegenstehenden privaten Interesse eingeräumt wird. Ist ein Misserfolg wahrscheinlicher als ein Erfolg, aber die Klage nicht aussichtslos, oder sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten, wenn die Nachteile, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, gewichtiger gegenüber den Folgen wären, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO § 86b Rn 12 f). Ein solches Überwiegen der Nachteile ist unter Beachtung des in Art. 19 Abs. 4 GG niedergelegten Grundsatzes des Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes insbesondere gegeben, wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung des Verwaltungsaktes Nachteile entstehen oder ernsthaft drohen, die nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können.
Nach den genannten Grundsätzen erscheint ein Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher als ein Erfolg und ist jedenfalls derzeit mit der Verrechnung eine unbillige Härte für den Antragsteller nicht verbunden.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verrechnung bestehen nicht. Rechtsgrundlage für die vorgenommene Verrechnung ist § 52 SGB I. Danach kann der für die Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Antragsgegnerin - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig wäre. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird. Ob die vorausgesetzte Verrechnungslage (vgl § 387 BGB) bestanden hat, dh mit dem Anspruch des Antragstellers auf Zahlung von Altersrente und dem Anspruch der Beigeladenen auf Zahlung rückständiger Beiträge bzw Säumniszuschläge durch den Antragsteller sich gleichartige Geldleistungsansprüche gegenüber gestanden haben, die auch jeweils fällig und erfüllbar sind bzw werden, bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung. Indes spricht für das Bestehen einer Verrechnungslage, dass die Beigeladene die zur Verrechnung gestellte Forderung(en) mit Bescheid vom 29. Mai 2019 festgestellt hat und dieser Bescheid nach Auskunft der Beigeladenen bestandskräftig geworden ist. Es liegt auch ein entsprechendes Verrechnungsersuchen der Beigeladenen vor.
Bislang hat der Antragsteller auch nicht nachgewiesen, durch die Verrechnung hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII oder des SGB II zu werden. Nach der Bedarfsberechnung in dem bestandskräftigen Bescheid des Landkreises Oberhavel vom 10. Juni 2021 ergibt sich ein Gesamtbedarf iHv mtl 446,- € bei einem Renteneinkommen des Antragstellers (vor Verrechnung) iHv mtl 608,46 €. Die zuletzt ab 1. September 2021 vorgenommene Verrechnung iHv mtl 160,44 € stellt daher derzeit keine unbillige Härte für den Antragsteller dar. Soweit dieser sich darauf beruft, über den Regelbedarf hinaus zur Zahlung eines Mietzinses verpflichtet zu sein und Mietschulden zu haben, ergibt sich keine andere Beurteilung, da jedenfalls derzeit seine Unterkunft, die er mit einer Frau und deren Sohn teilweise gemeinsam nutzt, nicht gefährdet ist und mangels Beitreibung der behaupteten Mietschulden (seit Oktober 2017!) auch nicht erkennbar ist, dass der Antragsteller überhaupt einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt wäre oder ihm deshalb eine Kündigung drohte.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).